Donnerstag, 29. August 2013

Über das Schreiben

Wir schreiben. Neben unserer digitalen Umtriebigkeit besitzen wir die intensive Liebe zur Sprache. Davon gehe zumindest von denen aus, die in diesem Moment diesen Blogeintrag lesen. Diese Liebe ist nicht unbedingt die eines Linguisten (vielleicht aber auch ein wenig davon) oder eines Schriftstellers (...oder davon), sondern eher, Sprache bewusst (wirklich?) und lustvoll zu benutzen - Sprache als Ausdrucksmittel, als Farbpalette, als Kommunikationswerkzeug. Und Sprache als manchmal merkwürdige "Leitung" zwischen innen und nach außen. Oft genug liegen uns Dinge "auf der Zunge", fliegen die Finger auf den Tasten, reden und quatschen wir, was das Zeug hält. Und ich höre jetzt mit der ständigen Klammersetzung auf. Auch wenn das zum Thema gehört, denn so schleicht sich in die Sprache immer wieder die Metaebene des Hinterfragers oder Denkers ein...

Manchmal ist es ganz gut, innezuhalten und zu schauen - wohin leiten wir denn unsere Ideen, unsere Sätze, unsere Weltentwürfe, Gedanken, Langgedichte, Kurzmitteilungen, Inspirationen, Wiedergefundenes, Teilbares? Wohin bewegen wir den inneren Chronisten? Oder den Herzmenschen, der gerade platzt vor Emotionen und, Sprache benutzend, verstehen will? Oder den Forscher und Weltbeobachter, der staunend vor einer Blüte im Garten steht? Die Aufzählung könnte unendlich fortgesetzt werden.

Für einen Großteil der Menschen mag mein kleiner Beitrag überflüssig erscheinen. Um beim letzten Beispiel zu bleiben: Sie stehen vor der Blüte und erfreuen sich daran. Punkt. Der Anlass meines Artikels sind eher die Menschen, bei denen in dem Moment der Betrachtung aber Prozesse in Gang kommen, die Sprache und Kommunikation zwingend hervorrufen. Das kann ein Gefühl sein, eine Erinnerung, ein Erlebnis, ein poetischer Satz, der sich mit der Betrachtung verbindet. Visuelle Menschen schätzen den Blickwinkel der Sonne, die auf die Blüte fällt. An dem Punkt aber, in dem wir - fotografisch (das wäre ein weiteres, weites Feld...) oder sprachlich schon rotieren, wird es interessant.

Ich will nicht bei der Blüte bleiben, ansonsten würde mein Blogbeitrag zu prototypisch und damit ganz schnell unrealistisch, denn so viele Arten der Betrachtung der Blüten es geben mag, so viele Arten sich sprachlich zu äußern, gibt es auch heute. Halten wir fest: wir wollen uns äußern, wir tun dies heutzutage dank schneller Technik fast schon automatisch und wir nutzen sie selbstverständlich. Anhand meiner eigenen Äußerungen stelle ich aber auch oft fest, dass zum einen viele Kanäle existieren und diese aber auch ein Bild von mir selbst zeichnen - es gibt Phasen in meinem Leben, in denen diese "Leitungen" intensiv genutzt werden, und manchmal auch nur eine einzige, und die z.B. exzessiv. Dann wieder versiegt alles, weil sich das Leben verschiebt, die Sprache und die Kommunikation andere Türen sucht. [notabene: das Schweigen würde einen eigenen Artikel verlangen]

Gehen wir doch einmal den Kanälen nach, wo Sprache sich einen Weg bahnt. Was wir erleben, sehen, fühlen, erfahren landet zunächst einmal in unserem Kopf. Manches ist da gut abgelegt, da wird auch schon vorsortiert. Nein, die heiße Herdplatte fassen wir nicht noch einmal an, danke für die Erkenntnis. Das brauchen wir aber auch niemandem mitteilen. Viele Dinge aber müssen wieder raus aus dem Kopf, manche spontan, manches unsortiert (Einfall, Idee, Inspiration), manches halbüberlegt und schon ausformuliert, manches in langem Arbeitsweg immer wieder durchgestrichen, korrigiert und "verfertigt".

