Dienstag, 21. Mai 2013

Glanz und Gloria

New Yorker Philharmoniker eröffnen Dresdner Musikfestspiele

Gleich dreifach wurde die Eröffnung der 36. Dresdner Musikfestspiele vollzogen: einem Prolog in Berlin folgte am Sonntag die Aufführung von Elgars "The Dream of Gerontius" als erstem programmatischen Gruß des "Empires", dem Motto des diesjährigen Festivals. Die offizielle Eröffnung gestalteten die New Yorker Philharmoniker am Montagabend in der ausverkauften Semperoper. Im Rahmen seiner Europatournee gastierte das Orchester mit drei Konzerten in einer Residenz bei den Festspielen - am Sonnabend schon wurden sie in Berlin vom Publikum gefeiert. Die Eröffnung der Musikfestspiele nahm die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz dann höchstselbst vor.

Alsdann zählte nur noch die Musik. Glücklich konnte sich schätzen, wer dem Konzerterlebnis dieses weltberühmten und traditionsreichen Ensembles beiwohnen durfte, denn allzu oft gastieren die besten Orchester der Welt leider nicht in Dresden. Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonien und Konzerte zählen natürlich zum Repertoire des Orchesters, wenngleich man die New Yorker nicht sofort als Spezialisten für diese Musik ausmachen würde - Chefdirigent Alan Gilbert tritt da vor allem in die Fußstapfen von Leonard Bernstein und Bruno Walter.

Mit der "Linzer Sinfonie" C-Dur präsentierten die New Yorker einen der vielen wahrlich im Handumdrehen entstandenen Geniestreiche des Komponisten. Gilberts Lesart war immer flüssig und selbstverständlich, was aber auch der arg schnell musizierten Adagio-Einleitung die Feierlichkeit nahm. Klanglich ist dieser Mozart sicher gewöhnungsbedürftig - die New Yorker verstehen sich auf ein vollmundiges Ausspielen der Töne, was aber im Andante auch zum Hervorbringen einer gewissen Noblesse der musikalischen Ereignisse hätte zurücktreten dürfen. Sehr zu genießen ist an jeder Stelle die Homogenität des Ensembles - Gilbert musste nur wenige Nuancen vom Dirigentenpult hinzufügen.

Ernest Blochs Kompositionen sind da von anderem Kaliber - zwischen Spätromantik und Moderne ist das Werk des Schweizers, der ab 1916 in den USA lebte und wirkte, anzusiedeln. Von der jüdischen Seele handelt eines seiner bekanntesten und auch aufwühlendsten Stücke: die Rhapsodie "Schelomo" für Cello und Orchester. Intendant Jan Vogler, der auch in diesem Jahrgang der Festspiele wieder zwei Konzerte als Solist mitgestaltet, stürzte sich mit großem Legato-Ton in den emotional drängenden Fluß des Stückes, das sich zweimal zu melancholisch-düsteren Höhepunkten aufschwingt, auf die Vogler mit schön ausmusizierten Kantilenen reagierte. Gilbert forderte hier große musikalische Leidenschaft heraus und man bewunderte die Strahlkraft der Bläser ebenso wie die dynamische Flexibilität in den oft herausfahrenden Streicherpassagen. Damit brach man auch eine Lanze für den Komponisten, der zumindest in Europa viel zu selten gespielt wird.

Die Entscheidung für Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung" (in der Orchesterfassung von Maurice Ravel) als Finalwerk des Konzertes war eine für Glanz und Gloria - die New Yorker konnten hier ihre Stärken voll ausspielen. Freundlich, aber bestimmt war die Gangart dieses Ausstellungsbesuches, bei dem kein Detail ausgelassen wurde und alle Geschichten und Figuren der Gemälde hervorragend in scharf konturierten Instrumentalsoli ausgekostet wurden. Atemlos lauschte man der lebendig und perfekt von der Trompete vorgetragenen Promenade wie auch später den harmonisch fantastisch ausgehörten "Katakomben", bevor das "Große Tor von Kiew" diese Aufführung, die Gilbert mit Übersicht und ruhiger Gestaltung aus einem Guss formte, strahlend beendete. Den frenetischen Beifall im Publikum beantwortete das New York Philharmonic Orchestra zunächst mit dem Intermezzo aus Puccinis Oper "Manon Lescaut". Den fulminanten Schlusspunkt aber setzte das Blechbläserquintett des Orchesters, das mit dem Ragtime "That's a Plenty" nicht nur die Zuhörer von den Stühlen riss, sondern damit auch einen augenzwinkernden Gruß hinüber zum Dixie-Festival aussandte. So präsentierten sich die New Yorker schon fast heimisch in Dresden und man darf stark hoffen, dass weitere Besuche des Orchesters folgen werden.

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