Rezensionen

Dienstag, 5. November 2013

Zwischen Antike und Gegenwart

Komponistenporträt Dimitri Terzakis im Hygienemuseum

An vielen Orten der Stadt ist "courage", das Dresdner Ensemble für zeitgenössische Musik, bereits aufgetreten. Das Fehlen einer eigenen dauerhaften Spielstätte mag größeren Aufwand im Erlangen von Aufmerksamkeit bedeuten, für ein Ensemble mit flexiblen Programmen und Besetzungsgrößen vom Solo/Duo bis zum großen Kammermusikensemble gehört die Wahl des passenden Raumes aber oft zum Projektkonzept dazu. Der Kastencharakter des großen Saales im Hygienemuseum ist so nüchtern, dass er für die Spielarten der zeitgenössischen Musik Freiraum bietet.

Für das erste, noch etwas spärlich besuchte Projekt am Sonnabend wirkte er fast überdimensioniert, denn das Kammermusikporträt des in Leipzig lebenden griechischen Komponisten Dimitri Terzakis vertrug Intimität. Vorgestellt wurden zwei Werke mit literarischem Hintergrund, zum einen ein vierteiliger Baudelaire-Zyklus für Sprecher und Ensemble als Uraufführung sowie "Die Irrfahrten des Odysseus", die der Komponist als "Laterna magica-Performance" untertitelt. Obgleich die beiden literarischen Quellen völlig unterschiedlich sind, konnte man eine gemeinsame Musiksprache feststellen - Terzakis komponiert mit einem "erweiterten Tonsystem der Antike".

Das klingt zunächst faszinierend, da es wenige Komponisten gibt, die sich mit den ältesten musikalischen Wurzeln der Welt beschäftigen. Problematisch erscheint, dass man beim Hören dennoch die Musik in einem tonalen, von späteren und nicht ausblendbaren Erfahrungshorizonten bestimmten Klangraum wahrnimmt und somit eine merkwürdige Mixtur entsteht. Insbesondere Baudelaires bildgewaltige Lyrik gerät da in eine Schieflage zur Musik, wenn diese sich mit illustrativer Nacherzählung in "alten" Systemen begnügt. Die simple Gestaltung der Sprechstimme (Tobias Schlierf) konnte der Lyrik keinen Mehrwert geben: Der Hass ist laut und vor allem auf rhythmischer Ebene lediglich "markig", und alle schönen Worte werden reichlich gedehnt, als wolle der Komponist lediglich eine Betonung Baudelaires präsentieren, keine Vertonung.

In den "Irrfahrten des Odysseus" behielt Terzakis auf der sprachlichen Ebene diese Stilistik bei, nur handelte es sich nun um einen prosaischen Text, der in recht trockener Art Odysseus Abenteuer nacherzählte. Als Bereicherung entpuppte sich die visuelle Ebene der Laterna Magica mit gemalten Bildern aus dem Nachlass des Laternisten Paul Hofmann (ca. 1880). So entstand eine Art bebildertes Hörspiel, dem aber weitgehend die interpretatorische, reflektierende Ebene fehlte: ausgiebig wurde Abenteuer um Abenteuer erzählt, zu selten wurde tieferer Sinn deutlicher artikuliert, als Gefahren und Meeresstürme klanglich zu akzentuieren oder das Gefühl bei Odysseus' Heimkehr in innige Melodik der Streicher oder Vokalisen in den Solosopran (Nancy Gibson) zu übersetzen.

Courage zeigte unter Leitung des Dirigenten Martin Braun viel Engagement für eine stimmungsvolle Interpretation - ein rechtes Erlebnis wollte sich aber am Ende nicht einstellen, weil Musik, Literatur und Filmgeschichte zwischen Antike, 19. Jahrhundert und Gegenwart keine künstlerisch aussagekräftige Verknüpfung eingingen.

Dienstag, 29. Oktober 2013

Ein Kraftakt

Wagner, Strawinsky und Chung in der Hochschul-Matinee

Die Jahreszahlen 1813 und 1913 haben wir in diesem Jahr oft vernehmen dürfen - der 200. Geburtstag von Richard Wagner bot willkommenen Anlass für viele Konzertereignisse an seiner Dresdner Wirkensstätte. 1913 markiert den 100. Jahrestag der Uraufführung des Balletts "Le Sacre du Printemps" von Igor Strawinsky - bereits im Mai war das Stück in Dresden zu erleben. Die Dresdner Musikhochschule hat zu Ehren Richard Wagners bereits eine ganze Reihe von Veranstaltungen initiiert, die Matinee am Sonntag in der Semperoper bildete einen fulminanten Abschluss.

Das Hochschulsinfonieorchester unter Ekkehard Klemm bot für dieses Konzert alle verfügbaren Kräfte auf, außerdem war das Orchester durch 25 Studenten aus den Partnerstädten und Instituten in Brno, St. Petersburg, Strasbourg und Wroclaw verstärkt. Die Brücke von Wagner zu Strawinsky zu schlagen erscheint auf den ersten Blick schwierig, erst recht, wenn man Strawinskys eigene Worte einbezieht, der Wagners Musik als "heroischen Klempnerladen" abqualifizierte. Strawinsky darf man gern seine Partitur vor die Nase halten: bei aller Priorität des Barbarischen zeigt er dem Hörer schon in den ersten Bläsertakten, was er kontrapunktisch von Wagner gelernt hat.

Im ersten Teil traf somit Moderne auf Moderne - hier das "Tristan"-Vorspiel samt "Isoldes Liebestod" (Solistin: Christiane Libor, Sopran), dort das Skandal-Stück, das heute zwar im besten Falle seine heidnischen Qualitäten bewahrt hat, aber für alle großen Orchester zum Repertoire gehört. Nur zu bewundern war, was die Studenten unter Klemms engagierter Leitung aus beiden Stücken herausholten. Wagner klang hier sehr konzentriert und bis in kleinste Details stimmig und transparent, Libor zeichnete ihren Part stimmlich sehr souverän, einige Wünsche blieben an diesem Vormittag bei der Diktion offen. "Le Sacre du Printemps" ging Klemm mit den Musikern mit klarer Zeichnung vom Pult aus an, forderte die Studenten aber auch zu einer von diesen bestmöglichst nachvollzogenen Interpretation, innerhalb derer etwa der stürmische Schluss des 1. Teils hervorzuheben ist. Fein ausgehört waren die leiseren Abschnitte des 2. Teils: viele schöne Soli und prägnante Bläsersätze, die bis zum Schluss ihre Intensität behielten, vermochten das Publikum am Ende zu begeistern.

Nach der Pause erhielten zwei verdiente Dozenten des Institutes eine Honorarprofessur verliehen: Christoph Schulze (Cello) und Milko Kersten (Ensembleunterricht Opernklasse) wirken seit vielen Jahren erfolgreich an der Hochschule und dürfen nun ihrer Profession offiziell geehrt nachgehen. Musikalisch zog Ekkehard Klemm im zweiten Konzertteil den thematischen Bogen der Moderne bis in die Gegenwart: ein Preisträgerstück eines zum Wagnerjahr ausgelobten Kompositionswettbewerbes des MDR erklang somit in Dresden erneut. Der aus Korea stammende Jinhyung Chung, in Weimar Komposition studierend, gewann diesen mit seinem zweiteiligen Stück "Tropfen", das somit nun in Dresden eine Wiederaufführung erhielt. Die auffällig gute Instrumentierung konnte nicht über die Problematik der direkten musikalischen Umsetzung des Titels hinweghelfen - stilistisch bewegte sich diese neuartige "Wassermusik" irgendwo zwischen Henze und Dutilleux.

Rein von der Leistung der Studenten her gesehen war man am Ende dieser Darbietung eigentlich schon restlos begeistert - doch das Konzert nahm noch einmal eine Schlusskurve zurück zu Richard Wagner, was den Bogen leider überspannte. Dass Trauermarsch und Brünnhildes Schlussgesang aus der "Götterdämmerung" samt dem zugegebenen "Walkürenritt" nun deutlich an den Kräften zehrte, war an manchen wackeligen Übergängen und intonatorischen Trübungen zu merken. Der Begeisterung, was die derzeitigen Studenten des Institutes zu leisten imstande sind, stand am Ende doch die Frage gegenüber, ob dies alles in einem Konzert aufgebracht werden muss.

Sonntag, 27. Oktober 2013

Kapell-Stradivari erklingt erstmalig

Francaix, Franck und Borodin im 2. Kammerabend

Auf großes Interesse beim Publikum stieß der 2. Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle in der Semperoper am Mittwochabend. Vermutlich ist dies ausnahmsweise weniger den guten Interpreten oder dem spannenden Programm zu verdanken - auch das war der Fall - sondern einem besonderen Instrument. Dabei war es "nur" eine Geige, die die Aufmerksamkeit auf sich zog, aber bis vor wenigen Tagen war sicher nicht jedem bekannt, dass die Staatskapelle bereits seit fast 200 Jahren ein Instrument des Geigenbauers Antonio Stradivari besitzt. Die Geige hatte ein unrühmliches Schicksal, nachdem sie 1910 einem Malheur zum Opfer fiel; nach mehreren Notoperationen konnte sie in den letzten Jahren umfangreich restauriert werden und Konzertmeister Kai Vogler konnte das wertvolle Instrument nun wieder seiner eigentlichen Aufgabe zuführen, nämlich durch ihren besonderen Klang im Konzert zu betören.

Natürlich maßt sich niemand an, diese Einzigartigkeit auch im Hörerlebnis sofort nachvollziehen zu können - gar viele Kollegen der Geigenbaukunst haben dem Meister nachgeeifert und kaum weniger passable Ergebnisse produziert. Für die Premiere hatte Vogler die Violinsonate A-Dur von César Franck ausgewählt, ein opulentes, durch und durch romantisches Werk, in dem man mit Legato und großem Ton nicht sparen muss. Der satte Violinklang entfaltete sich da ohne große Mühe und stets blieb eine gewisse Wärme, auch in der Höhe, erhalten.

