Sonntag, 8. Dezember 2013

Uraufführung "Ein Tropfen, ein Schluck in der Höhe"

Adventsstern der Singakademie Dresden
8.12.2013, 17 Uhr, Lukaskirche Dresden


Benjamin Britten (1913 - 1976)
St Nicolas Kantate, Op. 42 (1948)

Alexander Keuk (1971)
Ein Tropfen, ein Schluck in der Höhe (UA)
für Alt, Tenor, Chor und Orchester
Text von Hans Thill und Alexander Keuk

Johann Sebastian Bach (1685 - 1750)
Sanctus, Osanna, Benedictus, Agnus Dei der h-Moll-Messe

Ausführende:
Julia Böhme - Alt
Falk Hoffmann - Tenor

Großer Chor, Projektchor, Kinderchor und Seniorenchor der Singakademie Dresden

Sinfonietta Dresden
Leitung: Ekkehard Klemm, Christiane Büttig

Zur Einführung:
EIN TROPFEN, EIN SCHLUCK IN DER HÖHE
Vor drei Jahren fragte mich Ekkehard Klemm, ob ich ein Werk für den dritten und abschließenden Teil des Singakademie-Projektes „Re-Aktionen auf Bach“ komponieren würde. Die Idee, Teile der h-Moll-Messe von Bach jeweils einem zeitgenössischen Werk gegenüberzustellen, fand ich sehr faszinierend, und das nicht nur, weil ich mit Bachs Oratorien seit meiner Knabenchorzeit vertraut bin. Es war ein glücklicher Umstand, dass außer der Nachbarschaft der Werke in der Aufführung keine konkretere Bezugnahme gefordert wurde. Gut, dass auf diese Weise drei Komponisten ihre heutige Sichtweise, Nähe und Distanz, ihr Leben und Denken mit Bach, mit der h-Moll-Messe oder ihrem geistlichen Gehalt artikulieren durften. Es ist keineswegs eine leichte Aufgabe, sich neben diesem Meisterwerk zu positionieren. Mir fiel der letzte Abschnitt der Messe zu - vom Sanctus über Osanna, Benedictus und Agnus Dei zum Dona Nobis Pacem.

Mein Stück wollte ich zunächst in eine Werktrilogie einreihen, die sich mit dem Langpoem „The Waste Land“ (1922) des Dichters T. S. Eliot befasst. Von Nils Mönkemeyer wurde im April 2013 der erste Teil - „Datta“ für Bratsche Solo - uraufgeführt. Für die nun zu verfassende oratorische Form des zweiten Teils bat ich die Verleger Eliots um eine Vertonungsgenehmigung - vergeblich.
Der Dichter hatte zu Lebzeiten verfügt, dass keines seiner Gedichte vertont werden dürfe. Ich war mir indes sicher, dass ich ein „lyrisches Gegenüber“ für die Annäherung an Bach benötige und konnte mich in spannender Wiederbeschäftigung den Gedichten von Hans Thill widmen, den ich 1999 bei einem Stipendiatenaufenthalt kennen und schätzen gelernt habe. Thill schickte mir einen Text und ein „Material“, ein Kompendium offener Türen, das nah am Text der h-Moll-Messe angesiedelt war. Für mich galt vor allem, die dem Text innewohnende lyrische Kraft zu bewahren. Trotzdem war der Komponist in mir stets hellwach und der offene Charakter des Textes erlaubte Spiel, An-Ordnung oder auch Widerspruch - beste Voraussetzungen also, um eigenen Charakter und Phantasie in Form und Tönen einzubringen.

Was da entstanden ist, benötigt keine Gattungsbezeichnung. Es ist eine Art klingende Glaubensbetrachtung - mit der ersten Note tritt man ein in einen Gedankenraum von Stimmungen und Statements, der seine lyrische Kraft behält, indem ich versucht habe, jede Art von Erzählung, Erklärung oder gar Belehrung zu vermeiden. Trotzdem - und das bringt mein Stück wiederum nahe zu Bach - gibt es hier auch Rituale. So wie das Gebet ein christliches Ritual darstellt, sind in meinem Stück klar wahrzunehmende Abschnitte gleicher, fast statischer Machart zu vernehmen.

Die Perspektiven wechseln nicht nur zwischen Soli, Chor und Orchester, sondern auch zwischen Autor und Komponist: auf bestimmte Materialien habe ich nicht nur mit Tönen, sondern auch mit eigenen Texten geantwortet (auch dies eine Spielart von Komposition), die wiederum von Hans Thill eine sprachliche Schärfung erfahren haben. Im Verlauf des Stücks ist die Vorlage von Bach erkennbar, dennoch ist „Ein Tropfen, ein Schluck in der Höhe“ kein Abarbeiten am Messtext, sondern dem Motto des Konzertes gemäß eine Reaktion.

Eliot grüßt zu Beginn mit dem vom Chor a cappella vorgetragenen „Dayadhvam“, das im letzten Teil von „The Waste Land“ zitiert wird: „Datta - Dayadhvam - Damyata“ (gib / empfinde Mitleid / kontrolliere) ist eine Passage aus den Upanishaden, einer hinduistischen Schrift. Daran schließt sich ein größerer Abschnitt an, der musikalisch fragt und erörtert, was (uns) „heilig“ ist. Das Benedictus erhält in meinem Stück eine Spiegelung in einer Art Dialog zwischen Natur und Mensch, wie überhaupt Naturelemente im Text große Bedeutung haben, aber was ein „natürliches Wesen“ ist, wird nicht fest definiert. Während der Chor in diesem Abschnitt im Hintergrund schlicht „da“ ist (damit quasi ein Wesen kreiert), kreisen bei den Solisten die Gedanken in übereinander
geschichteten Textfragmenten - eine ähnliche Technik liegt übrigens schon der „Domine Deus“-Arie in der h-Moll-Messe zugrunde. Die Parallelität von Ereignissen erzeugt Beziehungen, ebenso wie das bereits Gesagte Folgen hat. So ist der dritte Teil, von zwei sehr unterschiedlichen Hosianna-Rufen umrahmt, zwar ebenfalls ein Dialog zwischen Chor und Solisten, aber den Chor-„Wolken“ steht diesmal eine reine Rezitation gegenüber. Am Ende steht ein wunderbares Gedicht von Hans Thill, das uns fast wie ein Haiku zur Reinheit der Gedanken führt.

Alexander Keuk, 2013

Sonntag, 1. Dezember 2013

Der unvermeidliche Adventskalender-Eintrag

Alle Jahre wieder suche ich am 1. Dezember ein paar Online-Adventskalender für meine Leser zusammen. Natürlich ist nichts schöner als ein selbst gemachter Kalender mit kleinen Geschenken oder Leckereien, meine Links sind eher für Freunde von Rätseln, Spielen und Gewinnaktionen. Angefangen habe ich mal irgendwann mit den Kalendern von Fluggesellschaften, die gibt es dieses Jahr auch wieder, aber ich empfehle auch einige Kulturseiten und Dresdenspezifisches. Viele Kalender laufen mittlerweile über facebook, einige Kalender sind auf spezielle Tage beschränkt oder benötigen Anmeldung.

Los geht's:
- airberlin lockt wieder mit Buchungsrabatten
- Tuifly beschränkt sich auf die vier Sonntage und macht ein Fotorätsel auf seiner fb-Seite.
- das Fliegermagazin hat wieder einen Kalender mit "Zeitfenster". Wer das mag, klickt sich die Finger wund.
- bei L'Tur und weg.de gibt es leider dieses Jahr nichts, dafür aber wieder ein Flash-Kalender beiGermanwings.

Kultur & Co:
- das Crescendo-Magazin hat wieder einen Kalender mit Rätselfragen. Empfehlenswert!
- das SZ-Magazin hat einen Kalender mit außergewöhnlichen Gewinnen...
- Martina Hoffmann gestaltet seit Jahren wunderschöne Kalender - zum Advent gibt es bei ihr vier Bilder zum Ausmalen!
- Musik gibt es beim "singenden Adventskalender" vom Rundfunkchor Berlin.
- Adventskalender der Semperoper mit Ticketverlosung!
- vier Türchen gibt es bei der Dresdner Philharmonie, ebenfalls mit Konzerttickets.
- Fussball fällt natürlich auch unter Kultur. Deswegen hier der Dynamo-Adventskalender!

Dresden:
- beim Musikhaus Opus61 startet am 2.12. eine Adventsverlosung mit CD-Gewinnen
- der LÖMUWEIKA in Löbtau - jeden Tag Musik im Stadtviertel!
- einen ähnlichen "lebendigen" Adventskalender gibt es im Hechtviertel
- ...und auch in der Neustadt (Advenster)
- wer es eher literarisch mag, ist im Barockviertel gut aufgehoben.
- und auch Laubegast hat 24 Türchen in seinem Viertel versteckt

Nachtrag: Der Selbsttest ergab bei mir, dass Germanwings nicht richtig klappt, leider ebensowenig der Dynamo-Kalender, ich vermute, das ist nur auf dem Handy möglich (?)
Ich freue mich natürlich über Kommentare und weitere Linktipps :)

Zweimal Schönberg - mindestens!

