Samstag, 23. Januar 2016

Fünf musikalische Bilder

Orgel und Schlagzeug beim "Orgel-Winter" in der Diakonissenhauskirche

Die Diakonissenhauskirche in der Dresdner Neustadt bietet über das ganze Jahr hinweg vielfältige musikalische Veranstaltungen an. Im Januar, zur Zeit des Jahrestags der Orgelweihe, offeriert Kantor Jan Katzschke einen "Orgel-Winter" und rückt damit die 1973 geweihte, wohlklingende Schuke-Orgel ins Blickfeld. Zum Eröffnungskonzert am vergangenen Freitag konnten die Zuhörer die recht seltene Instrumentenkombination Orgel und Schlagzeug erleben, dazu fanden sich Steffen Walther, Organist der Kreuzkirche Chemnitz und Christian Langer, Schlagzeuger der Sächsischen Staatskapelle Dresden, im Duo zusammen.

Das aus fünf Teilen bestehende Programm hatte keine Zäsuren, so dass man die Kontraste zwischen Improvisation und ausnotierten Kompositionen, alter und neuer Musik intensiv wahrnehmen konnte. Neben zwei Werken für die Orgel allein sowie zwei rahmenden Duo-Improvisationen stand "Karakurenai" ("fremdes Purpur"), ein Werk des US-Amerikaners Andy Akiho im Mittelpunkt des Konzertes und sorgte mit immer wieder leicht veränderten Patterns auf der Steel Drum für einen exotischen Akzent - leider fiel es in der kunstvollen Umgebung der Nachbarwerke trotz der versierten Ausführung von Christian Langer schwer, sich auf diese wie am Reißbrett entworfene Klangtapete einzulassen.

Interessanterweise hatten Langer und Walther kein Originalwerk für die Duobesetzung ausgewählt, stattdessen sorgten die zwei Improvisationen dafür, dass man in Ruhe mit der spannenden Besetzung vertraut wurde: Klangflächen, sorgsam gesetzte Impulse und im gegenseitigen Zuhören organisch aufgebaute Steigerungen zeugten von Sensibilität für die Verschmelzung der beiden Instrumente, wobei Walther nur selten das Pleno der Orgel nutzen musste - die spannenden Momente lagen in leisen, suchenden Strukturen, wozu in der Orgel auch Solostimmen und Mixturen eingesetzt wurden. Schwierig erscheint es, einen Gesamteindruck des Konzertes widerzugeben, denn mit den beiden Orgelsolowerken taten sich weitere Welten auf: wer Johann Sebastian Bachs monumental-grandiose "Präludium und Fuge" e-Moll BWV 548 in einem Programm platziert, weiß um die Alleinstellung dieses großartig wirkenden und nachwirkenden Werkes.

Walther spielte es mit ordentlichem Zug im Tempo und schuf eine selbstbewusste, vor Kraft strotzende Interpretation, die aber dem Werk gemäß war. Dass Sigfrid Karg-Elerts stellenweise recht putzig komponierter "Valse mignonne" demgegenüber eher als leicht mundender Nachtisch im Ohr ankam, war verständlich. Zum Ende gab es im Duo nach einer großangelegten Steigerung in der Abschlussimprovisation versöhnliche Töne mit Marimba und Orgel - das Konzert stellte so fünf stark kontrastierende musikalische Bilder vor, auf die einzulassen sich aber in der Summe wertvoll erschien.
(17.1.2016)

Mozart-Menü mit Tischfeuerwerk

Sonderkonzert zu Rudolf Buchbinders 70. Geburtstag bei der Staatskapelle Dresden

Mit dem Feiern kann man nie früh genug anfangen. Vermutlich ist es den eng gestrickten Konzertkalendern geschuldet, dass der 70. Geburtstag von Rudolf Buchbinder kurzerhand vom Dezember auf den Januar vorverlegt wurde. Das Dresdner Publikum nahm das Geschenk eines Kapell-Sonderkonzertes mit dem Wiener Pianisten gerne an, erfreut sich Buchbinder doch hier einer großen Fangemeinde und musiziert seit Jahren in freundschaftlicher Partnerschaft mit der Sächsischen Staatskapelle. Für das Geburtstagsständchen - der Diminutiv wirkt angesichts des Programms seltsam unangebracht - braucht man indes keinen Pianisten anheuern, Buchbinder selbst beschenkte sich und seine Zuhörer mit Werken von Mozart und Weber und vollführte dies mit sichtlicher Freude, aber auch mit dem von ihm bekannten und vom Publikum geschätzten Anspruch.

