Montag, 28. Juli 2008

Weston-Super-Mare


(Quelle: englische Wikipedia )
Manche Nachrichten sind berührender, weil sie eine persönliche Erinnerung wachrufen, so heute bei der Meldung, dass der historische Grand Pier in Weston-Super-Mare durch eine Feuersbrunst komplett zerstört wurde (Video bei der BBC). Weston, am Bristol Channel westlich von Bristol und Bath gelegen (die Cheddar Caves sind nicht weit, weshalb ich noch heute den Käse sehr gerne esse...vermutlich stammt auch daher meine Affinität zu Wallace&Gromit), war die erste britische Stadt, die ich besuchte, damals als Gymnasialstöpsel im vierwöchigen Sommersprachkurs. Und irgendwie hat sich das eingebrannt, diese leicht verschlafene, von vergangenem Kurbadflair angestaubte Seestadt mit herrlicher Natur im Umland und billigen Vaughan-Williams-Platten in Secondhand-Läden der Seitenstraßen. Der Grand Pier war schon damals eine Vergnügungshölle, die Bürger mochten das Ding nicht, die Touristen um so mehr. Verwundert war ich, dass dort sogar Kinder an den einarmigen Banditen standen und ihr Taschengeld verspielten. Ok, zwei Pfund habe ich vielleicht auch dort gelassen, aber dann ging mir die Klingelei auch auf den Wecker. Der Grand Pier soll übrigens wieder aufgebaut werden.

Viel Engagement für Zelenka

Il Fondamento unter Paul Dombrecht gastierten in der Frauenkirche

Ausschließlich Werke des Barock-Komponisten Jan Dismas Zelenka standen auf dem Programm des Frauenkirchen-Konzertes vom Sonnabend. Man mag es auf die hohen Preise oder das gute Wetter schieben: das Gastspiel eines der renommiertesten Alte-Musik-Ensembles Europas, Il Fondamento aus Brüssel, war äußerst schlecht besucht. Das war insofern schade, da die Spezialisten aus Belgien ein spannendes Programm mitgebracht hatten, das keineswegs in barocker Opulenz langatmig wurde. Dafür sorgen allein schon die heute immer noch zu entdeckenden Kompositionen von Jan Dismas Zelenka. Der Kontrabassist der Dresdner Hofkapelle gelangte zwischen den Kapellmeistern Johann David Heinichen und Johann Adolf Hasse eher als emsiger Notenarbeiter denn als berühmter Compositeur zu Ruhm. Sehr zu Unrecht, wie man heute weiß, und wie das Konzert in gleich dreifacher Weise bewies. Denn Zelenka entwickelte neue Formen der katholischen Kirchenmusik; was damals sicherlich modernistisch anmutete, fasziniert heute aufgrund seiner klaren formalen Sprache: Was liegt näher, als einen Miserere-Text als große Litanei über den immer gleichen Bass-Vers "Miserere mei Deus" anzulegen? Oder ein "De Profundis" ("Aus der Tiefe") mit drei Solo-Bässen beginnen zu lassen? Oder den Solobass quasi als Moderator durch die Requiem-Sequenz zu führen? Kurzweiliger und faszinierender kann Barockmusik kaum sein, noch dazu staunt man über rasant kurze Accompagnati und Chorsätze, die die textliche Aussage in der notwendigen Schärfe auf den Punkt bringen. Eine solche Musik braucht indes Kenner für die Ausschöpfung der zahlreichen Besonderheiten der Partituren. Kundig und gut vorbereitet spielte das Orchester "Il Fondamento" aus Brüssel unter der Leitung von Paul Dombrecht, der dem Klang zu idealer Verschmelzung verhalf, lediglich die Posaunen waren im Requiem nur schwach zu bemerken. Die Aufführung der drei geistlichen Werke war nicht immer perfekt (das wäre für die temperamentvolle Musik auch ein eher schlechtes Zeichen), aber sie war von einer respektvollen Grundhaltung gekennzeichnet, die den weichen Schönklang der alten Instrumente hervorrief. Nicht ganz zufrieden konnte man mit dem flämischen Rundfunkchor sein, der in 17köpfiger Besetzungsstärke angetreten war, was dann für manche durch Zelenkas atemberaubende Harmonik ausgelöste Dramatik dann doch manchmal zu dünn, in den Bässen auch zu hart klang. Die Textflut des Miserere wurde von Dombrecht nicht immer differenziert genug bearbeitet, in allen drei Werken fehlte öfters eine genaue dynamische Zuordnung vor allem in Entwicklungen. Die plötzlichen a-cappella-Passagen im Requiem gelangen hingegen großartig. Ein internationales Solistenquartett bereicherte die Aufführung - vor allem die Sopranistin Miriam Allen und der Bass André Morsch konnten mit einer sehr ansprechenden, sauberen Interpretation ihrer Solopartien überzeugen. Der Altus Clint van der Linde bot ebenso eine solide Leistung, Robert Getchells blasse Tenorstimme konnte mit der Qualität dieser Aufführung allerdings nicht mithalten. Insgesamt war dies ein vielfältig interessantes Konzert, bei der in der schwierigen Frauenkirchen-Akustik viel Engagement für Zelenkas spannende Musik gezeigt wurde.

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