Weitgehend instrumentenunabhängig sollte sich allerdings die Interpretation gestalten, hier blieben aber einige Wünsche offen. Das leidenschaftliche Feuer, das Francks Sonate nach wenigen Partiturseiten entfacht, blieb auf merkwürdige Weise gezügelt. Vielleicht lag es daran, dass Vogler mit Mirjana Rajic am Klavier nicht immer den gleichen Atem hatte - Rajic blieb vor allem im 1. Satz sehr zurückhaltend und die anspruchsvollen Aufgaben im Klavierpart löste sie zwar zumeist sauber, der emotionale Drang dieses Stückes trat jedoch kaum einmal bei beiden Musikern in den Vordergrund. Die Themengestaltung an sich war zumeist von sehr geradliniger Haltung geprägt, zumindest erschien dies für diese französische Musik ein außergewöhnlicher Zugang zu sein.

Umrahmt wurde die Sonate von einem Trio und einem Quartett: zu Beginn musizierten Annika Thiel, Holger Grohs und Friedwart Christian Dittmann das Streichtrio von Jean Francaix. Liest man diesen Komponistennamen im Programm, ist immer niveauvolle Unterhaltung garantiert. Schwungvoll und stets in Bewegung erschienen die ersten beiden Sätze, überraschend innig im Ausdruck stand an dritter Stelle ein kostbarer Andante-Satz. Sehr überzeugend musizierte das Trio gerade die leisen, fast verwehten Passagen dieses nicht sehr tiefgründigen Werkes.

Zum Beschluss des Konzertes gesellte sich an der zweiten Geige Kay Mitzscherling hinzu. Mit dem Quartett Nr. 2 D-Dur von Alexander Borodin wurde ein Werk vorgestellt, das zwar äußerst selten erklingt, aber dennoch zum Kammermusikschaffen der russischen Romantik einen gewichtigen Beitrag leistet. Sind die ersten beiden Sätze eher konventionell gestaltet, so ist das Notturno ein wunderbarer langsamer Satz und im Finale weiß Borodin die Spannung durch fanfarenartige Themenartikulation aller Instrumente zu halten. Das Kapell-Quartett zeigte sich hier ebenso versiert wie bei Francaix und konnte für die klangschöne Interpretation viel Applaus verbuchen.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Barocker Spirit

Ton Koopman mit dem Amsterdam Baroque Orchestra in der Frauenkirche

Wenn es um historische Aufführungspraxis und die Verdienste um die barocke Musik geht, muss sein Name unbedingt genannt werden: der niederländische Organist und Dirigent Ton Koopman gilt als einer der gefragtesten Interpreten auf diesem Gebiet. Am Sonnabend konnte man sich in der Frauenkirche davon überzeugen, wie Koopmans Bach klingt - der Dirigent brachte sein von ihm 1979 gegründetes "Amsterdam Baroque Orchestra" mit, das nach vierunddreißig Jahren Erfahrung unter anderem auf eine komplette Einspielung des Kantatenwerks von Bach zurückblicken kann und derzeit mit dem Gesamtwerk von Dieterich Buxtehude befasst ist.

Der Begriff der Authentizität drängt sich hier fast auf, und doch wissen wir, dass das historisch informierte Spiel immer nur eine Annäherung, eine Sichtweise an das barocke Zeitalter vermitteln kann. Ton Koopman verlieh der Musik mit impulsivem Dirigat vom Cembalo aus sehr viel Energie und Lebensfreude. Schon nach wenigen Takten der 3. Orchestersuite BWV 1068 von Johann Sebastian Bach ist man beim Hören in einer Selbstverständlichkeit angelangt, die nicht aus Routine heraus entsteht. Koopman begreift die Musik aus dem Moment heraus als etwas, was immer wieder neugierig angegangen werden muss - das machte Bach in der Verbindung mit der hohen Spielkompetenz des Ensembles zu einem Hörabenteuer.

Aus dieser Haltung heraus veredelte Koopman auch das berühmte "Air" in der Suite, das im schlanken Ensembleklang genau die richtige Balance zwischen Harmonie und Melodie erhielt. Die anderen Sätze erhielten markanten Zugriff und im Fall der Gigue auch ein durchaus rasantes Tempo, wobei Koopman nie den Sinn für die Faktur und die vielen Details verlor. Mit einem frühen Werk von Mozart und einem späten von Haydn wurde dann ein großer Bogen über die Wiener Klassik gezogen. Der Fagottist Wouter Verschuren gehört dem Ensemble an, wie viele seiner Kollegen ist er aber auch Spezialist für sein Instrument und konzertiert solistisch.

Mozarts Fagottkonzert B-Dur, 1774 entstanden, mag man auf dem modernen Fagott kennen, das aber erst im 19. Jahrhundert seine heutige Bauart erhielt. Verschurens Interpretation auf dem Barockfagott war höchst spannend, weil man sich von vornherein auf eine herbere Klanglichkeit einstellen musste. Koopman und Verschuren boten eine mitreißend lebendige Darstellung, die in den schnellen Tempi und in den hochvirtuosen Kadenzen auch einiges sportliches Risiko in sich barg. Das machte Verschuren aber mit einer unglaublichen Versiertheit im klanglichen Bereich aller Register des Fagotts wett.