So traf er bei den beiden ausgewählten Klavierkonzerten von Wolfgang Amadeus Mozart sehr überzeugend die Charakteristik der Werke - zunächst das in wunderbarer Weise auf ornamentlose, wesentliche Aussagen konzentrierte späte B-Dur-Konzert, KV 595. Vom Klavier aus leitete Buchbinder das gesamte Konzertprogramm und schonte mit drei Konzertwerken auch seine eigene Kraft nicht. Zu Beginn des B-Dur-Konzertes war in der Orchestereinleitung allerdings noch manches verquer, die Musiker befanden sich in puncto Homogenität und Intonation noch in einer Art Findungskommission. Hier wirkte der Vertrauensmotor, den Buchbinder mit sehr sparsamen Bewegungen vom Klavier aus beim Orchester in Gang setzte, noch etwas morgendlich unterkühlt. Doch ist das "concertare" eben ein wachsender Prozess gegenseitiger Inspiration, und mit den ersten Klaviereinsätzen breitete sich ein wunderbar entspanntes, schließlich ein auch vor allem im C-Dur-Konzert KV 467 beseelt zu nennendes Musizieren aus. Interessant waren einige interpretatorische Feinheiten: Wo sich andere Orchester und Solisten bei Mozart gern in Tempo oder Agogik in Sphären der Extreme begeben, besann sich Buchbinder auf Natürlichkeit, vielleicht gar auf eine ehrliche Naivität.

Das war eine sanfte und gleichzeitig kompetente Unterhaltung mit Mozart, die nur an seltenen Stellen die Gefahr des Lapidaren in sich barg - dieser Grat ist aber bei jedem Zuhörer anders ausgeprägt, und Buchbinder zwingt erst recht zum Hinhören, wenn er Mozarts raffiniertes Komponieren nicht auf dem Silbertablett präsentiert, sondern organisch in den Kontext des gesamten Werkes einbettet. Und wenn Mozart dann so genialisch auftrumpft, wie im über das Werk hinaus berühmten Andante des C-Dur-Konzertes, bleibt den Musikern nur, sich diesem Schwelgen hinzugeben. Wenn Mozart das sechs-Satz-Menü der Geburtstagsmatinee darstellte, so war das dazwischen platzierte Konzertstück f-Moll von Carl Maria von Weber das Tischfeuerwerk. Buchbinder versah Webers üppig verzierten, romantischen Klaviersatz mit ordentlichem Vorwärtsgang, arbeitete deutlich harmonische und rhythmische Finessen aus und leitete die Orchestermusiker zu differenziertem Folgen an.

Einhelliger, berechtigter Jubel breitete sich im Opernrund aus, nicht nur das gelungene Konzert, sondern vor allem den Künstler Rudolf Buchbinder und sein lebenslanges und weltweit ausstrahlendes pianistisches Wirken. Davon können sich auch Zuhörer in den Musikzentren Wien, München, Baden-Baden oder Berlin in den nächsten Tagen überzeugen, wenn die Staatskapelle mit Buchbinder auf Tournee geht.
(11.1.2016)

Traum CXVI

Ich bin in einem Kellerraum, der eine Mensa ist und gehe zu einem Tisch mit zwei Stühlen, nah am Fenster, das oben im Kellergewölbe eingelassen ist, man kann aber draußen nichts sehen. An einem weiteren Tisch sitzt M.B., alleine. Auf den beiden Stühlen liegen Obstkartons, in denen Müll angezündet wurde. Der Müll qualmt, ich mache das Fenster auf. Zu mir gesellen sich zwei junge Mädchen, vielleicht 14, 15 Jahre alt und fragen mich, auf welche Schule ich gegangen bin. Ich antworte, aber die Mädchen sagen, sie kennen die Schule nicht.

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Was rundes auf 2D ziehen
Mercator projection: a simple analogy pic.twitter.com/BoAQHKpicX —...
Kreidler - 21. Apr, 05:35
Passfarben
Was da wohl für eine Psychologie dahintersteckt. Colors...
Kreidler - 20. Apr, 05:34
Niedergang auf dem Buchrücken
The expressive design of the 1946 edition of Gibbon's...
Kreidler - 19. Apr, 05:34
Rhythmen aus alten Zeiten
Zürich HB Flap (at MuDA)2016(Sound on!) pic.twitter.com/wZWdRI6AaP —...
Kreidler - 18. Apr, 05:33
Origamitanz
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram...
Kreidler - 17. Apr, 05:04
Vom Glasstapel
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram...
Kreidler - 16. Apr, 05:04

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 6699 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren