Montag, 19. Dezember 2011

Musik-Blogger-Award

Da hat mir die Imke doch kurz vor Weihnachten noch ein nettes Ei ins Blognest gelegt - einen "Musik-Blogger-Award" habe ich erhalten. Vielen Dank dafür!
Nun ist die Award-Manie auf Blogs ja eigentlich Kinderkram, aber die subjektive Auswahl und Verlinkung soll ja zum Kennenlernen und Vernetzen von Musik(er)-Blogs führen, wobei uns wohl am meisten die aus der klassischen Szene interessieren. Besser also so als über irgendeine Votinggeschichte. Wohin das führen kann, hat uns das Thalia-Theater Hamburg gerader wunderbar vorgemacht und die Pusherei bei der ING-DiBa um 1000 Euro fürs Vereinssäckel fand ich irgendwann auch nur noch skurril. Also pappe ich mir stolz meinen Award-Button in diesen Artikel...
bloggeraward_musik-1

...und berichte mal kurz über weitere Seiten, die einen solchen Award verdienen würden oder schlicht lesenswert sind:

1) als allererstes wird der Pokal zurück in den Ruhrpott geschleudert, denn die Dame, die das Ding vergeben hat, ist selbst aktive Musikerin und wohl die eifrigste Bloggerin die ich kenne - immer einen Besuch wert
2) Dann bekommt das "Bad Blog of Musick" der nmz natürlich eine Empfehlung (und zwar schon die zweite, denn auch die Flutepage nominiert das Blog)- so streitbar, kompetent und informativ und kommt wohl kaum ein Blog daher, was sich mit aktueller Musik beschäftigt - und es ist mittlerweile auch einer der konstantesten Internetauftritte in diesem sensiblen Bereich, wo bisher zumindest Foren und Blogs nach der Startphase mit 2,5 bis 3 Teilnehmern und 1,5 Beiträgen mangels Interesse auf "404 - Seite nicht vorhanden" geschaltet wurden.
3) thg - Vom Leben gelernt hat den Award natürlich ebenfalls verdient - auch wenn ihr Blog, wie meines auch manchmal, oft über die Musik hinaus ins Leben schießt. Da das bei Musikern ohnehin untrennbar verbunden ist, hier also die Leseempfehlung rauf nach Coschütz ;)
4) Alex Ross darf hier natürlich ebensowenig fehlen wie
5) Norman Lebrecht und...
6) Johannes Kreidler, der aus seiner Werkstatt berichtet, aber auch seitwärts Kunst betrachtet.
7) nicht ganz Blog, weil (noch) ohne Interaktion, aber immer aktuell mit einem gehörigen Fundus an bisherigen Dresdner Rezensionen, Features, Interviews aus den Federn der Musikjournalisten der Stadt: Musik in Dresden
8) unbedingt hierhin gehört auch die Platte 11 - ein Blog, das sich sehr umfangreich und in den Themen sehr kompetent nicht nur Vinyl und CDs widmet, sondern auch Features über Komponisten, Werke und weiteres aus der Kultur hat. Immer inspirierend zu lesen und meist auch mit Hörempfehlungen versehen.

Wer noch Tipps für Musikblogs hat, schreibe mir bitte, ansonsten hoffe ich, dass sich durch diese hübsche Aktion die Leser und Besucher auch fleißig vernetzen. Danke also an die "Flimbe" dafür.

In persönlicher Reflektion

Zweiter Teil des Weihnachtsoratoriums mit Christian Thielemann

Am Donnerstagabend konnten die Zuhörer in der Frauenkirche den zweiten Teil des Weihnachtsoratoriums mit der Staatskapelle Dresden unter Leitung von Christian Thielemann erleben. Die Kantaten 4-6 sind thematisch dem eigentlichen Weihnachtsfest nicht mehr ganz zugehörig, und doch sind Themen wie die Namensgebung, die Geschichte der Weisen und die Glaubensstärkung zugehörig vor allem im Sinne der persönlichen Reflektion, die in den Gottesdiensten der ersten Aufführungsserie in Leipzig eben durch Bachs Musik und Deutung in besonderer Weise gelang und sich bis heute fortsetzt.

