Mittwoch, 25. August 2010

Kraftvoller Auftakt - Zeiträume der Musik im 1. SInfoniekonzert der Staatskapelle Dresden

Strahlender Sonnenschein begleitete die Saisoneröffnung der Sächsischen Staatskapelle am Sonntagvormittag in der Semperoper. Der Übergang von der genussvollen Sommerzeit hin zur neuen Konzertsaison gelang fließend. Großen Pomp sparte sich die Staatskapelle diesmal, denn die Saison 2010/2011 ist noch "cheflos", allerdings keineswegs führungslos, denn namhafte Dirigenten bekommen die Chance, das hervorragende Orchester zu leiten, so im 1. Sinfoniekonzert der Este Paavo Järvi.

Die Qualität des Auftaktkonzertes lag in einer den Geist fordenden Dramaturgie, denn mit dem Thema "Zeit-Raum" wurde eine imaginäre Thematik über das Konzert gebreitet, die zum Ursprung der Musik selbst führt. Wer anders setzte sich mit diesem Thema genialer auseinander als Ludwig van Beethoven? Viele seiner Werke wirken wie eine Forschungsarbeit der Zeit-Nahme oder der Überwindung der Zeiten. Tonlängen und Pausen, Plötzlichkeit und Abwarten werden zu fokussierten Objekten der Betrachtung. Damit beschäftigt sich auch der estnische Komponist Erkki-Sven Tüür, dessen Werk "Zeitraum" zu Beginn erklang.

Bei allem Respekt vor der Ernsthaftigkeit der Aufgabe: die Wirkung misslang. Möglicherweise lag es an der Übermacht Beethovens, dass die teils minimalistisch tickenden Skalen und die herausplautzenden Zusammenballungen der Bläser nur ein Gerüst eines Zeitraums artikulierten, aber eben keine Botschaft. Zu unscharf war das kompositorische Material der anvisierten Zeit-Architektur ausgestaltet. Trotz engagierten Spiels der Kapelle unter der akkuraten Leitung Järvis wird man sich einem neuen Umgang mit Musik der Gegenwart zukünftig stellen müssen, das ungeliebte Pflichtstück der ersten Konzertviertelstunde sollte man begraben.

Neben dem Capell-Compositeur (in diesem Jahr Johannes Maria Staud) gibt es nun auch einen Capell-Virtuos bei der Sächsischen Staatskapelle und die Dresdner dürften hocherfreut sein, dass Rudolf Buchbinder mehrere Abende gestalten wird. Der herausragende Beethoven-Interpret zeigte denn auch im 5. Klavierkonzert Es-Dur, dass ein überlegter, frischer Zugang dieses Werk wohl niemals altern lassen wird. Dazu ist zuviel Leben, zuviel Mensch, zuviel Herz ist in diesem Werk und Buchbinder zeigte davon eine ganzes Füllhorn. Wohl darf man ihn im besten Sinne als "Nuntius" der Werke Beethovens betrachten, denn Buchbinders Auseinandersetzung mit von ihm gespielter Musik ist jederzeit komplex und spiegelt sich bereits in der Maxime wieder, dass keine Note dem Zufall überlassen wird. Auch das selbstbewusste Frei-Spielen im dritten Satz wirkt gesteuert, kraftvoll, überzeugend. Dem niemals übertriebenen oder ungestümen ersten Satz folgte Achtsamkeit im Adagio - Buchbinder erzählt die Musik immer noch mit einer fast kindlichen Neugier und der Zuhörer schafft es, das Werk wieder in frischen Farben zu entdecken. Paavo Järvi arbeitete in guter Partnerschaft mit dem Solisten und entlockte dem Orchester einen runden und sehr flexiblen Gesamtklang.

Die Kompetenz und Hingabe, mit der Järvi bei Beethoven zu Werke geht, beschert dem Dirigenten und seiner Kammerphilharmonie Bremen in diesem Jahr übrigens eine ECHO-Klassik-Auszeichnung. Eine sehr überzeugende, in den Tempi durchaus avancierte Interpretation gelang ihm mit der Kapelle mit der 5. Sinfonie c-Moll Opus 67. Das (unzulängliche) Motto namens "Schicksals-Sinfonie" bettete Järvi in ein satzübergreifendes Konzept ein, das schon bei Beethoven angelegt ist. Das Andante bildet daher nur eine Brücke, eine Farbschattierung hin zum offenen, sonnendurchtränkten Feld des Finales, das Järvi mit einem überaus spannenden Übergang aus dem Scherzo erreichte. Die Ecksätze waren wie aus einem Guß gemeißelt und mit klarem Vorwärtsgedanken hingesetzt: so wies das 1. Sinfoniekonzert am Ende in einer meisterlichen Interpretation in die musikalische Zukunft der neuen Konzertsaison. Und es ist eine gut, dass uns Beethovens Musik solche Erkenntnisse heute immer wieder zu geben vermag.

