Donnerstag, 16. September 2010

Von der Baracke ins Schloss

Festkonzert in der neuen Aula des Landesgymnasiums für Musik

Einige Superlative sind schon angebracht, wenn es gilt einen Um- und Neubau zu feiern, der höchsten Ansprüchen gerecht wird. Ob das im Falle des Landesgymnasiums für Musik "Carl Maria von Weber" so sein wird, wird der laufende Betrieb zeigen. Für die Arbeits-, Lern- und Übebedingungen der musikalischen Schüler jedenfalls wurde im Vorhinein alles getan, um nicht nur Leistungen und Ergebnisse zu erzeugen, sondern einen Ort hervorzubringen, so Schulleiter Mario Zecher, an dem die Schüler sich gerne aufhalten, sich wohlfühlen.

Nur aus dieser Atmosphäre heraus kann in der Musik wie im Gymnasium kreative und gemeinschaftliche Arbeit entstehen. Dabei war vermutlich jegliche Steigerung der Bedingungen willkommen, denn das alte Schulgebäude stand auch für eine Schulform, die hoffentlich immer mehr der Vergangenheit angehören wird, so die Träger und Förderer Einsicht zeigen. Im Schülermund ist man "von der Baracke in Schloss" gezogen (das Internet-Kartenwerk google-maps hat den Umzug übrigens noch nicht mitbekommen...) - letztlich zieht das Landesgymnasium nun mit den künstlerischen Hochschulen in Dresden gleich, die ebenfalls in den letzten Jahren große Anstrengungen in dieser Hinsicht unternommen haben.

Drei Tage lang nun wurde das neue Gebäude an der Kretschmerstraße, das Haus des ehemaligen Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium festlich eingeweiht. Am Sonntag beteiligte sich die Schule zudem am "Tag des offenen Denkmals" und wurde von reichlich Besuchern bevölkert. Neben Kantine, Übe- und Schulräumen entstand innerhalb des Altbaus die Aula neu, deren Inneres mit einer optisch gelungenen architektonische Mischung aus einem, modernen, funktionalem Konzertsaal und eben der Altbausubstanz mit den großen Fenstern zum Garten hin aufwartet. Neben den technischen Möglichkeiten, von Zeugnisverleihung über Orchesterproben (dafür kann man die Fenster noch mit ausfahrbaren Wänden verkleiden) bis hin zum voll bestuhlten Kammermusikkonzert ist vieles möglich.

Zwei Festkonzerte boten Gelegenheit zur musikalischen "Inbetriebnahme" und natürlich für die geladenen Gäste auch jede Menge Unterhaltung und einen Querschnitt durch das Angebot der Schule. So zeigten sich im Konzert am Sonntag Schüler, Lehrer und Ehemalige vom Solo bis hin zum Kammerensemble, von Mozart bis hin zu Jazz. Dem Geiger Florian Mayer blieb es vorbehalten, den - auch musikalisch virtuos in Erscheinung tretenden - Conferencier zu mimen, Katja Erfurth begleitete ihn mit tänzerischen, aphoristischen Erkundungen des Bühnenraumes. Wolfgang Hentrich und Heike Janicke, Konzertmeister der Dresdner Philharmonie, gaben sich ebenso die Ehre wie Camillo Radicke und Gunther Anger, letzterer mit familiärem Anhang am Cello. Akustisch ist die Aula mit wenigen Wandeinzügen und einer neuen Deckengestaltung als gelungen zu bezeichnen; der Klang ist direkt, aber niemals scharf, sondern eher abgerundet und in den hinteren Reihen etwas gedeckt. So läßt sich gleichermaßen Bläser- und Streichermusik in interpretatorischer Breite aufführen, ohne dass Interpreten zu aufwändig Klang erzeugen müssten. Auch der Klavierklang trägt im Raum exzellent, ohne dass man eine Höhen- oder Tiefenbevorzugung empfindet.

Im Gesamteindruck glich das Konzert weniger einer Leistungsschau der Eleven als vielmehr einem bunten Begrüßungsstrauss, bei welchem sich Korngold und Mozart, Esbjörn Svensson und Luciano Berio die Hand reichten. Von letzterem erklangen die erfrischenden "Folk Songs" und da bereits Florian Mayer in der Moderation prophezeite, was heute in der Zeitung stünde, hier auch stellvertretend für alle engagierten Protagonisten die Namen der Interpreten, "die man sich merken muss": Anne Petzsch (Sopran), Klara Penkert (Flöten), Christian Wettin (Klarinette), Alice Ludewig (Harfe), Sebastian Dietrich (Viola), Daniel Thiele (a. G., Cello), Toni Hartung und Johannes Graner (Schlagzeug).

Größe und Geschenk der Werke

Beethoven, Janáček und Sibelius im 2. Kapellkonzert

Wer die Klaviermusik von Mozart liebt, kommt an dieser Dame nicht vorbei. Wer Schönberg liebt, erst recht nicht. Mitsuko Uchida ist seit Jahren anerkannte und gefeierte Interpretin dieser Komponisten, aber ihr Repertoire geht weit darüber hinaus. Die Flexibilität dieser Künstlerin und ihre Aufrichtigkeit beim Herangehen an die Partituren erzeugen immer wieder hochklassige, spannende Interpretationen. Auch bei ihrem Gastspiel bei der Staatskapelle Dresden im 2. Sinfoniekonzert war das der Fall und wurde vom Publikum mit lauten Bravos bedacht.

Die Darstellung des 1. Klavierkonzertes C-Dur von Ludwig van Beethoven war von unglaublicher Reife und Souveränität, Uchida reizte die Farbpalette des Klaviers, wie sie Beethoven um 1800 nutzte, voll aus und präsentierte sowohl schlanke Verspieltheit als auch grimmigen Ernst und im 2. Satz ein zauberhaftes Largo, das immer im Melodiefluss blieb und so nicht in romantische Missdeutung abglitt. Gleiches gilt für das Orchester, dem der Ehrendirigent der Kapelle, Sir Colin Davis, nicht nur genaues Spiel abverlangte, sondern das mit Uchida eine glänzende Partnerschaft einging, dies war schon in der Exposition des 1. Satzes spürbar. Virtuosität ist bei Uchida keine Zurschaustellung, sondern pure Demonstration von Sinnlichkeit des Anschlages und dem Fortgang der Komposition. So blieb immer Beethoven gewahrt und man wähnte sich in der Betrachtung eines facettenreichen Bildes - Uchida brach so eine Lanze für den frühen, bereits genialen Meister, ohne ihm seine Eigenheiten zu nehmen.

Bestens aufgelegt ging die Staatskapelle auch in den zweiten Teil des Konzertes, der mit einem besonderen Programm aufwartete. Es ist eine interessante Erfahrung, dass Partituren von Leoš Janáček und Jean Sibelius über 80 Jahre nach der Entstehung immer noch Staunen verursachen. Die Kopplung beider Komponisten ist sinnfällig und erhellt spannende Zusammenhänge in der Übergangsphase zwischen Romantik und Moderne. So eindeutig, wie Richard Strauss über Heldentaten und Alpenwanderungen phantasierte, begegnet einem diese Musik jedoch nicht, und trotz des brennenden Feuers, das Sir Colin Davis in der Rhapsodie "Taras Bulba" entfachte, konnte das Sonntagspublikum für das Schlachtengemälde kaum Begeisterung aufbringen. Davis wählte forsche Tempi und scharfe Akzentuierung der Motivik, so dass alle drei Teile stets dramatisch blieben, fand aber auch die Ruhe und rhythmische Basis für die tänzerischen und melodischen Elemente, die auch in zahlreichen solistischen Passagen gut gestaltet waren.

Für die Aufführung von Jean Sibelius letztem vollendeten Orchesterwerk, der sinfonischen Dichtung "Tapiola" Opus 112 sollte man ebenfalls dankbar sein, zumal Davis als ausgezeichneter Kenner dieser Musik exemplarisch den großen Atem der Musik zeichnete und immer wieder die Weite und das Volumen dieser Musik fast dreidimensional ausformte. Transparent ausgehörte Harmonik und intensiv angelegte Steigerungen machten dieses Naturgemälde äußerst plastisch. Die Größe und das Geschenk dieser Werke zu vermitteln, daran liegt Davis spürbar am Herzen - ohne Janáček und Sibelius wären viele Entwicklungen der Musik im 20. Jahrhundert völlig undenkbar.

Es ist ungewöhnlich, darauf hinzuweisen, aber dieses Konzert war ein wichtiger Schritt, um dieses Verständnis zu fördern und zu begreifen, dass auch abseits der bekannten sinfonischen Pfade musikalische Delikatessen zu finden sind.

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