Sonntag, 9. März 2014

Traum LXXX

Ich bin in einem großen, aber verwinkelten Probenraum und will wieder Fagott spielen. Mir fehlt allerdings das Rohrblatt und ich bin traurig. Ein anderer Fagottist gibt mir eines aus seiner Sammlung und meint, er würde damit immer den "Ring" spielen, aber derzeit stehe der ja nicht auf dem Programm. Ich sitze dann vor einer großen Tafel, die mir das Zusammenbauen des Fagotts erklärt, eine ziemlich absurde Zusammenstellung, man muss hinter den S-Bogen auch noch Papier klemmen und ähnliches mehr. Ich komme nicht zum Spielen, da ich mit dieser Bauanleitung beschäftigt bin. Währenddessen wechselt die Szenerie - ich bin nun in einer Chor-Orchesterprobe, die Teilnahme am Chorprojekt hatte ich abgesagt und frage den Leiter, ob ich denn stattdessen Fagott spielen könnte. Nein, A. spielt Fagott - ich werde abgelehnt. Ohnehin ist diese Probe offenbar vorbei, ich verbleibe allein in dem großen Raum. Am Klingeln höre ich, dass es die Hochschule ist, die nun schließt. A.O. ruft an und fragt nach ihrem Portemonnaie, das ich suchen und ihr mitbringen soll. Ich merke, dass der ganze Raum voller "Zeug" ist, überall liegen Taschen, Klamotten, auf den Fensterbänken viel kleiner Tand und auch mehrere Portemonnaies. Statt A. habe ich nun T. am Telefon, ich solle das Portemonnaie suchen. Nach langer Suche finde ich es - draußen höre ich Schritte, ein Wachdienst mit Taschenlampen kommt herein und sagt mir, ich solle verschwinden. Hinter dem Wachdienst folgt eine Putzkolonne, mittendrin O., die entschuldigend erklärt, ihre Tante sei Putzfrau. Ich verlasse das Haus mit dem Portemonnaie, auf dem fein säuberlich innen ein Klebestreifen mit Namen und Adresse von T. angebracht ist. [hier Ende]

Freitag, 7. März 2014

Orphische Gesänge von Beethoven, Liszt und Strauss

Radu Lupu und Christian Thielemann im Kapell-Konzert

Mal hat er eine Lyra oder Laute, später sind es Harfen und Geigen, die seinen Gesang verkörpern, oder er tritt gleich in persona in den ihm gewidmeten Opern in Erscheinung: die mythische Gestalt des Orpheus hat Künstler in allen Epochen beschäftigt - von "orphischen" Klängen war auch das 7. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle durchzogen. Auch wenn Richard Strauss sich in seiner Tondichtung "Ein Heldenleben" nicht explizit darauf bezieht, ist auch dort die orphische, durch Nietzsches Deutung vom Werden und Vergehen des Menschen geprägte Atmosphäre nicht zu leugnen.

Begonnen wurde aber mit der sinfonischen Dichtung "Orpheus" von Franz Liszt, die der Komponist 1854 für das weimarische Kulturleben verfasste. Chefdirigent Christian Thielemann formte eine von den ersten Tönen an sorgfältige, auf weichen und strömenden Klang bedachte Interpretation.

Ein besonderes Erlebnis war dann die Aufführung des 4. Klavierkonzertes G-Dur von Ludwig van Beethoven. Auch dieses Werk darf durchaus orphisch gedacht werden, weniger von der programmatischen Zuschreibung des zweiten Satzes her als vielmehr von der Emanzipation des künstlerischen Ausdrucks. Als Solist war der diesjährige Capell-Virtuos Radu Lupu zu hören. Der rumänische Künstler ist unbestritten einer der ganz großen Pianisten der Gegenwart. Seine Beethoven-Interpretation war von einer geistigen Durchdringung geprägt, die sich bereits in den ersten Takten im Solo-Thema andeutete. Es war wohl die melancholischste, vielleicht auch schattigste Variante, die man je von diesem G-Dur-Konzert gehört hat. Ein feiner Lyrismus und ein fast lapidarer, manchmal auch distanziert wirkender Zugang Lupus zur Partitur durchzog nahezu alle Sätze.

Radu Lupu versah die Musik mit einem höchst differenzierten, ebenso vorsichtig angelegten wie spontan die Musik erforschenden Anschlag. So konnte man sich tief in die Musik hineinbegeben, wurde nie gestört durch Äußerlichkeiten oder gar den interpretatorischen Zeigefinger. Thielemann und das Orchester nahmen den großen Ernst, den Lupu verströmte, sofort auf und gaben sich hochkonzentriert den vielen Reaktionen und Kommentaren hin, so dass schon vor der von Lupu kristallklar ausgeführten Kadenz im 1. Satz der sinfonische, dialektische Charakter dieses Konzertes klar ausgebreitet wurde. Nach dem von Nachdenklichkeit geprägten zweiten Satz war im Finale kein flotter musikalischer Kehraus gefragt, eher prägte Lupu die Motive dieses Satzes mit einer fast philosophischen Gelassenheit, die dem Hörer Raum gab, Dinge selbst zu verknüpfen oder zu deuten. Solch einer reifen, auch mutigen Haltung muss man höchsten Respekt zollen.

Schließlich ertönte mit auftrumpfender Geste am Beginn der orphischen Gesänge dritter Akt: Strauss' Tondichtung "Ein Heldenleben" ist ein opulentes und dankbares Abschlusswerk, in welchem die Kapelle all ihre Stärke und Erfahrung als Strauss-Orchester mit brillantem Klang zeigte. Dies gelang natürlich erst recht vorzüglich, da Christian Thielemann stets klare und eindeutige Zeichen gab, die aber nie das Spiel einengten. Schön, dass Thielemann sich insbesondere in den Themenvorstellungen nicht zu sehr den Details hingab, sondern die Spannung bereits auf den nächsten Abschnitt lenkte.

So wirkten des Helden Dramen glücklicherweise nicht ganz so schwergewichtig wie von Strauss ersonnen - trotzdem zelebrierte die Kapelle natürlich den orchestralen Siegeshöhepunkt mit größtem Genuss: angesichts der hervorragend entfalteten, nuancenreichen Farbigkeit in allen Orchestergruppen machte das Zuhören auch noch im von Strauss doch arg ausgedehnten letzten Drittel des Stücks schlicht Spaß. Und nur begeistert war man von dem temperamentvoll und klangsinnig gestalteten Solo von Konzertmeisterin Yuki Manuela Janke - sie wäre für Jubilar Richard Strauss mit Sicherheit eine äußerst empfehlenswerte "Gefährtin" seines Helden.

Montag, 3. März 2014

ad fontes

Darum vertiefen wir uns in unser Leben
weil wir draußen die Hecken sehen
in denen kleine Wölfe wohnen
die ihre Statements verkürzen und
ihr Geld zählen
leise mit den Händen schlagend
damit die Ordnung gewahrt bleibt.
Soweit Fuchs.

Darum verliefen wir uns in den Hecken
weil wir schaudernd unser Leben nahen sahen
in dem Herdenglocken läuteten
dann und wann der Fischfiletlieferdienst aufkreuzt und
wieder verschwindet
im Horizont eine gelbe Fahnenspur legend
damit das Wimmern an Struktur gewinnt.
Sogleich Meer.

Warum verkeilen wir uns in den Gedanken
weil wir rasend vor Glück unsere Ziele vergraben
mit denen wir zu den Staren fliegen wollten
früh am Morgen in einer Ecke der Stadt hockend und
alles einreißend
Schweife zwischen die Felsen zeichnend
damit die Wissenden sich verdrücken.
So viel Liebe.