Christian Thielemann suchte diese Botschaften in seiner Interpretation durch eine überwiegend forsche Herangehensweise darzustellen - das Klangbild war dem der ersten drei Kantaten ebenbürtig. Die Wirkung der einzelnen Sätze schien nun im Fortgang des musikalischen Ablaufs kompakter, da Thielemann klar definierte, oft sehr schnelle und wenig verrückbare Tempi wählte. Der Kammerchor der Frauenkirche gestaltete vor allem den ersten Chor "Fallt mit Danken" mit guter Zielsetzung, die beiden Eingangschöre der anderen Kantaten ließen im stetig schnellen Grundcharakter Flexibilität vermissen, dafür waren die Choräle sauber mit guter Textbetonung musiziert und von Thielemann auch als Kommentar oder Verinnerlichung abgesetzt.

In den Arien war deutlichere Emphase der musikalischen Ausgestaltung zu bemerken. Daniel Behle, der weiterhin als Evangelist überzeugte, hielt sich zu Beginn stimmlich auffallend zurück, um dann in der letzten Tenorarie "Nun mögt ihr stolzen Feinde schrecken" Überzeugung und Zuversicht auszustrahlen. Ein Glanzstück von Leichtigkeit waren auch die beiden Sopranarien von Sibylla Rubens, Christa Mayer war ihr im Terzett und den Rezitativen ebenbürtig. Hanno Müller-Brachmann übernahm in dieser Aufführung die Bass-Partie und deutete sie mit starker, manchmal zu theatralischer Gestaltung, das führte in "Erleucht auch meine finstre Sinnen" zu Unstimmigkeiten mit den Instrumentenpartien. Die Staatskapelle folgte Thielemanns Zeichengebung aufmerksam, das kraftvoll zupackendes Continuo ist ebenso positiv zu vermerken wie die erfreulich klangsinnigen Instrumental-Soli der Arien.

Dass Thielemann eine Finalwirkung konstruierte, indem er das letzte Rezitativ und den Schlusschoral im für die Trompeten gerade noch machbaren festlichen Duktus übereilte, mag Geschmacksache bleiben, wie überhaupt das Weihnachtsoratorium als Ganzes in diesem Aufführungszyklus zu Widerspruch und Diskussion aufrufen mag. Thielemanns Weihnachtsoratorium schreibt nicht die Bach-Rezeption neu, sondern ist als persönliche, sicher heutzutage ungewöhnliche Darstellung mit der aus einem "romantischen Ohr" interpretierten Musik im Fokus der Aufführung zu werten.

Interpretation mit Widersprüchen

Bachs Weihnachtsoratorium unter Christian Thielemann

"Thielemanns Weihnachtsoratorium", so frohlockte die Sächsische Staatskapelle vollmundig in der Ankündigung der Aufführung. Zum ersten Mal überhaupt widmete sich der designierte Chefdirigent der Kapelle einem Oratorienwerk von Johann Sebastian Bach. Der Slogan rückte den Interpreten in den Vordergrund, die Vermarktung für Radio und Heimkino stand bereit - das schürte Erwartungen. Am Donnerstagabend konnte sich das Publikum in der ausverkauften Frauenkirche von der Lesart Thielemanns der ersten drei Kantaten ein Bild machen. Von einer historisch informierten Aufführung ist nicht zu berichten - hier und da waren Elemente in die Interpretation eingeflossen, doch gerade die Kompetenz der Kapellmusiker in der Pflege des barocken Kulturgutes führte in Verbindung mit der Kompromisslösung modernen Instrumentariums und einer in den Phrasierungen nur punktuell zu beobachtenden Einigkeit zu unlösbaren Widersprüchen im Hörergebnis.