Haydns 103. Sinfonie Es-Dur ist der vorletzte Vertreter der "Londoner Sinfonien" - der Beiname "Mit dem Paukenwirbel" deutet wieder einmal auf die Gewitztheit der Kompositionen des Meisters hin. Diese Sinfonie beginnt mit einem Fermatentakt für die Solopauke, die pompöse Intrada bleibt aber Augenwischerei angesichts des folgenden nebulösen Adagios, das schon an das Gewürm in der "Schöpfung" gemahnt. In dieser Sinfonie ist das Orchester mit komplettem Holz, Hörnern und Trompeten voll besetzt und Koopman hatte keinerlei Mühe, die vielen Raffinessen hervorzulocken, die hier vor allem in stetig veränderter Instrumentation einfachster melodischer Grundlagen aufblitzen. Das "con spirito" des letzten Satzes nahm Koopman wörtlich - wenn ein Geist dieses Konzert durchwehte, dann war es vor allem die Beseeltheit einer gemeinsam und kompetent angegangenen frischen Musikalität, die Koopman mit seinem Ensemble überzeugend vermittelte.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Innerer Weltenbrand

Gustav Mahlers 9. Sinfonie im Kapell-Konzert mit Myung-Whun Chung

Viel ist über Gustav Mahler gesagt und geschrieben worden - vor allem 2011, als des Komponisten 100. Todestag gewürdigt wurde. Dabei musste "seine Zeit erst kommen", denn die Rezeption seiner Musik verlief keinesfalls geradlinig. Vielleicht sind wir heute imstande, aus der Distanz besser zu verstehen, welchen Visionen, Lebensentwürfen und Philosophien der Komponist in seiner Musik nachgespürt hat. Vielleicht ist Mahler aber auch - wie Axel Brüggemann im Programmheft zum 2. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle treffend formuliert - "einer von uns". Einer von uns - das schließt persönliche Stärken und Schwächen ebenso ein wie höchstes Glück und tiefste Trauer zu erfahren.

Können wir überhaupt den Schöpfer von seiner Musik trennen? Wo sollen wir hinhören angesichts der schonungslosen Existenzialität eines Werkes wie der 9. Sinfonie - bei der man sich ja kaum traut, die Bezeichnung "D-Dur" hinzuzufügen angesichts des Erlebnisses eines inneren Weltenbrandes, der sich jeglicher Kategorisierung verweigert. Das "Wozu?" formulierte bereits der Dirigent Bruno Walter als die quälende Grundfrage von Mahlers Seele - in seinen 10 Sinfonien, dem "Lied von der Erde" und den Liedkompositionen nimmt die Erörterung der Frage weitaus breiteren Raum ein als jeder Antwortversuch. In diesem Sinn konnte man Myung-Whun Chungs recht schonungslose Darstellung des Klingenden begreifen und gutheißen.

Chung hielt sich in bescheidener, fast demütig agierender Weise davon fern, zuviel deuten zu wollen. Mit der "Neunten" setzte der Erste Gastdirigent der Kapelle seinen Mahler-Zyklus fort, der sich über mehrere Spielzeiten spannen wird. Chung ließ auf eine interessante Art und Weise die Musik schlicht passieren, was zu einer schmucklosen Ehrlichkeit führte. Zwingend und überzeugend wirkte die Interpretation vor allem, wenn Chung mit knappen Signalen ganz aus innerer Ruhe heraus Übergänge formte oder den Instrumentengruppen Freiraum zur Entfaltung gab. Genau dieser Freiraum war es, der den aschfahlen Beginn der Sinfonie erzeugte, später dann vor allem im Holzbläsersatz zu schroffen und mit Mut ausmusizierten Klangfarben im 1. und 2. Satz führte. Unmissverständlich zeigte Chung, dass diese Sinfonie keinesfalls schöne Musik zur Erbauung und Ertüchtigung enthält - hier spricht das Leben selbst mit all seinen extremen Erfahrungen.

Chungs Darstellung überzeugte auch in der Verklammerung der beiden Mittelsätze, deren straffe Tempi - ohne jegliche wienerische Verzärtelung - dazu geeignet waren, eine Ahnung vom schicksalhaften "Weitermüssen" zu bekommen. Dabei begnügte sich die Kapelle nicht mit Details des Dreivierteltaktes - dieser bekommt bei Chung ohnehin eine bittere Endzeitdramatik. Nach dem ebenso unwirklichen Wirbel der Rondo-Burleske des 3. Satzes schlägt die Tür nach draußen zu. Es bleibt der große Abgesang des finalen Adagios, den die Staatskapelle mit großem Legato und fein austarierten abgedunkelten Klang ausformte. Chung gelang es, die dichten Steigerungen und den allmählich auskomponierten Zerfall dieser Sinfonie unter einen großen Spannungsbogen zu fassen, was in den letzten Takten zu einer seltenen Erfahrung von Stille im gesamten Opernrund führte - in der Summe zu einem großen Musikerlebnis.

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Kraftvoll freigespielt

Widmann und Bruckner mit der Dresdner Philharmonie in der Kreuzkirche

Auf ihrer langen musikalischen Reise durch die Stadt befindlich fand sich die Dresdner Philharmonie am Sonntagabend zum Konzert in der Kreuzkirche ein. Sinfonien von Anton Bruckner sind in diesem Raum gut aufgehoben - mit der australischen Dirigentin Simone Young, die schon mehrfach bei der Philharmonie gastierte, stand auch eine Spezialistin am Pult, die Raumklang und Charakteristik der Partitur zu verbinden wusste. Zuvor gab es einen zeitgenössischen Prolog, der zu Bruckners lichtestem Sinfonieopus nur als Kontrast verstanden werden konnte.

Jörg Widmann ist in Dresden ebenfalls ein gern gesehener Gast und präsentierte sich als Interpret seines eigenen Werkes "Elegie für Klarinette und Orchester" aus dem Jahr 2006. Diese Aufgabe erfüllt er weniger aus Notwendigkeit denn aus Leidenschaft, denn Instrumentalist und Komponist inspirieren sich hier gegenseitig. Der Aufführung war anzumerken, dass spontan vor allem im Bereich des Timbres gearbeitet wurde. Dynamik und Tempo wurden stets genau justiert, um Echowirkungen und Überlagerungen zu erzeugen. Die letzten Geheimnisse einiger Details vor allem in leisesten, schnellen Passagen der Soloklarinette verschluckte der Raum dann leider dennoch. Irritierend mutet Widmanns Tonsprache in diesem Werk an: zwischen avancierten Geräuschklängen und Neoromantik wähnt man sich auf einem schwankenden Boot, findet aber eine Antwort, wenn man diese Elegie als Summe verschiedenster Empfindungen deutet.

Die 6. Sinfonie in A-Dur von Anton Bruckner hat ein merkwürdiges Schicksal erlitten. Zu Lebzeiten des Komponisten wurde sie nie komplett aufgeführt, obwohl Bruckner, nach mehrjähriger Schaffenspause in gesicherter Stellung befindlich, sich nun endlich wieder an eine große Partitur gewagt hatte. Auch heute findet sich das Werk selten in den Konzertplänen; eine gewisse Introvertiertheit ist der Sechsten nicht abzusprechen, anders gesagt: die Schönheiten wollen entdeckt werden. Simone Young sorgte bereits im 1. Satz für einigen vorwärtsgerichteten Schwung, der aber noch einige Male von leicht nervös ausfallenden Übergängen beeinträchtigt wurde. Das legte sich im empfunden ausmusizierten Adagio, in welchem Young ganz klar auf eine fast kammermusikalische Lyrik setzte; damit unterschied sie diesen Satz auch deutlich von ihren ungleich gewaltigeren Partnern in anderen Sinfonien.

Schön war auch die Ausgestaltung des Scherzos, das mit einem sehr legeren Trio und insistierenden Pulsationen an den äußeren Enden aufwartete. Das Finale wurde von Young klar im Tempo bestimmt und durfte sich dynamisch frei und mit natürlicher Kraft entfalten. Die Philharmoniker beantworteten die angenehmen Zeichen vom Pult mit guter Homogenität vor allem im Tutti-Spiel - für diese lebendige und facettenreiche Bruckner-Aufführung gab es starken Applaus.

Dienstag, 8. Oktober 2013

Zerrspiegel des Entsetzens

Zum 70. Geburtstag von Udo Zimmermann: "Weisse Rose" in Hellerau

Der Komponist Udo Zimmermann ist am Sonntag 70 Jahre alt geworden. Ihm zu Ehren gestaltete das Europäische Zentrum der Künste Hellerau eine Jubiläumsveranstaltung aus. Hellerau ist mit dem Namen Zimmermann untrennbar verbunden - es war ein weiter Weg vom Studio Neue Musik, das Zimmermann 1974 gründete, über das Dresdner Zentrum für Zeitgenössische Musik an der Schevenstraße bis nach Hellerau, das 2004 seinen heutigen Namen bekam. Immer war dem Intendanten, Komponisten, Visionär Udo Zimmermann die lebendige Pflege der Gegenwartskunst und vor allem der zeitgenössischen Musik und des Musiktheaters in allen Facetten ein Anliegen.

Politische oder finanzielle Barrieren schienen ihm erst recht Herausforderung zu bedeuten - wider die Bequemlichkeit, wider Scheuklappen und allzu leichtem Verharren in gewohnten Bahnen. Im Herzen stets Komponist geblieben, überwog doch immer die Neugier und Freude am Wirken der anderen - unzählige Uraufführungen beförderte er in seiner Zeit in Hellerau, als Opernintendant in Leipzig und Berlin und als Leiter der "musica viva" in München.

Im Zentrum der Ehrung in Dresden stand die Aufführung von Udo Zimmermanns wohl erfolgreichstem Werk, der Kammeroper "Weisse Rose", entstanden 1968 und mit dem Librettisten Wolfgang Willaschek textlich überarbeitet als "Szenen" 1986 uraufgeführt - seitdem erfuhr das Stück über 200 Inszenierungen in aller Welt. Das Stück thematisiert das Schicksal der antifaschistischen Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl, ist aber weit mehr als eine dokumentarische Aufarbeitung der Ereignisse im Musiktheatergewand. Briefzitate, Gedichte und Tagebuchaufzeichnungen formieren sich zu einem Zerrspiegel des Entsetzens, bei dem jede normale Empfindung fehl am Platze ist, das Unaussprechliche sich maximal in instrumentalen Splittern äußern kann und Haltung dort entsteht, wo man Gefühlen einen Raum zur Entfaltung gibt.

Wenn Willaschek von "existenziellen Zwischenräumen" spricht, derer man sich vergewissen soll, so waren diese angesichts der äußerst intensiven Interpretation der "Weissen Rose" durch die Musiker der Dresdner Philharmonie fast körperlich erfahrbar. Mit einem großen Ausdrucksspektrum versahen Sarah Davidovic (Sopran) und Christian Oldenburg (Bariton) die Partitur, stellten insistierendem Gespräch, Rufen und Schreien einen innigen Gesang gegenüber, der in seiner Natürlichkeit der Äußerung sofort das "Müssen" einschloss.

Vor allem gelang es den beiden Sängern eine Ebene der Interpretation zu erreichen, die keine zu eng festgelegte Identifikation mit den Personen proklamierte und damit zu emotionaler Übersteigerung geführt hätte. Der junge Dirigent Dominik Beykirch, derzeit als Assistent bei der Dresdner Philharmonie tätig, vollbrachte eine Meisterleistung mit dem 15köpfigen Ensemble. Ihm gelang es außerordentlich, jede der Szenen mit einer charakteristischen Innenspannung zu versehen. Das führte in den verzerrten Märschen zu (notwendiger) Klanggewalt; ebenso gut gestaltet war das ineinander verschlungene Raunen der Streicher, der wie eine flüchtige Erinnerung an das Leben aufscheinenden Walzer oder das unnachgiebige Pochen einer stets gegenwärtigen Angst, die Reaktion erfordert.

Dass Zuhörer wie Interpreten sich diesem Werk stellen müssen, Position beziehen müssen und jeder unabhängig von seinem Geschmack und seiner Ahnung etwas mitnimmt aus diesem hochemotionalen Erlebnis, dies war eine wichtige Erkenntnis dieser Aufführung und zeigt gleichzeitig den Respekt, den man vor dem humanistischen Ansatz der "Weissen Rose" haben muss. Für den Jubilar, der gerührt den starken Applaus aller Anwesenden entgegennahm, war dieser Abend eine sehr würdige Ehrung am Orte seines langjährigen Wirkens - ihm sei auch von dieser Stelle gratuliert und von Herzen Gesundheit und Schaffenskraft gewünscht.

Samstag, 5. Oktober 2013

Ein Moment zum Innehalten

Cellist Alban Gerhardt schenkt den Dresdnern "Bach im Bahnhof"

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Es ist Rush Hour im Dresdner Hauptbahnhof, am Tag vor dem Feiertag nachmittags um halb fünf. Die Zeit drängt, die Menschen sind damit beschäftigt, von A nach B zu kommen. Die Kuppelhalle im Hauptbahnhof ist ohnehin ein wenig verengt - Werbeaufsteller, Stände und eine Fotoausstellung säumen den Weg zu den Zügen. Für gute vierzig Minuten jedoch bekommt die Halle eine akustische Veredelung. Der Berliner Cellist Alban Gerhardt, sonst in den Konzerthäusern der Welt zu Hause, initierte selbst die Reihe "Bach im Bahnhof", telefonierte sich bei der Deutschen Bahn durch, um in mehreren Großstädten die Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach spielen zu dürfen - ohne Bühne, ohne Gage, ohne Hut, mitten im Alltag der Leute.

Gerhardt will die Musik zu den Menschen bringen, für einen kleinen Moment des Innehaltens sorgen, an einem Ort, wo die Sinne normalerweise nur dafür gebraucht werden, um das Ankommen und Abfahren zu koordinieren. Alban Gerhardt hat an diesem Tag schon im Leipziger Hauptbahnhof gespielt und reist - selbstverständlich - mit dem Zug an. Es braucht nicht viel Vorbereitung: der Verstärker ist ausklappbar, ein Stuhl steht bereit. Ein unauffälliges Plakat kündigt die Spontandarbietung an, aber solange kein Ton erklingt, hasten die Menschen vorbei. Gerhardt nimmt Platz zwischen zwei großen Werbeplakaten, links wirbt die Dresdner Philharmonie, rechts ein Erotikhandel. In Gerhardts Rücken erkennt man hinter den Scheiben eines Restaurants schemenhaft Menschen, die auf der Durchreise einen Imbiss einnehmen.