Traum LXXIX

1) Geträumt, geweckt zu werden.
2) Eine Sache sagen, die aber komplett als Gegenteil wahrgenommen wird.
3) Eine Stunde bis zur Abfahrt.

Sonntag, 23. Februar 2014

Medien-Links zum Thema Semperoper / Serge Dorny

Am 21.2. hat die Sächsische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Sabine von Schorlemer dem designierten Intendanten der Semperoper, Serge Dorny, vorzeitig gekündigt. Unkommentiert und ohne Vollständigkeitsanspruch veröffentliche ich hier eine Linksammlung zum Thema, die ich auch in den nächsten Tagen erweitere. Dabei kommt es mir nicht auf Massierung an, die Wiederholungen mit sich brächte, mir ist hier auf dem Blog der Rundumblick vor allem mit redaktionellen Beiträgen wichtig.

* Pressemeldung des Kunstministeriums Sachsen (21.2., 12.01), kurz danach veröffentlichen DNN und SZ die Meldung, auch Musik-in-Dresden.de (Michael Ernst) und die nmz (gleicher Autor) berichten online. Die BILD zitiere ich hier lediglich: "Das ist ein Ding!"
* Dornys erste Reaktion, ein offener Brief, wurde am 21.2. abends veröffentlicht, z. B. in Auszügen in "Le Figaro" ("Dorny débarqué de l'Opéra de Dresde"), später am Abend konnte der Brief dann komplett z. B. bei Twitter in französisch und deutsch gelesen werden. Für die Samstagsausgaben der Zeitungen reichte das nicht mehr - dpa gab am Samstag Auszüge weiter.
Erste Meldungen der Presse noch am Freitag:
* Die Welt: "Ministerium feuert Semperoper-Intendanten"
* FAZ: "Rauswurf: Serge Dorny geht nicht nach Dresden" (Eleonore Büning)
* DRadio Kultur - audio aus der Sendung "Fazit" - Interview mit Staatssekretär Henry Hasenpflug

Am Samstag berichten viele Zeitungen ausführlich in ihren Printausgaben - davon sind einige (Kerstin Leiße in der DNN etwa) nicht online verfügbar. Online finden sich am 22.2.:
* Sächsische Zeitung: "Semperoper wirft neuen Intendanten hinaus" (Heinrich Löbbers)
* Die Welt: "Es darf einfach keinen Gott geben neben Thielemann" . Neben diesem Artikel verfasst Autor Manuel Brug auch einen weiteren Text, einen Kommentar namens "Dresdner Scherben"
* Audiobeitrag vom 22.2. bei DRadio Kultur (Sendung Fazit).

Am Sonntag, 23.2. erscheint ein dpa-Interview mit Dorny u. a. in den Dresdner Neuesten Nachrichten und der nmz.
* Martin Morgenstern schreibt einen Gastbeitrag für das Medienblog "Flurfunk Dresden" unter dem Titel "Entlassung von Serge Dorny: „Frau Schorlemer hat sich entschieden“
* Aus den dpa-Materialien von Jörg Schurig entsteht ein weiterer Artikel bei der Sächsischen Zeitung: "Semperoper übt sich in Schadensbegrenzung"
* Der MDR fasst am Sonntag mit mehreren Audios/Videos und einem größeren Artikel unter der Überschrift "Kompetenzgerangel an der Semperoper" die Lage zusammen. Die Fernsehbeiträge des MDR lassen sich über die Suche auf der ARD-Seite gut auffinden.
* Reinhard Brembeck kommentiert in der Süddeutschen Zeitung - "Das Theater von Dresden"

Am Montag
*veröffentlicht die DNN in der Print- und E-Paperausgabe einen weiteren Beitrag unter dem Titel "Fehlende politische Courage und Weitsicht": Der vor Amtsantritt als Dresdner Opernintendant gekündigte Serge Dorny teilt in viele Richtungen aus" (M. Ernst / K. Leisse)
* Spiegel stellt die "Presseschau Kultur" online und zitiert darin Christian Thielemann aus einem Interview mit der FAZ (Printausgabe)
* nzz, Georg-Friedrich Kühn: "Kündigung vor Amtsantritt"
* FAZ, neuer Artikel von Eleonore Büning: "Verliebt, verlobt, geschieden oder: Dorny muss gehen"

Di, 25.2.
* Der Münchner Merkur veröffentlicht ein Interview mit Christian Thielemann, beim Oberbayrischen Volksblatt kann man unter der Überschrift "Getroffene Hunde bellen eben" daraus Auszüge lesen (Markus Thiel).
* Die DNN-Printausgabe fasst unter dem Titel "Ein Dresdner Trauerspiel" die Ereignisse zusammen und blickt zurück auf vergangene Jahre. Außerdem druckt sie ein Interview mit dem Orchesterdirektor Jan Nast ab (Kerstin Leisse).
* Die Bildzeitung Dresden titelt "Selbst vor dem SemperOpernball schreckte er nicht zurück" und berichtet, Dorny habe dem Verein im Januar gekündigt.
* Der Bayrische Rundfunk setzt Interviewaussagen von Thielemann und Dorny in Zitaten untereinander.
* Um 14 Uhr findet eine Pressekonferenz in der Semperoper statt, darüber berichten verschiedene Medien im Anschluss: dpa (hier in der LVZ), die WELT, der MDR, menschen-in-dresden.de und Dresden Fernsehen, letzteres mit einem kurzen Video der Pressekonferenz.

Am Mittwoch, den 26.2.
* berichten die meisten Zeitungen über die Pressekonferenz, etwa Tim Hofmann in der Freien Presse ("Vorwurf: Er war ein Diktator mit hübscher Maske") oder die Mittelbayrische ("Semperoper bleibt erst mal kopflos"). Die Dresdner Neuesten Nachrichten widmen sich zudem dem Thema Semperopernball - dem ausrichtenden Verein hatte Dorny im Januar gekündigt.
* Musik-in-Dresden veröffentlicht auf seiner facebook-Seite fast die komplette Pressekonferenz in einer Mitschrift (Martin Morgenstern)
* Eine besondere Schlagzeile findet die Münchner Abendzeitung für ihre Berichterstattung: "Hat Thielemann den Intendanten weggebissen?" - interessanterweise ist im Artikel nur dpa-Material übernommen - das betrifft allerdings nicht die Überschrift.
Unabhängig von der Pressekonferenz erscheinen weitere Artikel. In der Berliner Morgenpost schreibt Axel Brüggemann: "Thielemann ist eine Reizfigur, dabei will er nur dirigieren."
Aus französischen Medien ist dagegen heute fast gar nichts zu entnehmen, außer der Information, dass Dorny eventuell nach Lyon zurückkehrt. Update: France Musique berichtet nun auch.

Donnerstag, 27.2.
* ein längerer Artikel in der Zeit fasst die Ereignisse zusammen und versucht sich im Vergleich mit Fußball (Martin Machowecz)
* Götz Thieme schreibt in der Stuttgarter Zeitung über die "Dresdner Opernkrise"

Beethoven als krönender Abschluss

5. Kammerabend der Staatskapelle mit dem "Dresdner Streichtrio"

Der 5. Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle in der Semperoper gehörte gänzlich dem Streichtrio. Diese Gattung der Kammermusik findet sich seit dem 18. Jahrhundert in allen Epochen der Musikgeschichte, wenngleich nicht jeder Komponist ein Werk für diese Besetzung verfasst hat. Vom umfangreichen Repertoire des 1995 gegründeten "Dresdner Streichtrios" konnten sich die Konzertbesucher des Kammerabends überzeugen, wenngleich die begrenzte Zeit eines Konzertes in diesem Fall inklusive Zugabe nur vier Beispiele zuließ.

Berkeley, Berger, Beethoven - die Programmfolge geht trotz Alliteration nicht so leicht von der Zunge, denn den ersten beiden Komponisten begegnet man im Konzertalltag nahezu gar nicht. Der englische Komponist Lennox Berkeley (1903-1989) schrieb sein Streichtrio 1944, das stilistisch verschiedene konservative Strömungen seiner Zeit aufnimmt, allerdings kaum einmal zum Hinhören zwingt. Eine wenig inspirative Stimmführung der Themen durch die Instrumente und ein harmonisches Verständnis, bei dem man sich fragt, ob der Komponist nicht doch Vorzeichenfehlern erlegen war, ließ am Ende rätseln, warum dieses Stück überhaupt zur Aufführung ausgewählt wurde.

Dagegen war beim zweiten Werk des Abends eine deutliche Steigerung nicht nur im spieltechnischen Anspruch, sondern auch im lustvollen Entdecken musikalischer Details beim Zuhören zu spüren. Wilhelm Bergers Streichtrio g-Moll entstand 1898 - der Komponist kann stilistisch zwar zwischen Brahms und Reger eingeordnet werden, das Werk ist aber von solch eigener Charakteristik, dass solche Vergleiche nur einen äußeren Rahmen benennen können. Die beiden Mittelsätze benötigen viel Flexibilität im Ausdruck - Jörg Faßmann (Violine), Sebastian Herberg (Bratsche) und Michael Pfaender (Cello) sorgten hier für eine in den Klangfarben sehr ansprechende Interpretation. Bergers kontrapunktisches Können konnte man in den Ecksätzen gut wahrnehmen, ab und an blitzte sogar eine Leichtigkeit in der Faktur auf, die man eher Stücken von Dvořák zuordnen würde.

Der ganze Abend war im Ensemble von guter Homogenität und sorgsamer, fast liebevoller Hinwendung zu den Werken geprägt, dies konnte man hier im Detail etwa in den witzig-trockenen Pizzicati im Scherzo wahrnehmen. Die Musik von Ludwig van Beethoven wirkte nach der Pause im Kontext als krönender Abschluss. Hier zeigte das Dresdner Streichtrio vor allem, wie ein Meisterwerk - als solches muss das G-Dur-Trio aus Opus 9 gelten - durch kenntnis- und ideenreiche Interpretation gewinnt. Neben dem höchst sanglichen Adagio konnte man etwa gut verfolgen, welche Intensität die Pausen im musikalischen Verlauf besitzen. Das Finale schließlich war von einem Temperamentsausbruch bestimmt, dessen Ausdrucksqualität bislang im Konzert etwas zu kurz kam. Jubilar Richard Strauss kam in der Zugabe zu seinen Ehren - das 1882 im familiären Kreis im Münchner Pschorr-Bierkeller uraufgeführte kurze Variationswerk "'s Deandl is harb auf mi" entwickelte dann aber doch nicht soviel bajuwarischen Witz, wie Name und Uraufführungsort vermuten ließen.

Montag, 17. Februar 2014

Traum LXXVIII

Ich betrete mit dem Hund einen Zug, im Oberdeck des offenbar doppelstöckigen Zuges steht die Fußballnationalmannschaft. Ich gehe durch die Reihen und schüttele Hände. Es soll Kaffee und Kuchen geben. Statt der Nationalmannschaft steht dann plötzlich ein Orchester vor mir, mir wird bedeutet, dass es nur noch Tee gibt und jeder seine eigene Teetasse hat, am eingravierten Muster im Boden erkenntlich. Ich fühle mich ausgeschlossen, da ich keine Tasse habe und auch keinen Tee trinke. Szenenwechsel. Ich stehe an einem Hang und sehe zu, wie jemand an diesem Hang mit einem Ball spielt, den er geschickt immer um einen Baum herumleitet, der an diesem Hang steht. Ich bemerke, dass ich noch in den Supermarkt könne (Süßigkeiten kaufen), der habe ja noch bis sechs Uhr auf. Dann, so sage ich dem Ballspieler, ginge es - zu Fuß - nach Australien. ["Australien" ist eine Art Nachbargrundstück, dennoch ein Grenzübertritt und "wildes Land", ich kenne es aus früheren Träumen]. Erneuter Szenenwechsel. Ich stehe mit dem Hund auf der Straße und telefoniere, ich bekomme von t. Prüfungsergebnisse erzählt. Kurzer Bildwechsel: die Noten kommen nun als Durchsage aus dem Radio, danach werden Schneeberge gemeldet, die bis zu 7 Meter hoch sind und (die Meldungen werden zu Bildern) auf einer schnurgeraden Straße mit enormem Gefälle sieht man Autos auf Glatteis hinunterrutschen. Wechsel zurück auf die Straße, ich stehe immer noch mit dem Telefon in der Hand, der Hund reißt sich los und läuft die Straße hinunter, die Leine schleift hinterher. Ich rufe und rufe, ohne Erfolg.

[LXXVII hatte ich nicht gepostet, es war ebenfalls ein Traum über den Hund, der vor ein Auto gelaufen ist, das war vor etwa 6 Wochen. Dazwischen keinerlei Traumerinnerungen.]

Sonntag, 16. Februar 2014

In schockierender Direktheit

Dmitri Schostakowitschs 8. Sinfonie im Gedenkkonzert der Dresdner Philharmonie

Neben dem stillen Gedenken an und in der Frauenkirche versammeln sich die Dresdner am Abend des 13. Februar in den Kirchen und Konzertsälen der Stadt, um dem Anlass entsprechende Musik der Dresdner Orchester und Chöre zu hören. Beim Konzert der Dresdner Philharmonie im Albertinum musste man sich über sehr gelichtete Reihen im Auditorium wundern - da dieses Konzert nicht innerhalb der Anrechte gelistet war, hatte man wohl auf selbstverständliches Interesse gesetzt - schade, dass am Ende nur ein Drittel des Albertinums gefüllt war. Auch für die Musiker auf der Bühne war dies keine leichte Situation.

Dass das Programmheft keinerlei Informationen zur Tradition der Gedenkkonzerte oder zur besonderen Dramaturgie des Abends aufwies, konnte ebenfalls als Manko empfunden werden. Anstelle etwa für eine vokalsinfonische Requiemkomposition entschied sich die Philharmonie für die 8. Sinfonie c-Moll, Opus 65 von Dmitri Schostakowitsch. Geschrieben im Sommer 1943 rückte damit ein Stück in den Blickpunkt, mit dem der Komponist unmittelbar auf die Kriegsereignisse reagiert hat.

Es ist ein in 40 Tagen niedergeschriebener Wurf - ein sechzigminütiger dramatischer Monolog, der von den ersten Takten an keinen Zwischenruf zuläßt. Diese Sinfonie ist kein Werk zum Nebenbeihören, sie ist schonungslos und gellt dem Hörer mit emotionsgeladenen Ausbrüchen und brutaler Motorik in den Ohren. Des Komponisten eigene Aussagen zu einer Musik über die "Gedanken anläßlich der Siege der Roten Armee" sind zu vernachlässigen - Schostakowitsch hat mehr als einmal Dinge sagen müssen, die ihm letztlich seine künstlerische Haut gerade noch einmal gerettet haben. Was diese Sinfonie mit äußerster Kraft formuliert, ist nicht weniger als ein Fanal gegen den Krieg, gegen Gewalt und Unmenschlichkeit überhaupt.

Chefdirigent Michael Sanderling wählte ein kurzes, aber sinnfälliges Präludium mit Arvo Pärts "Cantus in memoriam Benjamin Britten". Das kurze Stück für eine Glocke und Streicher war geeignet zuhörend zu einer Ruhe zu finden, die nötig ist, um Schostakowitschs Opus überhaupt aufnehmen zu können. Sanderlings Interpretation der Sinfonie war von einer nur als schockierend zu empfindenden Direktheit bestimmt, die aber den melodischen "Text" des Stückes nie vernachlässigte.

Das war gleich im ersten Satz spürbar, den Sanderling von Beginn an intensiv mit dem Wissen um den späten, brachialen Höhepunkt musizieren ließ, dem dann das mit viel Seele musizierte große Englisch-Horn-Solo (Isabel Kern) folgte. Für solch individuelle, starke Äußerung ist danach erst wieder im 5. Satz Platz. Derweil stellen die Mittelsätze die Welt auf den Kopf - kein Stein bleibt in diesen "Scherzi" auf dem anderen.

Sanderling wählte für das Allegretto ein meist schnelles Tempo, bei dem der bohrend scharfe Charakter gewahrt blieb. Ähnlich forciert, aber zumeist kontrolliert und auch dynamisch deutlich abgestuft wurde die groteske Maschinerie im 3. Satz gezeichnet. Nach den ohrenbetäubenden Ausbrüchen am Ende dieses Satzes beruhigte sich in der Passacaglia die Musik, ohne dass irgendein Verlust der Spannung zu bemerken war. Der letzte Satz verheißt bei Dmitri Schostakowitsch keinen endgültigen Trost, es ist zu früh für eine Hoffnung oder eine Vision. Was sich da im Fagott fast mozartesk entfaltet, bleibt eine Ahnung; der ermattet wirkende Schluss will nicht auf das Ruhe verheißende C gelangen, harmonische Fragezeichen stehen im Raum. Nach dieser sehr bewegenden Aufführung war Gelegenheit zum stillen Gedenken - und zum intensiven Nachwirken dessen, was uns Dmitri Schostakowitsch durch seine Töne mitgeteilt hat.
(15.2.14)

Zwei starke Musikerlebnisse

Mozart und Schostakowitsch im Philharmonie-Konzert

Würde man ein Assoziationsspiel machen, bei dem man Interpreten bestimmten Komponisten zuordnet, so wäre die Sache bei der Japanerin Mitsuko Uchida klar: Mozart! Damit unterschlüge man allerdings ihr enormes Repertoire, ihre Liebe zur Kammermusik und zur Liedbegleitung. Und doch darf man es als Geschenk ansehen, diese Künstlerin in einem Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart erleben zu dürfen. Dabei zählt das von ihr für das Konzert mit der Dresdner Philharmonie im Albertinum ausgewählte Konzert B-Dur KV 456 gar nicht einmal zu den populären Werken dieser Gattung.

Des Meisters Notenproduktion hatte im geschäftigen Jahr 1784 gehörig Fahrt aufgenommen und Mozart schrieb die Konzerte nahezu "in Reihe". Die Interpretation von Uchida vermittelte jedoch von Beginn an eine solche Lust und Freude am Hervorlocken der Themen, der Entwicklung und vielfältiger Ausdrucksebenen, dass man fast von einer Vergoldung sprechen muss. Dabei schwebte Uchida niemals über den Dingen; sie sprach nicht über die Musik, sondern ließ "ihren" Mozart sprechen. So gelangen ihr bereits in der Kadenz im ersten Satz traumhaft schöne Phrasierungen und eine simple solistische Akkordsequenz wirkte nicht funktional, sondern wie ein vorgetragenes Gedicht.

Diese Musikalität übertrug sich auch auf die Philharmoniker, die in mancher Pause der Solistin fast andächtig lauschten, dann aber mit Chefdirigent Michael Sanderling den Dialog aufnahmen und für sichere und kontrastreiche Unterstützung sorgten. Damit wäre man eigentlich mit musikalischem Glück ausreichend versorgt gewesen, doch es gab noch ein weiteres tief nachwirkendes Musikerlebnis an diesem Abend: nach der Pause stand die letzte, die 15. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch auf dem Programm.

Obwohl ausgerechnet dieses Werk mit (Selbst-)Zitaten angereichert ein ganzes künstlerisches Leben reflektiert, kann man diese Sinfonie nicht erklären. Ungeschliffen, fast nackt kommt diese Musik daher und stellt Interpreten wie Zuhörer vor große Anforderungen. Michael Sanderling vermied eine zu überspitzte, karierende Haltung und ging der Gefahr aus dem Weg, dass das Stück in seine teilweise schroff aufeinander folgenden Einzelteile zerfällt - gleich der 1. Satz erhielt durch Sanderlings kluge Disposition in den Übergängen ein fatalistisches "Müssen" und lebte von scharfen Kontrasten.

Mit großer Ruhe ging Sanderling das Adagio an - hervorragend ausgehört waren hier die sanften Blechbläserpassagen; auch die Soli des Cellos und der Posaune waren mit empfundenen Ausdruck musiziert. Der kurze 3. Satz wirkte in Sanderlings gemessen genommenen Tempo wie ein kühler Kommentar zur ganzen Sachlage, während der Finalsatz im spannungsgeladenen kammermusikalischen Vortasten den 2. Satz spiegelte. Durch diese Gesamtanlage potenzierte sich die Wirkung des verzerrt-schmerzhaften Höhepunktes kurz vor Schluss, bevor das Werk - der Musik fast enthoben - mit leise tickendem Schlagwerk auspendelte. Danach benötigten Orchester und Zuhörer einige Sekunden der Ruhe, bevor man sich auf dem Podium wie im Auditorium sehr einig war - diese Aufführung war stark.
(10.2.14)

Donnerstag, 6. Februar 2014

Die falschen Töne sind richtig!

Musikland Frankreich im Konzert der TU-Kammerphilharmonie

In bunten Farben und leicht angeschrägt lugt der Eiffelturm vom Programmheft der TU-Kammerphilharmonie, darunter sitzen Leute in einer Brasserie. Die Reiseroute des Konzertes am Sonntag in der Lukaskirche war offensichtlich: auf nach Paris! Dirigentin Monica Buckland hatte für das Programm ihres Ensembles zur Besetzung passende Werke ausgewählt, die einen schönen Einblick in die farbenreiche Musiklandschaft Frankreichs zuließen. Das Konzert sorgte für einiges Staunen und reichlich musikalische Erquickung und darf nur als gelungen bezeichnet werden.

Schon die Atmosphäre zu Beginn versprach Spannung, denn das Studentenorchester kennt eines nicht: lichte Reihen im Publikum. Viele Freunde und Kommilitonen wollten das ambitionierte Programm erleben und wurden nicht enttäuscht. Denn keineswegs ist das, was da so leicht klingt, auch leicht zu spielen. Vor allem die Bläser des hier in sinfonischer Stärke musizierenden Ensembles konnten in den fantasiereichen Partituren viel zeigen - Bucklands sowohl für Ordnung sorgendes als auch motivierendes Dirigat half dabei vorzüglich.

Mit der "Petite Suite" von Claude Debussy tasteten sich die Musiker erst einmal vorsichtig an die impressionistische Klangwelt heran. Buckland ließ hier viel ausspielen, dabei gerieten die ersten beiden Sätze fast ein wenig zu entspannt, dabei aber sehr sorgfältig. Von ganz anderem Holz ist die nur in der Form ähnliche Suite "Le Tombeau de Couperin" von Maurice Ravel geschnitzt - flirrende Bläserpassagen wechseln mit Klangflächen ab, die auch in den Streichern gut ausgehört sein wollen; dazu gilt es auch noch den Rhythmus der alten Tänze zu wahren ohne dass zuviel Gewicht auf den Takten lastet. Man staunte weiter: mit mutigem Spiel überzeugten die Holzbläser, von denen fast jeder in diesem Konzert ein Solo erhielt. In den hohen Streichern hätte man sich etwas mehr prägnanten Zugriff gewünscht, was zugegebenermaßen in der Akustik des Raumes schwer ist.

Voller Musikalität und mit höchst plastischem Spiel begeisterte im Solostück des Konzertes der junge Harfenist Daniel Noll - an der Dresdner Musikhochschule hat er im letzten Jahr sein Studium (bei Nora Koch) aufgenommen. Die frische Interpretation des "Morceau de Concert" von Camille Saint-Saëns schien für Noll trotz betriebsamer Arbeit am Saiteninstrument stets ein Quell der Freude zu sein. Das machte dann auch fast vergessen, dass außer dem perlenden Figurenwerk in der Faktur des Stückes wenig Erinnernswertes zu finden war.

Gegenteiliges ist der Fall in Darius Milhauds Ballettmusik "Le bœuf sur le toit" - vom Impressionismus wechselte das Orchester mühelos in die skurrile poetische Welt von Jean Cocteau. Erneutes Staunen: alle falschen Töne sind hier richtig! Milhauds "Hit" der 20er Jahre wurde von der TU Kammerphilharmonie mit Sinn für die vielen Verzweigungen, "Fanfärchen" und gar Sackgassen widergegeben - ein winziger Wermutstropfen war, dass ein wenig die Konzentration gegen den jazzigen Groove obsiegte, jedoch: Chapeau! für dieses hervorragende Konzert unter dem "schrägen" Eiffelturm.

Mittwoch, 5. Februar 2014

Ein vortreffliches Seufzen und Klagen

Strauss und Mozart im Philharmonie-Konzert

Im letzten Jahr war es in Dresden schon fast ein Geschicklichkeitsspiel, ein Konzert zu besuchen, in dem nicht ein Werk von Richard Wagner auf dem Programm stand. Das Strauss-Jahr scheint etwas ruhiger anzulaufen - mit sechs Konzerten in der laufenden Saison ehrt die Dresdner Philharmonie den Komponisten und bietet damit keinesfalls eine Überdosis an: knapp ein Dutzend Orchesterwerke erscheinen sorgsam zwischen anderen Komponisten eingebettet, Knüller wie die "Alpensinfonie" oder "Also sprach Zarathustra" kommen gar nicht vor - aber das Straussjahr ist ja auch noch nicht mit dem Saisonende im Sommer vorbei. Nach dem ersten Konzert dieser Reihe blieben aber doch etwas gemischte Gefühle angesichts der Programmgestaltung.

Wolfgang Amadeus Mozart gesellte sich zu Strauss auf die Bühne - das ist eigentlich eine gute Wahl, denn zum Thema Mozart und Strauss wäre viel zu sagen gewesen. Doch ausgerechnet die Tondichtung "Tod und Verklärung" wollte nun so gar nicht zu Mozarts feingliedriger "Sinfonia Concertante" Es-Dur passen - allein die gute Interpretation beider Werke rettete die Aufführungsberechtigung. Der japanische Gastdirigent Yutaka Sado hatte für Strauss' frühe Tondichtung ein gutes Rezept: er ließ die Philharmoniker so oft es ging frei musizieren und zeigte plastisch die Linien und Zielpunkte an. Am besten wirkt dieses Stück ohnehin, wenn man das zugrundeliegende Programm ignoriert und sich - im besten Sinne "kopflos" - in die Fluten der Musik stürzt. Da seufzte und klagte es dann vortrefflich im orchestralen Gebälk und die Philharmonie wusste mit dem Strauss'schen Farbenkatalog viel anzufangen.

Veronika Eberle (Violine) und der französische Bratscher Antoine Tamestit waren dann die Solisten in der "Sinfonia Concertante". Sie wurden vom Publikum mit Recht für eine nur herausragend zu nennende Interpretation gefeiert. Stimmig zelebrierten die beiden ein vorzügliches, komplett in der Musik aufgehobenes Miteinander. Dabei legten sie die Phrasierung trotzdem so leicht und federnd an, dass die Instrumente nahezu zum Singen gebracht wurden. Der 2. Satz geriet zwar etwas langsam, aber äußerst betörend, ebenso die kadenzierenden Abschnitte. Dem begleitenden Orchester fehlte etwas die sichere Prägnanz der Solisten - wenige Stellen im 3. Satz hätten mehr Glanz und Witz entwickeln dürfen.

Nach der Pause wurde ein "Interludio" aus Strauss' Aufführungsfassung der Oper "Idomeneo" von Mozart vorgestellt - eine achtminütige Preziose, die vermutlich in einem größeren thematischen Rahmen von Original und Bearbeitung sinnfälliger gewesen wäre. Pompös endete der Abend vornehmlich im Dreivierteltakt - die erst 1945 von Strauss selbst arrangierte Suite aus der Oper "Der Rosenkavalier" entpuppte sich ebenfalls als Entdeckung, denn zumeist wird die "Walzerfolge" auf den Konzertpodien vorgezogen. Yutaka Sado legte dabei flotte Tempi vor ohne die Eleganz der Musik zu vernachlässigen - die brillant instrumentierte Partitur führte er mit vollem Körpereinsatz zu einem glänzenden Finale.

Samstag, 1. Februar 2014

Französische Kostbarkeiten

Nils Mönkemeyer und Andreas Arend in der "Meisterinterpreten"-Reihe

Die Kammermusikreihe "Meisterwerke-Meisterinterpreten" feiert dieses Jahr ihren 60. Geburtstag - Grund genug, mit einem außergewöhnlichen Konzert zu beginnen, das am Sonntag eine große Schar Zuhörer in den Ballsaal im Hotel Königshof in Strehlen lockte, den angestammten Konzertort. Der Reiz des Konzertes lag in der - nur auf den ersten Blick - ungewöhnlichen Besetzung mit Bratsche und Theorbe. Zwar waren die vorgestellten barocken Werke keine Originalkompositionen für die Bratsche, doch Transkriptionen waren damals wie heute Usus, und die Bratsche bietet sowohl die Möglichkeit der virtuosen Flexibilität der Geige als auch die Annäherung an den Klangbereich der Gambe.

Anstelle aber den französisch-italienischen Musikerkrieg des 18. Jahrhunderts auszurufen, stellte Mönkemeyer den Werken von Marais, de Visée, Forqueray und Delalande zwei Solo-Suiten von Johann Sebastian Bach gegenüber. Obwohl auch diese im Ursprung französische Tanzsätze in der Suite vereinigen, tritt die Meisterschaft Bachs in diesem Kontext noch intensiver hervor. Tonarten, Entwicklung, Satzgestalten gehen hier eine nahezu himmlische Verbindung ein - und in der Interpretation von Nils Mönkemeyer war dies ein voller Genuss. Die direkte Akustik der muschelartigen Bühne mag vielleicht einen Interpreten zunächst erschrecken, doch Mönkemeyer wusste genau dies hervorragend zu nutzen, legte Sarabanden-Sätze mit inniger Ruhe an und gestaltete Gigue und Courante im temperamentvollen, niemals überstürzenden Kontrast.

Mit Andreas Arend an der Theorbe hatte Mönkemeyer in den französischen Stücken einen ebenbürtigen Begleiter. Da die beiden Musiker selbst durch das Programm führten, konnte man die Umsetzung der kleinen Charakterstücke, zumeist für das Plaisir rund um die Mahlzeiten am Hofe von Ludwig XIV. bestimmt, plastisch verfolgen. Immer wieder war zu bemerken, dass Mönkemeyer schon für die an sich nicht sehr komplexen Stücke von Marin Marais die volle Klangpalette seines Instrumentes ausnutzte - er traute sich etwa in den das Konzert beschließenden Stücken, die Marais den Winden widmete, auch ein pianissimo, das wirklich den leisesten Lufthauch vermittelte. Die Zuhörer erlebten musikalische Gestaltung auf höchstem Niveau und durften in der Zugabe noch erfahren, dass es in der Barockmusik ab und an herb und deftig zuging - Mönkemeyer und Arend ließen hier die Saiten noch einmal im Tanzrhythmus kräftig vibrieren.

Freitag, 31. Januar 2014

Husch ins Eckchen - zeitgenössische Musik (nicht) im Radio

Wir wissen es alle: der öffentlich-rechtliche Rundfunk definiert den Kulturauftrag gerne selbst - und da kochen viele Köche einen schmodderigen Brei, den wir dann hörend verzehren müssen. Es sollen alle Zuhörerschichten erreicht werden und gleichzeitig muss die Quote stimmen. Die Ausgewogenheit entpuppt sich schon dann als seifige Worthülse, wenn MDR Figaro etwa ein eigenes Studio-Konzert mit Suzanne Vega wochenlang vor und vermutlich wochenlang nach dem eigentlichen Event mit Musik der Künstlerin promotet - auf Sendeplätzen, auf denen eigentlich Vielfalt geboten sein sollte.

Ich komme vom Thema ab. Gestern hieß es wieder einmal: Husch, ins Eckchen. Ein solches "Eckchen", schlappe 55 Minuten Sendezeit pro Woche, ist bei MDR Figaro für ein Format namens "Moderne Musik" reserviert. Früher war es immerhin noch eine komplette Abendsendung. Ansonsten kann man zeitgenössische Musik im Figaro-Programm nichtmal mit einer Lupe suchen, und die Website und Suchfunktion ist ein einziges Desaster: Keine Scripte, keine Erklärungen - ein großes Feature über mein Landesjugendorchesterprojekt 2012 ist beispielsweise einfach verschwunden, die unübersichtliche Website verhindert zudem kolossal, dass man schnell und umfassend seinen Hörinteressen nachgehen kann.

Zurück zur Sendung: eine "breite Zuhörerschicht" wird mit solch einer Notizzettel-Seite sicher nicht angesprochen. Ich hatte zu spät eingeschaltet - für meine breite Leserschicht dieses Blogs reiche ich nach, dass es eine themenbezogene Sendung war, es ging um "Hymnen" in der Musik. Das steht nicht einmal auf der Sendungsseite (die vermutlich morgen ebenso wieder aus dem Web verschwinden wird), stattdessen nur der Satz: "Mit Ausschnitten aus Werken von Karl Amadeus Hartmann, Karlheinz Stockhausen und Moritz Eggert". "Ausschnitte" - das läßt ja schon Schlimmes ahnen und dementsprechend waren auch etwa Karl Amadeus Hartmanns "Hymnen" auf das Finalgetöse reduziert.

Dann aber glaubte ich meinen Ohren nicht zu trauen. Der Autor der Sendung, Mario Plath, der auch moderierte, sprach über ein Klavierstück von Moritz Eggert, welches sich mit den Nationalhymnen beschäftige und teilte mit, dass "das Stück aus Zeitgründen nicht gesendet werden könne, aber auf YouTube zu finden sei". Ein ziemlich unglaublicher Vorgang, war doch Eggert explizit angekündigt. Zudem wurde das Klavierstück als "Hämmerklavier Zwölf" falsch angekündigt (es ist Hämmerklavier XIX, tja, diese komischen römischen Zeichen...).

Stattdessen wurde (ohne weitere Erklärung) der Hymnus von Alfred Schnittke gesendet, auch ein schönes Stück, aber eben nicht Eggert. Mehr noch: Die Sendung kippte danach vollends in die Beliebigkeit, als der Autor Alphons Diepenbrock und Nikolaj Medtner aus dem Hymnen-Hut zog - zwei spätromantische Komponisten, deren Stücklänge locker die zehn Minuten des Eggert-Werks erreichten. Mit Verlaub: die Einbettung dieser beiden Schmonzetten-Stücke war ein ästhetischer Meineid. Der wurde aber am Ende der Sendung gottlob bestätigt, denn der Moderator wünschte "noch einen unbeschwerten Abend".

Soviel zur Kultur im mitteldeutschen Radio.

Mittwoch, 22. Januar 2014

Vitalisierende Musikalität

1. Apéro-Konzert der Dresdner Philharmonie mit Thomas Zehetmair

Das Angebot der in der Stadt "reisenden" Dresdner Philharmonie pendelt sich mittlerweile an den verschiedenen Konzertorten gut ein. Die Programme sind darauf abgestimmt, was in den jeweiligen Räumen möglich und passend ist. Gerade das Hygiene-Museum scheint sich da als Schatztruhe zu entpuppen: kleiner besetzte Werke, die kaum einmal im riesigen Kulturpalast gespielt wurden, sind hier gut geeignet - so hat sowohl die Barockmusik als auch die vielfältige Sinfonik jenseits spätromantischer Riesenbesetzungen oder modernere Ensemblemusik eine Chance.

Die Konzertformate sind ebenso bunt wie die Musik: "Dresdner Abende", Matinéen oder "Blaue Stunden" gab es bereits, am Sonnabend feierte die Reihe "Apéro-Konzerte" ihre Premiere. Ob es an Häppchen und Wein oder doch eher am Geiger Thomas Zehetmair, dem berühmten Solisten und Dirigenten des Abends, lag - das Konzert war erstaunlich gut besucht und lockte auch viele jüngere Zuhörer an. Die reichliche Stunde Musik entpuppt sich als vitalisierendes Element, da Zehetmair als Vollblutmusiker die Zuhörer sofort in den Bann zu ziehen vermag.

Zu Beginn war bei Johann Sebastian Bachs Violinkonzert E-Dur schnell die Entscheidung zu fällen, ob man mit Zehetmairs Interpretationskonzept mitgehen wollte: der doch arg brav musizierte erste Satz und die durch alle Sätze vorherrschende romantisierende Grundhaltung waren schlicht eine Geschmacksache. Fraglos war jedoch der Solopart souverän musiziert und Takt für Takt mit Inhalt gefüllt. Auch wenn Bach stilistisch von der Gegenwart der Rezeption aus betrachtet ein wenig antiquiert klang, war diese Haltung doch insofern überzeugend, da sie nicht aus Nachlässigkeit oder Unüberlegtheit entstand, sondern mit interpretatorischem Willen. Letztlich führt die Vielfalt der Möglichkeiten gerade bei der Barockmusik ja auch dazu, sie immer wieder neu entdecken zu können.

Von Bach zu Mendelssohn Bartholdy ist es je nach Perspektive ein großer Schritt oder aber ein nahezu "sanfter" Übergang - war es doch genau dieser Komponist, der im 19. Jahrhundert Johann Sebastian Bach zu einer wahren Renaissance verhalf. Mendelssohns Konzertouvertüre "Das Märchen von der schönen Melusine" verrät davon noch nicht so sehr viel. Thomas Zehetmair setzte hier auf spannendes, impulsgeladenes Musizieren aus romantischem Geist heraus und "erzählte" die Geschichte der Meerjungfrau plastisch.