Thielemann suchte in den Kantaten Zusammenhang durch attacca-Übergänge zu schaffen, ihm geriet aber vor allem zur dritten Kantate hin der Mut zur Detailarbeit innerhalb der Sätze aus den Augen. Läßt man die Kapellmusiker mit minimalistischem Dirigat allein musizieren, so überträgt sich der Charakter des "Irgendwie" auch bis auf die Emporen. Gerade der Streicherklang ließ sich zwischen romantisierend-wulstigem Klang wie in der wenig prägnant strukturierten Hirtensinfonia oder in der Arie "Schlafe, mein Liebster" und ansatzweise realisierter Affektausgestaltung ("Lasset uns nun gehen") nicht auf einen Nenner bringen. Thielemanns Weihnachtsoratorium hat dafür reichlich dynamische Kontraste zu bieten, der Eingangschor war von Pauken und Trompeten stark dominiert.

Dieses oft von ihm terrassenartig eingesetzte Stilmittel reichte vor allem für den Chor kaum aus: der Kammerchor der Frauenkirche musizierte brav nach Dirigat mal laut, mal leise, wirkte aber in den Kantaten zwei und drei zu forciert und ohne erkennbare Linienführung, die zu Beginn besser ausgeprägt war. Auch in den Chorälen war keine Konzeption zu erkennen: mal wurde Bedeutung hineingeholt, mal flächig durchmusiziert, ohne dass sich ein Bezug zum Fortgang des Werkes herstellte. So war im Hörergebnis nicht nachvollziehbar, dass die Textausdeutung, und damit die Erzählung der Weihnachtsgeschichte in der Anordnung Bachs im Vordergrund von Thielemanns Sichtweise stand.

Es reihten sich mehr oder weniger überzeugende musikalische Einzelerlebnisse aneinander. Die Solistenbesetzung konnte den unklaren Gesamteindruck nicht verbessern. Auch hier gab es eine Diskrepanz in der jeweiligen Erfahrung und der individuellen Umsetzung der Bachschen Musik. Daniel Behle (Tenor) fand da als Evangelist genau das richtige Maß zwischen Einfühlung und Distanz der Erzählrolle, kundig vom stets hellwachen Continuo um Johannes Wulff-Woesten begleitet. Christa Mayer (Alt) agierte zumeist geschickt, um ihre große Opernstimme für diese Musik einzurichten. Ihre Arie "Schließe, mein Herze" fiel vor allem wegen Kai Vogler (Violine), dessen sämig vorgetragenes Solo im Stile einer "Pièce" des 19. Jahrhunderts nicht nur gegenüber Mayers Gesang zu dominant war, sondern auch stilistisch ausbrach. Florian Boesch (Bass) wiederum hätte von Behle einiges an Geschmeidigkeit übernehmen können, konnte sich aber durch übertriebene Gestaltung und herausgestemmte Spitzentöne keine Meriten erwerben.

Es blieb an Sibylla Rubens (Sopran), den Geist der Weihnacht auch durch eine musikalische Umsetzung hervorzuzaubern - wie sie den wenigen Noten des Engels und der weltbejahenden Energie des Duetts "Herr, dein Mitleid" natürlichen, ganz aus Bach heraus verstehenden Charakter gab, das war ein plötzlich aufleuchtender Stern dieses Weihnachtsoratoriums. Bachs Musik braucht starke, kompetente und vor Begeisterung brennende Interpreten - dass das vielfach unterschätzte und komplexe Oratorium einzig durch die von Thielemann im Vorfeld als Hauptattraktion benannte Unschuld und Naivität eine auch emotional nachvollziehbare musikalische Spannung und Dramaturgie erhielt, war nach der Aufführung in der Frauenkirche zu verneinen.

