Donnerstag, 5. Mai 2011

Eine runde Sache mit Ecken und Kanten

10. Sinfoniekonzert der Staatskapelle mit einer Uraufführung von Johannes Maria Staud

Es brauchte in dieser Saison etwas Geduld - nachdem der Capell-Virtuos Rudolf Buchbinder seine Residenz in Dresden schon abgeschlossen hatte, konnte Orchester und Publikum zum 10. Sinfoniekonzert auch den Capell-Compositeur dieses Jahrgangs begrüßen, den Österreicher Johannes Maria Staud. Gleich drei neue Werke werden bis Saisonende bei der Kapelle erklingen - das ursprünglich für den Beginn der Saison gedachte Preludio "Tondo" wurde von der Sächsischen Staatskapelle unter Leitung von Christoph Eschenbach uraufgeführt und wird auch auf der nun folgenden Tournee durch europäische Konzertzentren im Gepäck sein.

"Tondo" ist trotz seiner klanglichen Kanten und Ecken eine "runde Sache", denn das Stück bezieht seinen Reiz aus der absichtsvoll vom Komponisten gewählten Kreisform, die auch beinhaltet, dass das Stück eigentlich kein Ende hat. Doch der Fluss der Zeit macht vor einem Konzertwerk nicht halt (auch das Orgelstück "as slow as possible" von John Cage in Halberstadt wird in 639 Jahren ein Ende haben), und so entschied sich Eschenbach für eine kurze Abrundung in Form der Wiederholung des ersten Teils des neuen Werkes. Da hatte das Publikum allerdings schon größtenteils abgeschaltet, und am dürftigen Applaus war leider nur zu deutlich spürbar, dass das Semperoper-Publikum am Sonntagvormittag kaum an einer lebendigen Auseinandersetzung mit der Musik unserer Gegenwart interessiert ist. Dabei war die Aufführung sehr engagiert und farbenreich - Staud versteht es sich mit dem Instrument Orchester auszudrücken und klare Klangsituationen zu komponieren, die oftmals im Untergrund mit einer welligen Unruhe einhergehen. Daher ragten besonders die stillen, gehaltenen Töne aus diesem Eröffnungsstück heraus.

Sehr scharf war dann der Übergang in bekanntere Klangwelten: Robert Schumanns Cellokonzert a-Moll stand auf dem Programm. Manchem dürfte aufgefallen sein, dass auch dieses Stück schwer zum Mitsingen oder genießerischen Zurücklehnen geeignet ist. Was Staud von seinen Zuhörern fordert, ist bei Schumann nicht minder anspruchsvoll: dieses Konzert will nachvollzogen werden, und es braucht einen hervorragenden Solisten, der es zum Sprechen und Singen bringt. Der junge Cellist Leonard Elschenbroich stellte sich erstmals in einem Kapell-Konzert vor, konnte aber trotz selbstbewusster Herangehensweise nur dann überzeugen, wenn großbögige Melodik im Vordergrund stand. Elschenbroich agierte zwar immer hochmusikalisch in der Phrasierung, aber die Interpretation war stellenweise zu sehr von Überlegung und augenblicklicher Emphase geprägt. Doch wird man von dem Cellisten hoffentlich noch viel hören - die Hindemith-Zugabe zeigte großes Potenzial mit zupackender Gestaltung.

Im zweiten Teil des Konzertes bejubelte das Publikum Christoph Eschenbachs Darstellung der 1. Sinfonie c-Moll von Johannes Brahms - für den in der Spätromantik verwurzelten goldenen Klang der Kapelle ist es ein höchst dankbares Werk, bei dem Eschenbach keine Mühe hatte, die tiefgehende Wärme des Klanges auszubalancieren. Dem stand in den Ecksätzen eine große Energie gegenüber, die sich frei entladen durfte. Die Mittelsätze musizierte Eschenbach mit Raffinesse; Kai Vogler (Violine) und Robert Langbein (Horn) steuerten wunderbare Soli bei. Extreme Ausdruckswelten und Tempi vermied Eschenbach und fand stattdessen wunderbar atmende Übergänge. So wies die Sinfonie trotz rasanter Coda im Finale eine Erdung auf, die fast ein romantisches Idealbild zeichnete. Auszusprechen verbleibt der Wunsch, dass die Musik lebender Komponisten ebenso eine solche Selbstverständlichkeit und Tiefe in Rezeption und Wahrnehmung verdient hat - der Capell-Compositeur ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Wenig Trauer bei Haydn

