Freitag, 3. April 2015

Mozart-Show und ernste Sinfonik

Sinfoniekonzert der Elblandphilharmonie Sachsen in Radebeul

Zu leisen gehaltenen Streichertönen wandelt ein Klarinettist durch den Zuschauersaal, improvisiert singend, tänzelnd, gar heulend auf seinem Instrument und schreitet zur Bühne. So beginnt Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert. Nein, natürlich nicht. Aber zumindest hätte dies denken können, wer nur flüchtig in das Programmheft des 5. Philharmonischen Konzertes der Elbland Philharmonie Sachsen geschaut hat. Wer den Klarinettisten Helmut Eisel zu einem Konzert einlädt, muss sich auf einen experimentellen Mozart-Zugang gefasst machen.

Eisel ist Klezmer-Musiker und spielt ansonsten solistisch und in verschiedenen Jazz- und Klezmerformationen. Das Mozart-Konzert hat er umfassend für seine Zwecke bearbeitet und eben auch mit diesem theatralischen Prolog ausgestattet - allerdings fragte man sich beim Hören mehrfach, welchen Sinn dies machen soll. Von Mozart blieb nicht mehr viel übrig: komponierte Form, Werkproportionen und klassische Klangsinnlichkeit waren nur mehr Begleiterscheinung. Originalpassagen verschliff und verzierte Eisel bis zur Unkenntlichkeit und anstelle des klassischen Finales wird eine Tanzpassage hinzugefügt - Crossover nennt sich das, und dem Publikum gefiel außerordentlich, was dann in einer Zugabe bis zur Show ausartete. Dirigent Jan Michael Horstmann folgte mit dem Orchester brav, leider waren die Streicher hier nicht auf dem höchsten Level ihres Könnens - die lässige Atmosphäre des Solisten übertrug sich halt von den ersten Takten an.

Dem Motto des Konzertes - Schweden - konnte man erst nach der Pause folgen und die Pause war nötig, um einen Weltenwechsel zu vollziehen. Ernst und geradezu existenziell emotional ging es mit Allan Petterssons 7. Sinfonie weiter, die überhaupt in Radebeul zum ersten Mal erklang. Pettersson wurde 1968 mit diesem Werk überhaupt erst einer breiten Öffentlichkeit bekannt, heute ist der schwedische Sinfoniker (1911-1980) immer noch selten in den Konzertsälen zu hören. Es gehört von Zuhörern wie Musikern viel Offenheit dazu, sich diesen kompromisslosen, ausdrucksstarken Stücken zu widmen. Dann aber öffnet sich - wie auch an diesem Abend durch eine intensive Darstellung geschehen - eine Welt voller katastrophischer Entwicklung, aber auch melancholischer Schönheit. Nach dem ersten, fast apokalyptisch sich zu mehreren Höhepunkten aufschwingenden Drittel der einsätzigen 7. Sinfonie beginnt ein großes Ausschwingen eines schlichten Gesangs, der unterbrochen von immer wieder anrollenden Wellen des Unbills erst in den letzten Takten zu ungestörter Ruhe findet.

Einige Abschnitte vor allem nach der vom Orchester dynamisch gut ausbalancierten, warm timbrierten Streicherpassage waren von Horstmann sehr ausgestaltend langsam genommen, doch hielt die Elbland Philharmonie stets die innere Spannung - mit aufmerksamen Streichern, die auch in schwindelnder Höhe gut phrasierten, einer toll artikulierenden, noch nicht immer ganz auf den Punkt gebrachten Bläsergruppe und exzellent agierenden Schlagzeugern, die im Stück einen wichtigen Part übernahmen. Am Ende hatte man das Gefühl, dass ein einziges Konzert für diese starke Begegnung doch zu wenig war: diese Klänge verlangen nach viel intensiver Beschäftigung. Man darf gespannt sein, ob das Orchester sich auch an eine der anderen faszinierenden, enorm fordernden Sinfonien des Schweden herantraut: die erste Tür wurde geöffnet.
(24.3.15)

