Dienstag, 11. Juni 2013

Bruckner ist nicht gleich Bruckner

8. Sinfonie mit der Dresdner Philharmonie unter Ingo Metzmacher

Unter den Sinfonien von Anton Bruckner ragt die 8. Sinfonie c-Moll von Anton Bruckner als spätes Meisterwerk heraus. Es ist seine letzte vollendete Sinfonie, gigantisch in den Dimensionen und in der musikalischen Kraft, die sich in großen Wellen entfaltet. Durch die Aufführungen von Christian Thielemann ist das Werk in Dresden präsent - die Dresdner Philharmonie widmete sich am Sonnabend dem Stück in einem Konzert in der Frauenkirche - zuletzt hatte Marek Janowski die Sinfonie 2004 aufgeführt.

Doch Bruckner ist nicht gleich Bruckner, mehr noch: vielen Zuhörern dürfte diese Sinfonie vor den Ohren neu entstanden sein, denn gespielt wurde nun die erste Fassung von 1887, die überhaupt erst 1972 im Druck erschienen ist. Dass der Komponist aufgrund der Kritiken und Rückmeldungen von Verlegern und Dirigenten immer wieder an seinen Sinfonien Stift und Radiergummi ansetzte, führt heute zu einer spannenden Rezeption, bei der letzte Antworten einer "gültigen" Fassung ohnehin unbeantwortet bleiben müssen. Die oft runder, aber auch glatter wirkenden Zweit- und Drittfassungen der Sinfonien überwiegen jedoch im Repertoire.

Gastdirigent Ingo Metzmacher, äußerst erfahren im Umgang mit der Musik der Gegenwart, wagte mit den Philharmonikern die Innenschau auf diesen ungeschliffenen Rohdiamanten. Dem ersten Satz verlieh Metzmacher einen langsamen Grundpuls, der einen in aller Ruhe fortschreitenden, gespannten Nachvollzug der Klangereignisse ermöglichte. So kamen die ungewöhnlichen harmonischen Fortschreitungen der Durchführung, die in einem großen Skalenanstieg in die Reprise münden, gut zur Geltung. Das schnelle Tempo des Scherzos gestaltete Metzmacher straff, fast unerbittlich. Seinen Intentionen folgten die Philharmoniker sehr aufmerksam, gefährlich wurde es höchstens in manchen ostinaten Passagen, die Metzmacher dann souverän im Tempo hielt.

Interessant war auch die Klangwirkung, die das Orchester in seiner Aufstellung mit hinter den Posaunen postierten Kontrabässen und rechts und links "stereo" postierten Hörnern und Tuben entfaltete. Bis zum Ende des 2. Satzes war in der Dynamik eine gute Transparenz vorhanden, entfalteten sich immer wieder leise, schöne Linien, setzte man auf homogenes Spiel.

Das große Adagio und der Finalsatz jedoch wurden von Metzmacher kaum noch dynamisch betreut, zwar führte der Dirigent klar durch die Tempi, hätte jedoch flexibler auf die ihm entgegenströmenden Klangmassen reagieren müssen. Ein indifferentes Spiel war die Folge, in welchem Steigerungen weit vor dem eigentlichen Höhepunkt schon zu laut erschienen. Im Tutti selbst fehlte dann die notwendige spontane Kontrolle und Lautstärkeabrundung - die Maßüberschreitung in der Phonstärke war nicht mehr durch die Interpretation gerechtfertigt. Das wirkte sich auch auf leisere Stellen negativ aus - die Grundspielhaltung war plötzlich sehr viel präsenter, aber dadurch auch inhomogener; ein geheimnisvolles Piano wie noch im 1. Satz stellte sich nun nicht mehr ein.

Doch gelangen Metzmacher auch hier einige spannend musizierte "Fenster" der Partitur, wie etwa die Einbeziehung der drei Harfen in die Themenentwicklung oder die letzten Zurücknahmen vor den alles übertönenden Finaltakten. Für diesen "neuen" Bruckner erntete die Dresdner Philharmonie vom Publikum starken Applaus und viele Bravo-Rufe.