Klangfarben im Mittelpunkt

Konzert des KlangNetz-Projektensembles in der Musikhochschule

Seit vier Jahren hat das an der Musikhochschule beheimatete "KlangNetz Dresden" mit verschiedenen Partnern in der ganzen Stadt für neue Klänge gesorgt. Ein wichtiger Spross dieser Aktivitäten ist das "KlangNetz Projektensemble", dessen erstes Konzert im Mai 2008 im Kleinen Haus von Hans Zender geleitet wurde. Am Donnerstagabend fand ein Konzert des Ensembles im Konzertsaal der Musikhochschule statt, wobei die hinter den Darbietungen stehenden Grundideen der Vernetzung auch hier umgesetzt wurden: mit dem Österreicher Beat Furrer war eine wichtige Stimme der Musik der Gegenwart ausgewählt worden, der komponierend und interpretierend tätig ist - sein von ihm gegründetes Ensemble "Klangforum Wien" hat sich einen international hervorragenden Ruf erarbeitet.

Furrer leitete am Tag der Aufführung Workshops in der Hochschule und stellte im Konzertsaal je zwei Werke aus eigener und fremder Feder vor. Im Kammerensemble herrscht ein ungezwungenes Miteinander aus Studenten und Musikern der Dresdner Philharmonie. Kaum ist auszumachen, wer hier den besseren "Riecher" für die modernen Klänge hat, eher freut man sich, dass sich hier auch immer wieder eine offene, die Werke positiv befördernde und professionelle Gemeinschaft gebildet hat. Allen Stücken war zu eigen, dass sie trotz einer nicht immer leicht verständlichen kompositorischen Struktur den Weg zum ungeübten Ohr über die Arbeit mit der Klangfarbe finden.

Furrers "Xenos" aus der Umgebung des Musiktheaters "Wüstenbuch" ist vom Eindruck der Imam-Gesänge in Istanbul geprägt, ohne dieses Wissen muss man aber genau hinhören, um diese vokalen Ursprünge und deren instrumentale Umsetzung auszumachen. Vor allem aber wirkt hier ein sehr emotionaler, direkter Umgang mit den Farben des Instrumentalensembles, am Schluss zaghaft in Melodiefragmente mündend. Dankbar und bewegt war man auch von der Aufführung von "Bouchara" des Franko-Kanadiers Claude Vivier, dessen Werke sehr selten gespielt werden. Verrückt scheint, dass bei aller Flut von neuer Musik allenorten ausgerechnet diese Musik sofort eine tiefere Ebene öffnet, die Weghören unmöglich macht. Dafür sorgte auch der unablässige vokale Strom, den die Sopranistin Maria Perlt klangsinnig mit den Instrumenten erzeugte. Beat Furrer steuerte im Dirigat hier ebenfalls emotionale Impulse bei, die eine eindrucksvolle Interpretation formten.

Anton Weberns "6 Orchesterstücke" erklangen nach der Pause in einer Kammermusikfassung, deren Qualität eigenständig sein mag, aber interessanterweise gerade wegen der doch ganz anderen Wirkung etwa beim Austausch von Harfe und Klavier die Frage nach Original und Bearbeitung stellt. Zum Abschluss stellte Beat Furrer sein "Konzert für Klavier und Ensemble" vor, das der Solist Sang-Min Han ohne äußerliche Zeichen von Anstrengung souverän und rhythmisch prägnant bewältigte. Griffig und von Hochspannung getragen war dies eine Tour de Force, die von zahlreiche Spiegelungen durch ein zweites Klavier und dem auskomponierten Resonanzkörper in den Instrumenten bestimmt wurde. Der spannende Konzertabend fand reichlich Zustimmung beim Publikum und Initiator Jörn Peter Hiekel konnte mitteilen, dass die Ensemblearbeit auch nach dem Ende des Projektes des Netzwerk Neue Musik fortgesetzt wird - der Fortbestand des "KlangNetz Dresden" ist ein Bekenntnis für die Lebendigkeit aktueller Musik in der Stadt, die hoffentlich weiterhin auf so hohem Niveau fortgeführt wird.

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