Montag, 27. November 2006

Tristanvorspiel

Eigentlich müßte man noch ein Leben haben, um von allen seinen Lieblingswerken die Interpretationen zu finden, die einem am meisten zusagen, das heißt, am nächsten an "mir" bzw. meiner persönlichen Empfindung des Werkes dran sind. Heute habe ich versucht, eine mir angenehme Aufnahme des Vorspiels von "Tristan und Isolde" zu finden. Ich hatte nicht allzuviel Zeit, daher gab es nur 4 CDs zur Auswahl. Leider fielen davon drei sofort heraus: Jeffrey Tate und Mariss Jansons wegen mangelhafter Intonation und Phrasierung im Orchester (bei Jansons ein regelrechtes Schwimmfest, was Ansatz und Tonlängen der Streicher angeht). Yakov Kreizberg interpretiert genau so, wie es das Foto auf dem Cover zeigt: mit Faust statt mit Sensibilität. Dazu wählt er Tempi, die den kompletten Tristan auf 10h anwachsen lassen müßten - aber gottlob ist nach einer knappen Viertelstunde seine Auswalzung des Vorspiels vorbei... - die vierte CD war Claudio Abbado - die erste Aufnahme, die ich musikalisch verstand. Irgendwie aber immer noch zu kühl, zu risikolos, außerdem werden für den HiFi-Freund bei der DGG die Bässe ordentlich hochgefahren, sodass ich beim Höhepunkt nur noch Kadenzfunktionen vorm geistigen Auge habe anstelle eines Liebestodes.

Ich komme nach Hause, denke "naja, hörste doch nochmal die alte Platte...." Und siehe da, die ganze Hörerei im Laden war ziemlich für die Katz. Klangqualität, Tempi, Phrasierung - bis ins letzte Detail reißt einen der "Tristan" von Karl Böhm auch 40 Jahre nach der Produktion noch mit. Qualität ist zeitlos. Die Nilsson sowieso.

Kontrastreicher Dialog zwischen Leipzig und Litauen

Porträt von Bernd Franke und Mindaugas Urbaitis im Blockhaus

Eigentlich könnte das "binationale Gesprächskonzert" in der Sächsischen Akademie der Künste Vorbild für ähnliche Veranstaltungen mit zeitgenössischer Musik sein. In der schon im letzten Jahr begonnenen Reihe stellt sich ein Komponist der Akademie mit einem Werk vor und bringt einen weiteren Komponisten mit, dessen Musik Ansatzpunkt für einen Dialog bildet. So entsteht eine Stunde Musik, dazu lernt man die Komponisten kennen, erfährt im Podiumsgespräch (moderiert von Dr. Jörn-Peter Hiekel) Details aus der Werkstatt oder auch Gedanken zur Gesellschaft und zur Kunst, die die Tonschöpfer aktuell bewegen. Am Mittwoch stellten sich im Blockhaus der Leipziger Komponist Bernd Franke und der litauische Komponist Mindaugas Urbaitis mit jeweils einem Streichquartett vor. Erschreckend war dabei, wie wenig wir vom reichhaltigen Musikleben Litauens kennen: der Namensgeber der Interpreten, Mikolajus Constantinas Ciurlionis, ist zumindest im Osten der Republik noch ein Begriff. Die Verbreitung und auch die spezielle Faktur der Musik ist historisch begründet; Mindaugas Urbaitis betonte im Gespräch den Wendepunkt, der bei vielen osteuropäischen Komponisten Mitte der 70er-Jahre im OEuvre zu beobachten ist. Bernd Franke erinnerte außerdem an die "singende Revolution" im Baltikum - lebendige Musik als Zeichen von Identität und Heimat wird dort anders gepflegt als hierzulande. Die Hinwendung zu minimalistischer beziehungsweise reduktiver Musik ist in Litauen dagegen nicht nur mit Begeisterung für Amerika zu erklären, sondern liegt sogar in der eigenen Volksmusik begründet. So war Urbaitis' "Quartetto per archi" auch ein Stück, dass mit wenig Material vor allem bewegte Flächen erzeugte. Die schwebende Atmosphäre wurde vom Ciurlionisquartett aus Vilnius treffend widergegeben. Einen starken Kontrast bildete das uraufgeführte Quartett "The way down is the way up" von Bernd Franke, dennoch gab es eine Gemeinsamkeit in der Bearbeitung der "musikalischen Freiheit" innerhalb einer Partitur. Franke gestaltete in sechs knappen Sätzen deutliche Pole zwischen gestauter Energie und frei fließenden Gedanken. Auch dieses Werk interpretierten die litauischen Musiker mit großem Engagement und einer hohen Spielkultur. Die insgesamt gelungen zu nennende Konzertform ist in zwei Punkten noch verbesserungswürdig: wenn die Hochschule für Musik als Kooperationspartner annonciert ist, wundert man sich (auch in anderen Konzerten in der Stadt) stark, wo denn die Studenten überhaupt sind. Das Konzert vermittelte neue Musik auf angenehme, lockere Weise, außerdem wäre Kontakt zu Interpreten und Komponisten möglich - somit entgangene Chancen. Der zweite Fakt ist ebenfalls oft beobachtet: in Gesprächskonzerten schweigt das Publikum beharrlich, obwohl sich jeder seine Gedanken macht. Das ist nicht zuletzt für die Komponisten schade, für die das Feedback zumeist eine wichtige Grundlage der Arbeit bedeutet.

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