Zwischen Tradition und Avantgarde
Ravel und Strawinsky im 2. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie
Auf das Musikleben von Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts richtete sich der musikalische Fokus des 2. Zykluskonzertes der Dresdner Philharmonie, und mit Maurice Ravel und Igor Strawinsky standen zwei Komponisten auf dem Programm, die beide auf ihre eigene Weise für die radikale Fortentwicklung der Musik zu dieser Zeit standen und doch die musikalischen Traditionen ihrer Heimat selbstverständlich einbezogen. Es gab sogar eine Zusammenarbeit beider Komponisten: für die "Ballets Russes" sollte Mussorgskys Oper "Chowantschtschina" neu gefasst werden, doch die Partitur scheint verschollen. 1912 führte Diaghilews Ballett Ravels "Daphnis & Chloé" auf, ein Jahr später kam es zu der Skandalaufführung des "Sacre" von Igor Strawinsky. Aus dieser bewegten Zeit stellten die Philharmoniker ein abwechslungsreiches Programm zusammen - die vielen Facetten beider Komponisten passen eh kaum in ein einzelnes Konzert. Zumindest das Schaffen von Ravel wurde mit zwei orchestrierten Klavierstücken und dem späten Klavierkonzert G-Dur in breiterer Form gewürdigt. Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos stellte zunächst die "Pavane pour une infante défunte" vor, ein ideales Beispiel, wie Ravel mit wenigen ausgesuchten Klängen im Orchester optimale Wirkung erzielt, was leider auch die Klassikradios landauf und landab erkannt haben. Die Philharmoniker überraschten hier mit einer flüssigen Wiedergabe: zum Schwelgen war in diesem Tempo keine Zeit. Das Gegenteil war in der "Alborada del Gracioso" der Fall. Was der Pavane an Ruhe fehlte, ließ in der "Alborada" das spanische Feuer zum Flämmchen geraten. Zwar war die Exaktheit von Frühbeck de Burgos Dirigat bemerkenswert und die Akkuratesse der rhythmischen Figuren nachvollziehbar, es gibt allerdings weitaus emotionalere und auch durchaus wildere Darstellungsoptionen für dieses Werk. Ein Star der Pianistenszene betrat dann das Podium des Kulturpalastes: Yundi Li wird nicht nur in China wie ein Popstar verehrt, auch die westliche Welt, namentlich die Plattenfirmen kümmern sich rührend um diesen Wunderpianisten, der vor allem mit Interpretationen von Chopin und Liszt von sich reden macht. Maurice Ravels Klavierkonzert erschien ihm eher eine leichte Übung zu sein. Brillanz und Spielwitz schüttelte Li sprichwörtlich aus dem Handgelenk und überraschte mit einem auch im Mittelteil leise gestalteten 2. Satz, was in jedem anderen Konzertsaal ein Wunderklang gewesen wäre. Im Kulturpalast verschwand das Klavier dann leider akustisch hinter dem ebenfalls schon an der unteren Schwelle spielenden Orchester. In den Ecksätzen gestaltete Yundi Li den Solopart überwiegend weich und flüssig. Das kennt man bei diesem frechen Konzert zwar auch anders, doch muss man dem jungen Pianisten die eben nicht gewalttätige, sensible Auseinandersetzung mit dem Konzert hoch anrechnen. Indiskutabel war die Begleitung des Orchesters in den Außensätzen, vermutlich stellte sich deshalb mehr als einmal der Eindruck ein, Frühbeck de Burgos hatte mehr damit zu tun, die Tempobalance und das Zusammenspiel mit den zahlreichen Soloeinwürfen zu koordinieren, als frei und frisch zu interpretieren. Die "Widmung" von Franz Liszt als Zugabe zeigte dann atemberaubende Virtuosität, die im Solospiel ungestüm aufblitzte. Nach der Pause nahm Rafael Frühbeck de Burgos die Philharmoniker mit in den archaischen Sturm des Ballets "Le Sacre du Printemps". Was 1913 zu Schlägereien im Konzertsaal führte, ist schon seit vielen Jahren ein Kultstück auf den Konzertpodien der Welt, nicht zuletzt Simon Rattles Jugendprojekt hat dieser Musik noch einmal ein völlig neues, begeistertes Publikum beschert. Frühbeck de Burgos dirigierte das komplexe Werk auswendig (!) und mit bewundernswertem Tempogefühl. Gefahrenpunkte in der Partitur wurden von ihm sofort in den Griff genommen und "entschärft", sodass der große Philharmonikerapparat bestens ins Spiel kam und sich die rhythmischen Wogen auf sehr natürliche Weise ausbreiteten. Homogen ausbalancierte Stimmgruppen und pointierte Themenausformung kamen als positive Eindrücke hinzu. Frühbeck de Burgos meisterliche Fähigkeit, dieses Werk klar zu strukturieren und jederzeit ruhig und achtsam zu kontrollieren schuf so eine Interpretation, die emotionale Wucht jenseits vom Pathos und filigranes Ausarbeiten in den Orchestergruppen beförderte.
