Dienstag, 18. März 2014

Virtuoses Doppel am Klavier

Kirill Gerstein und James Gaffigan gastierten bei der Dresdner Philharmonie

"Das geht nicht" oder "das kann man nicht spielen" - solche Sätze hören Komponisten von ihren Interpreten höchst ungern. Oft hat die Musikgeschichte bewiesen, dass viele vermeintlich unspielbare Werke eine Musikergeneration später längst zum Repertoire gehören. Für Richard Strauss' "Burleske" für Klavier und Orchester traf das zwar nicht ganz zu, aber immerhin fand sich in Eugen d'Albert ein Virtuose, der die vertrackten Windungen der Komposition in die Finger zu bekommen wusste, nachdem der Widmungsträger Hans von Bülow die Partitur abgelehnt hatte.

Die Dresdner Philharmonie lud mit dem amerikanischen Dirigenten James Gaffigan (Chefdirigent des Luzerner Sinfonieorchesters) und dem russischen, in Amerika ausgebildeten Pianisten Kirill Gerstein zwei sehr interessante Gäste der jüngeren Künstlergeneration ein, die sich nicht nur für die Reputation der "Burleske" einsetzten, sondern dem ganzen Konzert eine markante Handschrift verliehen.

Strauss zur Seite gestellt waren Werke von Maurice Ravel - das erzeugte mehr ein friedliches Nebeneinander als einen Beziehungsreichtum, denn beide Komponisten waren doch in recht unterschiedlichen musikalischen Sphären unterwegs. Ravels Märchensuite "Ma mère l'oye" (Mutter Gans) beließ Gaffigan in ihrer schlichten, unaufgeregten Charakteristik. Damit gelang ein sanfter Auftakt, in welchem aber auch ein wenig noch die Spannung und damit ein Gespür für Linien und Ziele fehlte.

Das änderte sich mit dem Auftritt von Kirill Gerstein schlagartig, denn die "Burleske" gibt sich kantig und jugendlich ambitioniert. Auf das erste Paukenmotiv reagierte Gerstein mit selbstbewusstem, fast ein wenig perkussivem Anschlag und stellte klar, dass Strauss mit der Burleske vor allem eine geistige Anstrengung verband, die das Stück in Brahms-Nähe rückt, dabei aber vielfach in aberwitzig virtuose Preziosen mündet. Die Dresdner Philharmonie zog da aufmerksam mit - Solist und Orchester konnten so im Verlauf des Stücks einen mächtigen Spannungsbogen aufbauen.

Damit nicht genug: nach der Pause erschien Gerstein erneut, um den Zuhörern im Albertinum Ravels Klavierkonzert D-Dur für die linke Hand zu präsentieren. Pianistisch wie stilistisch ist das eine ganz andere Herausforderung, die aber von Gerstein hervorragend gemeistert wurde. Fast garstig-insistierend und mehr im Rock- statt im Jazzbereich angesiedelt kolorierte der Pianist den vitalen Mittelteil des Stücks, Gaffigan gab sich hingegen mit dem Orchester als gleichberechtigter Partner und steuerte eine höchst süffige, von spontaner Leidenschaft geprägte Klangwelt bei. Das war bis zum letzten Ton überzeugend und Gerstein konnte für dieses außergewöhnliche Doppel am Klavier großen Applaus empfangen.

"Till Eulenspiegels lustige Streiche - nach alter Schelmenweise in Rondeauform gesetzt für großes Orchester", so lautet die Überschrift von Richard Strauss' wohl bekanntester Tondichtung, die am Ende des Konzertes auf dem Programm stand. James Gaffigan überraschte die Zuhörer mit einem rasant durch seine Abenteuer stürzenden Till. In dieser Lesart landete die Tondichtung im Charakter fast im heutzutage auch von atemberaubender Schnittgeschwindigkeit bestimmten Trickfilmbereich. Gaffigans impulsives, forderndes Dirigat spornte die Philharmoniker dabei zu Höchstleistungen an. Gleich ob es die vielen exzellent musizierten Soli waren oder die klanggewaltige Gerichtsszene mit augenzwinkerndem Abgang - diese von rasch wechselnden Bildern bestimmte Aufführung gelang hervorragend.

