hörendenkenschreiben

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Haaaalt, Stooop, Frau Grimaud, AAAAnhalten!!!

Beim ersten Anhören der neuen Bach-CD von Hélène Grimaud hatte ich nur flüchtig positiv notiert, dass sie auch mal "reinhauen" kann in den Flügel - Bach-Busoni erfordert Tiefe, Kraft und Brillanz, das hat sie. Weniger davon habe ich bei ihrem Auftritt in Luzern bemerkt, der bei arte gesendet wurde, ihr Rachmaninov hatte eine dermaßene Vorsicht, dass ich das Damokles-Schwert außerhalb der Kameraperspektive fast fühlen konnte. Nun hat sie wohl den Führerschein bestanden, aber die Probezeit übersteht sie wohl nicht. Bei ihrer Bach-CD möchte ich (2. Hinhören) am liebsten ständig Verkehrszeichen aufstellen, "geschlossene Ortschaft - 50" oder "Schule - 30". Aber nein, nachdem sie auf die Chaconne-Autobahn aufgefahren ist, gibt sie plötzlich Gas, man knallt als Hörbeifahrer an die imaginäre Kopfstütze und die Frisur ist zerstört. Keine dreißig Sekunden später ruckartige Vollbremsung vor dem nächsten Schuhgeschäft (BACH & SÖHNE), ich presse die Hände an die Ohren und höre den Hintermann fast draufknallen. Dass sie ein frangssösisches Auto fährt, entschuldigt vielleicht das nervöse Spiel mit der Kupplung. Aber SO spielt man doch bitte nicht Bach!? Und auf der linken Spur, mit plötzlicher Wende, Turboboster und offenen Busoni-Gullideckeln beende ich diesen Beitrag. Anhören bitte.

Freitag, 19. September 2008

KAGEL

weilt nicht mehr unter uns. Was für ein Verlust für die Musikwelt. Mit seinen Filmen, seinen abenteuerlichen Instrumentaltheaterwerken, seinem unglaublich sensiblen "Mitternachtsstük", den raffinierten "Etüden" und "Windrosenstücken", seinen Texten und Büchern, aber auch als Gestalt und Persönlichkeit mit einem wunderbar "ernsten Humor" wird er mir sehr intensiv in Erinnerung bleiben als einer, der für mich mehr als jeder andere Komponist für die Verbindung der unglaublichen Stärke und Dynamik von Kreativität und Intellekt steht und dabei so etwas wie entfesselte, freie Kunst schuf. Immer wieder, immer wieder neu und faszinierend, ein erfundener, gefundener und im selben Moment hinterfragter und auf den Kopf gestellter Kosmos von Musik.

Nachruf bei der ZEIT

un entrevista en 'El País'

Es lebe Kagel! sagt Hartmut Lück bei der FR. Dem schließe ich mich an.

--

NB: Gerade sehe ich zwei große Hände im Himmel, die sich vor Lachen auf die Schenkel schlagen - anläßlich der Schlagzeile "STAR-KOMPONIST" in taz und bei Spiegel Online....

Freitag, 12. September 2008

Ich protestiere!

Wieso bekommt SIE nicht DEN (wegen Schönberg, aber auch sowieso und ohnehin), sondern der da?

Diesmal sind die Echo-Preise ansonsten durchaus folgerichtig (was nicht unbedingt positiv gemeint ist), es gibt nur wenige Überraschungen und Nominierungen für zeitgenössische Musik (20./21. Jahrhundert = Korngold und Schostakowitsch) sind natürlich ein Witz, maximal die RIAS-Einspielung von Le Vin Herbé von Frank Martin und die Johannespassion von Gubaidulina wären da positiv zu erwähnen.
Besonders freue ich mich über Preise für Michael Gielens Gurrelieder und Dorothee Oberlinger.
Die Staatskapelle geht natürlich auch nicht leer aus, Fabio Luisi kassiert als neuer GMD gleich einen Echo für die beste Surround-Einspielung des Jahres. Das geht ebenso in Ordnung wie der Echo für Colin Davis' Berlioz-Requiem. Und Hänssler bekommt natürlich als Label noch einen Sonderpreis. Bei den Instrumentalisten und Sängern halte ich mich mit Freude und Kritik mal vornehm zurück.