Auf das Musikleben von Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts richtete sich der musikalische Fokus des 2. Zykluskonzertes der Dresdner Philharmonie, und mit Maurice Ravel und Igor Strawinsky standen zwei Komponisten auf dem Programm, die beide auf ihre eigene Weise für die radikale Fortentwicklung der Musik zu dieser Zeit standen und doch die musikalischen Traditionen ihrer Heimat selbstverständlich einbezogen. Es gab sogar eine Zusammenarbeit beider Komponisten: für die "Ballets Russes" sollte Mussorgskys Oper "Chowantschtschina" neu gefasst werden, doch die Partitur scheint verschollen. 1912 führte Diaghilews Ballett Ravels "Daphnis & Chloé" auf, ein Jahr später kam es zu der Skandalaufführung des "Sacre" von Igor Strawinsky. Aus dieser bewegten Zeit stellten die Philharmoniker ein abwechslungsreiches Programm zusammen - die vielen Facetten beider Komponisten passen eh kaum in ein einzelnes Konzert. Zumindest das Schaffen von Ravel wurde mit zwei orchestrierten Klavierstücken und dem späten Klavierkonzert G-Dur in breiterer Form gewürdigt. Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos stellte zunächst die "Pavane pour une infante défunte" vor, ein ideales Beispiel, wie Ravel mit wenigen ausgesuchten Klängen im Orchester optimale Wirkung erzielt, was leider auch die Klassikradios landauf und landab erkannt haben. Die Philharmoniker überraschten hier mit einer flüssigen Wiedergabe: zum Schwelgen war in diesem Tempo keine Zeit. Das Gegenteil war in der "Alborada del Gracioso" der Fall. Was der Pavane an Ruhe fehlte, ließ in der "Alborada" das spanische Feuer zum Flämmchen geraten. Zwar war die Exaktheit von Frühbeck de Burgos Dirigat bemerkenswert und die Akkuratesse der rhythmischen Figuren nachvollziehbar, es gibt allerdings weitaus emotionalere und auch durchaus wildere Darstellungsoptionen für dieses Werk. Ein Star der Pianistenszene betrat dann das Podium des Kulturpalastes: Yundi Li wird nicht nur in China wie ein Popstar verehrt, auch die westliche Welt, namentlich die Plattenfirmen kümmern sich rührend um diesen Wunderpianisten, der vor allem mit Interpretationen von Chopin und Liszt von sich reden macht. Maurice Ravels Klavierkonzert erschien ihm eher eine leichte Übung zu sein. Brillanz und Spielwitz schüttelte Li sprichwörtlich aus dem Handgelenk und überraschte mit einem auch im Mittelteil leise gestalteten 2. Satz, was in jedem anderen Konzertsaal ein Wunderklang gewesen wäre. Im Kulturpalast verschwand das Klavier dann leider akustisch hinter dem ebenfalls schon an der unteren Schwelle spielenden Orchester. In den Ecksätzen gestaltete Yundi Li den Solopart überwiegend weich und flüssig. Das kennt man bei diesem frechen Konzert zwar auch anders, doch muss man dem jungen Pianisten die eben nicht gewalttätige, sensible Auseinandersetzung mit dem Konzert hoch anrechnen. Indiskutabel war die Begleitung des Orchesters in den Außensätzen, vermutlich stellte sich deshalb mehr als einmal der Eindruck ein, Frühbeck de Burgos hatte mehr damit zu tun, die Tempobalance und das Zusammenspiel mit den zahlreichen Soloeinwürfen zu koordinieren, als frei und frisch zu interpretieren. Die "Widmung" von Franz Liszt als Zugabe zeigte dann atemberaubende Virtuosität, die im Solospiel ungestüm aufblitzte. Nach der Pause nahm Rafael Frühbeck de Burgos die Philharmoniker mit in den archaischen Sturm des Ballets "Le Sacre du Printemps". Was 1913 zu Schlägereien im Konzertsaal führte, ist schon seit vielen Jahren ein Kultstück auf den Konzertpodien der Welt, nicht zuletzt Simon Rattles Jugendprojekt hat dieser Musik noch einmal ein völlig neues, begeistertes Publikum beschert. Frühbeck de Burgos dirigierte das komplexe Werk auswendig (!) und mit bewundernswertem Tempogefühl. Gefahrenpunkte in der Partitur wurden von ihm sofort in den Griff genommen und "entschärft", sodass der große Philharmonikerapparat bestens ins Spiel kam und sich die rhythmischen Wogen auf sehr natürliche Weise ausbreiteten. Homogen ausbalancierte Stimmgruppen und pointierte Themenausformung kamen als positive Eindrücke hinzu. Frühbeck de Burgos meisterliche Fähigkeit, dieses Werk klar zu strukturieren und jederzeit ruhig und achtsam zu kontrollieren schuf so eine Interpretation, die emotionale Wucht jenseits vom Pathos und filigranes Ausarbeiten in den Orchestergruppen beförderte.
Rezensionen mehrLicht - 29. Okt, 10:35
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