Donnerstag, 18. November 2010

Einblick in die Szene

"Erste Anhörung" junger Komponisten an der Musikhochschule

Auf dem Reißbrett junger Komponisten entsteht zur Zeit die Musik der Zukunft. Obwohl es im ganzen Land Festivals und Aufführungsmöglichkeiten für die zeitgenössische Musik unserer Tage gibt, sollten wir uns bewusst sein, dass wir doch nur einen Bruchteil der Kunstwerke wirklich zu Gehör bekommen. Denn nicht immer findet sich ein geeigneter Interpret oder ein passender Konzertrahmen. Die Kompositionsstudenten an den Hochschulen haben da eher leichtes Spiel, denn ein Kommilitone, der die frische Tinte in Noten umsetzt, findet sich schnell. Was aber tun mit einem großen Orchester oder Ensemblewerk? Auch dies will gehört und geprüft werden.

In dieser Hinsicht hat die Dresdner Musikhochschule immer große Bemühungen unternommen, sei es mit den Orchestern in Pirna und Riesa oder wie jetzt mit der Dresdner Philharmonie. Die "Erste Anhörung" von Orchesterwerken junger Komponisten, die nun schon zum dritten Mal stattfand, ist auch ein Spross des KlangNetz Dresden, das damit seinen Vermittlungsgedanken und die Unterstützung neuer, junger Stimmen in der Komponistenlandschaft in den Vordergrund rückt.

Im Konzertsaal in der Schützengasse standen am Dienstag zwei Kompositionen auf dem Programm, die am selben Tag im Dialog mit den Komponisten einstudiert wurden. Es war ein erfreulicher Zufall, dass sich die Stücke in ihrer Ästhetik fast diametral verhielten und somit zu reichlich Auseinandersetzung einluden. Richard Röbel (Student bei Mark Andre) stellte ein Stück namens "Orca - Arco" für Solostreicher und Saiteninstrumente vor, wobei die vier durcheinandergewirbelten Buchstaben des Titels für die Arbeit mit unkalkulierbaren Prozessen stehen. Röbel versuchte durch (nur augenscheinlich) neue Beschäftigung mit Klangerzeugung die Identität jedes Instrumentes zu erkunden. Dass keine Geige wie eine andere klingt, wäre jedoch schneller zu beweisen gewesen - Röbels stark differenzierte Klänge führten in der Masse zur Reizüberflutung und Zerfaserung des Eindrucks. Das Unkalkulierbare darin erzeugt eine Verwischung des Ergebnisses - Musikern wie Zuhörern mag dieses ungefähre Erleben unangenehm erscheinen. "Bekanntes, was unbekannt ist" sollte aber auch in der Wirkung gut geplant werden. Trotzdem waren gerade in Momenten des Zusammenspiels der Streicher mit Harfe, Klavier und Cembalo reizvolle Frequenzüberlagerungen zu entdecken.

Theodor Schubach, ein Schüler von Wilfried Krätzschmar, Jörg Herchet, Mark Andre und nun Clemens Gadenstätter in Graz stellte dann mit "Resonanzen // Aurora" für Orchester und Stimme ein ungemein spannendes Klanggemälde auf Fragment-Texte von Silvia Plath vor. Ohne Holzbläser, dafür mit starkem Blech, zwei Klavieren, Harfen und Schlagwerk besetzt fand Schubach expressive Farben für den Vor- und Nachklang von Ereignissen. Auch formal und in der fast instrumentalen Einbindung der Singstimme (Lisa Fornhammar, die dies kompetent löste) war das Stück überzeugend - mal mit prasselnder Ornamentik spielend, mal bedrohlich schwankende Flächen aufbauend. Unter dem sorgsamen Dirigat von Ulrich Kern stellte die Dresdner Philharmonie ihr großes Engagement und Können unter Beweis, vor allem das Stück von Richard Röbel wäre unter anderen Bedingungen kaum innerhalb eines Tages konzertreif erklungen. So aber war man mit erfrischend neuen Klängen versorgt und hatte einen interessanten Einblick in die "Szene" bekommen.

Trackback URL:
https://mehrlicht.twoday.net/stories/8448355/modTrackback

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Farbfilm, 1896
Faszinierend, wenn die alten Filma >normal
Kreidler - 20. Mai, 05:54
Radiosendung über Musik, die nur im Kopf erklingt
Darin werden auch meine Sheet Music Arbeiten besprochen. https://www.de utschlandfunkkultur.de/mus s-musik-klingen-dlf-kultur -af311058-100.html?fbclid= IwZXh0bgNhZW0CMTAAAR1gukU1 amxtLwWbiPxNhxdVCM977eywjf 8TH7ENGamlB60GL7TpK5pqCrY_ aem_Aas_oUIX6V1yGiBFpKKDxE mEaNZUWV82XFXWTczRhCYe_9nX Y2S0GX8UHQUD8R8WBLNAmCNmT3 PeF0ekBqS14Yqu Vorstellung skraft...
Kreidler - 19. Mai, 05:22
Mit der Cello-Gruppe des Sinfonieorchester Wuppertal beim “Ohrenöffner”...
Bis auf den letzten Platz gefüllt, gekonnt und...
M - 18. Mai, 11:54
E-Drumkit wie echt
Und wieder bisschen Techno-News: Ein E-Drumkit, das...
Kreidler - 18. Mai, 05:19
Erstes KI-Musikvideo
Gemacht mit Sora, wobei die Musik selber nicht KI generiert...
Kreidler - 17. Mai, 05:17
A Beginner’s Guide To Breakcore, Drum & Bass, Jungle &...
#Bildung #Auftrag Siehe auch: (via kfm)
Kreidler - 16. Mai, 05:43

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 6724 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren