Freitag, 11. November 2011

Endhaltestellenwanderungen Teil IV: Gorbitz

Am Donnerstag haben wir endlich den nächsten Teil unserer Wanderungen geschafft. Heute war der westliche Endpunkt der Linie 2 dran, nämlich Gorbitz. Gorbitz ist eines der beiden großen Plattenbaugebiete im Dresdner Stadtgebiet und wird von den Linien 2, 6 und 7 direkt angefahren. Die 2 macht dabei vorher einen Schlenker durch Cotta und erreicht das Viertel von Westen her. Der Endpunkt liegt am großen Straßenbahnhof in Gorbitz, nur die Linie 7 fährt seit Dezember 2008 an den südlichen Stadtrand nach Pennrich weiter.


An der Endhaltestelle

Unsere Spazierroute führt uns allerdings nicht mitten durchs Wohngebiet, sondern eher am südlichen Rand entlang, wir laufen die Forsythienstraße hindurch und sehen links die letzten, teilweise aufregend auch von außen sanierten Plattenbauten, während rechts noch der Straße noch ein älteres Wohnviertel am Hang liegt, ebenfalls noch zu Gorbitz gehörig. Wir kommen am Obergorbitzer Friedhof vorbei und an der "Lebenshilfe" und erreichen die Kesselsdorfer Str., die wir überqueren, um in den "alten" Teil von Gorbitz zu kommen. Hier wird Gorbitz fast dörflich, allerdings steht an der "Pforte" zu diesen Nebenstraßen eine unansehnliche Ruine.



Wir lassen das Wohngebiet links liegen und folgen der Straße, die in einer Sackgasse an Wiesen, Feldern und einem Wasserschutzbereich endet. Die Freude über die Landschaft währt - an diesem ohnehin sehr grau-nebligen Tag - nicht lang, denn die A17 quert bald den Hang, an der Pesterwitzer Str. queren wir sie und gelangen an den Rand der zu Freital gehörenden Gemeinde Pesterwitz, die eigentlich einen eigenen Besuch wert wäre, aber das schaffen wir heute nicht.


Luft holen zwischen großen Straßen...

Wir folgen nun der Autobahn durch ein wildwucherndes Gebiet nach Osten. Dort stoßen wir auf die Saalhausener Straße, die uns zurück nach Dresden und in das Viertel von Naußlitz führt. An der Straße Beerenhut findet man noch viele kleine, alte und verwinkelte Häuser vor. Ein Stück weiter den Hang hinab erreichen wir unsere Verpflegungsstation, das Café Grießbach an der Neunimptscher Straße, laut Eigenwerbung der "Balkon Dresdens", und das stimmt auch denn das Café hat eine hübsche Terrasse mit Blick über die Stadt, allerdings heben wir uns diese für einen Sommerbesuch auf, denn bei dem Hochnebel waren nicht einmal die Türme der Innenstadt zu erkennen. Dafür sind wir - o Freude - genau zum Seniorentanztee am Donnerstagnachmittag eingetrudelt. Während wir uns also mit wirklich köstlicher, gutbürgerlicher Küche stärkten, trudelten die älteren Semester zu Schwatz und Tanz ein.


Schmecken lassen! In Naußlitz wird man satt!

Da die Musik nicht so ganz unser Fall war, verzichteten wir aufs Dessert (das hätten wir nach der Portion ohnehin nicht geschafft) und traten den Heimweg hangabwärts an. Durch ein paar Kleingärten hindurch und die Saalhausener Straße hinunter erreichten wir die Haltestelle Malterstr. und tauchten mit der 6 wieder in die Stadt ein. Diese Linie endet übrigens am Südrand von Gorbitz, wir werden also wiederkehren!


Die südöstliche "Ecke" von Gorbitz im Novembernebel...

Ganz ohne Winnetou

3. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie mit Weill, Korngold und Bartók

Na endlich! - Der Ausruf lag einem auf den Lippen, als man im Saisonprogramm der Dresdner Philharmonie auf den Namen Carolin Widmann stieß. Sie gehört zu den wohl charismatischsten Geigerinnen der jüngeren Generation in Deutschland und brilliert nicht nur mit ihrem technischen Können, sondern auch mit einer alles Neue in der Violinliteratur aufsaugenden Neugier, die sich kurz darauf in atemberaubenden Interpretationen niederschlägt. Ihre große Offenheit und nunmehr jahrelange Erfahrung mit zeitgenössischer Musik erweitert auch die Perspektive für die Klassiker.

Für ihr Dresden-Debut wählte sie das spätromantische Violinkonzert D-Dur von Erich Wolfgang Korngold aus. Das süffige Stück ist normalerweise prädestiniert dazu, das Publikum zwischen aus der eigenen Schublade geklauten Filmmusik, mindestens acht Dutzend unaufgelösten Vorhalten in den Hauptthemen und rasantem Sport auf vier Saiten hart an die Grenze des Ertragbaren zu führen. Doch Carolin Widmanns Interpretation geriet zur Lehrstunde und berührte den Hörer durch eine unbändige Kraftentfaltung, deren Tiefe erreicht wurde durch die mit jedem Ton ausgedrückte Überzeugung, die dahinterstand. Vergeblich suchte man im 3. Satz Winnetou samt Pferd auf sonnendurchflutetem Hang erscheinen, dafür gibt es genügend Geiger auf dieser Welt, die für das Anwerfen solch imaginärer Kitschmaschinerien zuständig sind. Widmanns Augenmerk galt vor allem der hochentwickelten technischen Seite des Werkes, das ja für Jascha Heifetz geschrieben wurde. Neben ordentlich Feuer in den Ecksätzen war ihre Deutung des 2. Satzes als permanente, von großem Ton durchdrungene Beruhigung eine Glanzleistung. Die Dresdner Philharmonie hatte einige Schwierigkeiten, den rasanten Tempi der Solistin zu folgen, das gelang selbst mit konzentrierter Hilfe des - auch hier ein Debut bei der Philharmonie - amerikanischen Gastdirigenten James Gaffigan nicht immer reibungslos. Trotzdem war man sehr erfreut über einen vor allem durchlässigen, manchmal indes aufgrund der durchgehaltenen Konzentration zu spannungsarmen Orchesterklang.

Dabei hatte man sich ja locker eingespielt: Kurt Weills Suite aus der "Dreigroschenoper" war ein schöner Ausflug in einen heutzutage kaum mehr auf der Orchesterbühne gepflegten Musikstil. Und zweifelsohne kann das Ergebnis nur sein: Philharmoniker spielen Weill, dies gelingt mit ganzem Können und Anspruch, aber eben auch in diesem Arrangement von Max Schönherr mit einer gewissen Trockenheit, die Weills Komposition eben genau mittig zwischen Broadway und Konzertsaal verortet.

Hatte das Zykluskonzert mit Liebe und Verbrechen (Weill) sowie Leidenschaft und Tod (Carolin Widmann hatte Korngolds hingebungsvollen Melodielinien eine packende Ysaye-Zugabe inklusive "Dies Irae" folgen lassen) schon den thematischen Faden treffend aufgenommen, war nach der Pause die Geschichte des "Wunderbaren Mandarins" als Märchen von der Erlösung durch Liebe fast folgerichtig. Wenngleich Béla Bartóks Musik denkbar weit entfernt von Korngold und Weill ist, stellt sie doch gerade in diesem Kontext ein wichtiges Dokument der Musiklandschaft des ersten Drittel des 20. Jahrhunderts dar. Zur Zeit der Uraufführung 1926 Skandale im Publikum erzeugend, hat sich der "Mandarin" schon lange zum Bravourstück großer Orchester gemausert und ist in seiner bestechenden Farbigkeit der Instrumentation unwiderstehlich.

James Gaffigan setzte auf eine pointierte Klarheit der Interpretation. Das tat dem Stück sehr gut, denn so erhielt es eine rhythmische Struktur; die Harmonik wurde offengelegt und Zielpunkte deutlich definiert. Da die Tanzpantomime gleichzeitig auch ein ineinander verschränktes Klarinetten- und Posaunenkonzert darstellt, gebührte den beiden fabelhaft aufspielenden Instrumentengruppen großer Sonderapplaus. Mit der stets spannend gehaltenen Ausführung der reich ornamentierten Partitur gelang den Philharmonikern hier eine bestechend gute Interpretation eines sehr anspruchsvollen Werkes.

Jugend und Reife

Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle mit Schostakowitsch, Janáček und Dvořák

Werke dreier großer Komponisten standen auf dem Programm des 3. Kammerabends der Sächsischen Staatskapelle, dennoch blieb der Kammermusik-Vereins des Orchesters seinem Credo treu, vor allem unentdeckte Perlen der Musikliteratur zu heben. Unverhoffter Glanz kann ebenso durch eine besondere Interpretation eines bekannten Werkes entstehen und so freute man sich vor allem auf das "Dumky"-Trio von Antonín Dvořák im zweiten Teil des Konzertes. Zuvor machten die Zuhörer Bekanntschaft mit dem frühen Klaviertrio Opus 8 von Dmitri Schostakowitsch. Allen Konzertmeistern der Staatskapelle ist die Vorliebe zum solistischen wie zum Kammermusikspiel sehr zu eigen, so musizierte Geiger Matthias Wollong diesmal mit seinen Leipziger Kollegen Matthias Moosdorf (Cello) und Gerald Fauth (Klavier) - bekannt als "Trio Ex Aequo".

Das Frühwerk des 17jährigen Schostakowitsch gingen die drei mit dem Mut zum Widersprüchlichen an, denn die Komposition kippt beständig zwischen rührig verfolgter romantischer Tradition und einer besonders von Fauth herausmodellierten abstrakten Sachlichkeit. An einigen Übergängen stockte der musikalische Fluss jedoch etwas und die wenigen herausbrechenden Höhepunkte hätten mehr Kontrolle verdient.

Während Schostakowitsch seine musikalische Sprache im Trio gerade zur frühen Reifung formt, blickt Leoš Janáčeks Bläsersextett "Mládi" (Jugend) in der Handschrift des 70jährigen Meisters zurück - in diesem Fall sind es versöhnliche Gedanken, die Janáček formuliert, und dankbar ist man für die natürliche Einbindung der vom Komponisten immer geliebten Volksmusik seines Landes. Andreas Kißling, Albrecht Krauß, Jan Seifert, Robert Langbein, Hannes Schirlitz und Christian Dollfuß interpretierten packend und mit einer rhythmischen Verve, die staunenswert war. Das kleine Ensemble schuf eine charakteristische Klangwelt, in der die zahlreichen Verästelungen und virtuosen Einwürfe perfekt eingebettet waren.

Das abschließende, wiederum vom "Ex Aequo"-Trio dargebotene "Dumky"-Trio von Antonín Dvořák zeigt ebenfalls die reife Komponistenhandschrift, doch dem positiven Glanz der beiden letzten Sinfonien Dvořáks steht hier eine durchgehende Melancholie gegenüber, die erst vom letzten Satz zögernd aufgelöst wird. Diese Wellen und Kontraste arbeiteten Wollong, Moosdorf und Fauth mit klanglicher Flexibilität sehr überzeugend heraus. Sie ließen sich auf jedes noch so kleine Motiv oder eine Begleitfigur immer wieder neu ein und schufen so eine spannungsgeladene Interpretation, die die inneren Geschichten des Werkes erlebbar machte.

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