"Spiegelungen"-Konzert der Sinfonietta Dresden

Verhext - dieses Wort benutzt man oft angesichts eines unerklärlichen Umstandes. Auch den Veranstaltern des letzten Sinfonietta Dresden-Konzertes dürfte das Wort über die Lippen gerutscht sein angesichts des leider nur spärlichen Besucherzustroms in der Dreikönigskirche am Sonnabend. Im doppelten Sinne verhext war es wohl, weil der Vorabend zum 1. Mai traditionell von vielerlei Feiervolk bestimmt wird - vielleicht hätte das Thema "Trauer" des halbjährlich stattfindenden Zyklus "Spiegelungen" der Sinfonietta dann doch besser ins November-Programm gepasst. Dennoch: die Zuhörer erfreuten sich wiederum eines anspruchsvollen Konzertes, das architektonisch gleich mehrere Bögen schlug zwischen Ländern und Zeiten, Literatur und Musik, Klassik und Moderne.

Die Präsenz der "Trauer" als Thematik war indes marginal, selbst in der so bezeichneten 44. Sinfonie e-Moll von Joseph Haydn ließ sich maximal die Tonart und der langsame Satz damit konnotieren, der Rest ist funkensprühender Sturm und Drang. Damit gelang der Bogen zum Beginn, denn mit einem ebenso bunten Werk startete die Sinfonietta: das 2001 entstandene Saxophonkonzert des Isländers Steingrimur Rohloff (geb. 1971) war trotz avancierter Klangsprache höchst abwechslungsreich - scharfe Schnitte und abrupt beendete Entwicklungen bestimmten das Werk, das aber immer wieder kleine Ruheinseln ausbreitete. Der hervorragende Solist Sascha Armbruster verstand es, seinen Solopart insbesondere mit seinem Double an der Klarinette zu verschmelzen. Ekkehard Klemm fügte mit übersichtlichem Dirigat eine Gesamtbalance hinzu, die Spannung trug und das Werk auch im Kirchenraum adäquat darbot.

Schön, dass es wieder eine Uraufführung mit einer Dresdner Verbindung gab - die Komponistin Annette Schlünz kehrt immer wieder einmal mit neuen Werken an ihren einstigen Studienort Dresden zurück. Ihre "Spuren)(Suche" war ein sehr sensibel tastendes Werk mit melancholischer Grundstimmung, das eher im Finden von Klangsituationen kreiste als fertige Formen anbot. Wenn hier schon literarische Subtexte aufschienen, so war die Rezitation von Texten von Oscar Wilde durch den Schauspieler Tom Quaas eine weitere Bereicherung des Konzertes - auch hier war weniger Trauer das Thema als vielmehr Menschlichkeit, die anrührte.

Ekkehard Klemm musizierte zum Abschluss die Haydn-Sinfonie mit Detailreichtum und jederzeit gut phrasierten Themen. Das gute Miteinander im Orchester angesichts der Vielzahl an Herausforderungen, die die Partituren dieses Abends stellten, ist bemerkenswert und macht diese Konzertreihe des in Dresden auch in Kirchenkonzerten stets aktiven Ensembles so wertvoll.

Akustische Filme

Studio für Elektronische Musik der Hochschule präsentiert sich im Konzert

Kleine und feine Konzerte mit Studierenden der Hochschule für Musik kann man fast täglich und zumeist kostenlos im Konzertsaal in der Schützengasse erleben. Am Donnerstag stellten sich Kompositionsstudenten mit elektronischen Arbeiten vor, seit Jahren besitzt die Dresdner Hochschule ein hervorragend ausgestattetes Studio für Elektronische Musik (Leitung Prof. Franz Martin Olbrisch), das in das Studium der Kompositionsstudenten integriert ist und vielfältige Möglichkeiten bietet.

Hinzu kommt der Konzertsaal als hervorragender Präsentationsort mit ebenso professionellem Equipment. Hier sollte die Hochschule aber baldmöglichst auch Schritte gehen, um interessiertes Publikum und Partner jenseits der Hochschule zu gewinnen, schließlich hat die Kombination aus erstklassigem Saal und auch die hohe Qualität der Kompositionen beste Voraussetzungen, um etwa ein wichtiger Aufführungsort für Klangkunstexperimente zu sein, die z. B. auch mit bildender und performender Kunst Verbindungen eingehen könnten.