Ich liste einmal auf, was mir alles für Sprach-Leitungen einfallen und wie ich sie nutze, ohne Gewähr, was nun diese Liste für einen Nutzen bringen mag, außer dass es nunmal da steht.

- Zettel oder Papier - oder auch: der Untergrund von allem, auf das man fix einen Stift setzen kann
- Büchlein, das Notizbuch, die Kladde, Moleskines & Paperblanks
- Datei im Computer
- Blog, Facebookseite, Twitter
- Handy/Smartphone mit zig Varianten des Schreibens
(hab ich was vergessen?)

Was ich bei der Aufzählung wichtig finde, ist: der Absender bin immer ich. Ich teile mit, ich erzähle, fabuliere, skizziere, dichte. Und auch: ich "share", ich erzähle weiter, was ich verbreitenswert finde, wozu ich vielleicht auch Meinungen hören will. Unterschiedlich ist aber der Empfänger, für den ich mich jeweils festlege. Und da wird es spannend. Es fängt ja schon damit an, dass ich mich für das Schreiben entscheide, also ist der Gegenstand oder die Situation offenbar so beschaffen, dass ich gerade nicht reden kann, nicht einem Gegenüber nicht persönlich "artikulieren" kann und/oder will. Also ein "schreibendes Reden", das eine Form sucht. Das ist ganz wichtig bei der ganzen Betrachtung. Es gibt die Gedanken, die hinauswollen, aber eben nicht in den newsroom der ganzen Welt oder auf die xfach teilbare HahahaHastdudasschongesehenistdaslustig-Seite gehören.

Vermutlich gibt es zig Blogeinträge dieser Art, weil jeder schon einmal hinter die eigenen Kulissen geblickt hat. Warum mache ich das eigentlich? Die Antworten können unterschiedlicher nicht sein und dürfen von "Keine Ahnung" über "ist eben ein Hobby" bis hin zu Hausarbeitsähnlichen Arbeiten samt Statistiken reichen. Ich gebe zu, ich liege bei allem irgendwo dazwischen und verfahre chaotisch. In einem guten Sinne. Denn so unsortiert wie die Worte unser Hirn und Herz durchfliegen, so dürfen sie auch hinaus - bei mir zumindest. Andere mögen da weitreichendere Ordnungsprinzipien haben, aber letztlich ist die schönste Erkenntnis, dass wir bei der Benutzung von Sprache doch hoffentlich authentisch bei uns selbst sind. Wir strömen im Schreiben. Manchmal haben wir auch nichts zu sagen, oder die Sachlage beschränkt sich auf den Zettel: eine Telefonnummer, "1l Milch, Tomaten" und ein kryptischer Satz, den wir in unserer eigenen Schrift erkennen aber nach zwei Tagen nicht mehr zuordnen können - er ist raus. Er hat seinen Empfänger - in dem Fall den Zettel (wichtig: der erträgt einiges!)- gefunden.

Ein wenig kann ich anhand der Liste nun herausfinden, wann und warum ich welches Medium nutze, um mich zu artikulieren oder mitzuteilen. Oder auch, was ich erwarte oder eben nicht, wenn ich mich artikuliere. Es gibt Dinge, die schießt man ohne jeglichen Sinn in den Orbit. Sie haben ihre Berechtigung. Und oftmals ist das Wiederfinden des Geschriebenen ein ganz intensives Erlebnis - was manchmal im Dickicht der Dokumente, der berühmten "Zettelwirtschaft" gar nicht so einfach ist.

Ein riesiges Thema. Nur kurz angerissen. Weil wichtig.
Oder auch: t.b.c.

Lautstärke als Qualitätsmerkmal?

Gustav-Mahler-Jugendorchester gastierte in der Semperoper

Bevor sich der Vorhang in der Semperoper zum ersten Mal in der neuen Saison hebt, gestaltet der europäische Orchesternachwuchs das Präludium: seit 2008 füllt das Gustav-Mahler-Jugendorchester mit einem sinfonischen Programm den Raum. Seit dem vergangenen Jahr ist die Sächsische Staatskapelle Dresden, die selbst wie viele andere große Orchester in Europa ehemalige GMJO-Mitgliedern aufweist, Partner des Orchesters, das 1986 von Claudio Abbado gegründet wurde.

Mit ihrem Sommerprogramm tourten die jungen Musiker aus 21 Ländern im August in den großen Konzertsälen Europas - das Konzert in der Semperoper bildete den Abschluss des Projektes. Unter der Leitung des 38jährigen Schweizer Dirigenten Philippe Jordan konnten die Zuhörer ein abwechslungsreiches Programm erleben, bei dem wiederum Jubilar Richard Wagner zu seinen Ehren kam. Sicher war es für viele der jungen Musiker ein eindrückliches Erlebnis, einmal die Ouvertüre zur Oper "Rienzi" am Ort der Uraufführung aufführen zu dürfen. Das Gustav-Mahler-Jugendorchester wartete mit einer opulenten Streicherbesetzung von 74 Spielern auf, die hier auch gleich zum Zuge kam und Wagners Musik - von Jordan allerdings etwas steif buchstabierend aufgefasst - nahezu perfekt vorstellte. Schon hier störte allerdings das oberflächlich anmutende Getöse am Ende - Wagner verträgt auch an einem Ouvertürenschluss Differenzierung.

Nach diesem volltönenden Beginn leerte sich die Bühne: Maurice Ravels Klavierkonzert benötigt einen völlig anderen Klangcharakter, nur wenige Bläser und Streicher sorgen hier für den intimen und jazzig-augenzwinkernden Rahmen. Der französische Pianist Jean-Yves Thibaudet, der schon mehrfach in Dresden gastierte, agierte als kundiger Sachwalter dieser Musik, legte eine traumwandlerisch schöne Selbstverständlichkeit in den zweiten Satz und ordentlich Verve in die Ecksätze, vermied dabei aber jegliche Extravaganz. Sein Spielwitz und die deutliche Phrasierung übertrugen sich sofort ins Orchester, wo man messerscharfe Akzentuierung und viele mit "Stuhlkante" ausmusizierte Bläsersoli verfolgen konnte - lediglich das Englisch-Horn-Solo im 2. Satz hätte mehr Präsenz vertragen können, eine Sondererwähnung verdient das tolle Harfensolo aus dem 1. Satz. Eine seltene Variante der Zugabe erlebte man mit dem kleinen Stück aus "Ma mère l'oye" von Maurice Ravel, denn Dirigent Philippe Jordan setzte sich für diese vierhändige Überraschung zu Thibaudet ans Klavier.

Diese schöne Musikalität wurde im zweiten Teil des Konzertes leider nicht mehr erreicht. Dmitri Schostakowitschs 5. Sinfonie d-Moll Op. 47 wurde von Philippe Jordan als Schlacht- und Glanzstück für jugendliche Orchestermusiker vermutlich gründlich missverstanden. Zudem kam er mit dem Orchester kaum über einen Status der Ausstellung von Perfektion in der Ausführung hinaus, was aber für eine Interpretation eines so beziehungsreichen Stückes deutlich zu wenig ist. Damit trat das Stück - trotz gelungener, eingeübter Einzel- und Gruppenleistungen der Musiker - in fast allen Sätzen auf der Stelle, fehlte vor allem dynamische Mäßigung und ein Verständnis für spannungsreiche Übergänge.

Man wusste nie recht, wo Jordan mit dem Stück überhaupt hinwill. Stattdessen erschrak man vor nähmaschinenartig ausgeführten Tremoli im 3. Satz und einem nur brutal zu nennenden Finale, dessen D-Dur-Ende Jordan schon in den ersten Takten viel zu starr und zu langsam auffasste. Wenn sich dann selbst im Rang mehrere Zuhörer die Ohren zuhalten, muss sich das Orchester fragen lassen, welche Art von Kunst hier vermittelt werden soll und ob die Qualitäten von Musik nicht doch woanders liegen als im Austesten eines Phonpegels, der sich jenseits der Schmerzgrenze befindet.

Traum LXV

Mit KV unterwegs. Tablettenschlucken. Staunen. Unsägliches. Im Schlichten das Glück finden. Kraftvolles Aufwachen. Fortwährend irritiert [was Nächte anrichten können.]

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