Samstag, 2. Juni 2012

Wichtige Impulse

Jüdische Kammerphilharmonie Dresden spielte verfemte Meisterwerke

Verfolgte, verfemte, vergessene Musik - es ist ein dunkles Kapitel der deutschen Musikgeschichte, das über einen langen Zeitraum nach dem zweiten Weltkrieg aufgearbeitet wurde. Dennoch harren viele Werke und Komponistenschicksale der Beachtung, der Wiederentdeckung, kann nur Klingendes die Gedanken und Inspirationen der damaligen Künstler lebendig erhalten. Um solch eine wertvolle Aufgabe kümmert sich seit nunmehr fünf Jahren die "Neue Jüdische Kammerphilharmonie Dresden", die im Rahmen der Musikfestspiele ein Konzert in der Synagoge gab.

Es ist bemerkenswert, dass sich das Orchester auch um Rekonstruktionen, um Erst- und Uraufführungen bemüht. Erich Zeisl etwa ist einer der jüdischen Komponisten, deren Karriere in Europa jäh beendet wurde - bis heute sind seine Werke kaum bekannt. Seine "Variationen über ein slowakisches Volkslied" atmen spätromantische Tradition und sind dabei abwechslungsreich. Im Konzert zeigte die Kammerphilharmonie Konzentration für die unterschiedlichen Charaktere, dies setzte sich in den weiteren Programmpunkten fort und führte auch mit der Komplexität der Stücke zu einer deutlichen Steigerungskurve.

Über Miklos Rózsas an Bartók-Welten erinnerndes Andante gelangte das Orchester zum wohl eigentümlichsten Stück, der "Studie für Streicher" von Pavel Haas. Schön war hier wie auch im rasanten "Scherzo für Streicher" von Franz Schreker die Transparenz der Streichergruppen mit Sinn für Haupt- und Nebenstimmen und durch den Dirigenten Michael Hurshell jederzeit vermittelten Spannungsbogen.

Höhepunkt des Konzertes war das frühe Violinkonzert d-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy, dessen jugendliche Ideenvielfalt vom Orchester lebendig gezeichnet wurde. Star dieser Aufführung war der junge amerikanische Geiger Arnaud Sussmann, dessen nur fabelhaft zu nennende Interpretation so begeisterte, dass der dritte Satz erneut gegeben werden musste. Es war ein spannendes, ohne Pause in einem großen Bogen geführtes Konzert, das wichtige Impulse zum Kennenlernen immer noch vergessener Musik des 20. Jahrhunderts setzte.

Ausgefeilt

Orchester des Mariinsky-Theaters unter Valery Gergiev in der Semperoper

Vor zwei Jahren gastierte das Orchester des Mariinsky-Theaters St. Petersburg unter Leitung von Valery Gergiev bereits mit einem umjubelten Auftritt bei den Dresdner Musikfestspielen. Gergiev ist einer der großen Klangmagiere am Dirigentenpult - gespannt waren die Zuhörer auf das erneute Gastspiel dieser charismatischen Persönlichkeit, diesmal mit einem sinfonisch großformatigen und mitteleuropäischen Programm.

In einer akustisch nicht immer förderlichen flachen Aufstellung auf der Bühne der Semperoper musizierte das Orchester Béla Bartóks Konzertsuite aus dem "Wunderbaren Mandarin" ordentlich und präzise. Es folgte wohl auch einhundertprozentig Gergievs Intentionen, doch lief diese an sich wilde Musik Gefahr, sich zu einem sehr geschliffenen Standard zu verwandeln. Die leichte emotionale Unterkühlung von Beginn und Finale machten die exzellenten Holzbläsersätze in der Mitte des Werkes aber wett.

Als Preziose erwies sich das Solistenkonzert des Abends: Arthur Honeggers Cellokonzert aus dem Jahr 1930 ist in seiner ökonomischen Machart und Geradlinigkeit offenbar in einer Rezeptionsritze verschwunden. Zwar mühten sich Solist Jan Vogler und Gergiev mit dem Mariinsky-Orchester um eine freundliche Wiederentdeckung dieses Konzertes samt einem witzigen Tuba-Solo, locker gefügter Gershwin-Atmosphäre und sanft knarrenden battuto-Kontrabässen, aber die Interpretation konnte nicht die nötige Souveränität in den musikalischen Belangen aufweisen.

Nach der Pause begann Valery Gergiev Richard Strauss' sinfonische Dichtung "Ein Heldenleben" mit einer rasanten und kraftvollen Einleitung, nahm sich Zeit für Kirill Terentievs wunderbar strömendes Geigensolo und arbeitete dann eine bis ins Detail ausgefeilte Deutung aus, die mit wenig Pathos, aber eben auch mit wenig Breitwand-Klangdichte in den Streichern auskam.

Dieser Strauss-Held war vor allem eine Platzhalter-Figur für exzellente Soli im Orchester von der Soloflöte über die fabelhafte Horngruppe bis hin zu rasiermesserscharfen Schlagzeugeinsätzen. Die extrem silbrige Klangfarbe in der Zugabe - Anatoli Ljadows "Verzauberter See" - war im Konzert bis dahin wenig vertreten gewesen; unter Gergievs nun völlig beruhigtem Dirigat war dies zum Abschluss Magie und Klangzauber pur.

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