Zum Abschluss eine Sternstunde - Moritzburg Festival 2010 ging zu Ende

Seit zwei Wochen proben und konzertieren herausragende Instrumentalisten aus aller Welt gemeinsam beim 18. Moritzburg Festival - am vergangenen Wochenende ging das Festival mit zwei Konzerten in der evangelischen Kirche Moritzburg zu Ende. In diesem Finale entlud sich die Musik noch einmal regelrecht und in der vollbesetzten Kirche stellte sich am Sonnabend eine tolle Atmosphäre ein.

Henri Demarquette begann mit einer innovativen halbstündigen "musical voyage" - der Cellist teilte sein Programm nicht mit, sondern verband verschiedene Stücke, die ähnliche Formen, gleiche Schluss- und Anfangstöne oder eben einen Kontrast miteinander bildeten, zu einer überraschend geschlossenen Suite. So traf Bernd Alois Zimmermann auf Johann Sebastian Bach und Domenico Gabrielli auf Benjamin Britten. Dankbar war man für die Entdeckung der spannenden Stücke von Eric Tanguy und dem viel zu früh verstorbenen Olivier Greif. Demarquette entwickelte einen klaren erzählerischen Bogen und man lernte die vielen Farben des Cellos auf diese Weise neu kennen.

Im Abendkonzert stand zu Beginn Franz Schuberts Klaviertrio B-Dur auf dem Programm - Viviane Hagner, Jan Vogler und Nicole Hagner trafen genau den Ton der changierenden Leidenschaften dieses umfangreichen, oft grüblerischen Werkes und wussten detailreich zu phrasieren, so bekam das Stück in allen Sätzen natürlichen Fluss und Charakter, der seine Kraft aus den lyrischen Melodielinien schöpfte.

Die Werke des aus Tschechien stammenden amerikanischen Komponisten Karel Husa sind hierzulande weitgehend unbekannt. Charles Neidich (Klarinette), Benjamin Rivinius (Bratsche) und Li-Wei Qin (Cello) engagierten sich stark für die "Evocations of Slovakia", die allerhand virtuose wie schlichte Instrumentalfarben und volkstümlichen Duktus im Bartókschen Sinne bargen. Das kam beim Publikum gut an, wurde aber noch übertroffen von einer wahren Sternstunde der Kammermusik nach der Pause: Robert Schumanns Klavierquintett Es-Dur wurde in absolut hinreißender Weise dargeboten. Für den Klavierpart konnte die französische Pianistin Lise de la Salle gewonnen werden, die in den letzten Jahren als Solistin aber auch als begehrte Kammermusikpartnerin die Bühnen erobert hat. Ihr nuancierter und willensstarker Ausdruck am Klavier sowie Viviane Hagners Führung an der 1. Violine waren die treibenden Motoren einer höchst intensiven Darstellung, bei der einfach alles stimmte. Mira Wang, Kyle Armbrust und Henri Demarquette komplettierten gleichrangig eine wunderbar atmende und vorwärtsdrängende Aufführung, die lange im Gedächtnis bleiben wird. In der Doppelfuge des Finales, im rasanten Scherzo und auch im innigen zweiten Satz staunte man über sprühende Musikalität, von der Schumann sicher begeistert gewesen wäre.

Am Sonntagvormittag erklangen im Abschlusskonzert neben dem stets an dieser Stelle musizierten Oktett von Felix Mendelssohn noch einmal Werke von Daniel Schnyder, dem Composer-in-Residence des Festivals. Die Festivalleitung resümierte nach dem Finalkonzert 6200 Besucher bei insgesamt 21 Veranstaltungen, was einer Auslastung von 99% entspricht. Intendant Jan Vogler zeigte sich mit dem Jahrgang zufrieden: "Ich freue mich, dass das Moritzburg Festival weltweit immer mehr Liebhaber findet. In Moritzburg treffen außergewöhnlich enthusiastische Aufführungen auf ein wunderbares und über 18 Jahre gewachsenes Publikum. Moritzburg hat sich zu einer der schönsten Oasen der Kammermusik entwickelt." - 2011 findet das Festival vom 7. bis 21. August statt.

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