Dresden bekommt die beiden Moll-Suiten, Nummer 2 und 5 zu Gehör - es sind intime Stücke, die nicht zuerst mit barocker Strahlkraft auftrumpfen, mehr von melancholischer, nachsinnender Art geprägt sind. Gerhardt schließt die Augen und Bach strömt durch die Kuppelhalle, vermischt sich mit der Wolke der Alltagsgeräusche im Bahnhof. Ab dem ersten Ton verändern sich Raum und Zeit auf merkwürdige, beglückende Weise, wenn auch nur für eine Momentaufnahme: Bach erreicht die Menschen und sie gelangen zu Bach. Manche nehmen in den Sekunden des Vorübereilens nur ein kleines Motiv mit, andere bleiben länger stehen und lassen die Musik auf sich wirken.

Gerhardts intensivem Spiel kann man sich kaum entziehen. Nur wer sich per Kopfhörer schon der akustischen Außenwelt entledigt hat, eilt auch an Gerhardt teilnahmslos vorbei. Der Cellist seinerseits läßt sich auch nicht von einem rumpelnden großen Gepäckwagen irritieren, den eine Frau genau vor ihm durch die Halle schiebt. Die Traube der Zuhörer wächst beständig - am Ende gibt es Applaus und auf vielen Gesichtern ein Lächeln. Gerhardt verschwindet nicht sofort, sondern kommt mit den Besuchern ins Gespräch, nimmt Dank entgegen und stellt fest, wie klein die Welt am Hauptbahnhof ist - ein australisches Ehepaar auf Besuch in Dresden hatte hatte den Cellisten erst vor kurzem im Konzert in Perth gehört. Als Gerhardt dann mit Koffer und Cellokasten zum Bahnsteig aufbricht, um noch am selben Abend am Berliner Hauptbahnhof zu spielen, ist er in der Menge ein Reisender wie jeder anderer. Doch einigen Menschen hat er - samt Johann Sebastian Bach - an diesem Nachmittag ein wertvolles Geschenk gemacht.

Dienstag, 1. Oktober 2013

Auf dem Weg zu sich selbst

Philharmonie-Konzert in der Frauenkirche mit Wagner und Bruckner

Wagner und Bruckner - das Aufeinandertreffen dieser beiden Komponisten im Konzert birgt immer Spannung in sich, denn was da oft vorschnell in die Schublade musikalischer Romantik sortiert wird, kann nicht so einfach zusammengebracht werden. Zu unterschiedlich sind die Persönlichkeiten, Biografien und Werke. Mit einigem Staunen verfolgte Bruckner das bewegte Leben des Opernrevolutionärs - selbst im Alter von 50 Jahren gerade auf dem Weg der künstlerischen Emanzipierung und in Wien leidlich als Lehrer akzeptiert, reiste Bruckner 1873 mit zwei Sinfonien im Gepäck auf eigene Faust nach Bayreuth, um eine Dedizierung seiner Stücke an den Meister vornehmen zu können.

Fortan nannte er seine 3. Sinfonie d-Moll "Wagner-Sinfonie". Jedoch nutzte das Vorbild wenig - das Stück fiel bei der Uraufführung durch; wie viele seiner Sinfonien landete das Stück zur Überarbeitung erneut auf Bruckners Schreibtisch. Angesichts der enormen Schwierigkeiten des Komponisten, die ersten fünf Sinfonien überhaupt Orchestern und Dirigenten schmackhaft zu machen, kann man die Entscheidung der Dresdner Philharmonie, der "Dritten" Wagners "Tristan-Vorspiel" an die Seite zu stellen, nahezu als keck empfinden.

Im ersten Philharmonie-Konzert dieser Saison in der Frauenkirche leitete Michael Sanderling das Werk mit guter Kontrolle über Tempo und Fluss der Musik, sodass auch im forte stets ein warmer und gedeckter Klang bestehen blieb. In der Mitte des Konzertes, mehr als Intermezzo denn als Verbindung zu Bruckner wirkend, stand eine Preziose der Wagner'schen Amtsausübung als Hofkapellmeister in Dresden, die auch die Pflege der Kirchenmusik einschloss. Es war üblich, Werke alter Meister ins romantische Gewand zu kleiden, wiesen doch die alten Handschriften kaum Hinweise zur musikalischen Ausführung auf. Heute dürfte Palestrinas achtstimmiges "Stabat Mater" in Wagners "Interpretationspartitur" kaum eine andere Absicht als die der Dokumentation haben. Fast schon dankbar war man daher für die nicht frontale Aufführung durch den Philharmonischen Chor (Leitung Gunter Berger), der die Rotunde der Kuppel wählte und damit die Distanz körperlich erfahrbar machte. Nichtsdestotrotz war die Aufführung selbst sehr ansprechend und das Stück durchhörbar angelegt.

Bruckners 3. Sinfonie d-Moll schloss sich direkt an - anders als im stetig vorwärtsstrebenden Tristan-Vorspiel herrschen hier starke Kontraste, Abbrüche und oft auch eine gewisse Ziellosigkeit vor, was eine klare Richtung für eine Interpretation erschwert. Das Scherzo ist hiervon ausgenommen - dessen klare Gesetzmäßigkeiten brachte Sanderling schön zur Geltung. Für die anderen drei Sätze entschied sich der Chefdirigent für ein Konzept vieler genau ausgearbeiteter Momente, gleichsam wechselnder Landschaftsbilder, die immer wieder genau betrachtet werden. Das überzeugte bei diesem Stück außerordentlich und wurde auch dankbar von den Musikern aufgenommen, die in dieser ruhigen Führung gut ausmusizieren konnten, wobei Sanderling dem Stück in diesem Raum genug Luft in den Pausen gab und zu schnelle Tempi vor allem im Eingangssatz vermied. Die Klarheit des philharmonischen Spiels (exemplarisch sei das Hornquartett zu nennen) führte nicht zur Mystifizierung - dies war ein durchaus irdischer Bruckner, noch auf dem langen Weg der sinfonischen Selbstfindung befindlich, dennoch schon voller musikalischer Schönheiten.

Dienstag, 24. September 2013

Intensiver Einstand

Neuer GMD Raoul Grüneis dirigierte 1. Sinfoniekonzert in Freiberg

In Freiberg wurde nach einem Theatertag zum offenen Denkmal nun die neue Theater- und Konzertsaison mit dem 1. Sinfoniekonzert der Mittelsächsischen Philharmonie eröffnet. Auf die erste Musiktheaterpremiere, "Gräfin Mariza", wird man indes noch warten müssen, da im Theater Döbeln weiterhin Hochwasserschäden beseitigt werden. Das Sinfoniekonzert wurde mit Spannung erwartet, denn es war das Antrittskonzert des frisch im Amt befindlichen neuen Generalmusikdirektors Raoul Grüneis (49). Sein Vorgänger Jan Michael Horstmann ist nach zehn Jahren an die Landesbühnen Sachsen als Operndirektor gewechselt; der aus Würzburg stammende Grüneis dirigierte bereits in der letzten Saison ein zur Ausschreibung gehöriges Konzert.

Grüneis war zuletzt an der Staatsoper Istanbul tätig, vordem auch schon in Oldenburg und Regensburg. Grüneis plant in Freiberg eine Konzertsaison, die sowohl ein klassisches Programm mit Haydn, Mozart und Beethoven vorsieht, als auch einige Überraschungen bietet: so darf sich das Freiberger Publikum freuen, türkische Musik für den Konzertsaal kennenzulernen, der Moderne steht Grüneis ohnehin sehr offen gegenüber. Das 1. Sinfoniekonzert, wenngleich etwas schwach besucht, hatte reichlich Höhepunkte zu bieten und bot ein deutsch-französisches Programm des 19. und 20. Jahrhunderts.

Das Orchester durfte in voller Besetzung antreten und zeigte sich bestens motiviert. Umrahmt wurde das Konzert vom Jubilar Richard Wagner - dem Vorspiel zu "Lohengrin" gab Grüneis nach dem umjubeltem Schluss des Konzertes noch das Vorspiel zum 3. Akt als Encore hinzu. Schon im Lohengrin-Vorspiel zeigte Grüneis Willen zur Deutlichkeit und die Bevorzugung gut angelegter musikalischer Linien, die das Orchester selbst zur Klangentfaltung brachte. Schön, dass auf diese Weise Wagners Musik sowohl frisch als auch mit Anspruch musiziert wirkte.

Im Mittelpunkt des Konzertes stand ein sehr intensives Musikerlebnis mit dem Solisten Isang Enders - der junge Cellist, der im Alter von 20 Jahren bereits Konzertmeister bei der Staatskapelle Dresden wurde, brillierte nicht mit einem Repertoirestück, sondern erinnerte mit einer fabelhaften Aufführung des Cellokonzertes "Tout un monde lontain" an den kürzlich im Alter von 97 Jahren verstorbenen Komponisten Henri Dutilleux. Gewichtiges hat Dutilleux in fünf Sätzen zu sagen - Enders war immer wieder ein inspirierender Klanggeber und stand in stetigem aufmerksamen Dialog mit dem Orchester, das die schwere Partitur unter Grüneis Leitung konzentriert und farbschillernd umsetzte. Sicher - für viele Zuhörer war dies eine fremde Welt, aber eine, die in dieser vom Solisten völlig souveränen Umsetzung nur faszinieren konnte. Mit einem empfunden vorgetragenen Satz aus der Solosuite von Benjamin Britten bedankte sich Isang Enders für den Applaus - damit war auch der zweite Jubilar des Jahres berücksichtigt.

Nach der Pause sorgte Grüneis für einige Entspannung mit den ersten beiden Sätzen der "Trois Nocturnes" von Claude Debussy - dass die "Sirènes" vermutlich mangels verfügbarem Frauenchor entfielen, fiel angesichts der schön austarierten und mit großer Ruhe gestalteten Interpretation der "Nuages" nicht ins Gewicht. Das Finale blieb Paul Hindemith vorbehalten: die "Sinfonischen Metamorphosen nach Carl Maria von Weber" wurden glutvoll und rhythmisch sauber musiziert - der neue GMD forderte hier viel vom Orchester, befand sich aber in den Tempi immer auf federleichtem Terrain, das gerade die Blechbläserabschnitte sehr durchsichtig erscheinen ließ. Grüneis gab damit insgesamt einen sehr guten, auch mutmachenden Einstand, der auch vom Publikum positiv aufgenommen wurde.

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