Sonntag, 22. November 2009

Geht das schon wieder los...

...dass wir gegen Theatersterben kämpfen müssen und die Oberen daran erinnern müssen, dass Kulturkürzungen die allerdümmste Maßnahme in Spar-Zeiten sind? Dass es ausgerechnet mein Heimat-Schauspielhaus, die Wuppertaler Bühnen trifft, stimmt mich traurig. Wütend macht mich dagegen, dass auf der Website "business as usual" herrscht und man lediglich im Netz ein resignierendes kurzes Interview mit Leiter Christian von Treskow findet - "Das Schauspielhaus war schon immer eine Baustelle" - was für eine Selbst-Disqualifikation! Indes protestiert der Deutsche Bühnenverein mit Holk Freytag als prominenten und hauskundigen Vorredner mit einem offenen Brief. Ich glaube aber, zur Rettung der Theater in den hochverschuldeten Kommunen sollte nicht nur der alte Auto-Aufkleber wiedererweckt werden, da muss ein "Verdammt noch mal"-Dazu und ein monströser Rütteldackel für die Politiker dazu. Und der Bund darf sich mal fragen, ob er mit der Sterntalerpolitik im Ruhrgebiet nicht auch für die Tötung von Kultur in Hagen, Oberhausen und Wuppertal (O-Ton WELT: "Das traditionsreiche Wuppertal ist auf dem Weg, zur Einöde zu verkommen.", siehe auch bei der FAZ) verantwortlich ist. Beim MDR wird auch von massiven Kulturkürzungen in Erfurt, Gera und Jena berichtet und spricht von einem "Spar-Tsunami" (der vermutlich durch die Steuersenkungspolitik der Regierung noch beschleunigt wird). Erwähnenswert an der Stelle vielleicht, dass die Umfrage unter OBs von verschiedenen Großstädten nicht nur Jammerei und Holzhammer ergab: Chemnitz etwa hat KEINE Kürzungen geplant. Die entsprechenden Senatsvorschläge zur Kulturkürzung in Hamburg gingen bereits durch die Presse. Auch im Süden regt sich Widerstand; in Stuttgart wird ein "Kultur-Konjunkturpaket" gefordert. Aber dennoch: Wo bleibt der Aufschrei? Wo ist das Theatervolk? Und wo sind die Ideen?


Zur Erinnerung an selige "Faust"-Zeiten: Das Wuppertaler Schauspielhaus (Quelle: Wikipedia commons)

Orient und Okzident vereint

Ranajit Sengupta und Miguel Guldimann bei "Musik zwischen den Welten"

Zum dritten Mal gastierte der indische Sarod-Spieler Ranajit Sengupta innerhalb der Konzertreihe "Musik zwischen den Welten" in Dresden und freute sich außerordentlich, seine Musik den Dresdnern quasi wie ein Geschenk geben zu können - in dieser hingebungsvollen Leidenschaft sind indische Musiker ohnehin einzigartig. Neben traditionellen Klängen anderer Kulturen stellt "Musik zwischen den Welten" regelmäßig auch neue Projekte und Zusammenarbeiten verschiedenster Musiker vor. So kam Sengupta dieses Mal nicht allein, sondern brachte den in Peru geborenen und seit seiner Kindheit in der Schweiz lebenden Gitarristen Miguel Guldimann mit. "Anuraag" (aus dem Sanskrit, etwa: "universelle Liebe") nennt sich das Duo, das in der Dreikönigskirche auf insgesamt 33 Saiten musizierte: Die Sarod, ein der Laute verwandtes indisches Melodieinstrument, hat allein 25 Saiten - Miguel Guldimann spielte im Konzert die eher selten zu hörende 8saitige Konzertgitarre. Vor Konzertbeginn herrschte bereits Spannung - würden diese so unterschiedlichen Saiteninstrumente überhaupt zueinander passen, zueinander finden? "Enjoy our tuning" war dann auch Senguptas leicht ironische Ansage - jeder einzelne Song bedurfte einer besonderen Neu-Stimmung der Instrumente, um Orient und Okzident in einem quasi neuen musikalischen Universum zu vereinen. Dabei schlug das kulturelle Pendel mal mehr in Richtung abendländischer, kadenzgebundener Musik, mal mehr in Richtung der abenteuerlich verzierten Melodik des Inders aus. Klassische Ragas gab es an diesem Abend nicht zu hören, wenngleich Senguptas temperamentvolle Spieltechnik natürlich über viele Jahre aus der Raga-Musik gespeist ist. Triebfeder der beiden Saitenspieler waren vor allem Rhythmus und gesprächartiges Miteinander; so scheute sich das Stück namens "Dialog" auch nicht, einen fast rockigen Groove auszubilden, während andere Songs wie "New Beginning" eher volkstümlichen Charakter aufwiesen. Sengupta und Guldimann trafen sich für dieses Musikprojekt mehrfach in Deutschland, der Schweiz und in Indien. Die gemeinsam erarbeiteten Kompositionen sind ganz eigene Charakterstücke, die beiden Musikern genug Raum und vor allem Zeit zur virtuosen Entfaltung geben. Zwischen nahezu sinfonisch zu nennenden rhythmischen Tableaus und verästelten, melancholischen Solomelodien waren hier viele Zwischentöne und Entwicklungen zu verfolgen. Selbst wenn Guldimann nur dezent begleitet, sind die kleinen Untergrundmodelle klug erdacht und nähern sich dem klangfarblichen Reichtum der Sarod an. Tabla-Kaskaden (Rupak Bhattacharjee) fügten sich auf natürliche Weise hinzu, so dass man am Ende das Gefühl nach Hause trug, einen ganz originären Abend erlebt zu haben, in dem Respekt, Verständnis und die Freude am Musikmachen sich unmittelbar mitteilen konnten.

(19.11.)

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