Sonntag, 6. Juni 2010

"Kids on Stage" - Von HipHop bis Klassik

Zehn Tage wirbeln Jugendliche über die Bühne im Festspielhaus Hellerau



20 Stühle stehen auf der Bühne, darauf sitzen 20 Jugendliche und starren ins Publikum. Ein Stilleben, eine homogene Gruppe, möchte man meinen. Doch weit gefehlt: als nach und nach unter Beeinflussung der Band die Stühle verschwinden, offenbaren sich Individuen und Charaktere, wird die Gruppe zum Mob, wird der Einzelne zum Kämpfer. Nur augenscheinlich ist die bekannte "Reise nach Jerusalem" ein Kinderspiel, in der Betrachtung der Gruppe des Romain-Rolland-Gymnasiums (Regie/Betreuung Annette Jahns und Annette Hannemann) wird ein abwechslungsreiches Musiktheater daraus. Die Aufführung am 15. Juni ist Teil des Festivals "Kids on Stage" beim Europäischen Zentrum der Künste. Vom 10. bis 22. Juni wirbeln Schüler und Kinder über die Bühnen des Festspielhauses Hellerau. Ganz im Sinne des genreübergreifenden Profils der Veranstalter wird aber nicht nur Kindertheater gezeigt, die Grenzen zwischen Musik, Theater, Rhythmik und Show sind bei den Jugendlichen bewusst fließend. Eröffnet wird das Festival von "Geometronomics", einer rasanten Capoeira-HipHop-Show des brasilianischen Company Discípulos Do Rítmo, gemeinsam mit dem deutschen Choreografen und HipHopper Storm. Niels "Storm" Robitzky wird dann am 11. und 12.6. einen Open-HipHop-Workshop für alle von 8-18 geben, damit auch der Nachwuchs lernt, wie man sich zur angesagten Musik bewegen kann. Das bei den Landesbühnen Sachsen bereits gefeierte Tanzstück "Peter Pan" des Heinrich-Schütz-Konservatoriums wird an diesen beiden Tagen als Abendveranstaltung zu sehen sein. Der Sonntag steht im Zeichen jugendlicher Komponisten: im Jahreskonzert der Komponistenklasse Dresden begrüßt man als Gäste die neu gegründete Klasse "Malý Dvorák" aus Prag und die Tonsetzer widmen sich unter dem Titel "Von fremden Ländern und Menschen" augenzwinkernd und ganz ernst dem 200. Geburtstag Robert Schumanns. Ein Gemeinschaftsprojekt aus Polen und Deutschland wird gleich im Anschluss präsentiert: beim "Meetingpoint Music Messiaen" in Görlitz haben Kinder ein ganzes Theaterstück rund um die eifrigsten Komponisten der Natur gebaut - Vögel, von denen Olivier Messiaen einst die Melodien sammelte und in seine Kompositionen aufnahm. Die Mitte der Woche wird von vier Projekten aus sächsischen Schulen bestimmt; in der Nachfolge von "Musik erfinden in der Schule" werden nunmehr ganze Klassen und Bands "on stage" geschickt und man darf gespannt sein, wie etwa Komponisten wie Erwin Stache oder Hartmut Dorschner gemeinsam mit den Schülern Theaterstücke und Musiken erfunden haben - nicht etwa die Klassiker sind hier gefragt, sondern Themen, die die Jugendlichen ausgewählt haben. Eine Schule hat mit Gedichten und Farben gearbeitet, eine andere befasst sich mit den musikalischen Qualitäten einer Sport-Maschinerie. Doch damit nicht genug, auch die erfolgreichsten Beiträge des Performance-Wettbewerbes "unart" des Dresdner Staatsschauspiels sind noch einmal zu sehen (17.6., 19 Uhr). Gemäß dem wissenschaftlichen Anspruch des EZKH wird bei einem Symposium über Jugendtheater und Kunst diskutiert. Und schließlich wird am 18.6. noch ein Rhythmikprojekt (Konzeption Christine Straumer) mit klingenden und tanzenden Bildern gezeigt und das Chemnitzer Kinderensemble (Leitung Andreas Winkler) präsentiert neue Musik von Kindern, aber auch Terry Rileys faszinierendes Stück "In C" - Mit dem Jugendtanzprojekt der Staatsoperette Dresden "Pardon!" samt kritischer Podiumsdiskussion zum Thema Jugend und Alkohol im Anschluss an die Veranstaltung am 19. Juni findet das Festival dann sein Finale. Eine Festivalparty mit DJs darf natürlich auch nicht fehlen. Bei dieser Vielfalt sollte nicht nur für die Jugendlichen Interesse geweckt sein und mit dem Mut zum Experiment ist man in Hellerau ohnehin am richtigen Ort. Welcher Stuhl am Ende der "Reise nach Jerusalem" also übrigbleibt, erfährt nur, wer "Kids on Stage" einen Besuch abstattet.