"Böhmische Geschichten" mit viel Musizierfreude

Smetana, Suk und Dvořák im Konzert des Universitätsorchesters Dresden

Zumeist ein Konzert pro Semester veranstaltet das Universitätsorchester an der TU Dresden - für diesen Abend üben die Studenten, Dozenten, Mitarbeiter und Ehemalige der TU, aus denen sich das Orchester zusammensetzt, sehr engagiert in ihrer Freizeit. Es ist der Lohn der Anstrengungen, wenn sich dann pünktlich zum Konzert die größte Spannung aufbaut und jeder seinen wichtigen Teil zu den Stücken beitragen darf. Die Spannung maximierte sich am Sonntag noch, denn zum einen - eine schöne Konstante bei den TU-Musikensembles - war die Lukaskirche fast vollbesetzt, zum anderen hatte Dirigentin Monica Buckland wieder einmal ein faszinierendes und gleichzeitig sehr anspruchsvolles Programm aufgelegt.

"Böhmische Geschichte(n)" wurden dem Publikum präsentiert: drei sich musikalisch nahe stehende Werke aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts standen auf dem Programm - damit gelang ein schöner Querschnitt der Musikkultur dieses Landes zu dieser Zeit. Keineswegs reduziert sich die Musik auf "böhmische Blasmusik" (und auch die will niveauvoll dargeboten werden!) wie sie etwa explizit im zweiten Satz von Josef Suks Suite "Pohádka" (Ein Märchen) vorkam. Bereits die sinfonische Dichtung "Šárka" aus dem berühmten Zyklus "Mein Vaterland" von Bedřich Smetana war mit allerhand Herausforderungen und einer guten Portion Dramatik gespickt, woraus Buckland mit dem Orchester aber ein überzeugendes Einleitungsstück formte.

Die folgende umfangreiche Suite von Josef Suk (übrigens der Schwiegersohn von Antonín Dvořák) zeigte, wie die böhmische klassische Musik sich in der Spätromantik weiterentwickelte; Suks Musik wird leider viel zu selten aufgeführt, obwohl sie eine ganz eigene Handschrift und Farbigkeit trägt. War in "Šárka" schon ein schönes Klarinettensolo zu bewundern, so war es hier ein Geigen-Solo, das der an "Romeo und Julia" angelehnten Geschichte Charakter verlieh - ansonsten hatte man hier seine Freude an der markanten Lesart von Buckland, die nicht mit Schwelgen und sattem Klang sparte, aber stets auch konzentrierten Einsatz der Musiker forderte.

Die zweite Konzerthälfte gehörte Antonín Dvořák - seiner 6. Sinfonie D-Dur merkt man das intensive Ringen um den von der Öffentlichkeit für wichtig bewerteten nationalen Stil heute nicht an. Buckland fand auch hier das rechte Maß der Tempi, um den kantablen Themen viel Ausdruck zu verleihen. Vielleicht waren im Scherzo noch ein paar Prägnanzreserven vorhanden, doch dafür entschädigte das furiose, feuerwerksartig beendete Finale der Sinfonie. Über dem ganzen Konzert stand weniger der Anspruch der Perfektion als vielmehr gemeinsame Freude am Musizieren dieses Kulturgutes unserer Nachbarn, das damit einmal mehr wenige Kilometer den Elbestrom hinunter gewürdigt wurde - gut so.
(10.3.14)

Unbekanntes von Bekannten

Ravel, Strauss und Dvořák im Philharmoniekonzert

Die Dresdner durften am vergangenen Sonnabend erneut eine Wiederbegegnung mit einem Sohn der Stadt erleben, den es früh schon in die Ferne zog: der Dirigent Christoph König war Kruzianer und studierte an der Musikhochschule in Dresden, bevor er Engagements in Malmö und nun seit mehreren Jahren in Porto und Luxemburg wahrnahm. Im dritten Philharmonie-Konzert der laufenden Saison in der Frauenkirche übernahm König die Leitung und konnte sich über sehr guten Publikumszuspruch freuen - vielleicht ein Zeichen, dass die Dresdner ihren Künstlern treu verpflichtet bleiben, auch wenn diese ihr Glück in der Welt suchen.