"Dresdner Abend" der Philharmonie im Hygienemuseum

Im Reigen der Konzerte der Dresdner Philharmonie besitzt die Reihe der "Dresdner Abende" im Saal des Hygienemuseums ein besonderes Flair. Schon vom zweckmäßigen, aber akustisch für diese Programme sehr passenden Raum her herrscht an eine konzentrierte Atmosphäre vor, die es ermöglicht, beim Hören tiefer in die Werke einzudringen und sich nicht ablenken zu lassen. Konzertmeister Wolfgang Hentrich und das Dresdner Kammerorchester gestalten hier zum Beispiel Programme, die zurückweisen auf eine bewegte Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit dem Verweis auf Erwin Schulhoffs "Fortschrittskonzerte" war der Dresdner Bezug gegeben, in diesen wurden viele neue Werke ur- oder erstaufgeführt.

Das Konzert wurde von Arnold Schönbergs 1. Kammersinfonie Opus 9 gerahmt. In der kurzen Einführung verwies Hentrich vielleicht ein bißchen zu oft auf die skandalöse Uraufführung 1907, bei der es zu Rangeleien im Publikum kam, so dass ihm schließlich Dirigent Michael Helmrath widersprach: heute sei man doch ganz andere Klänge gewohnt und Schönbergs Qualität als Romantiker sei in eben diesem Stück genauso hörbar. Die Auseinandersetzung mit der Musik, die im Philharmoniekonzert daher von vornherein erwünscht war, kam 1907 als Wirkung zustande. In einer Verlautbarung ist zu lesen, dass "der Besitz der Eintrittskarte nur zu ruhigem Zuhören, nicht aber zu lauten Meinungsäußerungen (Applaus oder Zischen) berechtige". Da lächelt man heute verschmitzt, denkt aber auch über ein Publikum nach, das heutzutage gern das Neue reichlich unkommentiert mit nach Hause nimmt. Dass die Kammersinfonie im Konzert zweimal gespielt wurde, wurde als Experiment angekündigt - es sollte sich für viele Stücke eignen, deren besondere Dichte und Farbigkeit sich nicht immer sofort erschließt. Den Hörvorgang betrachtend, sei die Musik doch eine vergängliche Kunst, so Helmrath. Warum aber sollte man es immer bei diesem spontanen ersten Erlebnis belassen und nicht ein zweites hinzufügen?

Dem Zugang des Chefdirigenten der Brandenburger Symphoniker (der das komplette Konzert auswendig dirigierte!) zu diesem Werk konnte man sich schon bei der ersten "Runde" kaum entziehen: mit den von Helmrath gut abgenommenen straffen Tempi und einem füllig-selbstbewussten Gesamtklang wusste das Kammerorchester sehr zu begeistern und schaffte es, in den Instrumentengruppen transparent zu bleiben - die fünf Streichinstrumente kamen gut zur Geltung, ebenso wurde die motivische Arbeit des Werkes gut in den Vordergrund platziert. Der spätromantische Einfluss ist in diesem Stück (kurz nach "Pelleas und Melisande" entstanden) kaum zu leugnen - Helmrath setzte melodiöses Schwelgen und geschärfte harmonische Vorgänge direkt nebeneinander und belebte damit das Stück außerordentlich.

In der Mitte des Konzertes standen dann zwei Streichorchesterwerke von Othmar Schoeck und Franz Schreker. Beide haben auf ihre Weise die Dur-Moll-Tonalität bis an die Grenzen ausgereizt und dabei ihre eigene charakteristische Tonsprache entwickelt. Die Auswahl der "Sommernacht" von Schoeck und dem "Intermezzo und Scherzo" Opus 8 von Schreker bildete - so angenehm diese Stücke auch im Ohr klingen mögen - im Ergebnis dann doch einen seltsam harmlosen Kontrast zu Schönbergs Schlüsselwerk, das in zweiundzwanzig Minuten Musik nahezu mit einer ganzen Epoche aufräumt.

Das konnte man dann zum Beschluss des Konzerts dann erneut erleben, vielleicht nun noch einen Tic aufregender in der Interpretation, denn die Spannung zum Ende eines Konzertes hin ist noch einmal verschieden. Zu wünschen bleibt, dass solche außergewöhnlichen Abende, die eben auch Beziehungen und Zusammenhänge der Musik erhellen, viel mehr Zuhörer finden - es sei versichert, dass selbst der gute alte Beethoven ganz anders und neu klingt, wenn man sich einmal durch Schönberg "durchgearbeitet" hat.

Donnerstag, 28. November 2013

Traum LXXIII

Wir geben Altpapier und viel Hausrat ab, in einer großen Halle, wo man das eben abgeben kann. Wir bekommen sehr viel Geld dafür, in gerollten Scheinen, ein ganzes Bündel. Sie nimmt das Geld an sich, ich bekomme von ihr ein paar Münzen ab. Übrigens ist keine Person hinter "ihr" erkennbar, wie ich keine Erinnerung mehr an alle Beteiligten in dem Traum habe. Die nächste Szene ist in einer Art Mall, eine Ebene in einem großen Kaufhaus, wo sich mehrere Feinkostgeschäfte befinden und viele Theken und Tresen zu Kauf und Genuss einladen. Ich probiere an einer Theke Fisch, eine Krabbe oder Garnele oder ähnliches, die aber entsetzlich schmeckt und die ich auf den Boden ausspucke, beim Hinterherblicken sehe ich, dass dieses Tier noch (oder wieder?) lebt. Man findet sich dann an großen Tischen mit Barhockern zum Essen und Trinken ein, meine Freunde haben alle einen Platz. Ich stehe etwas sinnlos dazwischen herum. "Lasst uns auf den Berg gehen", sage ich und weise nach rechts, wo (draußen und drinnen verschmelzen hier) es einen steilen Hang hinaufgeht. Zwischen den Bäumen kann man den sich bewegenden Rotor einer Mühle erkennen. Man kann nicht ganz hinaufschauen, der Hang ist gleich eine Rampe, die unendlich hochführt. "Man kann oben den Sonnenuntergang anschauen", sage ich und die Freunde erheben sich und kommen mit. Während die Freunde einen gerade den Hang hochführenden Weg laufen, nehme ich einen parallel verlaufenden, beschwerlicheren Weg: zunächst mit einer Art Seilbahn, dann laufend, dann geht der Weg auf einer Art Holz-Förderband weiter nach oben, wobei ich aber mehrfalls hinfalle und Halt suchen muss. An der Stelle abruptes Ende.


[nb: Seit längerer Zeit hat kein Traum mehr hierhin gefunden. Vermutlich liegt es weniger an der Traumlosigkeit als an der platzenden Seifenblase beim Aufstehen - heute war es ein "akustischer" Zwischenfall zur Unzeit, der mich hochschreckte und da war ich noch mittendrin...]

Mittwoch, 27. November 2013

Vivaldi im Fokus

"Die vier Jahreszeiten", Mozart und Dvořák im Konzert der Europäischen Kammerphilharmonie

Hehre Ziele vernimmt man beim Studium der Website der "Europäischen Kammerphilharmonie Dresden". Das erst 2012 gegründete Ensemble möchte sich einen Namen in der Stadt machen, aber der im Namen einbezogene Anspruch soll sich auch im Orchester widerspiegeln. Projektbezogen kommen so aus mehreren Ländern Europas Musiker zusammen und lassen in Dresden den verbindenden Gedanken der Musik lebendig werden.
Das zeigte sich auch in der Vergangenheit schon an der speziellen Auswahl von Orten und Programmen.

Diesmal fand das Konzert in der Martin-Luther-Kirche in der Neustadt statt und man staunte nicht schlecht, dass ein Großteil des Publikums der jüngeren Generation angehörte. Die Kammerphilharmonie schafft ein Jahr nach der Gründung, woran die großen Orchester schon seit langer Zeit arbeiten: junge "Fans" für die klassische Musik zu finden. Dahinter stecken offenbar Visionen und ein kräftiges Engagement für die Sache - man sollte allerdings schauen, dass dabei die Musik selbst nicht in die zweite Reihe sortiert wird. Dass etwa nur ein Programmzettel ausgegeben wird, in dem man keinerlei Informationen über die gespielten Werke erhält, ist vor allem im Hinblick auf das für die klassische Musik neu gewonnene Publikum schade.

Das Konzert selbst war deutlich von der großen Motivation aller Mitwirkenden getragen, obwohl der Anspruch der Stücke für das Orchester nicht allzu hoch angesiedelt war. Es ist eben auch eine Kunst, aus Antonín Dvořáks bekannter Streicherserenade E-Dur ein kleines Schmuckstück zu machen. Das gelang trotz schwieriger Akustik und recht kleiner Besetzung recht gut - der Leiter der Kammerphilharmonie Pedro Andrade hätte da vermutlich auch mit weniger raumgreifender Gestik gute Ergebnisse erzielt. Vorsichtiger hätte man in den ersten Violinen im forte agieren können, die Kirchenakustik verwandelte die hohen Lagen in scharf klingendes Timbre.

