Mittwoch, 31. März 2010

Faszinierende Leuchtkraft

Edward Elgars "The Dream of Gerontius" im Palmsonntagskonzert der Staatskapelle

In langer Tradition stehen die Palmsonntagskonzerte der Sächsischen Staatskapelle. Der Sonntag vor Ostern leitet die Karwoche ein - das Sinfoniekonzert an diesem Tag ist aus diesem Grund mit einem besonderen Programm bedacht. Dass Edward Elgars Oratorium "The Dream of Gerontius" erst jetzt zu diesem Anlass Eingang in die Kapellkonzerte findet, verwundert schon fast, denn just dieses Werk scheint besonders geeignet, sich mit der Thematik von Leid, Sterben und Erlösung intensiv auseinanderzusetzen. Elgar tat dies vor rund 110 Jahren - auf die Worte des Theologen John Henry Newman komponierte er ein abendfüllendes Oratorium, dessen musikalisch spätromantische Grundhaltung bei der Staatskapelle bestens aufgehoben war. Mit dem Ehrendirigenten Sir Colin Davis am Pult des Orchesters war zudem die Garantie für eine höchst kompetente und eindringliche Interpretation gegeben. Gleich das Vorspiel enthüllte eine melancholisch-ernste Gedankenwelt, die Davis mit dem Orchester wunderbar ausmusizierte. Immer wieder waren es im Oratorium die großen Bögen und Steigerungen, die von faszinierender Leuchtkraft waren und von Davis aus großer Ruhe und immer dem musikalischen Fluß nachgebend, gestaltet wurden. Dabei stellt Elgar vor allem den Chor vor große Aufgaben. Angesichts der puren Textmenge, die dem Publikum zu vermitteln ist, hat Pablo Assante mit dem Staatsopernchor eine große Leistung vollbracht. Weniger die perfekte Deklamation des englischen Textes zählte, denn eine verstehende Klangkultur. Damit lag auch Davis auf der richtigen Spur, denn die vielen Preisungen müssen nicht Wort für Wort zu verstehen sein, doch die Ausdruckshaltung der Erlösung oder die Atmosphäre eines Fegefeuers, das sollte über die Bühnenrampe gehen - diese Aufgabe löste der Chor meisterlich, ebenso in a-cappella-Passagen, Fugen und kleiner besetzten Halbchören, deren intonatorische Gefährlichkeiten nicht zu unterschätzen sind. Hochrangig besetzt war das Solistentrio: die umfangreiche Tenorpartie des Gerontius bewältigte der Amerikaner Paul Groves mit zunehmender Leichtigkeit der Stimme und einer enorm differenzierten Charakterisierung zwischen Rezitativen und frei schwingenden ariosen Passagen. Sarah Connolly (Mezzo) zeichnete einen Engel jenseits menschlicher Leidenschaften: Zartheit und Entschlossenheit gingen hier eine harmonische Verbindung ein. John Relyea (Bass) als Todesengel und Priester besaß zwar ein volltönendes Organ, wusste aber außer einem recht lärmenden Grundton kaum sinnvolle Gestaltung dieses enormen Materials einzusetzen. Am Ende schaffte es Sir Colin Davis, die auskomponierte Unruhe der Seele durch den samtenen Klang der Kapelle in einen ungeheuer trostvollen Abschluss münden zu lassen, dessen finaler D-Dur-Akkord der gereinigten Seele endlichen Frieden bescherte. Die Wirkung dieses großartigen Werkes ist ungebrochen und wurde durch eine hervorragende Aufführung bestätigt.

Trackback URL:
https://mehrlicht.twoday.net/stories/6268274/modTrackback

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Was rundes auf 2D ziehen
Mercator projection: a simple analogy pic.twitter.com/BoAQHKpicX —...
Kreidler - 21. Apr, 05:35
Passfarben
Was da wohl für eine Psychologie dahintersteckt. Colors...
Kreidler - 20. Apr, 05:34
Niedergang auf dem Buchrücken
The expressive design of the 1946 edition of Gibbon's...
Kreidler - 19. Apr, 05:34
Rhythmen aus alten Zeiten
Zürich HB Flap (at MuDA)2016(Sound on!) pic.twitter.com/wZWdRI6AaP —...
Kreidler - 18. Apr, 05:33
Origamitanz
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram...
Kreidler - 17. Apr, 05:04
Vom Glasstapel
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram...
Kreidler - 16. Apr, 05:04

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 6699 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren