Mittwoch, 16. Juni 2010

Allan Pettersson in Köln

...und ich bin erstmal weg hier, denn das Konzert in Köln will besucht werden. Christian Lindberg dirigiert die 7. Sinfonie von Pettersson, außerdem spielt er sein eigenes Posaunenkonzert "Helikon Wasp" und startet mit einer Schubert-Ouvertüre.
20.6. 11 Uhr, 21.6. + 22.6. jeweils 20 Uhr, Kölner Philharmonie
mehr auf der Website vom Gürzenich-Orchester Köln

Ein doppelter Schubert

Philharmonisches Zyklus-Konzert unter Markus Poschner

In einer bestimmten Hinsicht war das 8. Zyklus-Konzert der Dresdner Philharmonie am vergangenen Wochenende Labsal für die von zahlreichen Jubilarehrungen doch ein wenig strapazierten Ohren: Einmal kein Chopin, Mahler oder Schumann, stattdessen gleich zwei Sinfonien eines gewissen Franz Schubert. Nicht, dass der große Schubert zu wenig erklingen würde, aber die Koppelung der frühen 3. Sinfonie D-Dur mit der berühmten "Unvollendeten", beileibe nicht seinem letzten Werk, war doch ein gewichtiges Ausrufezeichen. Der ab der nächsten Spielzeit als erster Gastdirigent der Dresdner Philharmonie tätige Markus Poschner zeigte hier schon einmal vorab, mit welcher Qualität man bei seinen Interpretationen zu rechnen hat, und das ging in den ersten Takten der 3. Sinfonie los, einem Stück, dem man eigentlich keinerlei Überraschungen zutraut. Doch wie Poschner hier den Klang der Philharmoniker auffing, modellierte und wieder an die nächst folgenden Instrumente abgab, das war höchst eindrucksvoll. Das ständige Geben und Nehmen inspirierte das Orchester zu einem fülligen, natürlichen Gesamtklang, bei dem alle einander derart aufmerksam zuhörten, dass die Sinfonie vor dem Ohr wie neu entstand. So konnte sich federnd-leichtes Musizieren entwickeln, wirkten die flüssigen Mittelsätze elegant, das italienischem Vorbild nachempfundene Finale klar und spritzig. Solchermaßen gut aufgelegt erwarteten die Zuhörer das Violinkonzert "Tala Gaisma" (Fernes Licht) des lettischen Komponisten Peteris Vasks (*1946). Spannendes und bislang Unentdecktes der Konzertliteratur des 20. Jahrhunderts ist bei Konzertmeister Wolfgang Hentrich in besten Händen, das wissen wir nicht erst seit den Interpretationen der Werke von Bernstein und Hindemith, die in guter Erinnerung sind. "Fernes Licht" ist zwar sehr virtuos und ausgesprochen dankbar für die Geige komponiert, allerdings dürfte das 1996 durch Gidon Kremer uraufgeführte Werk kaum als zeitgenössische Musik durchgehen. Munter bedient sich Vasks aus dem Fundus der Kompositionstechniken aller möglichen Epochen, doch Aleatorik, Walzerschübe und bittertraurige (warum bloß?) diatonische Melodien fügen sich auch über die Brücke von drei halsbrecherischen Kadenzen kaum ineinander. Was als "gut verständliches" Werk im Programmheft benannt wird, kommt an zu vielen Ecken eben als beliebig und sattsam bekannt daher. So konnte man nur die vollkommene Hingabe von Hentrich bewundern, der gemeinsam mit Poschner und dem Orchester die luziden Klänge zu einem runden Ganzen formte und den Fokus auf die Klangfarbe legte, dem Kern des Geschehens. Wer anschließend meinte, ein just angepfiffenes, höchst wichtiges Fussballspiel am Sonntagabend hätte alsdann die Musiker zu eiligem Beenden des Konzertes verleitet, war auf dem Holzweg. Markus Poschner gelang eine intensive, flüssige und niemals melancholisch-überzogene Darstellung der 7. Sinfonie von Schubert. Damit wurde Gewichtiges gesagt und einmal mehr zeigte die Philharmonie ihre Klasse im detailschönen und homogen aufeinander abgestimmten Musizieren.

Wiederentdeckung eines Meisterwerkes

Paul Ben-Haims Oratorium "Joram" erklang erstmals in Dresden

Dass die Stiftung Frauenkirche in diesem Jahr eine Veranstaltungsreihe mit Neuer Musik ins Leben gerufen hat, überrascht nicht und erfreut dazu. Nicht nur ist die Frauenkirche über die Jahrhunderte immer wieder Uraufführungsort geistlicher Werke gewesen, auch seit der Weihe 2005 erklangen vielfach eigens für Aufführungen in der Kirche geschaffene Werke. Das erste Konzert der Reihe am vergangenen Sonnabend irritierte jedoch in diesem Rahmen, denn das aufgeführte Werk wurde bereits vor 77 Jahren vollendet, in seiner Originalfassung wurde es erst 2008 in München uraufgeführt. Auch zur Zeit seiner Fertigstellung 1933 wäre Paul Ben-Haims opus magnum, das Oratorium "Joram" keinesfalls als neue Musik zu bezeichnen gewesen, allerdings gibt es viele Ebenen in dem Werk, die eine starke eigene musikalische Handschrift tragen. Selten entpuppt sich ja eine vergessene Komposition noch als Meisterwerk, doch in diesem Fall ist es unerklärlich, dass der als Paul Frankenburger in München 1897 geborene Komponist zu Lebzeiten nur eine Aufführung einer gekürzten Fassung seines "Joram" erleben durfte, denn das Stück ist eines der faszinierendsten Oratorien der Neuzeit, es ähnelt in seiner Wirkung dem wenig später entstandenen "Buch mit sieben Siegeln" von Franz Schmidt, ist aber ungleich moderner in der Tonsprache. An der Nahtstelle der Fertigstellung des Werkes musste Frankenburger nach Palästina emigrieren und fand fortan keine Aufführungsmöglichkeiten für das großbesetzte Werk, auch das übrige OEuvre dieses spannenden Komponisten harrt immer noch der Wiederentdeckung. Musikwissenschaftlern und vor allem den Münchner Protagonisten der Aufführung in der Frauenkirche ist die Edierung der Erstfassung des "Joram" zu danken. Schade, dass sich kaum 300 Zuhörer für diese moderne Hiob-Adaption (Text: Rudolf Borchardt) interessierten, doch diese dankten den Interpreten ergriffen für eine großartige Aufführung. Ben-Haim-Biograf Jehoash Hirshberg von der Jerusalemer Universität gab zuvor eine plastische Einführung in das Werk, das formal an die Passionen von Bach, aber auch an den Elias von Mendelssohn anknüpft. Musikalisch geht Ben-Haim eigene Wege und überrascht den Zuhörer mit einer unglaublichen Farbigkeit des Orchestersatzes, ganz eigener Ausdeutung spätromantisch-freitonaler Harmonik und massiv ausufernder Dramatik, die aber niemals platt wirkt, sondern von großer rhythmischer und melodischer Energie getragen wird - oft kontrastieren feinste Passagen in Solo-Instrumenten als Beruhigung der Massen. Problematisch ist die zu bewegende Textmasse in lutherischem Duktus: man hätte es schwer, den zahlreichen Erklärungen und Beschreibungen zu folgen, wäre da nicht die exakte Deklamation des Münchner Motettenchores und eines hervorragenden Solistenquartettes (Carolina Ullrich, Carsten Süß, Bernd Valentin und Miklós Sebestyén mit einheitlich starker Darstellung) gewesen. Der Chor hat enorme Aufgaben zu bewältigen, wurde von seinem Leiter Hayko Siemens aber optimal betreut. Neben dem Mut zum piano überzeugte die harmonische Sicherheit und der Krafteinsatz bei Steigerungen in den drei Schlußchören - letztlich waren bei einigen von Ben-Haim raffiniert gesetzten a-cappella-Passagen Grenzen festzustellen. Die Münchner Symphoniker schließlich klangen unter Siemens kundigem Dirigat transparent und glänzten mit vielen empfundenen Soli (Flöte, Kontrabass). Die Dramaturgie spannte sich weit bis zu den Anklagen des Joram und den Engelserscheinungen des 3. Teils, nach mehr als zwei Stunden musikalischer Reise durch die Themen von Schuld und Leid, Glaube und Individuum gelingt ein tröstlicher, menschlicher Ausklang, gemäß der Weisheit des von Ben-Haim als Mittelpunkt des Werkes vertonten Chorspruchs: "Handle! Lebe! Und es ist Passion."

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