Vor der Pause konnte man eine Aufführung von Antonio Vivaldis Konzertzyklus "Die vier Jahreszeiten" erleben. Zwar ist das Stück - vor allem in seinen im Radio mannigfach gespielten Einzelteilen - jedermann bekannt, live hört man das gesamte Werk jedoch eher selten. Immerhin erreichen die insgesamt zwölf Sätze der vier Konzerte das zeitliche Ausmaß eines Brahms-Konzertes. Der erst 22jährige russische Geiger Yuri Revich konnte vor allem mit dem Angebot der Programmmusik viel anfangen. Mit barocker Aufführungspraxis hatten aber weder er noch das Orchester viel am Hut, was man durchaus akzeptieren mag - das süffige Legato etwa im 3. Satz des "Frühlings" wirkte jedoch sehr unpassend. Die in vielen Sätzen zur Emphase genutzten Brüche in den Tempi mochten weder im Solopart noch im Orchester (Adagio im "Herbst") überzeugen, ebensowenig die stark abgesetzten Satzschlüsse. Revich gefiel allerdings in den schnellen Sätzen mit souverän ausgestellter Technik und konnte sich auf ein konzentriert begleitendes Ensemble verlassen.

Am Beginn des Konzerts stand außerdem Mozarts "Adagio und Fuge" für Streichorchester in c-Moll. Es ist ein spätes Werk nach Wiener Geschmack, aber "gewürzt" durch reichhaltige Chromatik und Vorhalten in den Stimmen - von Andrade und der Kammerphilharmonie wurde dieses kaum bekannte, außergewöhnliche Stück mit gutem Sinn für die Details interpretiert.

Mittwoch, 20. November 2013

Geste des Trostes

Honegger-Sinfonie und Fauré-Requiem im Philharmoniekonzert in der Frauenkirche

Die Sonntage im November vor dem 1. Advent sind "stille Sonntage" - im Kirchenjahr geht es hier um die Themen Tod, Zeit und Ewigkeit. Der vergangene Sonntag behandelte das Gleichnis vom Weltgericht und ist gleichzeitig seit der Weimarer Republik auch als Volkstrauertag bekannt. Nicht immer folgen die Konzertveranstalter diesen Stimmungen des Jahres, aber besonders in den musikalischen Zentren in Sachsen ist es eine gute Tradition, dass man auch im Konzertleben in diesem Monat eine Möglichkeit zur Besinnung und inneren Einkehr erhält.

Die Dresdner Philharmonie, gerade zurückgekehrt von einer großen Reise durch Asien und einer weiteren nach Dänemark, hatte für ihr Konzert in der Frauenkirche besonders dazu geeignete Werke ausgewählt. Trotzdem gelang eine Kontrastwirkung, denn wo Gabriel Fauré in seinem bekannten Requiem den Emotionen freien Lauf läßt, wirken diese in Arthur Honeggers 2. Sinfonie, mit der das Konzert begann, äußerst gezügelt und durch eine strenge Kompositionsweise nahezu ausgeblendet. Honeggers eigene Einführung zum Stück liest sich fast wie eine Entschuldigung: am Ende gibt der Komponist gerade einmal zu, "Gedanken" verarbeitet zu haben.

Doch von diesen Worten sollte man sich beim Hören nicht leiten lassen - die Interpretation der Dresdner Philharmonie unter dem französischen Gastdirigenten Bertrand de Billy konnte durchaus die Schönheiten dieses selten gespielten Werkes hervorbringen - ein insistierendes Sekundmotiv, das sich durch alle Sätze fortspinnt, wirkte ebenso intensiv wie die Steigerungen im Adagio-Satz oder die mit permanenter Bewegung versehenen Stimmüberlagerungen im Finale. Der letzte Schliff im Rhythmischen war innerhalb der Stimmgruppen nicht ganz vorhanden, doch schwungvolles Streicherspiel (mit Christian Höcherls schöner Trompetenunterstützung, die vom Komponisten leider nur als "Textmarker" erdacht wurde) wurde von de Billy begünstigt.

Im Requiem von Gabriel Fauré, hier in der späten Fassung mit vollem Orchester, übernahm der Philharmonische Chor dann die Hauptrolle. Chorleiter Gunter Berger hatte das Ensemble vor allem zu einer weichen Klanggebung - mit Ausnahme der etwas zu gewaltigen "Exaudi" und "Hosanna"-Rufe - und guter Ausformung des Linearen angeleitet, so dass hier unter de Billys Stabführung mit aufmerksamer Orchesterbegleitung eine sehr empfundene, auch von den Tempi her schlüssige Interpretation entstand, die jegliche Überzeichnung vermied. Intensiv gelangen die Ausdruckswelten vor allem im "Agnus Dei" und im "Libera Me". Nachdem der Chorsopran im Sanctus noch etwas vorsichtig anhub, strömten die Töne des letzten Satzes "In Paradisum" in tröstlicher Manier durch den Kirchenraum.

Die Sopranistin Katerina Tretyakova steuerte das "Pie Jesu" mit absolut körperlichen, wunderbarem Timbre von der Orgelempore bei und scheute sich nicht vor einem schönen pianissimo-Abschluss. Demgegenüber fehlte bei Daniel Schmutzhard (Bariton) doch etwas die Natürlichkeit der melodischen Linie, außerdem war die Intonation nicht immer auf den Punkt gebracht. Die eintretende Stille nach den letzten Tönen dieses Meisterwerks der Schlichtheit und der aus Ruhe und Vertrautheit geformten Gestik des Trostes zeigte, dass das Philharmonie-Publikum das sehr ansprechende Programm und seine Ausführung zu schätzen wusste.

Dienstag, 12. November 2013

Impuls der Zeit - Eindrücke vom Medienforum Mittweida

Ich habe gestern einen Medienkongress besucht. Nicht irgendeinen, sondern den größten studentischen Medienkongress Deutschlands. Und falsch, ich war weder in Berlin noch in Köln, sondern in Mittweida. Das beschauliche Städtchen verfügt über eine Hochschule mit sehr gutem Ruf. Der geht nicht nur nach außen. Manchmal ruft die Hochschule auch selbst, wie in diesem Fall namhafte Referenten zum Medienforum Mittweida. Die nackten Zahlen: 70 Referenten, 19 Panels und 7 Workshops - Motto in diesem Jahr: "Impuls der Zeit" (Trailer).

Über eine Blogparade im Sommer bin ich auf das Medienforum aufmerksam gemacht worden und sagte als medienaffiner Mensch mit Spaß am Schreiben sofort einen Blogbeitrag zu. Sehr erfreut war ich dann, dass ich bei der dabei veranstalteten Verlosung dann auch noch ein Ticket für den Besuch des Medienforums erhalten habe.

Nun darf ich voranschicken, dass ich kein Medienexperte bin, wenngleich ich in Print- und Onlinemedien als Autor und Journalist arbeite. Die Beschäftigung mit Blogs und Medien geschah und geschieht vor allem interessehalber, tangierte in den letzten Jahren aber immer mehr auch Berufliches. Im Rückblick ist es bei mir auf jeden Fall eine kontinuierliche Geschichte (ich hole etwas aus): erste Erfahrungen hatte ich etwa 1998, vor allem mit Dingen wie ICQ und Communities - damals hieß das social web noch "chat", war verrucht und störanfällig. Netiquetten hat man damals noch selbst entworfen, das Modem brummte und spuckte unglaubliche Rechnungen aus, und der SMS-Ton vom ersten Nokia war das höchste der Gefühle.

Rede ich von einem anderen Stern? Vermutlich, wenn ich die letzten zwei Tage - aber auch die Entwicklungen der letzten 10, 15 Jahre (mehr sind es nicht!) Revue passieren lasse. Für einen Außenstehenden mag ein Medienkongress mit zig Vorträgen vielleicht etwas dröge erscheinen, für mich war es von Anfang an sehr spannend, zu sehen, was da auf die Beine gestellt wurde und vor allem ("Impuls der Zeit" eben): wo sich der Mediendiskurs heute inhaltlich befindet. Eine Art "Horizont-Update" für mich selbst hatte ich erwartet und das wurde mehr als eingelöst. Denn vieles strömt (auch und gerade bei den Schnell- und Querlesern, zu denen ich mich zähle) heute in enormer Geschwindigkeit am Bewusstsein vorbei. Man hat oftmals schon beim Lesen im Netz Mühe, die wichtigen Dinge zu finden, die Frage zu beantworten, was denn Relevanz für einen selbst bedeutet, die gefundenen Dinge dann noch richtig zu bewerten und - letzter Schritt - daraus eine Anwendung und Beschäftigung, sprich Nutzen oder Haltung/Meinung abzuleiten.

Den medialen Stein der Weisen hat natürlich auch Mittweida nicht parat (stattdessen "tatsächliche" Enten und Schwäne mit analogem Selbstantrieb im Rundkurs auf dem Teich vor der Hochschule), aber schon in der Vorbereitung auf meinen Besuch kam ich beim Studium des Programms gehörig ins Schwitzen, denn auf der einen Seite verhinderten einige Termine den Besuch des ersten Tages, zum anderen wäre ich auch am zweiten Tag gerne in eine Parallelgestalt gestiegen, um einen gleichzeitig im anderen Saal stattfindenden Vortrag besuchen zu können. Mir konnte geholfen werden: bequem aus dem Wohnzimmer heraus konnte ich zumindest einen Teil des ersten Tages per Stream mitbekommen und werde im Nachhinein auch verpasste Vorträge des 2. Tages anschauen können.

