Mittwoch, 16. Februar 2011

CD-Tipp Februar: Monteverdi & Mahler

Diesmal konnte ich mich nicht recht entscheiden, und daher gibt es zwei Platten als Monatstipp, die sich bekannten Werken in einer solch intensiven Weise widmen, dass man die Stücke "neu" hören kann - das gelingt nicht jedem und zu oft hängt man ja auch an seinen eigenen Vorlieben und favorisierten Aufnahmen.
Die eine wäre diese hier:

Monteverdis Marienvesper - von Christina Pluhar und ihrem L'Arpeggiata-Ensemble mit viel Hingabe und Können musiziert. Man wagt nicht den Begriff "authentisch" heranzuziehen, doch zumindest ist es ein erfrischend lebendiger, hochmusikalischer Zugang zu diesem Werk, dazu gibt es einige Überraschungen in der Besetzungs- und Tempowahl. Spannend.


Und dann doch wieder Mahler. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, denn man vermeint "seinen" "Rattle-Mahler" (o Gott, doppelte Anführungszeichen) zu kennen. Falsch gedacht. Diese Live-Aufnahme der 2. Sinfonie läßt das Werk vor den Ohren extremst neu entstehen. Da sitzt jede Pause, jeder Hornruf. Seufzer sind exakt austariert, Steigerungen haben genau die richtige Welle, auf der das Orchester gemeinsam dem Höhepunkt entgegengleitet. So entsteht räumliche Kraft und Tiefe. Toll.

Weitere spannende Neuerscheinungen:
* Diana Damrau veröffentlicht Orchesterlieder von Strauss (Virgin) - Thielemann am Pult der Münchner Philharmoniker stiehlt ihr fast die Schau, und doch gehts zusammen: SO innig und sanft hat man die Lieder selten vernommen
* Geheimtipp für Chormusikfreunde: der junge britische Chor "Consortium" stellt eine ganze Platte mit Reger-Chören (hyperion) vor, darunter der atemraubende "Einsiedler" und das späte Requiem. Aufregend und dicht musiziert.
* Absolut hörenswert auch die nächste Neuveröffentlichung des RIAS-Kammerchores, der gerade knapp an einem Grammy vorbeigeschrammt ist: Hans-Christoph Rademann hat sich die Trauermusiken von Johann Ludwig Bach vorgenommen - eine Entdeckung für Barock-Spezialisten.
* Und die erste Jubiläumsjahr-Liszt-Platte, die richtig gelungen ist: Das Trio Wanderer (ohnehin ziemlich weit oben auf dem Kammermusikgipfel) koppelt nämlich höchst spannende Bearbeitungen (darunter Vallee d'Obermann) von Liszt mit dem Klaviertrio von Bedrich Smetana. Und da geht Weghören schonmal gar nicht.
* Auch in der leichten Muse gibt es zwei schöne Neuveröffentlichungen: An Adeles neuer Scheibe -- 21 -- (Indigo) kann man sich ebensowenig satthören, wie an Max Raabes kongenialer Kooperation mit Inga Humpe Küssen kann man nicht alleine (Universal)

Flops gibts im Februar auch:
* Simone Dinnerstein versucht sich an Bach (Sony) und bekommt eben nur die eine von vielen tausend hingeklatschten Bach-CDs hin. Überhörenswert.
* Ähnlich verhält es sich mit den beiden Brahms-Klavierkonzerten, die Rudolf Buchbinder mit dem Israel Philharmonic unter Zubin Mehta eingespielt hat. Dick klingt das Orchester, gediegen müht sich Buchbinder ohne dass einmal Ecken und Kanten dieses Komponisten hervorgearbeitet würden. Allenfalls was für die ältere Hörgeneration.
* Am liebsten würde ich ja Thomas Hampsons Wunderhorn-Lieder aufgrund der "Plastizität per Hammerschlag" in die Kinderabteilung einsortieren. Ein richtiger Flop ist das nicht, aber spätestens im 3. Lied geht einem die extrem überdeutliche Zeichnung durch den Sänger auf den Nerv. Weniger wäre mehr gewesen.

Zum Nachlesen:
* CD-Tipp Januar 2011

Wechselspiel von Schatten und Licht

Gedenkkonzert in der Frauenkirche mit Werken von Joseph Haydn

Das musikalische Erinnern an die Zerstörung Dresdens 1945 ist ein intensiver Weg des Gedenkens, der einhergeht mit der Reflektion über eine dem Anlass angemessene Musik. In der Frauenkirche kommt noch die besondere Atmosphäre des Ortes hinzu, und jeder Besucher bringt seine eigene Geschichte an diesen Ort mit. Im Gedenkkonzert am Sonnabend mögen nicht unbedingt viele Dresdner gewesen sein, aber dennoch stellte sich die ernste, aufrichtige Atmosphäre schon allein durch die besondere Werkauswahl ein.

Zwar ist eine Messe und eine Sinfonie per se keine Trauermusik, und bei Joseph Haydn könnte man vielleicht nicht im allerersten Bezug auf tiefen Ernst kommen, doch darin lag gerade der Reiz des Programmes. Frauenkirchenkantor Matthias Grünert musizierte zunächst mit dem "ensemble frauenkirche" die 26. Sinfonie d-Moll "Lamentatione", die ihren Namen auf den im 2. Satz zitierte gregorianische Weise des "Incipit Lamentatio Jeremiae Prophetae" gründet. Grünert schliff die Interpretation vom Cembalo aus und zeigte deutliche Kontraste, die auch die Ausdrucksebenen jenseits von Ernst und Trauer beleuchteten.

Als Wechselspiel von Schatten und Licht ist auch Haydns Messe C-Dur, die Paukenmesse, begreifbar. Kurze innige Solopassagen wechseln hier mit aufgeregten Chorszenen, in denen selbst immer wieder Stockungen, Emphasen und lichte Momente einkomponiert sind. Grünerts Verdienst ist eine abwechslungsreiche Darstellung dieses Werkes, das sich mit dem aufblitzendem "Et Resurrexit" und dem auch in dieser Aufführung als Befreiung musizierten "Dona Nobis Pacem" schließlich ganz bejahend dem Leben zuwendet. Der Kammerchor der Frauenkirche gestaltete den markanten Beginn, ein von Grünert äußerst flott genommenes Gloria und auch das Agnus Dei eindringlich, konnte sich aber in wortreichen Tutti-Passagen zu wenig über das Orchester erheben. Birte Kulawik (Sopran), Ulrike Zech (Alt), Eric Stokloßa (Tenor) und Matthias Weichert (Bass) gestalteten ihre Soli angemessen, lediglich in den Quartetten wäre mehr Agogik und Verschmelzung vorstellbar gewesen.

Der Friedensbitte in Haydns Messe folgte schweigendes Gedenken im Publikum, und die schöne, wiederkehrende Erkenntnis, dass Musik, in solch guter Interpretation dargeboten, uns wohl in adäquatester Weise mit den eigenen Emotionen und Gedanken zu diesem Tag verbinden mag.

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