Sonntag, 24. Juni 2012

Durch und durch romantisch

Absolventenkonzert mit der Erzgebirgischen Philharmonie Aue

Die meisten Prüfungen für die Musikstudenten an der Hochschule kommen ohne großen Aufwand aus. Der hervorragende Konzertsaal ist vorhanden, dort steht auch ein Flügel zur Begleitung der Instrumentalisten. Die Dirigierstudenten allerdings benötigen einige Instrumente mehr. Rektor Ekkehard Klemm, selbst Dirigierprofessor am Institut, setzt sich seit Jahren erfolgreich dafür ein, dass die Studenten zur praktischen Arbeit ein Orchester zur Verfügung bekommen. Dass mit der Kappung des Landesbühnenorchesters eine dieser Möglichkeiten in der Region künftig entfällt, ist höchst bedauerlich. Ein weiteres Orchester, mit dem die Hochschule kooperiert ist die Erzgebirgische Philharmonie Aue - dieses Ensemble integrieren sogar die studentischen Dirigate als Sinfoniekonzerte in ihr Jahresprogramm.

Für die Musiker bedeutet dies Mut zur Offenheit und immer ein außergewöhnliches Projekt, auch diesmal standen eine Instrumentalsolistin und insgesamt sieben studentische (!) Dirigenten in den Proben und drei Konzerten zur Verfügung. Das durch und durch romantische Programm hätte in der musikgeschichtlichen Verbindung nicht stimmiger sein können: Auf Johannes Brahms folgten Werke von Clara und Robert Schumann, vielfältige Bande ließ sich hier knüpfen.

Im Dresdner Konzert leitete Sung-Joon Kwon die "Akademische Festouvertüre" mit guter Organisation und das munter aufspielende Orchester hatte keinerlei Probleme, den Charakter umzusetzen. Lediglich für ein neues Kontrafagott sollten einmal gesammelt werden - der Klang wirkte doch arg verfremdet, wenn das Instrument zum Einsatz kam.

Ho Jeong Lee spielte ihren Solopart im Klavierkonzert Opus 7 von Clara Schumann in den Ecksätzen manchmal etwas zu auftrumpfend, legte zuviel Dramatik in die Noten, wo doch mehr Leichtigkeit angebracht gewesen wäre. Dabei gelang ihr aber der zweite Satz, der sich wie ein Albumblatt in dieses Konzert schleicht, gemeinsam mit dem Solo-Cello wunderbar. Pedro Andrade am Pult folgte der Pianistin gut, hätte aber noch mehr Ruhe in sein Dirigat bringen können.

Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe hatte ebenfalls André Brant Ribeiro mit Robert Schumanns 3. Sinfonie, der "Rheinischen" zu bewältigen. Das fünfsätzige Werk gelang mit guter Charakterisierung und Tempoanlage - den Intentionen von Ribeiro folgten die Musiker immer sehr wachsam. Insgesamt hätte man sich bei allen Dirigenten - beispielsweise in der Betreuung der zahllosen Streicherlinien in der Sinfonie - mehr Mut zur individuellen Gestaltung und Freiheit gewünscht, denn die Fähigkeiten dazu waren sicher vorhanden. Doch nötigt man den Studenten höchsten Respekt ab, den "Ernstfall" vor Publikum hier mit sehr guter, konzentrierter Leistung absolviert zu haben.

Viel Musik, wenig Schmuck

Festkonzert "20 Jahre HTW Dresden"

Mit verschiedenen Veranstaltungen feiert die Dresdner Hochschule für Technik und Wirtschaft in diesem Sommer ihr 20jähriges Gründungsjubiläum. Bevor im Juli ein offizieller Festakt stattfindet, gab es schon einmal ein Festkonzert mit zwei besonderen Ensembles, die mit der HTW verbunden sind. Das "Kammerorchester ohne Dirigenten" und das "Bläserkollegium Dresden" darf im Herbst ebenfalls Jubiläum feiern, allerdings werden diese Amateur-Ensembles dann schon 45 Jahre alt, beide wurden 1967 an der damaligen Hochschule für Verkehrswesen gegründet - für deren Verdienste empfingen die Ensembles am Ende des Konzertes, das in der Obhut der Dresdner Musikhochschule stattfand, auch den Dank der Leitung der HTW.

Dass das Bläserkollegium von anfangs vier auf zeitweilig bis zu 85 Mitglieder anwuchs, zeigt das starke Interesse der Laienmusiker, unter professioneller Anleitung (Ludwig Güttler und Heinz Biskup gehörten zu den künstlerischen Mentoren) spannende Konzerterlebnisse auszugestalten. Seit 1988 wird das Bläserkollegium von Prof. Günter Schwarze geleitet, während das Kammerorchester ohne Dirigenten zwar wirklich ohne einen solchen auskommt, aber kompetente Anleitung der Einstudierungen etwa durch Mitglieder der Staatskapelle Dresden erfährt.

Olaf Spies (Violine) war denn auch der Primarius des ersten Konzertteils. Dieses Festkonzert widmete sich im übrigen komplett der Musik, was zwar eine gute Sache ist, aber für Außenstehende - auch vom Programmheft her - insgesamt etwas schmucklos wirkte. Das Kammerorchester ohne Dirigenten startete mit einer Händelfanfare und widmete sich sodann den klangschönen Variationen "Five Variants of Dive and Lazarus" von Ralph Vaughan Williams - mit Unterstützung von Astrid von Brück an der Harfe. Hier wurde das spätromantische Ideal mit schönem Legato umgesetzt. Leicht und frech folgten Benedikt Bryderns "Abenteuer des Tom Sawyer" und das d-Moll-Konzert von Johann Sebastian Bach war dann noch einmal ein anspruchsvoller Ausflug in die Barockzeit, von Olaf Spies und Urs Stiehler solistisch souverän angeführt.