Keineswegs lockte König mit einem gewöhnlichen Programm, obschon mit Ravel, Strauss und Dvořák bekannte Komponisten angekündigt waren. Einen Tag nach Maurice Ravels 139. Geburtstag gab es mit der Suite "Le Tombeau de Couperin" ein anständiges Ständchen für den Komponisten - die Musik bezieht ihren Reiz aus der Verbindung barocker Formen und Motive mit der stark dekorativen und hier auch offenherzig verspielten Stilistik des musikalischen Impressionismus. König überraschte gleich im ersten Satz mit straffen Tempi und vielen gut angelegten Kontrastwirkungen. Nachdem die Philharmoniker einmal den Willen zum Folgen signalisiert hatten, war es eine Freude, diesem orchestralen Schmuckstück zu lauschen, denn mit sorgsam differenzierter Dynamik wurde auch die Akustik der Frauenkirche berücksichtigt.

An Richard Strauss kam man auch an diesem Wochenende in Dresden nicht vorbei: neben den bekannten Tondichtungen gibt es aber in dessen reichhaltigem OEuvre auch einige Preziosen zu entdecken. Das Violinkonzert d-Moll, Opus 8 des gerade einmal 18jährigen Komponisten hat sich - im Gegensatz zur ebenfalls früh entstandenen Violinsonate - nicht im Repertoire gehalten. Man ist der holländischen Geigerin Isabelle van Keulen dankbar, dass sie sich immer wieder mit Mut und großer Aufmerksamkeit solchen "Perlen" am Rande des Repertoires widmet - schließlich kann man an der Musik sehr schön feststellen, wie der junge Richard Strauss mit den Partituren seiner Zeitgenossen vertraut war um allmählich seinen eigenen unverwechselbaren Stil zu entwickeln. van Keulen und König gingen mit großem Ernst an die Sache heran und die Reputation gelang - vielleicht nicht in den ersten Takten, in denen van Keulen noch etwas Nervosität zeigte. Sie lotete aber in der Folge das Konzert als jugendlich-spritziges Virtuosenstück optimal aus und legte sich auch mit Hingabe in die lyrischen Passagen. Dass gerade der 3. Satz bei van Keulen von spielerischer Leichtigkeit viel mehr gekennzeichnet war als von den Mühen der Bewältigung dieser geigerischen - man darf es durchaus so nennen - Frechheiten, sollte als höchst respektable Leistung gewürdigt werden.

Antonín Dvořáks Sinfonien werden gerne als Schlussstück programmiert, gelingt doch hier immer ein melodienseliger, musikantischer Ausklang. Der 5. Sinfonie F-Dur war bisher ein solches Repertoireglück nicht beschieden. Christoph König setzte sich vehement und mit intensiver Ausarbeitung der Partitur für das Stück ein, sodass sich schon im ersten Satz der silbrig-feine, optimistische Dvořák-Klang ausbreiten konnte. König arbeitete viel mit spontaner Motivation, dämpfte da und dort einmal zu forsche Bläser und forderte emsiges Mitgehen vor allem im Finale. Damit gab er nicht nur eine tolle Visitenkarte für seine Dirigierkunst ab, sondern stand auch mit seinem Namen für die Werke voll ein - solch eine Überzeugungskraft, die sich auch sofort auf die Musiker im Orchester übertrug, ist eine gute Sache und wurde vom Publikum mit starkem Applaus bedacht.
(9.3.2013)

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