Komponieren zur Freude

Porträtkonzert für Manfred Weiss zum 80. Geburtstag an der Musikhochschule

Es gibt nur wenige musikinteressierte Dresdner und noch weniger Dresdner Musiker, die den Komponisten Manfred Weiss nicht kennen - seinen Kompositions- und Theorieunterricht an der Dresdner Musikhochschule haben seit 1959 Generationen von Studenten genossen. Ohne Übertreibung darf man sagen, Manfred Weiss ist ein wichtiger Teil der Dresdner Musikgeschichte im 20. Jahrhundert, denn mit großbesetzen Werken wie auch mit Kammermusik ist Weiss über die Jahrzehnte bis zum heutigen Tag im Musikleben Dresdens präsent - das wissen vor allem die Chöre zu schätzen, denn in den letzten Jahren lag Weiss' Augenmerk verstärkt bei der Vokalmusik. Im Februar feierte Manfred Weiss seinen 80. Geburtstag - ein schöner Anlass also, dass das ihm so eng verbundene Institut, die Hochschule für Musik Dresden, dem Komponisten ein Porträtkonzert im Konzertsaal ausrichtete, bei welchem Weiss Publikum und Musiker gleich mit zwei Uraufführungen beschenkte. Die sorgfältig ausgearbeiteten Stücke, aber auch die ruhig vorgetragenen Worte im Gespräch mit Rektor Ekkehard Klemm - selbst ein Kompositionsschüler von Manfred Weiss - zeugen von einem in-sich-Ruhen in der Musik, das von vielfältigen Erfahrungen gespeist ist. Der 1935 in Niesky geborene Komponist berichtete von ersten Erfahrungen mit Instrumentalunterricht nach dem 2. Weltkrieg und gefundenen Partituren auf einem Dachboden, die er auf der Violine nachspielte. Der Entschluss, Komposition zu studieren, führte Manfred Weiss nach Halle (Prof. Hans Stieber) und Berlin, wo er Meisterschüler von Rudolf Wagner-Régeny wurde, um gleich im Anschluss daran die Dozentur in Dresden aufzunehmen. Später erhielt er ebenda eine Professur und war nach der Wende bis 1997 Prorektor der Hochschule. Prägend seien für ihn Begegnungen mit der Musik von Hindemith und Bartók gewesen, in späterer Zeit auch die polnische Avantgarde um Penderecki und Lutoslawski. Zwar waren die Komponisten zu DDR-Zeiten als Kulturschaffende in selbstverständlicherer Weise mit Aufträgen gesegnet als es heute der Fall ist, es war jedoch keine leichte Aufgabe, innerhalb der politischen Umstände die künstlerische Stimme ertönen zu lassen. Aufschlussreich war die Tonbandwiedergabe eines Ausschnittes aus dem Violinkonzert, uraufgeführt 1979 von Ralf-Carsten Brömsel und der Dresdner Philharmonie - wer vor allem die jüngeren Werke des Komponisten kannte, konnte anhand des Gespräches die avancierte Sprache dieses Stückes kennen und verstehen lernen. Manfred Weiss hat sich immer zu seinen großen musikalischen Vorbildern bekannt, Neues nur um des Neuen willen ist ihm fremd. Der bereits in den sechziger Jahren feststehende Entschluss einer aus christlicher Weltanschauung heraus entstehenden Musik und die fast im Nebensatz im Gespräch fallende Bemerkung "Musik zu schreiben, die mir Freude macht, die mich weiterbringt" beschreiben den Ethos, dem sich Weiss verpflichtet. Im zweiten Teil der Veranstaltung erklangen kammermusikalische Werke: Prof. Annette Unger spielte die Uraufführung einer Fantasie für Violine Solo, ein Stück mit melancholischen Schwerpunkten, das Nachdenken in Musik und über Musik zum Thema haben könnte. Nach "Vier kleinen Stücken" für Violine und Harfe und dem "Feierlichen Hymnus und Tanzlied" in der ungewöhnlichen Besetzung für Bassposaune, Harfe und Schlagzeug traten kleine, aphoristische Formen in den Duetten für 2 Violinen hervor. Dass Weiss nahezu für jedes Instrument nicht nur gut spielbare, sondern auch klangfarblich abwechslungsreiche Stücke erfindet, zeigte die Uraufführung des "Quintetto Spirito" für Blechbläserquintett. Hartmut Flath, Ludwig Kowollik, Sebastian Fischer, Jörg Withulz und Burkhard Swaboda brachten das neue Werk zu lebendigster Entfaltung. Vom Autor dieser Zeilen ergehen an Manfred Weiss herzliche Glückwünsche und ebenso neugierig, wie der fleißige Konzertbesucher Weiss die neuen Werke der Kollegen aufnimmt, sind wir auf die nächsten Kompositionen von ihm.

* Zum 80. Geburtstag von Manfred Weiss hat die Sächsische Landesbibliothek, die viele Autographen des Komponisten archiviert hat, eine Spezialseite geschaltet.

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