Der zweite Konzertteil wurde vom Bläserkollegium ausgestaltet, das in vielen wechselnden Besetzungen existiert und musiziert, allerdings verwundert in beiden Ensembles, dass diese, obwohl an einer Hochschule beheimatet, kaum von der aktuellen Studentengeneration bevölkert sind. Von der "Harmoniemusik" - Haydns anspruchsvolles, in der Aufführung sehr feinsinnig musiziertes Oktett F-Dur war ein gelungenes Beispiel für diese Besetzung - bis hin zum-dreichörigen Blechbläserchor (Giovanni Gabrieli) zeigte das Bläserkollegium viele Facetten seines Wirkens.

Sicherlich waren hie und da noch Verbesserungen möglich, doch alle Darbietungen des Abends wurden mit großer Leidenschaft und Freude an der Musik ausgeführt. Das übertrug sich über den Bühnenrand und führte zu einem schönen Schluss mit den vereinigten Ensembles in einer dann doch etwas kurz ausgefallenen Fest-Musik von Alessandro Poglietti.

Enormes Pensum

Saint Thomas Choir of Men and Boys gastierte in der Frauenkirche

Einen besonderen Eindruck hinterließ das Konzert des "Saint Thomas Choir of Men and Boys" aus New York, der am Sonnabend in der Dresdner Frauenkirche gastierte. Das war nicht nur der Fall, weil es das jährliche Dankeschön-Konzert für die Spender und Förderer von Wiederaufbau und Erhaltung der Frauenkirche war - der St. Thomas Choir war auch beteiligt an der Requiem-Uraufführung von Lera Auerbach im diesjährigen Gedenkkonzert der Staatskapelle. Kreise schließen sich, wenn man sich erinnert, dass auch ein Enkel einer Dresdnerin im St. Thomas Choir mitsingt (die DNN berichteten).

Es war außerdem ein Anliegen des Chores, nicht nur anglikanische Musik mit in die Frauenkirche zu bringen, sondern auch gleich drei Thomaskantoren zu huldigen. Denn auch der St. Thomas Choir trägt nicht nur den gleichen Namen, sondern hat ebenso eine Schule für musikalisch talentierte Knaben, bestehend seit 1919. 15 Männer aus Countertenören, Tenören und Bässen bilden das "Rückgrat" der 37 jungen Choristen - Leiter John Scott war schon als Musikdirektor an St. Paul's Cathedral in London zu Ehren gekommen, als er den Chor 2004 übernahm.

Für sein Gastspiel in Dresden hatte der Chor sich ein umfangreiches Programm ausgesucht, mit Motetten von John Sheppard, Orlando Gibbons und William Byrd gelang ein interessanter Einblick in die frühe anglikanische Musikgeschichte. Hier schon konnte man sich von der exzellenten Deklamation des Chores in allen gesungenen Sprachen überzeugen. Scott fordert viel von seinem Chor, bei dem keine Alterstrennung erfolgt: auch die Jüngsten sangen das komplette zweistündige Programm mit, wobei die Vokabel Höchstleistung für eine solche Darbietung fast noch untertrieben scheint, man sich eher angesichts der kraftraubenden Hymne "I was glad" von Hubert Parry am Ende des Konzertes fragt, ob ein Weniger nicht ein Mehr bedeutet hätte.

Gut, dass die Jungen bei diesem Pensum zweimal durchatmen konnten, während Frederick Teardo zwei Kompositionen von Bach und Dan Locklair an der Frauenkirchen-Orgel musizierte. Die Musik der Thomaskantoren Bach, Kuhnau und Hiller gelang dem Chor in etwas eigenwilliger Art und Weise - Scott legte ein zu durchgehaltenes schnelles Tempo in Bachs "Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf" an, in Hillers Motette "Alles Fleisch ist wie Gras" fehlte ein überzeugender Zugang. Erstaunlich aber, wie sicher und mutig alle Sänger seinen Intentionen folgten, homogen klang der Männerchor, zupackend und klar die Knaben.

Das setzte sich auch im zweiten Programmteil mit Musik des 20. Jahrhunderts aus Großbritannien und den USA fort, wenngleich hier nur Jonathan Harveys "Come Holy Ghost" als zeitgenössisch zu werten war. Aber auch diese Stilistik schien dem Chor selbstverständlich und immer wieder traten auch betörende Soli hervor.

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Diskussion über besseren Schutz für Mandatsträger: ECPMF und...
Das Europäisches Zentrum für Presse- und...
owy - 15. Mai, 17:07
Sound waves sketchbook pXXX87v3
Kreidler - 15. Mai, 05:42
MDR-Intendant Ralf Ludwig: “Wir müssen den Dialog intensivieren”
MDR-Intendant Ralf Ludwig im Vorraum seines Büros...
owy - 13. Mai, 09:12
Kreidler-Portraitsendung auf Deutschlandfunk Kultur
Deutschlandfunk Kultur hat eine neue Portraitsendung...
Kreidler - 13. Mai, 05:41
Sound waves sketchbook pXX43v1
Kreidler - 12. Mai, 05:50
Black Air
Black Air (2024) Oil on canvas 75x48cm Sound waves...
Kreidler - 11. Mai, 05:50

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 6719 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren