Dienstag, 13. August 2013

Echo Klassik 2013 - Preisträger stehen fest

Ich sag es gleich vorneweg: am meisten gefällt mir am Echo Klassik in diesem Jahr, dass man auf der Website neuerdings richtig Krach machen kann (wenngleich selbst die Tastatur Fehler aufweist...und zu gerne würde ich Joyce diDonato mit "ihrem" Ton hören...). Leider landet die Kakophonie dann bei einem selbst im Zimmer, dabei müßte doch eigentlich in den Büros von Echo Klassik jedes Mal, wenn einer auf die Tasten haut.... Na, lassen wir das. Ich will ja hier brav über die Preise berichten, wie ich es hier schon einige Male getan habe.

Die Tirade der Überflüssigkeit und Angreifbarkeit könnte ich mir aufgrund von Wiederholung vielleicht sparen, aber da ich, wie mancher weiß, mir ausgerechnet in diesem Branchensegment auch ein paar Brötchen verdiene und Musik mir am Herzen liegt, gibt es doch wieder auf den Kopf, und zwar mit einem kleinen Vergleich. Als ich einmal einen Musikwissenschaftler danach befragte, warum denn doch Mozart und Haydn bekannter seien als Hasse, Heinichen und Naumann, da müsse doch etwas an der Rezeption oder Qualität der Werke liegen, fiel sofort das Wort "Heroendenken". Eigentlich müßte im Büro der Phonoakademie schon ein Stempel mit dem Wort geprägt sein, vielleicht wird der Preis auch 2014 endgültig umbenannt in "Cecila-Bartoli-et-alii-Echo" - Keine Kritik an Frau Bartolis Gesang, der ist wirklich umwerfend! Aber braucht sie denn ein Abo auf diesen Preis? Wir wissen es doch nun wirklich langsam, dass die Dame nicht nur sympathisch ist, sondern auch die gruseligsten Koloraturen vor allem der Meister ihres Heimatlandes beherrscht. Dass der bekannteste (weniger "der wichtigste") Tonträgerpreis sich weiterhin im Mainstream suhlt, wird wohl auch in fünfzig Jahren noch so sein. Dann aber erhält er seine volle Berechtigung, weil die kleinen feinen Plattenlabels, die hier gar nicht auftauchen samt ihren kostbaren Aufnahmen, dann auch tot sind. Dass der Echo auch am "Neuland" vorbeirauscht und damit auch gute wie schlechte Entwicklungen ignoriert, passt ebenfalls in die "Dashatdochimmergutgeklappt"-Schiene. Schließlich und endlich geht es um Umsatz. Was erwarte ich also eigentlich?

Nicht alle Alben sind mir bislang zu Gehör gekommen, daher fallen die Kommentare zu einigen Platten kurz aus oder ich enthalte mich eines Urteils. Wo ich doch einmal was sage, darf man mir gerne widersprechen - über Geschmack und Vorlieben läßt sich bekanntlich streiten. Wer wissen will, wer überhaupt die Preise festgelegt hat, kann sich hier die Jury anschauen - die Beschreibung "unabhängiger Branchenexperte" in Verbindung mit "Musikindustrie" darf man sich gerne auf der Zunge zergehen lassen.

Dass Bartoli wiederum einen Echo (den wievielten eigentlich?) bekommt, sei es drum - charmant wird sie dem Pott einen Platz in ihrer nun langsam berstenden Vitrine zuweisen. Jonas Kaufmann musste ihn dieses Jahr bekommen, er erhielt 2012 schon einen Echo für den "Fidelio" (gemeinsam mit Abbado) - aber das Wagner-Jahr war natürlich sein Jahr. Wer ihn erlebt hat, weiß warum - da ist niemand neben ihm derzeit. Die Auszeichnung Instrumentalist des Jahres (Klavier) erhält Martha Argerich auch völlig zu Recht. Eine Künstlerin, die sich rar macht, aber deren außergewöhnliches Spiel dank der aktuellen Aufnahmen bei ihrem Festival in Lugano weiterhin verfolgt werden kann - das ist und bleibt höchst spannend.

MDG ist diesmal mit fünf Auszeichnungen vertreten, darunter eine für Reinhold Friedrich (Trompete). Eine mir nicht bekannte Tuba-CD erhält weiterhin einen Preis. Ein wenig Exotismus ist schon dabei, wenn es nicht um Gesang, Klavier, Violine geht - nehmen wir dieses Jahr die Tuba oder doch die Harfe...? -- Schön, dass Kavakos Beethoven-Sichtung ebenso einen Preis erhält wie Esa-Pekka Salonens Würdigung des sinfonischen Werks von Witold Lutoslawski. John Adams hingegen wird ohnehin schon in den USA mit Preisen überhäuft, zudem wird hier eine CD mit recht geläufigen älteren Stücken prämiert - vermutlich haben die Juroren Adams zum ersten Mal wahrgenommen und fröhlich mit dem Fuß gewippt... -- Da man Anna Prohaska nicht noch einmal als Nachwuchskünstlerin auszeichnen kann, entschloss man sich für Julia Lezhneva, eine CD allerdings, die mir merkwürdig am Ohr vorbeigerauscht ist.

Sehr schön finde ich die Auszeichnung für Alexandre Tharaud. "Swinging Paris" war eine meiner absoluten Lieblings-CDs dieses Jahr, nicht nur wegen des Ohrwurms "Henri, pourquoi n'aimes tu pas les femmes?" - Mahlers 9. Sinfonie mit Bernard Haitink habe ich bisher nicht gehört, war aber auch nie wirklich ein Fan dieses Dirigenten. Ich lasse mich gerne überzeugen. Nicht überzeugen konnte mich der "Sacre" mit Simon Rattle - eine Prestigeauszeichnung? Auch Vilde Frang ist zwar eine interessante Nachwuchskünstlerin, die Platte mit Nielsen und Tschaikowsky ließ mich aber seltsam kalt. Anders Kristian Bezuidenhout - der bricht eine Lanze für das Hammerklavier und kann derartig singen und erzählen auf dem Instrument, dass man sich fragt, warum es soviele Mozarteinspielungen auf normalen Klavieren gibt. Oh ja, und Patricia Kopachintskaya - eine Frau, die mit der Geige arbeitet, die mühelos Grenzen überspringt und trotzdem so eindringlich interpretiert, als ginge es jedes Mal ums Leben. Gute Entscheidung!

Die Gesualdo-Einspielung des Vocalconsorts Berlin kenne ich noch nicht, werde ich mir aber umgehend zu Gemüte führen. Der "Artaserse" von Vinci ist wohl etwas für Spezialisten und verdient sicher auch seinen Preis. Ich musste etwa beim fünften Track abschalten, schlicht weil mir die Counterei in der Massierung völlig auf den Geist ging (Banause, ich.). Gergievs Wagner-Einspielung mag ich nicht kommentieren, wundere mich aber, warum an dieser Stelle der Name Marek Janowski nicht auftaucht, die Pentatone-Aufnahmen des konzertanten Berliner Zyklus sind (fast) durchweg hervorragend. Ax, Lugansky, Garanca, Villazón - nun ja, das sind alles Aufnahmen, die mich nicht vom Hocker gerissen haben. Britten ist zweimal vertreten, mit "Rape of Lucretia" (Bostridge) und dem grandiosen Mark Padmore in der Serenade für Horn/Tenor.

Kaum verstehen kann ich die Auszeichnung für Gabetta und Grimaud, die "Duo"-Platte, die "eben mal schnell" aufgenommen wurde, sie klingt leider auch so nichtssagend. Das Belcea-Quartett muss ich noch entdecken, wie überhaupt ich wenige der Kammermusikeinspielungen kenne. Schön, dass Steffen Schleiermacher dabei ist und Morton Feldman auf diese Weise auch eine Würdigung erhält. Nachdem mich neulich auch eine Radioaufzeichnung des "Requiem" des in letzter Zeit wiederentdeckten Komponisten Walter Braunfels schier umgerissen hat, werde ich mir auch die CD von David Geringas mit Braunfels Streichquintett sicher bald anhören.

Zuletzt die DVDs: Asche auf mein Haupt, ich habe den Cage-Film bisher ebensowenig gesehen wie "Klassik und Kalter Krieg". Daher kann ich nicht beurteilen, ob die Filme preiswürdig sind. Der Levine-Luisi-Ring der MET ist dann wohl noch einmal die Ehrerbietung an den Jubilar 2013.

Ich bitte um Verständnis, dass ich keine amazon-Links mehr setze, alle Platten findet man natürlich beim Laden Ihres Vertrauens.
Außerdem ergänze ich den Beitrag noch in den nächsten Tagen um einige Presseartikel. Vielleicht gibt es sogar einen kleinen Live-Blog zur Fernsehsendung im Oktober, die immer einen besonderen Charme hat... ;)

...

"Os amantes de hoje preferem a droga mais leve, o tabaco mais light ou o café descafeinado. Já ninguém quer ficar pedrado de amor ou sofrer de uma overdose de paixão. As emoções fortes são fracas e as próprias fraquezas revelam-se mais fortes. Os amantes, esses, são igualmente namorados da monotonia e amigos íntimos da disciplina. O que está fora de controlo causa-lhes confusão, e afecta-lhes uma certa zona do cérebro, mas quase nunca lhes toca o coração. O amor devia ser sonhado e devia fazê-los voar; em vez disso é planeado, e quanto muito, fá-los pensar. "

(kompletter Text: http://alterneactivo.blogs.sapo.pt/466.html / Rogerio Fernandes)

[pardon für's Portugiesische, ich schaffe es leider nicht, den Text sauber und dennoch so kraftvoll selbst zu übersetzen. Und die Maschinchen im Internet erwähne ich gar nicht erst. Wer sich dran versuchen will - ich freue mich drüber.]

Farben, Lichter, Schatten, Tänze

Håkan Hardenberger gastierte in der Frauenkirche

Der schwedische Trompeter Håkan Hardenberger scheint sich in Dresden wohl zu fühlen - bereits zum dritten Mal gastierte er im Frauenkirchen-Konzert und war ebenso schon Gast der Staatskapelle und der Philharmonie. Die Bravo-Rufe am Ende des Konzertes am Sonnabend lassen vermuten, dass sich in Dresden längst eine Fangemeinde gebildet hat. Die Zustimmung des Publikums, zollte sie der höchsten Kunst Respekt, die Hardenberger seit 30 Jahren auf seinem Instrument zeigt. Zudem freute man sich über ein abwechslungsreiches Programm, das einen Bogen von Johann Sebastian Bach zur Moderne schlug. Der Brite Jonathan Scott war Hardenbergers Partner an der Orgel - die Stücke waren so ausgewählt, dass man das ganze Ausdrucksspektrum beider Instrumente bewundern konnte.

Der barocke Teil des Konzertes gelang allerdings nicht so souverän wie der folgende mit Werken des 20. Jahrhunderts. Gleich zu Beginn bewältigte Hardenberger einen exorbitanten Solopart in der Bearbeitung des Cembalokonzertes A-Dur BWV 1055 - welches ohnehin schon eine Parodie eines Oboe d'Amore-Konzertes des Meisters ist. Ob Bach in einem Originalwerk Mut zu einem solchen Trompetenpart gehabt hätte? Die Interpretation fiel nicht ganz befriedigend aus, vor allem irritierte die etwas atemlose Vorwärtsbewegung der Ecksätze durch Scott an der Orgel. Das folgende Solowerk, Präludium und Fuge a-Moll BWV 543, wirkte ebenso hektisch und wies einige agogische Mängel auf. Die Aufregung, die Scott Bach zuteil werden ließ, konnte kein transparentes, auf metrischem Puls basierendes Spiel ermöglichen.

Mit einem kurzen, zur Beruhigung beitragenden Choralvorspiel leiteten Hardenberger und Scott in zeitgenössische Gefilde über. In Werken der französischen Komponisten Henri Sauguet ("Non morietur in aeternum") und Thierry Escaich ("Tanz-Fantasie") zeigte Hardenberger ein sehr ausdifferenziertes Spiel. Sanft ausgeführte Motive wirkten wie ein stilles Singen; man glaubt sofort, wenn Hardenberger einmal bemerkte, seine Trompete sei "wie ein Körperteil". Nur zu bewundern ist seine völlig selbstverständlich und leicht anmutende Virtuosität quer durch alle Lagen. Ein und derselbe Ton kann bei ihm von schneidend heller Strahlkraft bis hin zu sanftester Ansprache zigfache Nuancen aufweisen. Die aus tiefsten Lagen sich nach und nach entwickelnden Arabesken in Escaichs Komposition waren immer federleicht, vom Boden seltsam abgehoben.

Am Ende des Konzertes stand ein großes zyklisches Werk, das mit hohem Anspruch beide Instrumente in einen permanenten, spannenden Dialog führt. "Okna" ("Fenster") des tschechischen Komponisten Petr Eben nähert sich in Tönen vier von Marc Chagall gestalteten Synagogenfenstern. Fast greifbar wurde hier das Spiel mit Licht und Schatten und die geistlichen Szenarien der Fenster erschienen lebendig. Jonathan Scott und Håkan Hardenberger waren in dieser Musik ideale Partner und inspirierten sich gegenseitig. Bei der Zugabe schließlich durfte man sich nur noch im Klang baden: Astor Piazzolla, herausragend und innig gespielt.

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Was rundes auf 2D ziehen
Mercator projection: a simple analogy pic.twitter.com/BoAQHKpicX —...
Kreidler - 21. Apr, 05:35
Passfarben
Was da wohl für eine Psychologie dahintersteckt. Colors...
Kreidler - 20. Apr, 05:34
Niedergang auf dem Buchrücken
The expressive design of the 1946 edition of Gibbon's...
Kreidler - 19. Apr, 05:34
Rhythmen aus alten Zeiten
Zürich HB Flap (at MuDA)2016(Sound on!) pic.twitter.com/wZWdRI6AaP —...
Kreidler - 18. Apr, 05:33
Origamitanz
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram...
Kreidler - 17. Apr, 05:04
Vom Glasstapel
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram...
Kreidler - 16. Apr, 05:04

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 6697 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren