Donnerstag, 16. August 2012

Sympathischer musikalischer Wettstreit

Lange Nacht der Kammermusik in Moritzburg mit den Akademisten des Festivals

Dafür, dass ein sommerliches Festival das Prädikat "wertvoll" erhalten kann, bedarf es vieler Komponenten, die vor allem Herz und Authentizität erfordern. Seit nunmehr sieben Jahren bestreiten junge Stipendiaten einen Teil des Moritzburg-Festivals, arbeiten mit den Profis, gestalten eine Tournee und das Eröffnungskonzert und eben auch die "Lange Nacht der Kammermusik", die fester Bestandteil des Festivals ist. Hier stellen die Stipendiaten - in diesem Jahr sind es 36 Instrumentalisten aus aller Welt - wobei ein starker amerikanischer "Block" auszumachen ist - Kammermusik vor, die sie während der ersten Festivalwoche gemeinsam in kleinen Formationen erarbeitet haben.

Der Abend dauert über drei Stunden, Sitzkissen und Leidenschaft für diese Art Musik sollten also ebenso mitgebracht werden wie die Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln, denn der berühmte "letzte Bus" läßt sich mit diesem Konzert nicht vereinbaren. Zumindest dies wäre ein Punkt, der sich künftig verbessern ließe, ansonsten hatten alle viel Spaß an der Darbietung, die dank des vom Förderverein des Moritzburg Festivals ausgelobten Akademiepreises auch interaktiv gestaltet war - die Preisträger bestimmte das Publikum per Stimmzettel. Damit war auch ordentlich Motivation für die jungen Musiker gegeben.

Der Reigen der Kammermusik spann sich durch vier Jahrhunderte und die Akademisten begnügten sich nicht mit Preziosen: der Anspruch war durchweg hoch. Natürlich waren die Charaktere unterschiedlich (das ist bei den Profis nicht anders) und nicht jedes Werk wurde bis zur Perfektion durchdrungen. Doch der kammermusikalische Geist wehte durch alle Darbietungen, das begann mit der munter theatralisch umgesetzten Sonata XII von Heinrich Ignaz Franz Biber, setzte sich fort in eher unterhaltenden Ensemblestücken von Jean Francaix (Oktett) und Gordon Jacob ("Old Wine in new Bottles") und steigerte sich zu tollen Leistungen in Stücken, bei denen auch große Musiker ein gutes Stück Arbeit vorfinden, etwa in Robert Schumanns 2. Streichquartett.

Der Publikumspreis ging schließlich an eine Interpretation zweier Sätze aus Dmitri Schostakowitschs Klaviertrio Nr. 2 - der Komponist scheint mittlerweile eine sichere Bank für das Siegertreppchen zu sein. John Garner (Violine), Samuel Justitz (Cello) und Ho Jeong Lee stürzten sich mutig und kundig in das hochdramatische Werk und wurden dafür belohnt. Besondere Erwähnung verdienen hier zwei zeitgenössische Interpretationen: Emilie-Anne Neeland, Katherine Williamson, Irina Kalinowska und Samuel Justitz formten eine eindrucksvolle, klanglich intensive Darstellung des 2. Streichquartettes von Sofia Gubaidulina, das auf diese Weise überraschenderweise dem tags zuvor aufgeführten dritten folgte.

Eine Entdeckung war auch das "Kleine Konzert für Streichquartett und Schlagzeug" von Karl Amadeus Hartmann, von Amy Hillis, Christine Li, Alfonso Noriega, Riana Anthony und David Cariano Timme rhythmisch prägnant und mitreißend interpretiert. Großen Applaus gab es jedoch am Ende für alle Mitwirkenden - der sympathische, nicht allzu ernste Wettstreit des Moritzburg-Nachwuchses war wieder einmal ein musikalisch sehr befriedigendes Erlebnis.

