Sonntag, 28. Februar 2016

Teuflisch gut.

Paganini mit Violine und Gitarre bei den Meisterkonzerten Albrechtsberg

Es ist sicherlich eine Betrachtung wert, wenn man feststellt, dass bestimmte Instrumente eher selten den Weg auf das klassische Konzertpodium finden. Dann aber ist meistens um so erstaunter, was Komponisten und Virtuosen dieser Instrumente für außergewöhnliche Klangwelten zu erzeugen imstande waren und sind.

Für die Gitarre gilt dies in besonderer Weise, schwankt doch ihre Präsenz im Konzertsaal je nach musikalischer Epoche, aber auch in den verschiedenen Kulturkreisen wurde sie mit unterschiedlicher Vorliebe behandelt: in Spanien etwa ist sie in der Kunstmusik nicht wegzudenken, im deutschen Kulturraum gilt sie eher noch als das jedem zugängliche Volksinstrument. Gitarre spielen kann jeder? Das wird sich vielleicht auch der eine oder andere Konzerthörer beim Meisterkonzert im Schloss Albrechtsberg kurz vor dem Beginn gedacht haben, aber spätestens bei den ersten sorgsam erzeugten Tönen des Finnen Ismo Eskelinen war klar, dass hier ein Meister auf dem Podium sitzt.

Denn mit einer großen Auswahl von Werken des Teufelsgeigers - und, wie man am Mittwoch auch lernen konnte, auch Teufelsgitarristen - Niccoló Paganini war eine weitgehend unbekannte Literatur präsentiert, die auch nach dem fünften Stück noch nicht langweilig wurde, weil die zuweilen ausufernd-rhapsodische Komponierweise Paganinis für gehörig Abwechslung sorgte. Da hatte die Duopartnerin Mira Wang an der Violine mal ganz in der bekannten Weise die hochvirtuose Führungsstimme zu übernehmen, in der "Romanze" aus der Grand Sonata hingegen war es umgekehrt: Getupftes von der Violine untermalte einen von sehnsuchtsvoll tönender Ornamentik nahezu überquellenden Gitarrenpart.

Eskelinen ging diese vornehmlich leisen, sensiblen Töne seines Instrumentes mit viel Besonnenheit an und so konnte man sich auf feinste Klangnuancen konzentrieren, auf den Atem der Musik, den beide im Duo in faszinierender Weise immer wieder neu entwickelten. So kam auch gut heraus, dass Paganinis Stücke manchmal arg zwischen den Stühlen stehen: hier und da findet man noch Alberti-Bässe der Wiener Klassik, doch vor allem die langsamen Sätze seiner Sonaten weisen weit in die Romantik und haben singenden Charakter. Solistisch trat das Duo ebenfalls hervor: Eugène Ysayes fünfte Solosonate mit dem wunderbaren "L'Aurore" als erstem Satz ließ in Mira Wangs kompetenter, klangsatter Interpretation alle Farben eines Tagesanbruchs aufleuchten.

Ismo Eskelinen zeigte im Solospiel mit zwei Bearbeitungen von Manuel de Falla und Isaac Albéniz spanisches Temperament, das aber in seinen Händen so liebevoll und gleichzeitig mit stolzer Haltung geformt war, dass man die Grazie und Noblesse des Flamencos darin wiederentdecken durfte - wahrlich ein meisterliches, die Sinne anregendes Konzert.
(18.2.2016)

Musikalische Stimmungen zum Gedenken

Konzert zum 13. Februar der Dresdner Philharmonie in der Kreuzkirche

Zum Dresdner Gedenktag am 13. Februar steht ernste Musik auf den Programmen der Orchester, und bei Vokalkonzerten lauscht man zumeist einem Requiem oder einer Messvertonung. Michael Sanderling, Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, hat in den letzten beiden Jahren mit Aufführungen der 8. und 11. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch diese Tradition zwar nicht aufgebrochen, aber sinnfällig um einige Bezüge erweitert - die direkte Nachvollziehbarkeit von Ereignis und Gedenken wurde eingebettet in ein großräumig angelegtes, humanistisches Feld.

Gedanken zum Gedenken - so könnte man auch die durchaus anspruchsvolle Dramaturgie des diesjährigen Konzertprogrammes umschreiben, denn auf den ersten Blick fällt nicht auf, was die Komponisten Samuel Barber, Peteris Vasks oder Herbert Howells mit dem Dresdner Gedenktag verbindet. Offenkundig schien diesmal eine eher lose Verbindung, die auf dem Erzeugen musikalischer Stimmungen beruhte, im Vordergrund zu stehen. Samuel Barbers berühmtes "Adagio" erzeugt nüchtern betrachtet allein durch seine harmonische Anlage die melancholisch-traurige Emotion. Leider ist dieses Werk schon in seiner Rezeption bekannt dafür, für alle möglichen Gelegenheiten ernster Natur herzuhalten ohne selbst über den Gefühlsfaktor hinaus wirkende, tiefergehende musikalische Aspekte bereitzuhalten.

Von der Orgelempore der Kreuzkirche hinabtönend hatte der Philharmonische Chor unter Leitung von Gunter Berger den Pathos im Zaum und bemühte sich um eine klangschöne Interpretation der Chorfassung des Adagios im recht zügigen Tempo, womit einige Schwierigkeiten des Stückes galant umschifft wurden. Das Hauptwerk des rund eine Stunde währenden Konzertes war das 1939 entstandene Violinkonzert von Benjamin Britten, das selten auf den Podien erklingt, wohl weil es von Solisten einigermaßen gefürchtet ist. Mit einer so souveränen Solistin wie Sophia Jaffé jedoch gelang noch weitaus mehr als die pure Bewältigung des hochvirtuosen und gleichzeitig hochemotionalen Soloparts: sie animierte die Philharmoniker und Michael Sanderling zu rhythmisch pointiertem Spiel und bot eine jederzeit zielgerichtete, atmende Phrasierung an, hier folgte man als Zuhörer gerne der spannungsgeladenen Interpretation.

Ähnlich wie Brittens 3-jährigen USA-Aufenthalt 1939-1942 nicht wirklich als Exil bezeichnen mag, reduzierte sich die Auseinandersetzung mit Herbert Howells Orgelrhapsodie Nr. 3, auf die Information, er habe das Stück "in einer Nacht während des Ersten Weltkrieges in York geschrieben". Aus der spätromantisch empfundenen Musik sprach kaum existenziell Erfahrbares, das übersichtlich-differenzierte Spiel von Kreuzorganist Holger Gehring gefiel dennoch. Schließlich fand sich der Philharmonische Chor im Altarraum bei den Philharmonikern ein, um abschließend Peteris Vasks "Dona Nobis Pacem" (1997) zu musizieren.

Es ist wie Barbers Adagio ein in diatonischen Welten reisendes Werk von innigem Gefühl, das (ausschließlich) mit Melos arbeitet, aber in dieser Reduktion der Mittel kaum eine Wirkung erreicht, die man nicht anders schon sehr viel intensiver erlebt hätte - der Hinweis auf Schostakowitschs langsame Sätze sei hier erneut erlaubt. Gunter Berger hatte aber erneut mit einer fließenden, die Homogenität fördernden Lesart großen Anteil daran, dass man gerne zuhören mochte und die Friedensbitte des Werkes letztlich zu einem wichtigen, zeitlosen Dokument wurde, mit dem jeder im Raum persönliche Gedanken, Erinnerungen und Wünsche verband.
(15.2.2016)

Lohnender Aufwand

Arthur Honeggers "Jeanne d'Arc au bucher" halbszenisch bei der Philharmonie im Albertinum

Es gilt als eines der wichtigsten Oratorien des 20. Jahrhunderts und sicher als ein Schlüsselwerk im Schaffen des Schweizer Komponisten Arthur Honegger (1892-1955), der ansonsten eher durch seine Sinfonien und vor allem das Orchesterstück "Pacific 231" bekannt wurde: das Oratorium "Jeanne d'Arc au bucher", uraufgeführt 1938 in Basel, behandelt die Geschichte der auch als Jungfrau von Orléans bekannten Nationalheldin Frankreichs, die 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Die halbszenische Aufführung der Dresdner Philharmonie im Albertinum geriet zu einem Höhepunkt der laufenden Konzertsaison, und dies nicht nur wegen des enormen Aufwandes und der Anforderungen, die Honegger an seine Ausführenden stellt.

Ein sehr großes Orchester, mit Klavieren, Ondes Martenot und reichhaltigem Schlagzeug besetzt, malt mit vielfältigen Klangfarben die Geschichte aus, Chöre, Sänger und Sprecher widmen sich in elf Szenen einer Rückschau der bereits an den Pfahl geketteten Jeanne d'Arc. Ihr Lebensweg und ihre persönlichen Erinnerungen werden mit Ereignissen verknüpft, die zu ihrer Verurteilung führten. In Honeggers Musik findet dies - in kongenialer Verbindung mit dem Libretto von Paul Claudel - einen kontrastreichen, dramaturgisch überzeugend angelegten Niederschlag. Impressionistisches wechselt da mit opernhaften Szenen, Liedformen oder dem prozessualem Königsmarsch beim Empfang des Königs in Reims - trotzdem bleibt die Musik Honeggers stark der Tradition verpflichtet.

In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bildende Künste Dresden realisierte die Dresdner Philharmonie eine halbszenische Aufführung, in der die frontale Konzertsituation wenig aufgebrochen wurde, man aber spätestens ab dem Tierprozess der dritten Szene auch mit den Augen stets dabei war. Dabei hätte allein die Qualität der sängerischen und schauspielerischen Darbietung an diesem Abend schon eine konzertante Version gerechtfertigt.

Allen voran brillierte die Schauspielerin Johanna Wokalek als Jeanne d'Arc; ihre einfühlsame Darstellung vereinte das einfache Mädchen vom Lande mit der kettensprengenden Märtyrin. Ebenso herausragend und mit großer Ruhe gestaltete Franz Grundheber, der für Thomas Quasthoff eingesprungen war, seine Sprechrolle als Bruder Dominik.

Auch alle weiteren Solisten bewältigten ihre Partien mit Bravour, wobei die Szenen des Tiergerichts und des Bauernvolks (vorzüglich agierend: Tom Quaas, Imke Büchel und Herbert Lippert) ihre schon von Honegger in der Musik angelegte Überzeichnung erhielten - dem folgte die Regie von Reto Nickler zumeist behutsam und Moritz Haack (HfBK) hatte für die Protagonisten passende, phantasievolle Kostüme entworfen. Eine große Spannung entstand im Hinblick auf die ernsteren Szenen des Werkes mit Jeannes Trösterinnen Katharina und Margarethe (Guanquan Yu, Sopran und Janina Baechle, Alt). Bertrand de Billy, Erster Gastdirigent der Dresdner Philharmonie, hielt als Spiritus Rector der Aufführung mit zumeist straff geführten Tempi alle Fäden gut in der Hand und konnte so den Spannungsbogen bis in die dramatische Verbrennungsszene am Schluss halten. Genau diese aber erfuhr merkwürdigerweise eine szenische Zurückhaltung, wohl um die Aufmerksamkeit wieder auf die Musik zu lenken. Unbedingt herauszuheben ist die Leistung des Rundfunkchor Berlins (Einstudierung Michael Alber), der seine umfangreiche, tragende Rolle im gesamten Oratorium mit höchster Differenzierung zwischen leisestem Flüstern und vollstem Forte-Ausbruch ausgestaltete - dem stand der Philharmonische Kinderchor (Einstudierung Gunter Berger) mit souveränem, klarem Klang in nichts nach.

Eingedenk der Tradition konzertanter Opernaufführungen der Philharmonie in früheren Zeiten ist dies ein neuer Weg, der in Abhängigkeit von Raum, Werk und Umsetzbarkeit unbedingt weiter beschritten werden sollte, wenngleich hier die akustische wie visuelle Darstellung im Albertinum klar ihre Grenzen hatte und auch die akustische Verstärkung nicht immer befriedigen konnte - spätestens ab der zehnten Reihe unterschieden sich die Eindrücke nach dem Konzert doch stark. Unbestritten bleibt jedoch die Tatsache, einem herausragendem Werk des 20. Jahrhunderts in einer fulminanten musikalischen Interpretation beigewohnt zu haben.

Traum CXVII

Von einer ausschweifenden Chorparty wechsel ich mehrfach zum Laden hin und her, wo die Eröffnung gefeiert wird. Bei der Chorparty bin ich am Packen, im Laden herrscht purer Stress. Als dieser irgendwann schließt, stehe ich auf einer Straße hinter einer Mauer, an einem Spielplatz und trinke etwas, Cola aus einer Dose, die oben auf der Mauer steht. Ich sehe einen älteren Mann kommen, ein dürrer Typ mit Brille und grauen schütteren Haaren, er drückt mich hinter der Mauer zu Boden und hält mir etwas an den Hals, ich denke es ist ein Messer, aber es ist ein Gerät, mit dem man die Stimme ausschaltet. Das merke ich, als ich um Hilfe zu schreien versuche und nur ein Geröchel aus meinem Mund kommt. Allerdings hat der Typ, sich siegesgewiss, nicht mit meiner Kraft gerechnet und ich stoße ihn von mir, kniee dann über ihm. In dem Moment wache ich auf, ebenfalls in dieser Pose und muss erstmal durchatmen.

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