Bis auf den Grund

Doric String Quartet musizierte im Palais

Die musikalische Landschaft im Bereich des Streichquartetts ist vielfältig und wird vor allem von jungen Ensembles bestimmt. Kammermusik wird schon an den Hochschulen und Colleges gepflegt, dort finden sich auch oft die Ensembles zur Gründung zusammen. Beständig ist aber nur, wer die Qualität über Jahre halten und steigern kann, sich auch im Repertoire spezialisiert und möglichst die Besetzung beibehält.

Hierzulande noch eher ein Geheimtipp, hat das britische Doric String Quartet in den letzten Jahren vor allem durch CD-Aufnahmen von sich reden gemacht und gastiert bei allen großen Festivals. Im Palais im Großen Garten zu den Musikfestspielen scherzten die Mitglieder, man würde nur bei gutem Wetter spielen - schließlich stand eines der "Sonnenquartette" von Joseph Haydn auf dem Programm. Zumindest für den Freitagabend hatte der Wettergott auch ein Einsehen und das Publikum kam in den Genuss eines bewegenden Kammermusikabends.

Eben der Vater des Streichquartetts, Joseph Haydn, ist es, dessen Musik immer noch oft unterschätzt wird - das Quartett zeigte mit der Interpretation des Quartettes Es-Dur Opus 20/1 sofort seine Visitenkarte und gleichzeitig seinen Lieblingskomponisten. Haydn wurde ernst genommen und in jeder Faser ausgestaltet, sei es in den stets weich musizierten Ecksätzen oder im meditativ-choralartigen langsamen Satz. Das "Affettuoso" nahmen die vier Musiker ebenfalls wörtlich und es manifestierte sich in reichem Klangfarbenspiel - man staunte, wieviel Flexibilität das Quartett etwa dem Vibratoklang oder in der Bogenführung widmete.

Mit einer kurzen Anmoderation, die Bildkraft des folgenden Werks beschwörend, nahm das Doric String Quartet die Zuhörer mit auf die Reise in "Eclipse" des australischen Komponisten Brett Dean, der in Dresden vor allem durch das Engagement der Philharmonie nicht ganz unbekannt ist. Das dreiteilige Werk - kompositorisch mit Licht und Schatten nicht weniger als das "menschliche Drama" auslotend - lebte von gespanntem emotionalen Ausdruck, der sich bereits in den leisen Passagen zu Beginn zu innerem Brodeln aufschwang; der folgende wild wütende Mittelteil ließ den Atem stocken. Auch in diesem zeitgenössischen Werk war die Sorgfalt des Quartettspiels stetig spürbar, und so konnten die dramatischen Bilderwelten direkt das Publikum erreichen, das sich begeistert zeigte.

Zum Abschluss spielten die vier Briten eines der letzten Streichquartette von Antonín Dvořák, das 13. in G-Dur. Es ist fast eine "10. Sinfonie" in Miniaturform, so vielfältig sind die Ideen, so sinfonisch mutet die anzulegende Klanglandschaft an. Hier müßte man nun sehr ins Detail gehen, um die spezielle Ästhetik, die das Doric String Quartet dem Werk beigab, zu analysieren - nicht immer traf der doch die Aufführung bestimmende affektierte Grundduktus genau den Geist der Dvořákschen Linien, hätte man sich manches Mal einen wenig intellektuelleren Zugang gewünscht. Die vier Musiker leuchteten das Stück jedoch bis auf den Grund aus, schwelgten ebenso in den Kontrasten und wussten harmonische und satztechnische Raffinessen herauszustellen. In dieser stets gehaltenen Hochspannung verflog die Zeit - mit großem Applaus bedankten sich die Zuhörer beim Doric String Quartet, die mit einem fugierten Satz von Joseph Haydn als Zugabe noch eine weitere, diesmal barocke Klangfarbe hinzufügten.
(1.6.2013)


CD-Tipp:
Ernest Chausson: Streichquartett Opus 35 / Konzert Opus 21, Doric String Quartett, erschienen bei Chandos 2013

Traum LII

Teil I: wieder weg.
Teil II: ich soll eine Uraufführung eines Stückes (wessen?) singen, komme zur Probe und höre im Nebenraum schon meinen Kompositionslehrer das Stück üben. Mehrfache Koloraturen zum b1, einmal eine Girlande bis fes2. Ich bin gelassen.

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