Natürlich lassen sich im laufenden Studium eher kleine Projekte realisieren und man merkte den Stücken an, dass sich deren Urheber gerade mit dezidierten musikalischen Aspekten und Ästhetiken auseinandersetzten. So beleuchtete Johannes Voits "inTERjection" einen Zustand der vokalen Artikulation, die genau auf der Schwelle zur Sinngebung steht: Silben und Äußerungen fügten sich zu Situationen, ordnend von der Elektronik unterstützt. Hans Martin Baumgärtel ging da mit noch wissenschaftlicherem Eifer heran und reduzierte Laute auf Phoneme und Geräuschmaterial einer E-Gitarre - Konzentration der Struktur war auch hier das Maß der Dinge.

Neele Hülcker untersuchte in "Sie sind ja ein richtig kleines junges Fräulein" Aspekte von Kitsch im Gehörten, wurde allerdings von ihrer eigenen Klangauswahl überrumpelt, denn bis eine Gruppe von Zuhörern Kitsch im Klangangebot als solchen ausmacht, gehören viele Faktoren hinzuaddiert; die emotionale und soziologische Konditionierung läßt sich über Elektronische Musik eben noch nicht ganz beherrschen. Doch Elektronische Musik kann den Hörer herrlich entführen, ganz legal und doch in Grenzbereiche und Abgründe hinein: Jakob Gilles "Akoi Vibe" hätte das Zeug, sich installativ auch in die Clubszene einzumischen und dürfte auch VJs oder Filmemacher anregen, denn hier lief ein außerordentlich gut gemachter Akustikfilm mit überraschenden Überblendungen und Nachhörem im vermeintlich Populären ab, sorgfältig und mit dramaturgischem Gespür wurden die einzelnen Materialien begutachtet und fast zu einem Story-Board geschichtet. Tobias Eduard Schicks "Lost in Viola" war wiederum eine Studie mit Live-Elektronik, Katharina Vogt verschwand mit der Bratsche fast hinter den riesigen Notenblättern, und bevor das im pp-Bereich suchende Stück sich musikalisch auf eine Form oder Tönen festlegen wollte, war es auch schon wieder vorbei.

Übungen im Flächenbrand

Johannes Maria Staud stellt sich als Capell-Compositeur vor

Der aktuelle Capell-Compositeur der Sächsischen Staatskapelle ist der österreichische Komponist Johannes Maria Staud (geb. 1974), dessen Orchesterwerk "Tondo" im nächsten Sinfoniekonzert am 1. Mai uraufgeführt wird. Staud unterhielt sich mit Alexander Keuk über seine neuen Werke, die er in Dresden vorstellt.

Wie fühlt man sich als Capell-Compositeur der Sächsischen Staatskapelle?
Der Ruf kam ja schon vor einigen Jahren, noch zu Luisis Zeiten und ich bin sehr glücklich darüber, denn bei dieser Residenz hat man als Komponist die Chance sich in verschiedenen Besetzungen zu artikulieren. Man ist nicht ausschließlich mit Neue-Musik-Spezialisten konfrontiert, sondern mit Musikern, die eine eigene Klang-Geschichte mitbringen.

Wie haben Sie sich dem Orchester und dem Kompositionsauftrag genähert?
Ich habe mehrere Konzerte der Staatskapelle auf Gastspielen in Wien gehört. Mich interessierte dieser spezielle, runde, sehr balancierte Klang des Orchesters, insbesondere für das Repertoire der deutschen Romantik. Dabei bleibt es aber nicht stehen, und der "Capell-Compositeur" beweist, dass man hier nach vorne schaut, es ist lebendige Musikgeschichte, die eben nicht museal ist. Es ist also eine absolute Freude für mich, für dieses Orchester zu komponieren.

Schreiben heutige Komponisten noch gerne für den Apparat „Orchester“?
Das Komponieren für Orchester beschäftigt mich schon seit sehr langer Zeit und es ist und bleibt interessant für mich. Es ist ein Klischee, dass man heute sagt, für Orchester schreiben ist anachronistisch. Egal was ich als Komponist mache, ich stehe immer in einer Tradition. Für die Staatskapelle zu schreiben, heißt für einen Klangkörper schreiben, der auf einem unglaublich hohen Perfektionsgrad agiert und viele individuelle Stärken mitbringt.