Die 1. Sinfonie c-Moll jedoch, ein jugendliches Meisterwerk, setzt beethoveneskes Dramaturgiegespür neben die Bewunderung und gleichzeitige Beherrschung barocken Kontrapunktes. Damit ist genug Spannung für vier außergewöhnliche Sätze gegeben, die Zehetmair sowohl knackig-lebendig in den Tutti-Passagen als auch mit gutem Gespür für Transparenz der Bläser im Piano auskostete. Zehetmair und die Philharmoniker wurden mit großem Applaus bedacht - im Juni darf man sich auf einen weiteren Abend mit ihm, Bach und Mendelssohn freuen.

Dienstag, 14. Januar 2014

Spielarten der "Musique Spectrale"

Tristan Murail und andere im KlangNetz-Konzert

Mit einem "Mini-Festival" startete "KlangNetz Dresden" ins neue Jahr - der Verein, der im Veranstalter- und Interpretenverbund Projekte mit zeitgenössischer Musik initiiert, setzte mit "Impulsen der musique spectrale" thematisch ein spannendes, auch sehr anspruchsvolles Klangzeichen. Es ist eigentlich ein Rätsel, warum diese Spielart der Gegenwartsmusik nur selten Eingang in die Konzertsäle findet, baut sie - in Frankreich entstanden - doch auf der Tradition der zeitgenössischen Musik auf und sucht einen Weg jenseits temperierter Systeme zu erforschen. Die Spektralmusik widmet sich vor allem dem harmonischen Spektrum der Töne und bezieht dabei Tonhöhen, Klangbildung, Zeit und Rhythmus selbstverständlich in den Kompositionsprozess ein.

Dass zumeist mathematische, komplexe Vorgänge Ausgangspunkt und Wesen dieser Musik sind, interessiert vielleicht den Fachmann (so ist es bei traditioneller Musik nicht anders), doch man kann sich auch unvorbereitet den Klängen widmen und dabei neue Hörerfahrungen erleben. Dementsprechend war das erste Konzert auch nicht von großen Erklärungen begleitet. In der Städtischen Galerie fanden sich viele Zuhörer ein - die räumliche Umgebung der bildenden Kunst schien geeignet für eine fruchtbare Auseinandersetzung mit dem Thema. Zu Gast beim Festival war einer der "Gründerväter" der Spektralmusik, der Komponist Tristan Murail - im Programm wurden ihm Werke der nachfolgenden Generation zur Seite gestellt.

Das Dresdner Ensemble "El Perro Andaluz" und "Accroche Note" aus Strasbourg interpretierten - in konzentrierter Spannung sowie selbstverständlich versiert im Umgang der Materie - insgesamt sechs Stücke. Es war auffällig, dass keiner der Werkkommentare im Programmheft sich in wortlastigen Beschreibungen des Kompositionsprozesses erging, sondern fast alle Stücke situative Anlässe hatten, die fast zwingend eine Form oder gar eine ganze Geschichte hervorbrachten. Murails "Les ruines circulaires" zeichnet auf sehr klare Weise dass Ineinanderfließen zweier Persönlichkeiten im Instrumentalduo nach. "Dualité - Miroirs" von Francois Busch blieb in der Wirkung etwas abstrakt im Wechsel zwischen den Ebenen Stimme (Francoise Kubler) - Klarinette (Armand Angster) und Zuspielband, und doch ist der absichtslose Spielcharakter eben auch eine Gestalt dieser Musik.

Am Rande der Hörbarkeit, in leisen und rauen Gegenden war "Dans l'ombre des anges" von Jean-Luc Hervé angesiedelt, bevor im folgenden Stück das genaue Gegenteil zelebriert wurde: "Illud Etiam" von Philippe Manoury wohnte eine irritierend wirkende Ästhetik des instrumentalen Theaters inne, es entstand beinahe eine Art "sinfonische Dichtung" für zwei Spieler und Elektronik zum Thema Inquisition, Feuer und Zauberei. Leider versagte ausgerechnet bei diesem die Dynamik ohnehin ausreizenden Stück die Tontechnik: eine fast gesundheitsgefährdende Übersteuerung verhinderte weiteres konfliktfreies Zuhören. "Paludes", ein Quintett-Stück von Murail schloss sich an, das wieder ins Reich sinnlich-poetischer Klänge zurückführte und gar eine Ahnung von Schönheit und Sanftheit feilbot.

Schließlich wagte man mit John Cages "Fontana-Mix" - einem Stück, das zufällig freie und festgelegte Parameter zu einer Aufführungskonstellation verbindet - eine überraschende Gegenüberstellung: weniger in der Hinsicht auf ästhetischen Widerstreit, sondern eher als Hinweis darauf, mit welch unterschiedlichen Ausgangsbedingungen man Musik hervorbringen kann, die sich im Ergebnis dann vor allem in ihrem kreativen Potenzial doch näher ist, als man erwartet.

Donnerstag, 9. Januar 2014

Musik und "Einstürzende Mauern"

Das KlangNetz Dresden präsentiert seine musikalischen Projekte für 2014

Seit etwas über einem Jahr ist der Verein "KlangNetz Dresden" in der Pflege der zeitgenössischen Musik und der Vernetzung ihrer Interpreten und Interessenten aktiv und hat nun seine Programme für das erste Quartal 2014 herausgegeben. Der Verein hat sich nach Ende eines vierjährigen Förderprojektes der Kulturstiftung des Bundes gegründet und führt nun die Bestellung des kreativen Gartens fort, dessen erste Keime die "Short Concerts" gemeinsam mit der Hochschule oder ein eigens gegründetes Netzwerk-Ensemble aus Philharmonikern und Studenten waren.

Bereits vor der Vereinsgründung im November 2012 liefen die dramaturgischen Fäden an der Hochschule für Musik zusammen, die Aktivitäten des letzten Jahres galten der Etablierung in der Stadt. "Wünschenswert ist die Intensivierung des Dialogs mit unseren Partnern und Veranstaltern", so KlangNetz-Leiter Jörn Peter Hiekel. "Wir hoffen natürlich auf einen Hinzugewinn weiterer Partner und damit die einhergehende Stärkung des Netzwerks, das sich mit Projekten/-Ideen gegenseitig beflügelt." Dafür spricht auch der vollgepackte Terminkalender im Jahr 2014.

Die Mitglieder - Ensembles, Veranstalter und Protagonisten (nicht nur) der zeitgenössischen Musik in Dresden - bringen selbst ihre eigenen Veranstaltungen ein, beteiligen sich aber auch an Kooperationen und kleineren Festivals, so dass eine Thematik oder ein beteiligter Gastkünstler oder -komponist in vielen Facetten "beleuchtet" werden kann - sei es in Konzerten, Workshops mit Studenten oder im Podiumsgespräch. Die Vielfalt der Mitglieder erlaubt auch eine Vielfalt der Musik, keineswegs will sich das Netzwerk auf ästhetische Linien festlegen, lieber stellt es aktuelle Strömungen zur Diskussion, Experimente, Widerspruch und Weiterdenken ist gewollt.

Gleich in dieser Woche startet "KlangNetz Dresden" durch: der französische Komponist Tristan Murail besucht Dresden - die Hochschule, das Institut Fracais und das Stadtmuseum nehmen dies zum Anlass, ein dreitägiges Festival namens "Impulse der Musique Spectrale", zu dessen Gründervätern sich Murail zählt, zu veranstalten. Diesem anspruchsvollen, klanglich faszinierenden Spezialgebiet der zeitgenössischen Musik begegnet man im Konzertalltag selten, daher lohnen sich die Konzerte, die die Musik auch in den Kontext zu anderen Strömungen stellen, die französische Provenienz erkunden und mit dem Vertigo-Ensemble Bern und dem Ensemble Accroche Note aus Strasbourg versierte Interpreten nach Dresden holen, die teilweise gemeinsam mit Studenten der Musikhochschule und dem Dresdner Ensemble "El Perro Andaluz" musizieren werden.