Fliegende Blätter und beseelte Musik

Erstes Kammermusikkonzert beim Moritzburg Festival

Eröffnet wurde das diesjährige Moritzburg-Festival am Sonntag mit einem Orchesterkonzert in der Gläsernen Manufaktur. Doch die wahre Eröffnung ist das erste "richtige" Kammermusikkonzert in der evangelischen Kirche Moritzburg, wenn nämlich die hinter und vor den Kulissen - wie tags zuvor schon vor Publikum geschehen - eifrig probenden Solisten das erste Mal gemeinsam konzertieren. Tradition ist auch das kurze Porträtkonzert als "Hors d'oeuvre". Doch diese Solovorstellung wird von den Musikern sehr ernst genommen, ist es doch die Gelegenheit, das eigene Instrument losgelöst von der Kammermusik vorzustellen.

Glücklich darf sich das Publikum schätzen, dass die Pianistin Lise de la Salle nach ihrem Auftritt 2010 erneut in Moritzburg weilt - neben ihrem Auftritt im Galakonzert am 10. August gestaltete sie das erste Porträt. Man fragte sich allerdings, warum die Kirche nur locker gefüllt war - gilt doch die 24jährige Französin als großes, längst in aller Welt gefeiertes Talent ihrer Generation.

Für ihr kleines Recital in Moritzburg suchte sie sich die 4. Ballade von Frédéric Chopin und einige Préludes von Claude Debussy aus. Die Ballade formte sie als aussagestarke Erzählung mit intensivem, nachdenklichem Beginn; später kostete sie die aus dem Thema erwachsenen Kontraste gut aus. Temperamentvoll und gleichzeitig mit großer Sensibilität zeichnete sie die Préludes (darunter "Des Pas sur la Neige" und "Feu d'Artifice") in all ihrer schillernden Farbigkeit - davon hätte man gerne mehr gehört.

Doch es stand ein Kammermusikkonzert besonderer Güte an, zwei Streichquintette umrahmten das 3. Streichquintett (1987) von Sofia Gubaidulina - die russische Komponistin ist (neben Jörg Widmann und Olli Mustonen) eine von gleich drei zeitgenössischen Komponisten, die das Moritzburg Festival in diesem Jahr vorstellt. In Moritzburg muss man sich auch für aktuelle Musik nicht mehr entschuldigen - es ist ein selbstverständliches, ernsthaftes Anliegen. Die fulminante Interpretation der starken, nach einer immer mehr dramatischen Pizzicato-Passage in ein großes Adagio mündenden Gubaidulina-Quartettes von Baba Skride, Gergana Gergova, Ulrich Eichenauer und Jan Vogler spricht für sich, daran änderte auch eine zersprungene Saite des Bratschers nichts.

Zuvor musizierten Gergova, Skride und Eichenauer mit David Aaron Carpenter und Alban Gerhardt das Streichquintett Es-Dur KV 614 von Wolfgang Amadeus Mozart, ein gewitztes Spätwerk, das kaum einmal nachdenkliche Töne anschlägt und von rhythmisch prägnanter Motivik bestimmt ist, die sich unter Führung von Gergana Gergova (Violine) nahtlos auf das Ensemble übertrug. Ein fliegendes Notenblatt von Baiba Skride sorgte hier für den sympathischen Beweis des Live-Erlebnisses und Mozart dürfte die beiden dadurch entstandenen Fermaten aus dem Himmel sicher goutiert haben.

Im abschließenden Streichquintett Es-Dur von Antonín Dvořák gesellte sich nun Mira Wang als Primarius hinzu und dieses "amerikanische" Werk des Tschechen wurde in all seiner unverfangenen Kantabilität - mit einem farbigen Variationensatz als Mittelpunkt - durchaus "saftig" wiedergegeben und erhielt den stärksten Applaus des Publikums, das sich für diesen abwechslungsreichen Auftakt des Festivals dankbar zeigte.

Traum XLIV

Schräg gegenüber meines Hauses steht ein 10jähriger Junge und schreit um Hilfe. Mutter und Oma kommen angerannt zu mir und erzählen von einem Mann im Haus, der die Tante erstochen haben soll. Diese Erzählungen ziehen sich aber so endlos hin, dass ich nicht bemerke, dass der Mann schon den Raum betreten hat. Er kommt auf mich zu und greift mir in der rechten Seite in die Rippen. Zeitiges Nachtende an dieser Stelle...

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