Denn - das sei deutlich hervorgehoben - dieser Medienkongress war bis ins Detail (wozu ich auch so liebenswertes wie Hustenbonbons am Infopoint zähle!) spitzenmäßig durchorganisiert und die Website des Medienforums platzt fast vor Dokumentation, Interviews und begleitenden Texten - dazu zählen auch Shots von Twitter, Videos und liebevoll erstellte Trailer (gruselig-genial der Trailer zum "Shade of Books"-Panel). Halbe Sachen gibt es in Mittweida nicht und die Vorträge und Workshops wurden allesamt mit gleicher Sorgfalt behandelt, gleich ob es um TV, youtube, erfolgreiche Blogs oder "Wahlkampf im Web" ging.

Die Organisation begnügte sich auch nicht mit dem Ermöglichen des Medienforums, sondern war auch "mittendrin", und das natürlich auch im positiven Eigennutz - ein "Meet and Greet" mit den Referenten war sicherlich für viele Studenten ebenso gewinnbringend wie eine Recruiting Lounge - schließlich befinden sich unter den Referenten nicht nur potenzielle Arbeitgeber, sondern auch spannende Gesprächspartner für genau die Bereiche, in denen sich die Studenten gerade qualifizieren.

Ich kann leider nicht auf alle - besuchten oder im Großteil verfolgten - Panels eingehen, dazu gibt es ja auch jede Menge Material beim Medienforum. Ich fasse aber kurz zusammen: am ersten Tag sah ich per Stream "Net Candy" von Kathrin Koehler, womit eine gute erste Standortbestimmung gelang, sowohl was Entertainment als auch nützliche Erfindungen im Web angeht. Vom folgenden Rechts-Panel musste ich mich in der Mitte des Streams etwa verabschieden, nahm aber mit, dass das ein umfangreiches Spezialgebiet ist, zudem a) ständig in Veränderung begriffen und b) von vielen Einzelfällen und verschiedenen Gesetzeslagen abhängig. Eine Diskussion über Qualitätsfernsehen am späten Nachmittag konnte ich zumindest per Twitter verfolgen - denn Publikum und Medienforum waren mit Fragen und Kommentaren eifrig dabei. Das Podium war offenbar auch "anfällig" dafür, denn aus den Tweets war deutlich herauszulesen, dass sich die Sendervertreter nicht unbedingt in der Mitte der Mediengesellschaft mit ihren Statements befanden und "Qualität" erst gar nicht und dann auch sehr fragwürdig definiert wurde. Eine hieraus vielleicht zu filternde "German Angst" (ich weiß, dass der Begriff in einen andere Kontexte gehört, aber eine bessere Umschreibung fiel mir nicht ein) war - in anderer Form - auch aus den Reaktionen zu einem anderen Panel ablesbar, in dem es um Wahlkampf im Web ging. Ganz anders als die Medienstudenten, die zu allen Gelegenheiten ganz selbstverständlich die passenden Equipments der Medien nutzen, schwebte hier immer noch eine wohl aus der Generationenproblematik und dem Festhalten an Althergebrachtem entstandene "Neulandwolke" über den Diskutanten.

Unvorstellbar war eine solche "Wolke" allerdings bei dem ersten Panel am Dienstag, das ich live besuchte - im "Transmedia Storytelling" wurde eine selbstverständliche, zukunftsgerichtete Vernetzung von Verlagen, apps, Web und Film anhand dreier Projekte/Produkte (etwa die mich durchaus faszinierende "Wagner-App" von Gebrüder Beetz) vorgestellt. Anschließend gab Ninia Binias aus eigener Erfahrung heraus wertvolle Tipps zum Bloggen und zeigte ihren Weg vom "ich-schreib-jetzt-mal-was-ins-Internet" bis hin zum Fulltime-Job "Blog". Das war für mich insofern spannend, da ich selbst schon seit 2004 (der Link führt zu meinem ersten Blog, das PW-geschützt - 20six wurde irgendwann zu twoday - offenbar eine Art Altersheimdasein fristet...) blogge. Der Vortrag zeigte eben auch, dass es einigermaßen aufwändig ist, diese Schritte zu gehen. Mein Blog ist meine kleine Schreibecke geblieben, ich hänge sogar immer noch bei twoday ab (man verzeihe mir) und lehne ca. einmal im Monat ab, ohne Vergütung über Online-Pokergames zu schreiben - eine deutlich geringere Quote als bei Ninia also ;) Trotzdem habe ich Spaß daran und bin eigentlich auch froh, dass meine "Nische" nicht plötzlich zum Surftipp wird, denn wie gesagt - die Pflege ist doch sehr aufwändig, man will ja auch für seine Leserschar aktiv sein.

Am Nachmittag konnte ich dann aufgrund meines begrenzten Zeitkontingents nicht mehr bis zum Ende bleiben - aber immerhin noch das Panel zum "Make of" der Völkerschlacht-Doku vom MDR miterleben. Ein tolles, überzeugendes Format und gleichzeitig Experiment, das mir aber auch in Zwischentönen themenübergreifende Erkenntnisse brachte - Katja Wildermuths Enthusiasmus an dem Projekt war in dem Panel nahezu greifbar, und insofern war auch schön zu erfahren, dass nicht nur Skills und Money die Medienwelt regieren können, sondern auch der Spaß an der Sache, der ganz überraschende, gute Ergebnisse hervorbringt.

Insgesamt also für mich tolle, spannende zwei Tage - live natürlich am besten. Die Stimmung auf den Veranstaltungen war immer sehr konzentriert und dabei aber stets sympathisch. Das strahlte wiederum auf die Referenten aus, die - so liest man - sehr gerne nach Mittweida kamen.

Wo bleibt die Kritik? Höchstens an mir selbst, dass ich nicht komplett dabei sein konnte, dafür aber jetzt viel zu viel geschrieben habe ;) Als Zukunftsimpuls wäre sicher auch ein Panel interessant, dass den Fokus mehr ins Internationale legt. Schließlich ist das Netz global (was - immer noch - nicht heißt, dass es jeder hat) und daraus erwachsen auch noch viele Aufgaben. Und: hey Medienschaffende in Mitteldeutschland, ihr seid viel mehr, als ich in MW gesehen habe. Kommt gefälligst dahin! Es lohnt sich.

Noch mehr Rückblick gefällig? Bittesehr:
* * ABC fürs Medienforum Mittweida
* Netzpiloten - zum Panel "Back to the Future"
* [ich hoffe, es gibt noch mehr Feedback - ansonsten wäre dies auch ein Kritikpunkt: google news hat am "Tag danach" fast nur hochschuleigene Beiträge zu bieten - oder ist etwa auch die internationale Presse noch im Banne der Abschlussparty? ;) ]

Mittwoch, 6. November 2013

Tunnel zuschütten?

Am Neustädter Markt gibt es ein "heißes Eisen" - den Tunnel, der beim Hochwasser stark beschädigt wurde. Das Neustadt-Geflüster berichtet ausführlich darüber, auf der Facebook-Seite vom Neustadt-Geflüster tobt sich vor allem die Autofahrerlobby in den Kommentaren aus, die offenbar befürchten, dass 20 Sekunden ihres kostbaren Lebens an einer "weiteren" Ampel verbringen - obwohl die Kreuzungsampel ja bliebe, nur eine Fußgängerquerung auf der Ostseite entstünde zusätzlich. Und Stau gab es dort nur, wenn es durch Baustellen auf der Großen Meißner oder besondere Ereignisse (Dynamospiel etwa) bedingt war. Der Verkehr selbst geht zurück. Der letzte Stand zum Tunnel ist, dass der Neustädter Ortsbeirat einer Lösung mit oberirdischer Querung und Tunnelzuschüttung zugestimmt hat. Was ich allerdings nirgends finde, ist eine Kostenaufstellung für die oberirdische Lösung. So ganz billig dürfte das nämlich auch nicht sein.

Hier übrigens noch ein Foto, aufgenommen am 3. Oktober. Ampelschaltungen und Breite der Überwege müßten bei der künftigen Querung auch einer Prüfung unterzogen werden. So kann es keinesfalls bleiben. Übrigens lohnt sich auch ein "Rotblitzer" an der Kreuzung. Egal ob vom Köpckeplatz oder von der Antonstraße, es wird Gas gegeben ohne Ende und die Schaltung ist eng, so dass ich mehr als einmal schon in lebensgefährliche Situationen TROTZ Grün für Fußgänger kam.



Und zu guter Letzt noch: Ebenfalls lebensgefährlich ist die Ecke am Blockhaus, die von beiden Seiten nicht einsehbar ist, ebenso wie der kleine Weg, der seitlich am Blockhaus zur Elbe hinunterführt. Hier gibt es oft unschöne Begegnungen zwischen Fußgängern/Radlern und Radlern/Radlern.

Zurücklehnen verboten

Frank Peter Zimmermann und Herbert Blomstedt im Kapellkonzert

Gerade hatte man sich von dem fantastischen Konzert Ende Juni bei der Staatskapelle erholt, in welchem Herbert Blomstedt nicht nur Wagner und Beethoven musizierte, sondern auch ein Werk seines Landsmannes Ingvar Lidholm samt pfiffiger Konzerteinführung unter die Leute gebracht hatte, da trat der schwedisch-amerikanische Dirigent erneut zum Sinfoniekonzert der Staatskapelle an. Die Verbundenheit zwischen Orchester und Dirigent drückt sich in regelmäßiger Zusammenarbeit aus - für viele Besucher schwingen zudem Erinnerungen an Blomstedts Dresdner Chefzeit 1975-85 mit.

Böhmische und finnische Romantik stand diesmal auf dem Programm: zunächst Antonín Dvořáks Violinkonzert a-Moll, das sich erst in den letzten Jahren neben dem allseits bekannten Cellokonzert vom Geheimtipp zum Repertoirestück entwckelt hat. Für den Solopart konnte Frank Peter Zimmermann gewonnen werden - auch er ein häufiger Gast der Staatskapelle. Das Konzert am Sonntagabend versprach ein besonderes Erlebnis zu werden, denn Zimmermann-Interpretationen sind selten zum bequemen Zurücklehnen gedacht.

Dieser Geiger fordert die Zuhörer und das Orchester gleichermaßen stark und begreift jede Aufführung als höchst lebendigen, inspirativen Prozess. Das bekamen Blomstedt und die Kapelle auch gleich im ersten Satz zu spüren: Zimmermann drehte sich immer wieder zu den Streichern und suchte den Dialog. Der permanente Antrieb, den Zimmermann auch zuweilen mit forschem Strich und irrwitzig rasanten Passagen forcierte, rückte Dvořáks Konzert mehr und mehr in einen dramatischen Fokus, bei dem Leichtigkeit und Lyrismus keine Priorität besaßen - eher waren die ruhigen Momente des zweiten Satzes Stationen auf einem zwingend zu beschreitenden Weg. Zimmermann beseelte so das Konzert von der ersten bis zur letzten Note.

Das Orchester hatte etwas Mühe, mit diesem Füllhorn an Impulsivität zurechtzukommen und baute mit einem etwas zurückhaltenden Schönklang eher eine Parallelwelt zu Zimmermanns Intentionen auf. Am Ende war aber diese neue Sicht auf Dvořák so spannend und konsequent vorgetragen, dass es sehr großen Applaus für Zimmermann gab, wofür er sich mit dem Präludium der Bach-Partita E-Dur bedankte.

Die zweite Hälfte des Konzertes gehörte Blomstedt und der 2. Sinfonie von Jean Sibelius. Die Staatskapelle nahm dankbar Blomstedts fließende und luftige Tempi auf; mit wenigen Hinweisen und Gesten versorgte der auswendig dirigierende Maestro das Orchester und konnte so ein freies Spiel befördern, das in allen Sätzen dem von Sibelius wellenartig ausgeformten Spannungsverlauf zugute kam. Die Freude, Helligkeit und Kraft, die sich in den Fanfaren des letzten Satzes schließlich Bahn bricht, teilte Blomstedt auch unmittelbar dem Orchester mit und konnte so einen glanzvollen Abschluss setzen. Es sollte wahrscheinlich und erstrebenswert sein, dass die Dresdner auch nach diesem Auftritt nicht allzu lange auf den nächsten warten müssen - seine stets gelassene und immer willensstarke Ausdruckswelt bleibt eine große Bereicherung für die Kapellkonzerte.

Dienstag, 5. November 2013

Zwischen Antike und Gegenwart

Komponistenporträt Dimitri Terzakis im Hygienemuseum

An vielen Orten der Stadt ist "courage", das Dresdner Ensemble für zeitgenössische Musik, bereits aufgetreten. Das Fehlen einer eigenen dauerhaften Spielstätte mag größeren Aufwand im Erlangen von Aufmerksamkeit bedeuten, für ein Ensemble mit flexiblen Programmen und Besetzungsgrößen vom Solo/Duo bis zum großen Kammermusikensemble gehört die Wahl des passenden Raumes aber oft zum Projektkonzept dazu. Der Kastencharakter des großen Saales im Hygienemuseum ist so nüchtern, dass er für die Spielarten der zeitgenössischen Musik Freiraum bietet.

Für das erste, noch etwas spärlich besuchte Projekt am Sonnabend wirkte er fast überdimensioniert, denn das Kammermusikporträt des in Leipzig lebenden griechischen Komponisten Dimitri Terzakis vertrug Intimität. Vorgestellt wurden zwei Werke mit literarischem Hintergrund, zum einen ein vierteiliger Baudelaire-Zyklus für Sprecher und Ensemble als Uraufführung sowie "Die Irrfahrten des Odysseus", die der Komponist als "Laterna magica-Performance" untertitelt. Obgleich die beiden literarischen Quellen völlig unterschiedlich sind, konnte man eine gemeinsame Musiksprache feststellen - Terzakis komponiert mit einem "erweiterten Tonsystem der Antike".

Das klingt zunächst faszinierend, da es wenige Komponisten gibt, die sich mit den ältesten musikalischen Wurzeln der Welt beschäftigen. Problematisch erscheint, dass man beim Hören dennoch die Musik in einem tonalen, von späteren und nicht ausblendbaren Erfahrungshorizonten bestimmten Klangraum wahrnimmt und somit eine merkwürdige Mixtur entsteht. Insbesondere Baudelaires bildgewaltige Lyrik gerät da in eine Schieflage zur Musik, wenn diese sich mit illustrativer Nacherzählung in "alten" Systemen begnügt. Die simple Gestaltung der Sprechstimme (Tobias Schlierf) konnte der Lyrik keinen Mehrwert geben: Der Hass ist laut und vor allem auf rhythmischer Ebene lediglich "markig", und alle schönen Worte werden reichlich gedehnt, als wolle der Komponist lediglich eine Betonung Baudelaires präsentieren, keine Vertonung.

In den "Irrfahrten des Odysseus" behielt Terzakis auf der sprachlichen Ebene diese Stilistik bei, nur handelte es sich nun um einen prosaischen Text, der in recht trockener Art Odysseus Abenteuer nacherzählte. Als Bereicherung entpuppte sich die visuelle Ebene der Laterna Magica mit gemalten Bildern aus dem Nachlass des Laternisten Paul Hofmann (ca. 1880). So entstand eine Art bebildertes Hörspiel, dem aber weitgehend die interpretatorische, reflektierende Ebene fehlte: ausgiebig wurde Abenteuer um Abenteuer erzählt, zu selten wurde tieferer Sinn deutlicher artikuliert, als Gefahren und Meeresstürme klanglich zu akzentuieren oder das Gefühl bei Odysseus' Heimkehr in innige Melodik der Streicher oder Vokalisen in den Solosopran (Nancy Gibson) zu übersetzen.

Courage zeigte unter Leitung des Dirigenten Martin Braun viel Engagement für eine stimmungsvolle Interpretation - ein rechtes Erlebnis wollte sich aber am Ende nicht einstellen, weil Musik, Literatur und Filmgeschichte zwischen Antike, 19. Jahrhundert und Gegenwart keine künstlerisch aussagekräftige Verknüpfung eingingen.

Mittwoch, 30. Oktober 2013

Ich schreibe Reisetagebuch. Aus Norrköping.


Tauben von Gurre.

[Dank Überlastung von twoday.net schreibe ich diesen Text nun schon zum zweiten Mal und betrachte es, um nicht ganz an die Decke zu gehen als fortgeschrittenes Gehirnjogging. Ist ja auch total erhebend, spontan geschriebene, sehr große Blogeinträge zweimal aus dem Ärmel zu schütteln.]

Heute also einige Impressionen aus Norrköping, wo ich zu einem 3-Tages-Ausflug nun nach 10 Stunden Anreise endlich gelandet bin. Das Reisetagebuch bleibt vermutlich auf diesen Eintrag beschränkt, denn morgen habe ich sowohl einiges um die Ohren als auch auf. Man verzeihe mir waghalsige Formulierungen wie diese, ich bin seit 18 Stunden auf den Beinen. Da ich eine „Billigheimer-Tour“ gewählt habe, war ich auf einen frühen Flug und die damit verbundene noch frühere Busfahrt angewiesen. Der Ausdruck stellt aber keine Wertung dar, ich muss sogar sagen, dass ich sehr zufrieden war. Der BerlinBus war superpünktlich und angenehm - bis auf einen unvermeidlichen Schnarchmenschen, worüber ich aber zu so früher Stunde schmunzeln konnte. In Schönefeld ging es dann recht fix und ebenso problemlos in den RyanAir-Flieger, der - man höre und staune - ganze 20 Minuten zu früh in Stockholm-Skavsta aufsetzte. Das wurde sogar samt Trompetenfanfare aus dem Lautsprecher im Flieger freudig verkündet.