Denkt man da auch an sein Publikum?
Ich denke nicht an das Publikum, ich denke an die Musik, die ich schreiben will und muss. "Das Publikum" existiert ja so gar nicht, das ist eine Vielzahl von Individuen mit unterschiedlichen Geschmäckern.

Gab es eine Grundidee für „Tondo“, ihr neues Orchesterwerk?
Die Grundidee war ein "warmer Klang", den es auch so in Dresden gibt: Hörner, Klarinetten, hohe Celli - vielleicht stand da die eher lichte, positive Frühromantik ein wenig Pate - Weber wäre ein gutes Beispiel, Mendelssohn wäre ebenfalls ein Beispiel dieser kultivierten Romantik - ich habe dann mein Stück um einen Hörnerklang gruppiert, sozusagen um diese Mitte herumgeschrieben. Außerdem ist die Form ebenfalls rund: "Tondo" heißt rund, das Stück ist kreisrund und es ist so komponiert, dass es entweder endet oder dass es von vorne beginnt - man spielt, so lange es einen freut.

Wie fließen diese Bezüge zur Romantik in ihr Stück ein?
Nein, das muss dann wieder weg. Diese Musik ist mir natürlich ästhetisch sehr fern. Sie inspiriert mich, und ich höre diese Musik gerne, aber ich zitiere sie nicht, ich bin auch kein Neoklassizist. Interessant finde ich diese Aussage des „deutschen Klangideals“, man vergisst dabei leicht, wie kosmopolitisch ja schon Mozart war - Musik, wenn sie interessant sein will, verkriecht sich nicht in ein völlig banalisiertes Bild von kultureller Tradition, das funktioniert nicht.

Was bringen Sie außerdem Neues nach Dresden mit, es gibt ja an der Hochschule eine ganze Projektwoche mit Ihnen?
Neben "Tondo" gibt es das Monodram, das im Juni uraufgeführt wird, außerdem ein Fagott-Solostück für Joachim Hans, das im Kammerabend vorgestellt wird und mehrere Stücke an der Hochschule. Ich bin glücklich, dass ich für das Monodram den großen Schauspieler Bruno Ganz als Sprecher bekommen habe - das Stück heißt "Riss durch den Tag" mit einem sehr persönlichen Text von Durs Grünbein, es geht um das Leben in den Städten nach den großen Katastrophen, über den Umgang mit der Geschichte, Entmündigung des Bürgers, Flucht in schnelle Vergnügungen, Zerstreuungskultur - Durs legt politisch den Finger in die Wunde, es ist keine Oper, eher ein Zwitterwesen, ein Monolog mit Musik.

Erfindet sich der Komponist Staud mit jedem Stück neu?
Ja, man hat natürlich seinen Stil, ich schreibe Kammermusik nicht anders als für Orchester und ich will ich mich auch nicht wiederholen. Das Fagott-Solostück - das ist eine Tour de Force, ich gehe da bewusst an Grenzen, erforsche die Virtuosität des Fagottes - Joachim Hans stürzt sich mit Feuereifer hinein. "Celluloid", der Titel des Stückes hat eine stoffliche Komponente, ich denke da sofort an eine alte Filmrolle, das Fagott ist kein "Digitalfilm" in diesem Sinn. Celluloid brennt auch sehr gut - und vielleicht ist mein Stück eine kleine Übung im Flächenbrand....

Kann man Komponieren lernen? Oder was lernt man da heutzutage im Meer der vielen künstlerischen Handschriften?
Was man erlernen kann, und das ist nicht zu unterschätzen und auch wieder eine ganz aktuelle, wichtige Sache, das ist das Handwerk. Die Wiederentdeckung eines gut gemachten Dinges, das kann man erlernen. Handwerk einsetzen, um neue Klänge für sich authentisch zu schreiben, Handwerk nicht als Ballast, sondern damit etwas neues zu machen. Ein Instrument wurde ja ursprünglich auch gebaut um schön zu klingen, aber damit hört es ja nicht auf, die Spieltechniken wurden ja ständig erweitert - gerade das Fagott wurde ja noch einmal im 20. Jahrhundert richtig modernisiert, so bleibt das lebendig.

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Konzerte mit Johannes Maria Staud
siehe auch http://www.staatskapelle-dresden.de/konzertsaison/capell-compositeur/

10. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle
"Tondo", Preludio für Orchester (UA), Dirigent Christoph Eschenbach
1.5.11, 11 Uhr / 2.5.11 20 Uhr / 3.5.11 20 Uhr

Hochschule für Musik
4.5.11 Symposium 15-18 Uhr, Porträtkonzert 19.30 Uhr

Konzert in der Gläsernen Manufaktur
"Riss durch den Tag" - Monodram (UA)
Bruno Ganz, Sprecher / Asher Fisch, Dirigent
4.6.11, 20 Uhr / 5.6.11, 11 Uhr

8. Kammerabend der Staatskapelle
"Celluloid" für Fagott Solo
7.6.11, 20 Uhr

Ideal des schönen Klanges

Mozart und Bruckner im philharmonischen Zykluskonzert mit Karl-Heinz Steffens

Man möchte meinen, das Klarinettenkonzert A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart ist hinlänglich bekannt und als Klassik-Highlight ohnehin ständig zu hören, doch auf Dresdner Konzertpodien war es länger nicht präsent. So hatten die Zuhörer der Philharmonie einmal Gelegenheit, es wieder frisch in die Ohren zu bekommen. Der ehemalige Klarinettist der Berliner Philharmoniker Karl-Heinz Steffens, der seit 2007 eine enorme Karriere als Dirigent gemacht hat, war sowohl Solist als auch Leiter der Aufführung im 8. Zykluskonzert und brachte seine Erfahrung in die Interpretation ein.

Steffens Grundkonzept ließ das Mozart-Konzert weich und nobel erscheinen. Allerdings war dieser Ansatz durch alle drei Sätze so konsequent durchgeführt, dass dies an vielen Stellen eher zu einem Eindruck von nicht genutztem Potenzial an Farbmöglichkeiten und Konturen führte. Steffens selbst spielte den Solopart immer mit ruhiger Ausgestaltung und feinen Nuancen in den leisen Registern des Instrumentes. Im 1. Satz brauchten die Philharmoniker einige Zeit, um zu gemeinsamer Ausführung zu kommen, was möglicherweise gegen die These spricht, dass Solist und Dirigent alle Aufgaben in einer Person genügend abdecken können. Das Adagio hingegen hatte kein definiertes Tempo und war einem "molto largo" oft gefährlich nahe. Die Ästhetik der Zurücknahme dominierte auch den 3. Satz, ein zupackendes Tutti fehlte sogar dem Schluss.

Vielleicht hatte Steffens die Gegenüberstellung mit der 4. Sinfonie Es-Dur, der "Romantischen" von Anton Bruckner auch derart mit Bedacht gewählt, weil dem streng verfolgten Ideal eines mozartschen Schönklangs nun im Kontrast eine wahre Farbexplosion der Instrumente folgte. Steffens' Zugang zu dieser Sinfonie überraschte in mehrfacher Hinsicht und führte zu großem Jubel des Publikums. Der Dirigent gab sich weder der Aufführungspraxis des hingebungsvollen Gottesdienstes hin, noch fabulierte er in die Vierte seelische Abgründe hinein, die dort nicht hingehören. Stattdessen hatte die Aufführung eine fast unerhörte Selbstverständlichkeit der Musikalität, was sich in einem flüssigen, niemals übersteigerten Grundpuls äußerte und zu freiem, dennoch intensiv von Steffens gefördertem Spiel der Gruppen und Soli führte.

Exemplarisch sind die solistischen Melodieentfaltungen des 2. Satzes zu nennen, zudem ein vortreffliches 1. Horn und ein absolut runder Blech-Satz mit nötiger Kraft, die aber transparent und rhythmisch gut im Gesamtklang eingebettet war. Die Inszenierung dieser Sinfonie als fast frühlingshaft positives Stück mit all ihrer Stärke im Auskosten von Entwicklung, Steigerung und absoluter Ruhe im 2. Satz war völlig überzeugend und fand im Finale einen majestätisch strahlenden Abschluss.

mehrLicht

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