"Kids on Stage" - Programm:
Do, 10.6. 20 Uhr Storm & Discípulos do Rítmo "Geometronomics"
Fr/Sa 11. und 12.6. OPEN HipHop Workshop
Fr/Sa 11./12.6. jeweils 18 Uhr HSKD-Ensemble "Peter Pan - Ein Tanzstück"
So, 13.6. 11 Uhr "Von fremden Ländern und Menschen", Komponistenklasse Dresden
So, 13.6. 14 Uhr "Alle Vögel fliegen hoch in die Luft" - Meetingpoint Messiaen
Di, 15.6. 19 Uhr Projekte des Romain-Rolland-Gymnasiums und der Kreuzschule Dresden
Mi, 16.6. 19 Uhr Projekte der Kurfürst-Moritz-Schule Boxdorf und des Glückauf-Gymnasiums Dippoldiswalde/Altenberg
Do, 17.6. 19 Uhr Best Of "Unart" - Performancewettbewerb
Fr/Sa 18./19.6. Symposium "War das jetzt schon Kunst?"
Fr 18.6. 15 Uhr Rhythmikprojekt "Bildermobile", anschl. Konzert des Chemnitzer Kinderensembles, abends Festivalparty
Sa/So 19./20.6. jeweils 20 Uhr Jugendtanzprojekt "Pardon!"

http://www.hellerau.org
Foto: PR / Hellerau

Disparater Eindruck

"Global Ear" wirft ein Licht auf Musik der Gegenwart in Russland

Die russische Musik steht bei den Dresdner Musikfestspielen in diesem Jahr im Vordergrund. Damit auch für jeden etwas dabei ist, schöpft man aus allen Genres und aus mehreren Jahrhunderten Musikgeschichte. Ziemlich am Rande des Festivals steht dabei die zeitgenössische Musik. Dass die meisten Musikfestspielkonzerte sich modern wähnen, wenn ein Werk von Schostakowitsch oder Strawinsky eingewebt ist, erscheint ebenso seltsam, wie das fast zufällige Auftauchen zweier winziger Theatermusiken für Akkordeon von Alfred Schnittke im "Global Ear"-Konzert am Mittwochabend. Hätte einem der wichtigsten zeitgenössischen russischen Komponisten nicht mehr Aufmerksamkeit bei einem "Russlandia"-Festival gebührt? Andere musikalische Entwicklungen, etwa der russische Futurismus oder das Komponieren neben und nach Schostakowitsch fanden im Festival leider ebensowenig Beachtung. Am Abend des Konzertes im Societaetstheater fand auch noch parallel die Erstaufführung des Mansurian-Cellokonzertes statt, wahrlich keine glückliche Terminierung zweier Neue-Musik-Ereignisse. Dennoch: das Global Ear-Konzert, veranstaltet in Verbindung mit dem KlangNetz Dresden, lockte Publikum an und zumindest drei russische Komponisten der Gegenwart lernte man im Konzert mit dem Hochschul-Ensemble "El Perro Andaluz" unter Leitung von Lennart Dohms näher kennen: Olga Rayeva und Sergej Newski leben allerdings schon in Berlin - ihre musikalische Sprache ist nicht von einer geografischen Grenze oder Kultur beengt. Rayevas "Autumn street's relief" bleibt verstörend, da sie dem Zuhörer einen (Zitat Programmheft) "kontrollierten epileptischen Anfall" als Komposition zumutet und darüberhinaus weder durch ihre Musik noch durch einführende Worte einen Zugang ermöglichen will. Das kaum durchdringbare Dickicht der komplexen Partitur bot selbst einem erfahrenen Hörer kein Angebot zum Nachvollzug. Anders Newski in "Blindenalphabet" - das kleine Ensemble schnurrte in einer Meta-Sprache, die sensibel wie mit dünnem Bleistift gezeichnet war. Hier verbarg sich ein Stück hinter der Musik, das es hörend zu ertasten galt: spannend! Vladimir Tarnopolski schließlich ist einer der bekanntesten Vertreter aktueller Musik aus Russland. Sein Ensemblewerk "Eindruck-Ausdruck", das von energetischen Blöcken und Schnitten lebt, wurde insgesamt gut gespielt, wenngleich man sich von den Impulsen und der Balance her eine noch homogenere Fassung vorstellen kann. Mit Musik auf dem Akkordeon, gespielt vom Duo Ruslan und Elena Krachkovski, wurde versucht, eine Verbindung zur Folklore zu schaffen, letztlich standen aber beide Ebenen isoliert. Wie sich dann die überlange, kaum mehr als eine Material-Studie zu begreifende Komposition "Influenzas" des Chinesen Bowen Liu in dieses Programm geschlichen hatte, bleibt unerklärlich. Zerschnittenes, Unfertiges und Disparates stand in diesem Konzert nebeneinander und betonte einen Werkstattcharakter, der ins Offene wies.

Gounod-Premiere live auf dem Theaterplatz

Aktuelle Bilder von der Premiere "Faust / Margarete" von Charles Gounod - erstmals wurde eine Opernpremiere live und kostenlos auf den Theaterplatz übertragen. An einem herrlichen Sommerabend genossen über 5000 Menschen die Darbietung von der Leinwand. Am Ende nahmen die Mitwirkenden nicht nur auf der Bühne, sondern auch draußen auf dem Platz den Jubel des Publikums entgegen.


Intendant Georg Uecker im Gespräch mit Tina Mendelsohn




Publikum völlig im Bann der Oper - drinnen wie draußen.




Faust: "Er liebt dich! Verstehst du, was das heißt? Er liebt dich!"



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Radiosendung über Musik, die nur im Kopf erklingt
Darin werden auch meine Sheet Music Arbeiten besprochen. https://www.de utschlandfunkkultur.de/mus s-musik-klingen-dlf-kultur -af311058-100.html?fbclid= IwZXh0bgNhZW0CMTAAAR1gukU1 amxtLwWbiPxNhxdVCM977eywjf 8TH7ENGamlB60GL7TpK5pqCrY_ aem_Aas_oUIX6V1yGiBFpKKDxE mEaNZUWV82XFXWTczRhCYe_9nX Y2S0GX8UHQUD8R8WBLNAmCNmT3 PeF0ekBqS14Yqu Vorstellung skraft...
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#Bildung #Auftrag Siehe auch: (via kfm)
Kreidler - 16. Mai, 05:43
Diskussion über besseren Schutz für Mandatsträger: ECPMF und...
Das Europäisches Zentrum für Presse- und...
owy - 15. Mai, 17:07

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