Alle Preisträger auf einen Blick

Sonntag, 27. Juli 2008

Grumpf

Muss der Naidoo seine mobile Lebensberatung zur Klampfe jetzt auch noch nach Dresden schaffen? Und dann stellen auch noch unschlüssige Ratsuchende und Weltverlierer die ganze Carolabrücke zu und reagieren auf meine Fahrradklingel nur mit sentimental-phrenetischem Blickwahn (wahrscheinlich ein gefährlicher Drittelmix: 33% bedrogt, 33% scheißtexte, 33% entsetzliche Musik). Soll der doch seine Praxis in Mannheim aufmachen...

Freitag, 25. Juli 2008

Barry Douglas

Er ist ein toller Pianist, der Ire Barry Douglas. Vor einiger Zeit beeindruckte er in Dresden mit allen drei Bartok-Konzerten an einem Abend (Leitung Janowski). Jetzt ist endlich mal wieder eine Platte erschienen, zwei Klavierkonzerte von Rachmaninov, die bereits 1993 in Russland aufgenommen wurden, aber nicht erscheinen durften. Die CD ist ein schönes Dokument seiner "wilden" Zeit, Douglas gastierte oft in Russland und studierte sogar eine Zeitlang Russisch. Später gründete er die "Camerata Ireland" und nahm nicht mehr jedes Konzertangebot an, um so erfreuter ist man heute, wenn man ihn ab und an im Radio hört oder von ihm liest. Einziges Manko dieser guten CD, die ich von der Anlage der Werke her absolut empfehlen würde, ist der Blechbüchsenklang des Staatlichen Russischen Sinfonieorchesters unter Jewgeni Swetlanow. Ich glaube nicht, dass der "Retroklang" die CD nicht gerade zu einem Verkaufsschlager macht, eher zu einem Geheimtipp.

Sonntag, 20. Juli 2008

Darmstadt-Blog beendet

Das Darmstadt-Blog, eine musikhistorische Großtat sondergleichen, ist vorerst geschlossen. Auf die Entwicklung von Blog-Diskursen innerhalb des Themas Neue Musik (schon fast fossiliare Versuche, Musik im Netz zu diskutieren finden sich ja in der Forenherrlichkeit vondieser oder auch jener Seite) freue ich mich sehr und werde mir dazu auch einige Gedanken machen.

Noch zwei Anmerkungen:
die Komposition, die Rihm auf diesem Bild vorgelegt wurde, war nicht fußgeknüpft sondern fußgeklöppelt. Diese alte sächsische Tradition wurde zur wirtschaftlichen Belebung der osterzgebirgischen Weihnachtsmärkte erstmals 1817 in Sri Lanka eingeführt, just zu der Zeit also, wo Berlioz im jamaikanischen Schwimmnationalteam Karriere machte (Link=Beleg). Solche Feinheiten wirken sich auf die Arbeit der nächsten Generationen aus. Wenn wir schon nicht sauber argumentieren, wie soll 2089 erst ein Musikwissenschaftler die Arbeiten der unzähligen Rihm-Schüler (neu: jetzt auch als Wiki-Kat) analysieren?

und zweitens: nicht nur Lücker klagt über Nichtaufführungen, ich habe hier auch noch einen Beitrag eines russischen Komponistenkollektivs, die ebenfalls mehrfach vergeblich bei Solf Schäfer Werke eingereicht haben. Ich bitte um freundliche Beachtung.

Dienstag, 10. Juni 2008

Huch!

Nachdem das erste Halbjahr für mich nicht viel an tollen neuen Platten hervorbrachte (die Linkliste zeigt fast nur Klassik, aber davon ist jede einzelne Gold wert!), bekomme ich gerade um die Ohren gehauen:
Anywhere I lay my head von Scarlett Johansson ist vielleicht nichts für Vocal-Liebhaber, aber den opulenten Arrangements fügt sie zumindest das blass-erdfarbene Orgelregister ihrer Stimme hinzu. Tom Waits? Ach ja, war wohl der Anlass. Aber das hat mit ihm kaum noch was zu tun. Und die Wucht der Lieder ist sogartig, unentziehbar. Stark.

Dienstag, 6. Mai 2008

Trip to Asia

Endlich habe ich mir den zweiten Film von Thomas Grube über die Berliner Philharmoniker angesehen. Äußerlich ist Trip to Asia die dokumentarische Begleitung einer Asienreise des Orchesters, aber eigentlich geht es um die speziellen Eigenheiten dieses Klangkörpers. Vieles kam mir da bekannt vor, zumal wir mit dem DKC bereits 2005 in China waren - bloß hat keiner mit uns einen Film gedreht, aber die Demut und den Kulturschock habe ich durchaus noch einmal beim Ansehen nachempfunden. Eher beklemmend sind dann aber die ganzen Äußerungen der Musiker, was Druck, Leistung, Individualität usw. angeht. Sicherlich ist es für einen Nichtmusiker toll, einmal diese ganzen Strukturen mit Hilfe des Films anzusehen, aber gerade die Äußerungen über "Demokratie" im Orchester und vor allem zu Tradition und Anpassung bestätigt mir wieder einmal eine ziemliche Verkrampfung unserer Musikinstitutionen und es kommt in mir die Frage auf, ob das Nummereins- Leistungs-Qualitätsdenken wirklich immer die tollste Musik hervorbringt (bitte in dieser Hinsicht mal genau auf den Beethoven und einige Übergänge im Strauss hören...) - Fazit1: die entlassene Piccoloflötistin (im Abspann wird auch ihr Abgang gewürdigt, tolle Denunziation) erscheint mir am natürlichsten. Fazit2: Strauss spielen die Dresdner einfach besser (sowohl technisch als auch emotional...). Fazit3: dass die miserable Tonspur mit nicht zum Bild passendem Off-Playback - offenbar sonstwo eingespielt, ständiger Unterlage von Asia-Musik und einer permanenten akustischen Berieselung überhaupt "genehmigt" wurde, ist mir ein Rätsel.

Dienstag, 1. April 2008

Enjoy the depth of the music

Schön, dass es noch Musik gibt, bei der man mal schallend lachen kann. Willkommen beim Elefantenkuhsextett, das heute ein spezielles Ballettprogramm für die Zuhörer erarbeitet hat:

Freitag, 21. März 2008

Neue CD-Empfehlungen

Meine "HÖREN"-Liste in der Sidebar füllt sich allmählich, ich habe nur noch keine Zeit gefunden, die CDs im einzelnen zu rezensieren. Daher heute zumindest ein paar kurze Sätze dazu: Empfehlenswert sind alle vier aus unterschiedlichen Gründen. Die neue Aufnahme von Yundi Li erscheint übrigens erst am 11.4., ist aber ein absolutes "Must Have" für Klassikfreunde, die mal wieder Klavier mit einem charaktervorllen Geist und richtigen Noten hören wollen anstelle mit Sportgehabe und Überheblichkeit. Prokofievs Konzerte Nr. 1 und 3 werden ja auch gerne heruntergenudelt und finden sich im Repertoire vieler Pianisten. Wer 2 öffentlich spielt und auch aufnimmt, stellt sich einer kraftstrotzenden, hochvirtuosen Partitur, die aus einer anderen Prokofiev-"Liga" zu stammen scheint. Yundi Li stellt sich dieser Aufgabe mit einer Deutlichkeit in Tempo und Anschlag, die zwar fast "zu schön" für das Stück ist, aber rundweg überzeugt, weil er die Ruhe in den Koloraturen vom 1. bis zum 4. Satz auch durchhält. Das hat Konzept und wirkt intelligent. Und obendrein auch noch live...
Hilary Hahns CD ist für mich bereits "Platte des Jahres". Das allein schon wegen ihres Mutes, sich dem Schönberg-Konzert zu nähern, wo doch es doch seit Tibor Varga nicht wirklich eine Aufnahme gab, die auch nur einigermaßen den Ideen Schönbergs näherkam. Hilary packt das Unmögliche: das Konzert gut zu spielen und auch noch eine profilierte, ganz eigene und sinnige Interpretation hinzulegen. Genial. Achja, und hat man Sibelius (welche waghalsige Koppelung!) jemals romantischer, ehrlicher gehört? Es ist glaube ich die erste Aufnahme eines spätromantischen Werkes (von Günter Wands Bruckner-Aufnahmen abgesehen), in welchem ich den Begriff "Pathos" richtig angewendet finde, ohne falsche Klischees, dafür aber mit überströmendem Herzen.
Uff. Zu Janowski und Pepping später mehr. Aber ebenfalls HÖREN!

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