Im Fortgang des Jahres wird eine neue Konzertreihe etabliert, die sich unter dem Titel "Einstürzende Mauern" dem Mauerfall vor 25 Jahren widmet. Damit soll ein Blick zurück auf beide Seiten der Mauer zu Zeiten des Kalten Krieges geworfen und auch die Frage nach den Identitäten und den offenen oder unterschwelligen Verbindungen in der Kunst gestellt werden. Auch wie das Thema heute auf Künstler reflektiert, werden im Jahreslauf insgesamt neun Konzerte mit verschiedenen Ensembles zeigen; das Vokalensemble "AuditivVokal" wird die Reihe mit dem Auftaktkonzert am 27. Februar eröffnen - Partner der gesamten Reihe ist das Hygiene-Museum.

Einen Monat später ist der amtierende Capell-Compositeur der Staatskapelle, Wolfgang Rihm, zu Gast in Dresden, um sein Werk in einem Workshop und einem Gesprächskonzert an der Hochschule vorzustellen. Fortgeführt wird auch die Reihe der "Short Concerts", die in knappem zeitlichen Rahmen den Fokus auf bestimmte Spielarten der zeitgenössischen Musik legt und diese mit traditioneller Musik, Jazz, Improvisation oder anderen Künsten konfrontiert. Die Nachwuchsförderung liegt dem KlangNetz ebenfalls am Herzen, die bisherige Reihe "Neue Musik erleben und gestalten", bei der renommierte Komponisten in Dresdner Schulen mit den Schülern neue Stücke entwarfen und aufführen wird nun unter dem Titel "A-S-S-E-M-B-L-E!" von Lorenz Grau betreut. "Die Durchführung und Unterstützung von Projekten und Veranstaltungen mit pädagogischem Charakter ist eine zentrale Aufgabe des Vereins.", so Hiekel. Das aktuelle Projekt mit drei beteiligten Schulen stellt seine Ergebnisse am 10. Februar im Konzertsaal der Musikhochschule vor.

Die Homepage und die Facebookseite vom KlangNetz Dresden offerieren für 2014 ein breites Angebot an Konzerten - das Neue, Ungewohnte, Unbequeme wird an den vielen Spielstätten selbstverständlich und lädt zum Entdecken und Zuhören, aber auch zur lebendigen Diskussion ein, um zu erfahren, was Künstler und Komponisten heute bewegt.

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Konzerte KlangNetz Dresden
Festival "Impulse der Musique Spectrale"
10. Januar, 19.30 Uhr, Städtische Galerie Wilsdruffer Str. 2 "frame III" mit Ensembles Accroche Note / El Perro Andaluz
11. Januar, 19.30 Uhr, Konzertsaal Musikhochschule - Gesprächskonzert mit Tristan Murail, Ensembles der HfM Dresden und der HK Bern
12. Januar, 19.30 Uhr, Konzertsaal Musikhochschule - Klavierabend Pavlos Antoniadis, Werke von Murail, Andre und Karski (UA)
22. Januar, 17 Uhr, Konzertsaal Musikhochschule, Short Concert. "Form versus Freiheit" mit Malte Burba, Trompete
10. Februar, 17 Uhr, Konzertsaal Musikhochschule - Abschlusskonzert Schulvermittlungsprojekt "A-S-S-E-M-B-L-E!"
27. Februar, 19.30 Uhr, Hygienemuseum - Auftaktkonzert "Einstürzende Mauern" mit AuditivVokal, Werke von Bredemeyer, Stäbler, Haas u. a.
29. März, 19.30 Uhr, Konzertsaal Musikhochschule - Gesprächskonzert mit Capell-Compositeur Wolfgang Rihm, Moderation Jörn Peter Hiekel

Link: www.klangnetz-dresden.de/

Mittwoch, 8. Januar 2014

Märchen, Beschwörungen und "Des Todes Tod"

Lyrisches im 4. Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle

Im weiten Feld der Kammermusik gibt es viele Leuchttürme, Meisterwerke der kleinen Form, die für Komponisten immer eine besondere Herausforderung darstellen: wie sagt man Wesentliches nur mit zwei oder drei Instrumenten? Die Kammermusik ist aber auch oft ein Experimentierfeld für Ideen und stilistische Veränderungen des jeweiligen Komponisten. Manchmal entstehen dadurch besondere Kostbarkeiten. Im Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle bietet sich stets Gelegenheit, diese "Perlen" zu entdecken; am vergangenen Sonntag waren es überwiegend Liedkompositionen, die in der Besetzung variierten und ohne Klavier auskamen.

Vorangestellt war Leoš Janáčeks "Pohádka" (Märchen) für Cello und Klavier, das mit den Einstieg in die kommenden Stimmungen erleichterte, weil es die freie Phantasie und Inspiration lobpries. Jakob Andert (Cello) und Kiai Nara (Klavier) zeichneten daher auch die warmen, pastellenen Töne des Werkes deutlich und beließen das kurz gefasste Stück in seinem überwiegend lyrischen Charakter. Zwei Textvertonungen des Leipziger Komponisten Siegfried Thiele (geb. 1934) folgten; die dazwischen liegende Pause war wohltuend, denn der Kontrast zwischen Heiterem und Ernst konnte nicht größer sein.

Der Zyklus "Incantamenta - Zaubersprüche" für Bariton, Schlagzeug und Pauken widmet sich lateinischen Beschwörungstexten, die bei bestimmten Krankheiten helfen sollen - Andreas Scheibner und das kleine, aber instrumentenreiche Schlagzeugensemble (Thomas Käppler, Christian Langer, Jakob Eschenburg, Jong Yong Na) sorgten hier für eine leichtfüßig-launige, aber niemals banale Atmosphäre, deutlich war auch eine Steigerung des Ausdruckes im 4. und 5. Lied; vor allem der Marimba schenkte Thiele virtuose, "magische" Partien. Zu konstatieren ist, dass diese Variante der Alternativmedizin zwar eine leichter einzunehmende ist, im Publikum aber vor allem im zweiten Teil des Konzertes wirkungslos blieb - mit "Abakadabra" ist auch den Hustern im Parkett nicht beizukommen.

In den Liedern auf Texte von Reiner Kunze, wie das Vorwerk 2006 uraufgeführt, zeigte Thiele eine ganz andere Ausdruckswelt - karg und konstant von Melancholie durchzogen wirkte die Besetzung der Singstimme mit Cello und Klarinette, der Verzicht im Material führte zur Konzentration auf die kaum trostvollen Texte von Kunze. Diesen fast novemberlichen Geist durchwehte auch "Des Todes Tod" - ein dreiteiliger Liedzyklus auf Texte des Expressionisten Eduard Reinacher von Paul Hindemith. Dieser entschied sich bei der Vertonung 1922 für zwei Bratschen und zwei Celli als Begleitung für den Mezzosopran (Anke Vondung mit sehr überzeugender Gestaltung und warmem Ton), allein diese Entscheidung führt zu einem abgedunkelten, dennoch überraschend abwechslungsreichen Timbre. Was an diesem Abend in leichter Heiterkeit der Phantasie begonnen hatte, klang mit tiefernsten Tönen aus - eine Dialektik, der wir uns häufiger im Leben stellen müssen, insofern hatte dieser Kammerabend einen denkwürdig philosophischen, spannende Faden.

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