Skavsta ist ein kleiner, ehemaliger Militärflughafen, der sich im Gegensatz zum Hauptflughafen von Stockholm, Arlanda, südlich der Stadt befindet. Das macht wiederum die Weiterreise nach Norrköping zum Kinderspiel, da es einen direkten Bus gibt. Kinderspiel leider nur auf den ersten Blick, denn der Bus fährt nur alle 2,5 Stunden und der 10 Uhr-Bus war bei exakter Landung um 10.20 natürlich weg. Also zweieinhalb Stunden den Flughafen erkunden. Was nach sieben Minuten erledigt war, denn Skavsta ist ungefähr so übersichtlich wie der Dresdner Flughafen und hat auch ein ähnliches Fahrgastvolumen (sagt man das so? - Ach, nein - Fahrgastaufkommen. Da rächt sich schon der doppelte Blogeintrag…). 120 Minuten hielt ich mich also an einem Kaffee fest und das sollte man in Schweden auch tun, will man die dafür hingeblätterten Kronen wirklich anständig beweinen.
Der Bustransfer nach Norrköping war unspektakulär, Schweden zeigte sich hier vor allem von der baumbestandenen und auch regenverhangenen Seite. Kaum dass man mich aber in Norrköping am Bahnhof (der übrigens exakt so aussieht wie ein klassischer Bahnhofsbausätz auf der Märklin-Modelleisenbahnanlage!) regulär des Busses verwiesen hatte, riss der Himmel auch wieder auf. Daher beschloss ich, das Hotel, auf der anderen Seite der Innenstadt befindlich, zu Fuß anzusteuern, ich hatte ohnehin nicht viel Gepäck dabei.

Norrköping ist vor allem eine Industriestadt, deren Blütezeit aber schon etwas zurückliegt. Zahlreiche Bauten künden noch von der die ganze Stadt dominierenden Textilindustrie. Die Innenstadt kommt etwas protziger daher, als die Stadt eigentlich groß ist, manche Bauten sind klassizistische Fünfgeschosser, stehen aber dennoch etwas einsam herum. Ich musste die lange Hauptgeschäftsstraße entlanglaufen, wo auch die beiden Straßenbahnlinien von Norrköping entlangbimmeln und konnte dabei schon viel entdecken. Man muss genau hinschauen, um etwa die sorgsam restaurierten, teilweise auch erhaltenen Jugendstilhäuser oder -fassaden zu erkennen. Der Präsenz dieses Stils in der Stadt ist auch ein kleines witziges Denkmal an einem Platz gewidmet, wo typische Gegenstände (Tischlampe!) und Intarsien samt Eichhörnchen und Mosaiken zu einer Art Altar zusammengefasst wurden, nur Meister Klimt fehlt auf der Parkbank.


Auf so eine Skulptur muss man erstmal kommen.

Auf dem weiteren Weg zum Hotel geht die Gamla Stan dann in ein Geschäfts- und Einkaufsviertel über, das in jeder Stadt stehen könnte, immer mal steht als Hingucker eine Kirche oder liebevoll aufgearbeitetes altes Häuschen (etwa der „Hörsal“, Zwitter zwischen Kirche und Kulturzentrum) herum. Kurz vor dem Hotel fasste ich noch ein „Dagens Lunch“ ab - den preisgünstigen Mittagstisch sollte man in Schweden immer nutzen. An meinem Hotel tobten eifrige Kanalarbeiten, gottlob ging mein Zimmer nach hinten raus. Da die Sonne noch lachte (und das macht sie nur bis 16 Uhr um diese Jahreszeit), bin ich gleich wieder raus und wollte mir zunächst im Turistbyro einen Stadtplan erwerben - der Resttag war ja ohnehin terminfrei¬. Zum Turistbyro wiesen Schilder, es war aber doch einige hundert Meter entfernt, so dass ich erneut eine Art Stadtbummel, diesmal durch andere Straßen, machen konnte. Nun gelangte ich ins Zentrum der Industriekultur - es liegt mitten in der Stadt, und dieses spannende Viertel ist auch noch durch einen - durchaus wilden - Fluss in der Mitte getrennt.


Eine Stadt im Rausch.

Der Fluss überwindet in der Stadt einen enormen Höhenunterschied, weshalb künstliche Staustufen und Wasserfälle angelegt wurden (die nachts übrigens toll beleuchtet sind). Die ganze Innenstadtpassage des Flusses säumen kleine Wege und Brücken aus Holz und Stahl sowie ein paar Aussichtspunkte, und da gibt es wahrlich eine Menge zum Staunen. Auf den üblichen Internetseiten, die ich zur Vorbereitung auf die Reise las, wird die Stadt doch ziemlich nüchtern dargestellt, doch es ist die Architektur, die sehr fasziniert, und vor allem, wie man sich auf dem Weg durch die alten Fabrikgelände am Wasser entlang quasi nicht sattsehen kann an immer neuen, modernen und doch stimmigen Bauten.
Der Vergleich zur Zeche Zollverein oder zum Landschaftspark Duisburg drängt sich auf, nur ist in Norrköping das Areal sehr viel kleiner, außerdem zeigen die Textilfabriken andere Gebäudeensembles. Eingegliedert sind nun Kulturstätten (die Konzerthalle etwa als Neubau), die Universität, (leider nur wenige) Cafés, das Arbeits- und das Stadtmuseum.


Vineta??

Einer der Schlote ragt sogar aus dem aufgestauten Fluß, als sei noch eine versunkene Fabrik im Wasser verborgen. Zusammen mit dem Dämmerungslicht war dies ein sehr eindrücklicher Spaziergang, nach welchem ich noch einen Abstecher zum ebenfalls im Jugendstil erbauten Theater machte und meine Ausdauer mit einem „Mocha Latte“ belohnte, der mich um stolze 44 Kronen erleichterte. Am Ende der Innenstadt lockte noch das „Konstmuseum“ mit bunten Lettern an der Fassade (diese erinnerten mich sehr an die Magnettafel in der Kinderecke vieler Arztwartezimmer!), ich war aber eigentlich zu platt, um mir noch schwedische Moderne anzuschauen.


Einladend: das Kunstmuseum

Ich hatte die Rechnung leider ohne den engagierten Museumsmitarbeiter gemacht, der zu der späten Stunde den halbwegs Unentschlossenen schließlich doch noch in die hehren Mauern der Kunst einlud. Allerdings nur zu einer Klangkunstvorführung, die er mir brennend empfahl und die ja auch just gestartet wäre, ich solle doch in Saal 5 gehen. Ich war offenbar ohnehin der einzige Besucher im ganzen Museum. Der Saal 5 war komplett finster, wabernde Musik (diatonische Tonleitern vom Synthi) und Trockennebel prasselte auf mich ein. Irgendwann nahm ich in der Finsternis dann von der Decke herabhängende Skulpturen wahr, die nicht nur grün und rot blinken konnten, sie plusterten sich auch noch auf. Das Menü hieß ungefähr „Ballonartige Fantasiefiguren (die mich entfernt an eine „Krieg-der-Welten“-Karikatur erinnerten) an Wabermusik auf Trockennebel“. Das war dann doch zuviel des Guten und ich flüchtete. Aus dem Raum. Aus dem Museum.

Der Abend verlief ruhig: der obligate Supermarkteinkauf (Wasser, Kekse & Co.) stand noch an. Allerdings hätte ich den halben Markt leerkaufen können, von Rekeost über Senapssill bis hin zu „Björnbärs Kräm“. Werde morgen nur schwer widerstehen können, der Supermarkt ist direkt um die Ecke. Regen und eine gewisse Beinschwere verhinderten weitere Ausflüge. Und morgen gibt es vor allem Musik, dann berichte ich wohl mehr auf dem Petterssonblog.


YUMMY

Nachtrag:
Vom zweiten Tag gibt es nicht so viel zu berichten. Das einzige Privatvergnügen war ein früher Spaziergang in ein Villenviertel, der Fluss ist hier fast zu einem See gestaut, so dass ich ein bißchen das Gefühl hatte, ich umrunde die Alster. Norrköping ist allerdings viel beschaulicher, aber man kann auch außerhalb des Stadtzentrums viel entdecken, wenn man die Augen offenhält. Insgesamt war es für mich eine sehr sympathische, vielleicht doch etwas zu kleine Stadt, die mit ihrer gelungenen Symbiose von Historie und Gegenwart auftrumpfen kann und sich somit ein echtes Profil gegeben hat - soviel kann ich nach zwei Tagen schon einmal sagen. Der Rest des Tages heute gehörte Allan Pettersson, aber das ist eine andere Geschichte...

Zum Beschlusse noch zwei sehr nützliche Links für einen Norrköpingbesuch oder zum Nachlesen, ich fand sie leider erst heute, so dass ich micht nicht mehr intensiv damit beschäftigen konnte, aber sie sind sehr umfangreich:
* En historisk stad - das alte Norrköping
* Med Oppna Ogen - Norrköping mit offenen Augen entdecken (pdf)

Dienstag, 29. Oktober 2013

Kleiner Ausflug nach Schweden

Morgen geht es nach Schweden, genauer: nach Norrköping. Ich besuche ein Konzert mit Aufführungen gleich zweier Sinfonien von Allan Pettersson. Dafür reist man gerne durch halb Europa, denn Aufführungen dieses Komponisten, um den ich mich seit mehr als zwanzig Jahren in Wort und Tat zu kümmern versuche, sind rar gesät. Erst recht, wenn es zwei Sinfonien in einem Konzert sind, und dann auch noch die 4. und 16. Sinfonie (mit Altsaxophon-Solo). Alle Informationen zum Konzert sind auf dem petterssonblog zu finden - hier werde ich mehr private Eindrücke dieses Kurztrips veröffentlichen, zumal diese 1,5 Tage eine Art winziges Refugium von Urlaub in diesem Jahr darstellen...fast das einzige. Das sollte gewürdigt werden.

Ein Kraftakt

Wagner, Strawinsky und Chung in der Hochschul-Matinee

Die Jahreszahlen 1813 und 1913 haben wir in diesem Jahr oft vernehmen dürfen - der 200. Geburtstag von Richard Wagner bot willkommenen Anlass für viele Konzertereignisse an seiner Dresdner Wirkensstätte. 1913 markiert den 100. Jahrestag der Uraufführung des Balletts "Le Sacre du Printemps" von Igor Strawinsky - bereits im Mai war das Stück in Dresden zu erleben. Die Dresdner Musikhochschule hat zu Ehren Richard Wagners bereits eine ganze Reihe von Veranstaltungen initiiert, die Matinee am Sonntag in der Semperoper bildete einen fulminanten Abschluss.

Das Hochschulsinfonieorchester unter Ekkehard Klemm bot für dieses Konzert alle verfügbaren Kräfte auf, außerdem war das Orchester durch 25 Studenten aus den Partnerstädten und Instituten in Brno, St. Petersburg, Strasbourg und Wroclaw verstärkt. Die Brücke von Wagner zu Strawinsky zu schlagen erscheint auf den ersten Blick schwierig, erst recht, wenn man Strawinskys eigene Worte einbezieht, der Wagners Musik als "heroischen Klempnerladen" abqualifizierte. Strawinsky darf man gern seine Partitur vor die Nase halten: bei aller Priorität des Barbarischen zeigt er dem Hörer schon in den ersten Bläsertakten, was er kontrapunktisch von Wagner gelernt hat.

Im ersten Teil traf somit Moderne auf Moderne - hier das "Tristan"-Vorspiel samt "Isoldes Liebestod" (Solistin: Christiane Libor, Sopran), dort das Skandal-Stück, das heute zwar im besten Falle seine heidnischen Qualitäten bewahrt hat, aber für alle großen Orchester zum Repertoire gehört. Nur zu bewundern war, was die Studenten unter Klemms engagierter Leitung aus beiden Stücken herausholten. Wagner klang hier sehr konzentriert und bis in kleinste Details stimmig und transparent, Libor zeichnete ihren Part stimmlich sehr souverän, einige Wünsche blieben an diesem Vormittag bei der Diktion offen. "Le Sacre du Printemps" ging Klemm mit den Musikern mit klarer Zeichnung vom Pult aus an, forderte die Studenten aber auch zu einer von diesen bestmöglichst nachvollzogenen Interpretation, innerhalb derer etwa der stürmische Schluss des 1. Teils hervorzuheben ist. Fein ausgehört waren die leiseren Abschnitte des 2. Teils: viele schöne Soli und prägnante Bläsersätze, die bis zum Schluss ihre Intensität behielten, vermochten das Publikum am Ende zu begeistern.

Nach der Pause erhielten zwei verdiente Dozenten des Institutes eine Honorarprofessur verliehen: Christoph Schulze (Cello) und Milko Kersten (Ensembleunterricht Opernklasse) wirken seit vielen Jahren erfolgreich an der Hochschule und dürfen nun ihrer Profession offiziell geehrt nachgehen. Musikalisch zog Ekkehard Klemm im zweiten Konzertteil den thematischen Bogen der Moderne bis in die Gegenwart: ein Preisträgerstück eines zum Wagnerjahr ausgelobten Kompositionswettbewerbes des MDR erklang somit in Dresden erneut. Der aus Korea stammende Jinhyung Chung, in Weimar Komposition studierend, gewann diesen mit seinem zweiteiligen Stück "Tropfen", das somit nun in Dresden eine Wiederaufführung erhielt. Die auffällig gute Instrumentierung konnte nicht über die Problematik der direkten musikalischen Umsetzung des Titels hinweghelfen - stilistisch bewegte sich diese neuartige "Wassermusik" irgendwo zwischen Henze und Dutilleux.

Rein von der Leistung der Studenten her gesehen war man am Ende dieser Darbietung eigentlich schon restlos begeistert - doch das Konzert nahm noch einmal eine Schlusskurve zurück zu Richard Wagner, was den Bogen leider überspannte. Dass Trauermarsch und Brünnhildes Schlussgesang aus der "Götterdämmerung" samt dem zugegebenen "Walkürenritt" nun deutlich an den Kräften zehrte, war an manchen wackeligen Übergängen und intonatorischen Trübungen zu merken. Der Begeisterung, was die derzeitigen Studenten des Institutes zu leisten imstande sind, stand am Ende doch die Frage gegenüber, ob dies alles in einem Konzert aufgebracht werden muss.

Sonntag, 27. Oktober 2013

Kapell-Stradivari erklingt erstmalig

Francaix, Franck und Borodin im 2. Kammerabend

Auf großes Interesse beim Publikum stieß der 2. Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle in der Semperoper am Mittwochabend. Vermutlich ist dies ausnahmsweise weniger den guten Interpreten oder dem spannenden Programm zu verdanken - auch das war der Fall - sondern einem besonderen Instrument. Dabei war es "nur" eine Geige, die die Aufmerksamkeit auf sich zog, aber bis vor wenigen Tagen war sicher nicht jedem bekannt, dass die Staatskapelle bereits seit fast 200 Jahren ein Instrument des Geigenbauers Antonio Stradivari besitzt. Die Geige hatte ein unrühmliches Schicksal, nachdem sie 1910 einem Malheur zum Opfer fiel; nach mehreren Notoperationen konnte sie in den letzten Jahren umfangreich restauriert werden und Konzertmeister Kai Vogler konnte das wertvolle Instrument nun wieder seiner eigentlichen Aufgabe zuführen, nämlich durch ihren besonderen Klang im Konzert zu betören.

Natürlich maßt sich niemand an, diese Einzigartigkeit auch im Hörerlebnis sofort nachvollziehen zu können - gar viele Kollegen der Geigenbaukunst haben dem Meister nachgeeifert und kaum weniger passable Ergebnisse produziert. Für die Premiere hatte Vogler die Violinsonate A-Dur von César Franck ausgewählt, ein opulentes, durch und durch romantisches Werk, in dem man mit Legato und großem Ton nicht sparen muss. Der satte Violinklang entfaltete sich da ohne große Mühe und stets blieb eine gewisse Wärme, auch in der Höhe, erhalten.

Weitgehend instrumentenunabhängig sollte sich allerdings die Interpretation gestalten, hier blieben aber einige Wünsche offen. Das leidenschaftliche Feuer, das Francks Sonate nach wenigen Partiturseiten entfacht, blieb auf merkwürdige Weise gezügelt. Vielleicht lag es daran, dass Vogler mit Mirjana Rajic am Klavier nicht immer den gleichen Atem hatte - Rajic blieb vor allem im 1. Satz sehr zurückhaltend und die anspruchsvollen Aufgaben im Klavierpart löste sie zwar zumeist sauber, der emotionale Drang dieses Stückes trat jedoch kaum einmal bei beiden Musikern in den Vordergrund. Die Themengestaltung an sich war zumeist von sehr geradliniger Haltung geprägt, zumindest erschien dies für diese französische Musik ein außergewöhnlicher Zugang zu sein.

Umrahmt wurde die Sonate von einem Trio und einem Quartett: zu Beginn musizierten Annika Thiel, Holger Grohs und Friedwart Christian Dittmann das Streichtrio von Jean Francaix. Liest man diesen Komponistennamen im Programm, ist immer niveauvolle Unterhaltung garantiert. Schwungvoll und stets in Bewegung erschienen die ersten beiden Sätze, überraschend innig im Ausdruck stand an dritter Stelle ein kostbarer Andante-Satz. Sehr überzeugend musizierte das Trio gerade die leisen, fast verwehten Passagen dieses nicht sehr tiefgründigen Werkes.

Zum Beschluss des Konzertes gesellte sich an der zweiten Geige Kay Mitzscherling hinzu. Mit dem Quartett Nr. 2 D-Dur von Alexander Borodin wurde ein Werk vorgestellt, das zwar äußerst selten erklingt, aber dennoch zum Kammermusikschaffen der russischen Romantik einen gewichtigen Beitrag leistet. Sind die ersten beiden Sätze eher konventionell gestaltet, so ist das Notturno ein wunderbarer langsamer Satz und im Finale weiß Borodin die Spannung durch fanfarenartige Themenartikulation aller Instrumente zu halten. Das Kapell-Quartett zeigte sich hier ebenso versiert wie bei Francaix und konnte für die klangschöne Interpretation viel Applaus verbuchen.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Barocker Spirit

Ton Koopman mit dem Amsterdam Baroque Orchestra in der Frauenkirche

Wenn es um historische Aufführungspraxis und die Verdienste um die barocke Musik geht, muss sein Name unbedingt genannt werden: der niederländische Organist und Dirigent Ton Koopman gilt als einer der gefragtesten Interpreten auf diesem Gebiet. Am Sonnabend konnte man sich in der Frauenkirche davon überzeugen, wie Koopmans Bach klingt - der Dirigent brachte sein von ihm 1979 gegründetes "Amsterdam Baroque Orchestra" mit, das nach vierunddreißig Jahren Erfahrung unter anderem auf eine komplette Einspielung des Kantatenwerks von Bach zurückblicken kann und derzeit mit dem Gesamtwerk von Dieterich Buxtehude befasst ist.

Der Begriff der Authentizität drängt sich hier fast auf, und doch wissen wir, dass das historisch informierte Spiel immer nur eine Annäherung, eine Sichtweise an das barocke Zeitalter vermitteln kann. Ton Koopman verlieh der Musik mit impulsivem Dirigat vom Cembalo aus sehr viel Energie und Lebensfreude. Schon nach wenigen Takten der 3. Orchestersuite BWV 1068 von Johann Sebastian Bach ist man beim Hören in einer Selbstverständlichkeit angelangt, die nicht aus Routine heraus entsteht. Koopman begreift die Musik aus dem Moment heraus als etwas, was immer wieder neugierig angegangen werden muss - das machte Bach in der Verbindung mit der hohen Spielkompetenz des Ensembles zu einem Hörabenteuer.

Aus dieser Haltung heraus veredelte Koopman auch das berühmte "Air" in der Suite, das im schlanken Ensembleklang genau die richtige Balance zwischen Harmonie und Melodie erhielt. Die anderen Sätze erhielten markanten Zugriff und im Fall der Gigue auch ein durchaus rasantes Tempo, wobei Koopman nie den Sinn für die Faktur und die vielen Details verlor. Mit einem frühen Werk von Mozart und einem späten von Haydn wurde dann ein großer Bogen über die Wiener Klassik gezogen. Der Fagottist Wouter Verschuren gehört dem Ensemble an, wie viele seiner Kollegen ist er aber auch Spezialist für sein Instrument und konzertiert solistisch.

Mozarts Fagottkonzert B-Dur, 1774 entstanden, mag man auf dem modernen Fagott kennen, das aber erst im 19. Jahrhundert seine heutige Bauart erhielt. Verschurens Interpretation auf dem Barockfagott war höchst spannend, weil man sich von vornherein auf eine herbere Klanglichkeit einstellen musste. Koopman und Verschuren boten eine mitreißend lebendige Darstellung, die in den schnellen Tempi und in den hochvirtuosen Kadenzen auch einiges sportliches Risiko in sich barg. Das machte Verschuren aber mit einer unglaublichen Versiertheit im klanglichen Bereich aller Register des Fagotts wett.

Haydns 103. Sinfonie Es-Dur ist der vorletzte Vertreter der "Londoner Sinfonien" - der Beiname "Mit dem Paukenwirbel" deutet wieder einmal auf die Gewitztheit der Kompositionen des Meisters hin. Diese Sinfonie beginnt mit einem Fermatentakt für die Solopauke, die pompöse Intrada bleibt aber Augenwischerei angesichts des folgenden nebulösen Adagios, das schon an das Gewürm in der "Schöpfung" gemahnt. In dieser Sinfonie ist das Orchester mit komplettem Holz, Hörnern und Trompeten voll besetzt und Koopman hatte keinerlei Mühe, die vielen Raffinessen hervorzulocken, die hier vor allem in stetig veränderter Instrumentation einfachster melodischer Grundlagen aufblitzen. Das "con spirito" des letzten Satzes nahm Koopman wörtlich - wenn ein Geist dieses Konzert durchwehte, dann war es vor allem die Beseeltheit einer gemeinsam und kompetent angegangenen frischen Musikalität, die Koopman mit seinem Ensemble überzeugend vermittelte.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Innerer Weltenbrand

Gustav Mahlers 9. Sinfonie im Kapell-Konzert mit Myung-Whun Chung

Viel ist über Gustav Mahler gesagt und geschrieben worden - vor allem 2011, als des Komponisten 100. Todestag gewürdigt wurde. Dabei musste "seine Zeit erst kommen", denn die Rezeption seiner Musik verlief keinesfalls geradlinig. Vielleicht sind wir heute imstande, aus der Distanz besser zu verstehen, welchen Visionen, Lebensentwürfen und Philosophien der Komponist in seiner Musik nachgespürt hat. Vielleicht ist Mahler aber auch - wie Axel Brüggemann im Programmheft zum 2. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle treffend formuliert - "einer von uns". Einer von uns - das schließt persönliche Stärken und Schwächen ebenso ein wie höchstes Glück und tiefste Trauer zu erfahren.

Können wir überhaupt den Schöpfer von seiner Musik trennen? Wo sollen wir hinhören angesichts der schonungslosen Existenzialität eines Werkes wie der 9. Sinfonie - bei der man sich ja kaum traut, die Bezeichnung "D-Dur" hinzuzufügen angesichts des Erlebnisses eines inneren Weltenbrandes, der sich jeglicher Kategorisierung verweigert. Das "Wozu?" formulierte bereits der Dirigent Bruno Walter als die quälende Grundfrage von Mahlers Seele - in seinen 10 Sinfonien, dem "Lied von der Erde" und den Liedkompositionen nimmt die Erörterung der Frage weitaus breiteren Raum ein als jeder Antwortversuch. In diesem Sinn konnte man Myung-Whun Chungs recht schonungslose Darstellung des Klingenden begreifen und gutheißen.

Chung hielt sich in bescheidener, fast demütig agierender Weise davon fern, zuviel deuten zu wollen. Mit der "Neunten" setzte der Erste Gastdirigent der Kapelle seinen Mahler-Zyklus fort, der sich über mehrere Spielzeiten spannen wird. Chung ließ auf eine interessante Art und Weise die Musik schlicht passieren, was zu einer schmucklosen Ehrlichkeit führte. Zwingend und überzeugend wirkte die Interpretation vor allem, wenn Chung mit knappen Signalen ganz aus innerer Ruhe heraus Übergänge formte oder den Instrumentengruppen Freiraum zur Entfaltung gab. Genau dieser Freiraum war es, der den aschfahlen Beginn der Sinfonie erzeugte, später dann vor allem im Holzbläsersatz zu schroffen und mit Mut ausmusizierten Klangfarben im 1. und 2. Satz führte. Unmissverständlich zeigte Chung, dass diese Sinfonie keinesfalls schöne Musik zur Erbauung und Ertüchtigung enthält - hier spricht das Leben selbst mit all seinen extremen Erfahrungen.

Chungs Darstellung überzeugte auch in der Verklammerung der beiden Mittelsätze, deren straffe Tempi - ohne jegliche wienerische Verzärtelung - dazu geeignet waren, eine Ahnung vom schicksalhaften "Weitermüssen" zu bekommen. Dabei begnügte sich die Kapelle nicht mit Details des Dreivierteltaktes - dieser bekommt bei Chung ohnehin eine bittere Endzeitdramatik. Nach dem ebenso unwirklichen Wirbel der Rondo-Burleske des 3. Satzes schlägt die Tür nach draußen zu. Es bleibt der große Abgesang des finalen Adagios, den die Staatskapelle mit großem Legato und fein austarierten abgedunkelten Klang ausformte. Chung gelang es, die dichten Steigerungen und den allmählich auskomponierten Zerfall dieser Sinfonie unter einen großen Spannungsbogen zu fassen, was in den letzten Takten zu einer seltenen Erfahrung von Stille im gesamten Opernrund führte - in der Summe zu einem großen Musikerlebnis.

Traum LXXII

Ich bin in einem großen Raum, in dem Massen von Chorsängern auf ihren Einsatz warten, freue mich aber diebisch und öffentlich darüber, dass ich nicht mitmachen muss, weil die meisten Chorsänger in unmöglich aussehende Uniformen (zumeist in grün-weiß) gesteckt wurden. Es geht auch nicht um ein Stück von mir, als das Spektakel beginnt, kommen zunächst Pferde in den Raum getrabt, am Boden spielende Kinder werden in letzter Minute gerettet. Mir wird das dann doch alles zuviel und ich verziehe mich in einen kleinen Nebenraum, aus dessen Oberlicht ich in den Park schauen kann. Von draußen werde ich von einer Frau beobachtet.

Freitag, 11. Oktober 2013

Traum LXXI

1) komplett leere, muffig riechende Räume in einer Jugendherberge mit offenstehenden Türen. Ich stehe am Fenster, gegenüber in einer Tür H.
2) ich trinke eine Art Schnaps aus vergorenem Obst. Es ist aber mehr eine Art Mus. Vielleicht Birnen. Den süßlich-fauligen Geruch kenne ich aus der hinteren Ecke des Gartens...

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#Bildung #Auftrag Siehe auch: (via kfm)
Kreidler - 16. Mai, 05:43
Diskussion über besseren Schutz für Mandatsträger: ECPMF und...
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