Sonntag, 13. Juli 2014

Museumssommernacht

Gestern gab es wieder die beliebte "Museumssommernacht" in Dresden. Für mich war es eine schöne Abwechslung, da ich zumeist musikalisch in der Stadt unterwegs bin und den vielen Museen leider zeitbedingt oft zuwenig Beachtung schenke - ganze 47 teilnehmene Kulturstätten verzeichnet das Programm! Über Twitter gewann ich ein Ticket - das Ganze war also auch noch kostenlos für mich. Und zudem eine Premiere, denn in den letzten Jahren war ich meist verhindert oder sah die Museums-Sonderbusse abends an mir vorbeiziehen, darin kulturbeflissene Menschen wie die Sardinen an den Scheiben... - nix für mich, dachte ich.

So war ich denn auch, nach langem Überlegungsprozess in welche Ausstellungen ich meinen Fuß setzen würde, überrascht, dass der erste Sonderbus, in den ich stieg, komplett leer war. Das änderte sich aber im Laufe des Abends. Im Militärhistorischen Museum lockte der Duft von Gebackenem. Und das war bereits Kunst, denn ein neuseeländischer Künstler hatte eine Skulptur aus 18000 Keksen gebaut - Soldaten, denen zum einen ein Bein fehlte, zum anderen durfte man die Skulptur aufessen. Das erzeugte einiges an Medienecho, viel mehr als der Faustschlag der Provokation ("Iss das jetzt und denk gefälligst über den 1. Weltkrieg nach") blieb aber nicht hängen. Da war die Ausstellung im Obergeschoss über den 20. Juli 1944 und die Widerstandsbewegung gegen Hitler sehr viel aufschlussreicher und dort verbrachte ich auch die meiste Zeit. Da ich zudem enge familiäre Verbindungen zur Widerstandsbewegung habe, hinterließ diese Ausstellung einen tiefen Eindruck.

Anschließend ging es hinunter ins Stadtmuseum, diesmal mit einer "normalen" 8 und einem kleinen Fußweg über die Carolabrücke - eine Ausstellung zum Dirigenten Ernst von Schuch, der in der spannenden Zeit der vorletzten Jahrhundertwende das Dresdner Musikleben prägte, reizte mich sehr. Es war sehr informativ und liebevoll aus dem Nachlass, einigen Privatsammlern und der SLUB zusammengestellt, man konnte in alten Briefen und Theaterzetteln stöbern und die Dynastie Schuch wurde lebendig. Der einzige Zwischenfall des Abends passierte dort allerdings auch: man haute mir kräftig auf die Finger, als ich ein Foto zu machen versuchte. Ich übersah, dass dies ausgerechnet diese Ausstellung eben nicht erlaubt war.

Hinter schweren Türen verbergen sich im Stadtmuseum noch weitere Ausstellungen, die aber vor allem viel mehr Zeit benötigt hätten. Ich war kurz in Räumen, in denen künstlerische Positionen zum Thema "Krieg" ausgestellt waren und lief aber nahezu rückwärts wieder raus - dieses auf engstem Raum zusammengestellte Sammelsurium des Grauens hinterläßt nicht unbedingt angenehme Empfindungen, auch die Rezeption empfinde ich in dieser Anordnung als schwierig.

Es ging auf 21 Uhr zu, ich schaffte es gerade noch so in die Schloßkapelle. Viele Museen hatten ein Sonderprogramm oder Aufführungen und Führungen bereitgelegt - hier sang nun am "historischen Ort" der Dresdner Kammerchor Werke von Heinrich Schütz, Dr. Oliver Geisler führte durch die "lecture" - die Kapelle war bis auf den letzten Platz besetzt! Großer Applaus! Dem anschließenden Frischluftbedürfnis kam ich auf dem geöffneten Hausmannsturm nach, wobei ich offenbar eine Lücke im Andrang erwischte, denn beim Abstieg sah ich schon wieder Schlangen im Treppenhaus, zu meinem Aufstieg waren aber recht wenige Leute oben. Dies hat sich vor allem gelohnt, weil man selten die Dämmerungs/Nachtstunden in Dresden von oben betrachten kann und es ist schon eine besondere Stimmung - ich wäre gerne länger geblieben (wie überall...).

Nach einem kurzen Snack im Japanischen Palais legte ich eine kleine Pause zu Hause ein und startete dann (es war mittlerweile 23.30) ins Kunsthaus Dresden. Die von Dresdner Schülern mit Mentoren gestaltete Ausstellung "FETT" war zwar auch im Wortsinne "fett", nämlich vielseitig und ansprechend gestaltet, aber auch dort konnte ich nicht sehr in die Tiefe dringen - im Hof war man bereits mit der fälligen Party beschäftigt und die Zeichen standen auf Ausklang, den ich dann erneut im stimmungsvoll beleuchteten Palais wahrnahm.

Ein Fazit ist schwer zu ziehen: natürlich ist es toll, wenn 45 Museen ein so dickes Paket an Programm schnüren - allerdings bekommen ca. 41 Museen nichts davon mit, dass man unterwegs ist - mehr als drei oder vier schafft man ohnehin nicht und selbst dort wo ich war, habe ich nicht alles gesehen. Das Albertinum musste ich ebenso knicken wie die Technischen Sammlungen. Dass es überall gut gefüllt war, zeigt natürlich dass der Bedarf an solche einem Riesenevent da ist und für die Museen ist es eine tolle Werbung - letztlich kommt man auch überall ins Gespräch und es herrscht selbst bei den Museumsleuten, die "Nachtdienst" schieben, eine sehr entspannte, freundliche Atmosphäre. Tipp also: 10 Jahre lang teilnehmen, und dann kann man auch irgendwann bei allen Museen ein freudiges "Check" ausrufen. Und "zwischendurch" übers Jahr lohnt es sich sowieso immer.

* Wer noch nicht genug hat: *KLICK*
* storify von #muso14

Trackback URL:
https://mehrlicht.twoday.net/stories/931537488/modTrackback

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Kant Autograph
(via)
Kreidler - 2. Mai, 05:35
Beatboxen
The YouTuber named the Speed Bard performs musical...
Kreidler - 1. Mai, 05:46
Terminhinweis: Buchvorstellung “Medien in Sachsen”
Vor 13 Jahren hat die Sächsische Landeszentrale...
owy - 30. Apr, 13:27
Neues aus dem Deutschpop
Knepper wieder. https://www.udio.c om/songs/kujoRuYvrZRewbmd5 k8rdP https://www.udio.com /songs/fp3f73SjdcBhHb9XeAj xN3 https://www.udio.com/s ongs/i4tj7e4pMp4YZVeDGWDHZ M
Kreidler - 30. Apr, 05:43
Depche Mode Songs, von mir gemacht
Sorry, bin wieder da…. Udio ist das nächste Level...
Kreidler - 29. Apr, 09:43
Was rundes auf 2D ziehen
Mercator projection: a simple analogy pic.twitter.com/BoAQHKpicX —...
Kreidler - 21. Apr, 05:35

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 6706 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren