Hoftanz, Feuerzauber und Lustbarkeiten
Wiederaufführung der "Vier Jahreszeiten" von Johann Christoph Schmidt im Großen Garten
Für den an der Dresdner Stadtgeschichte interessierten Bürger halten die hiesigen Museen und historischen Bauten eine Fülle von Material bereit, doch vor Schaukästen und Tafeln stehend muss man die Imagination bemühen. Das höfische Zeitalter in Dresden jedoch unmittelbar nachzuempfinden war bisher in zweifelhafter Weise etwa mit barock verkleideten Touristenführern möglich. Im Rahmen des Stadtjubiläums wurde mit vereinten Kräften nun eine Begebenheit aus dem 18. Jahrhundert plastisch und mit dem Willen zur Authentizität aufgeführt: Anlässlich der Trauung von Maria Josepha und Kurprinz Friedrich August II. im August 1719 fanden in Dresden Festivitäten statt, zu welchen die Aufführung des Divertissements "Les Quatre Saisons" des damaligen Hofkapellmeisters Johann Christoph Schmidt (1664-1728) im Großen Garten zählte. Am Samstagabend fand ebenda die Wiederaufführung statt. Während Barockopern italienischer Prägung heutzutage allerorten präsentiert werden, sind die an französischen Vorbildern orientierten "Opéra-Ballets" eher selten auf den Bühnen zu finden, schon gar nicht in einer solch galant-vornehmen Lesart, wie der des Choreographen Ingolf Collmar. Im ausverkauften Palais geriet die Wiederaufführung zu einer Demonstration höfischer Lebensart weit über die Bühnenhandlung hinaus. Der Raum verschmolz mit dem Werk, theatralische Lustbarkeit in der Pause gehörte ebenso dazu wie ein wahrhaft barockes Bodenfeuerwerk - belegt ist, dass auch 1719 im Großen Garten Feuerzauber entfacht wurde. Selbiger drang auch aus dem Orchestergraben. Unter Leitung von Ludger Rémy spielte das Orchester "Les Amis de Philippe" eine zupackende, aufführungspraktisch äußerst kundige und spannungsgeladene Interpretation einer Musik, die ich kaum einem deutschen Komponisten damaliger Zeit zugetraut hätte - Rameau und Lully lugten hier stark durch die Partitur, damit zeigte diese Aufführung nachdrücklich die Verbindungen zu Versailles. Einfühlen muss sich der Zuhörer auch in die handlungslose, kontinuierliche Huldigung, die in Gesang und Tanz von der Bühne schwebt: die Jahreszeiten und Götter erscheinen in persona und verkünden ausschließlich gute Laune und Feststimmung. Constanze Backes war da als Venus/Flora eine Idealbesetzung und sang mit betörender Natürlichkeit. Ebenso angenehm wirkte Christine Maria Rembeck, während bei den Herren nur Egbert Junghanns vor allem in seiner Rolle als "Winter" glänzte, Reinaldo Dopp, Henning Klocke und Christopher Jung blieben stimmlich blass und konnten den Anforderungen der Partitur nicht durchweg gerecht werden. Souverän meisterte ein kleiner Chor (Einstudierung: Tobias Mäthger) die jeweiligen Schlusssequenzen der Partien. In der Regie von Ingolf Collmar waren besonders die originalgetreu rekonstruierten Tänze spannend, die Mitglieder des Dresdner Hoftanzes e.V. repräsentierten auf der Bühne das sächsische Volk. Nach der rundum gelungenen Aufführung rieb man sich verwundert die Augen und brauchte erst einmal eine Weile, um die 287 Jahre "zurück" in die Gegenwart zu bewältigen.
Für den an der Dresdner Stadtgeschichte interessierten Bürger halten die hiesigen Museen und historischen Bauten eine Fülle von Material bereit, doch vor Schaukästen und Tafeln stehend muss man die Imagination bemühen. Das höfische Zeitalter in Dresden jedoch unmittelbar nachzuempfinden war bisher in zweifelhafter Weise etwa mit barock verkleideten Touristenführern möglich. Im Rahmen des Stadtjubiläums wurde mit vereinten Kräften nun eine Begebenheit aus dem 18. Jahrhundert plastisch und mit dem Willen zur Authentizität aufgeführt: Anlässlich der Trauung von Maria Josepha und Kurprinz Friedrich August II. im August 1719 fanden in Dresden Festivitäten statt, zu welchen die Aufführung des Divertissements "Les Quatre Saisons" des damaligen Hofkapellmeisters Johann Christoph Schmidt (1664-1728) im Großen Garten zählte. Am Samstagabend fand ebenda die Wiederaufführung statt. Während Barockopern italienischer Prägung heutzutage allerorten präsentiert werden, sind die an französischen Vorbildern orientierten "Opéra-Ballets" eher selten auf den Bühnen zu finden, schon gar nicht in einer solch galant-vornehmen Lesart, wie der des Choreographen Ingolf Collmar. Im ausverkauften Palais geriet die Wiederaufführung zu einer Demonstration höfischer Lebensart weit über die Bühnenhandlung hinaus. Der Raum verschmolz mit dem Werk, theatralische Lustbarkeit in der Pause gehörte ebenso dazu wie ein wahrhaft barockes Bodenfeuerwerk - belegt ist, dass auch 1719 im Großen Garten Feuerzauber entfacht wurde. Selbiger drang auch aus dem Orchestergraben. Unter Leitung von Ludger Rémy spielte das Orchester "Les Amis de Philippe" eine zupackende, aufführungspraktisch äußerst kundige und spannungsgeladene Interpretation einer Musik, die ich kaum einem deutschen Komponisten damaliger Zeit zugetraut hätte - Rameau und Lully lugten hier stark durch die Partitur, damit zeigte diese Aufführung nachdrücklich die Verbindungen zu Versailles. Einfühlen muss sich der Zuhörer auch in die handlungslose, kontinuierliche Huldigung, die in Gesang und Tanz von der Bühne schwebt: die Jahreszeiten und Götter erscheinen in persona und verkünden ausschließlich gute Laune und Feststimmung. Constanze Backes war da als Venus/Flora eine Idealbesetzung und sang mit betörender Natürlichkeit. Ebenso angenehm wirkte Christine Maria Rembeck, während bei den Herren nur Egbert Junghanns vor allem in seiner Rolle als "Winter" glänzte, Reinaldo Dopp, Henning Klocke und Christopher Jung blieben stimmlich blass und konnten den Anforderungen der Partitur nicht durchweg gerecht werden. Souverän meisterte ein kleiner Chor (Einstudierung: Tobias Mäthger) die jeweiligen Schlusssequenzen der Partien. In der Regie von Ingolf Collmar waren besonders die originalgetreu rekonstruierten Tänze spannend, die Mitglieder des Dresdner Hoftanzes e.V. repräsentierten auf der Bühne das sächsische Volk. Nach der rundum gelungenen Aufführung rieb man sich verwundert die Augen und brauchte erst einmal eine Weile, um die 287 Jahre "zurück" in die Gegenwart zu bewältigen.
Rezensionen mehrLicht - 11. Sep, 09:59
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