Montag, 20. Februar 2012

Prisma der Szene in Israel

Ensemble Meitar gastierte im "Global Ear"-Konzert

Die "Global Ear"-Konzertreihe, sonst im Societaetstheater beheimatet, zog für ihr aktuelles Projekt in den Veranstaltungssaal der Synagoge Dresden, und das aus gutem Grund - Israel hieß der Zielort der musikalischen Reise. Obwohl kurzfristig anberaumt, war das Konzert am Mittwoch gut besucht. Dirigent Lennart Dohms wies zu Beginn auf die Besonderheiten des Konzertes hin. Terminlich lag das Konzert noch nahe am Dresdner Gedenktag, wies aber in der Spezifik, israelische Komponisten der Gegenwart aufzuführen, in die lebendigen, aktuellen Zeitläufte. Gleichzeitig war mit dem "Ensemble Meitar" nicht nur ein führendes israelisches Ensemble zu Gast, das Dresdner Ensemble "El Perro Andaluz" führte ebenfalls ein Werk aus Israel auf, und für ein größer besetztes Ensemblewerk vereinigten sich die beiden Ensembles sogar.

Damit wird eine selbstverständliche, offene Partnerschaft innerhalb der Kunst gelebt, die ausstrahlen sollte. Noch dazu trug das Global-Ear-Konzert dazu bei, dass zumindest ein kleiner Ausschnitt der hierzulande kaum bekannten Neue-Musik-Szene in Israel klingend dokumentiert wurde. Das Wirken des "Vaters" der zeitgenössischen Musik in Israel, Josef Tal (1910-2008), hat Voraussetzungen geschaffen für eine hochqualifizierte Musikszene.

Die fünf im Konzert präsentierten Stücke stammten von Komponisten unterschiedlicher Generationen, waren aber alle in den letzten vier Jahren entstanden. Hadas Pe'erys "Quartet" atmete noch den Charakter einer Studie in der Konzentration auf wenige durch die Stimmen wandernde Klangeffekte. Hana Ajashvilis "Colour Games" untersuchte Bezüge zwischen Farben und Tönen, hier war das Klangspektrum schon ausgeweitet, vieles in diesem Quartett gut ausgehört. Wenig erfuhr man indes über die beteiligten Komponisten, von denen vier auch anwesend waren - Ayal Adler studierte in Jerusalem und Montreal und ist mittlerweile Composer in Residence des Ensembles. Sein Quintett aus dem Jahr 2009 war das vielleicht am schwierigsten zugängliche Werk, da Adler mit vielen unterschiedlichen Ebenen zwischen Statik und Bewegung arbeitet - Disparates steht gleichberechtigt nebeneinander und entfaltet oder zerstört Zusammenhang.

In Eitan Steinbergs "Cosmic Progressions in the Heart II" rückte schließlich traditionelle jüdische Musik erstmals in den Vordergrund, waren die anderen Werke doch sehr auch von europäischen oder amerikanischen Strömungen geprägt. Steinberg entwickelt mit wenigen Elementen enormen rhythmischen Drive ohne gänzlich in Popularmusik umzuschwenken. Das war spannend mitzuerleben, ebenso wie das Schlussstück "Do Bats eat Cats" (übrigens durch "Alice im Wunderland" inspieriert) von Ofer Pelz noch eine humorvolle Nuance in das Konzert brachte - sinnlich und spielerisch wirkten hier die Geräusche, die wahrlich eine klingende Märchenlandschaft hervorbrachten. "Global Ear" und den israelischen und deutschen Musikern gelang ein erhellendes Prisma durch die "Szene" der israelischen Musik, dafür dankte auch das Publikum mit offenen Ohren und Applaus.

Befreiendes Erlebnis

Morton Feldmans Klaviertrio im elole-Konzert

Die Musik von Morton Feldman (1926-1987) ist anders. Was macht man mit Streichquartetten, die vier Stunden dauern? Mit Chorstücken, in denen sich ein Häuflein gehaltener Noten scheinbar "einfach" ausnimmt? Oder eben dieses Klaviertrio aus dem Jahr 1980, dessen 90minütige Spieldauer in einem Satz Interpreten wie Zuhörer gleichermaßen herausfordert, sich auf eine Reise in den Klang, in den Einzel-Ton zu begeben? Wer sich von Konventionen, Vergleichen, Althergebrachtem verabschiedet und offen für neue Klangerlebnisse ist, ist beim elole-Trio gut aufgehoben, das damit schon zum zweiten Mal in diesem Jahr in Dresden konzertiert.

Die Messe als Aufführungsort ist neu im elole-Reisekalender, doch genau für solche außergewöhnlichen Ereignisse schien der moderne, verglaste Tagungsraum passend, auch in akustischer Hinsicht. Dass Feldmans Musik weder widerspruchsfrei in eine Minimalismus- noch Meditationsecke gestellt werden kann, demonstrierte elole mit zwei dem Konzert zugesellten Elementen - zum einen gab es da Computer, an denen die Zuhörer vor der eigentlichen Aufführung Modelle der Komposition selbst anordnen und wahrnehmen konnten, ein ungewöhnlich einfacher wie logischer Einstieg. Zum anderen musizierte elole das Trio gemeinsam mit dem Videokünstler Lillevan, selbst ein in der zeitgenössischen Musik höchst erfahrener Künstler. Auch dies erschien logisch und spannend angesichts der engen Verbindung, die Feldman zeitlebens zur bildenden Kunst pflegte. Die Aufführung war allerdings keinesfalls eine bebilderte Musik, vielmehr geriet das Trio durch die visuelle Komponente nun zum Quartett: eine weitere gleichberechtigte Stimme trat hinzu, die überdies in der Reduktion und Variation so nah an Feldmans Kompositionsprinzipien andockte, dass eine schillernde Harmonie aller Stimmen als Ergebnis hervortrat.

Diese allerdings kostet Kraft: den Interpreten stehen neunzig Minuten genaueste Partiturarbeit im stetigen akribisch ausnotierten Beinahe-Miteinander bevor, während der Zuhörer, gefangen in seinem eigenen Ohr, Versuche startet, wie diese Musik am besten wahrzunehmen sei. Es entstanden unterschiedliche Phasen der Konzentration - nach gut einer Stunde stellte ich sogar meine Sitzgelegenheit in Frage, nach weiteren fünfzehn Minuten fragte ich mich, ob ich noch in diesem Raum existiere oder nur die Musik eine Illusion sei. Am Ende bleibt es ein Experiment, Durchhänger und Jubel-Hören eingeschlossen, wenn man plötzlich entdeckt, mit welcher Schönheit ein einzelnes Pizzicato durch den Raum schwebt oder eine Phrase sich auspendelt ohne eine einzige Bedeutung als Ballast mitzuschleppen. Insofern, mit Abstand zur Darbietung, wirkte Feldmans Trio-Erlebnis als befreiendes visuelles und akustisches Ereignis, dessen Klarheit durch die Raum-Situation noch unterstrichen wurde.

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