Mittwoch, 29. April 2009

Hohes Niveau inklusive

Studio Neue Musik der Hochschule mit Münch-Uraufführung

Wer kreative Inspiration benötigt, dem Mainstream der Klassik entsagen will oder sich schlicht offen für andersartige Klangwelten zeigt, der ist beim "Studio Neue Musik" der Hochschule für Musik immer bestens aufgehoben. Mehrere Male im Jahr stellen Musikstudenten neue und neueste Werke im Konzert vor. Eine qualitativ hochwertige Darbietung kann der langjährige Leiter Prof. Christian Münch garantieren, denn die Bühnenreife der Werke wird sorgfältig im Unterricht erarbeitet. Nunmehr kann sich das Studio auch des Raumes und der vielfältigen technischen und akustischen Möglichkeiten des neuen Konzertsaales der Hochschule versichern. Für das Studio Neue Musik darf gerne zukünftig noch die Werbetrommel gerührt werden, denn solch anspruchsvolle Konzerte wie am vergangenen Montag dürfen gerne vor großem Publikum stattfinden. Die kleine, aber dankbare Schar der Zuhörer durfte in Franz Martin Olbrischs "3 Sätzen für Klaviertrio" (Katharina Haffner, Damankos Nagy und Cheng-Tai Chang) erstaunt feststellen, dass der Saal selbst leiseste Streicherklänge scharf wie in einem Brennglas reflektiert. Insofern wirkten die den japanischen "Haiku" nahestehenden Miniaturen äußerst transparent und nachvollziehbar, wenngleich es skurril erschien, dass es länger dauerte, den Programmhefttext zu studieren als das Stück zu hören. Vermutlich absichtsvoll war das kürzeste Werk des Abends direkt neben das längste platziert. Christian Münch durfte sich über eine Uraufführung einer eigenen neuen Komposition aus studentischer Kraft freuen. Hierbei ist die Leistung der beiden Musiker Hye-Young Kim (Alt) und Markus Ehmann (Klavier) besonders herauszustellen. Münchs Partituren begnügen sich selten mit der in der Neuen Musik fast zur Konvention gewordenen Viertelstundendauer. Eine volle Stunde benötigt "glühen", so der Titel des Münch-Werkes, um die zumeist akkordisch geprägte Klangwelt zu entfalten, sie nach einer Märchenerzählung zu verarbeiten, mit Licht und Szene sanft anzureichern, zu verzerren und schließlich einen Ausklang zu formen. Lediglich im ruhig einschwingenden Beginn erinnert die Musik an Klavierlieder des frühen Schönberg, zwanzig Minuten später (immer noch im Einschwingvorgang befindlich) hat man aber begriffen, dass diese Musik keine Vergleiche erlaubt. Die beiden Protagonisten zeigten über die volle Zeit Konzentration und Spannung, die technische Beherrschung der keineswegs leichten Partitur war selbstverständlich: eine meisterhafte Leistung! Problematisch dürfte die Herstellung von Ausdruck über die lange Zeitspanne empfunden werden, insbesondere wenn Münchs musikalische Bausteine an vielen Stellen ausstellungshaft und entwicklungslos nebeneinander positioniert scheinen. Es ist keinesfalls leicht, sich auf diese Musik einzulassen, aber an vielen Stellen wird man durch musikalische Entdeckungen belohnt, die vor allem "ihre Zeit" braucht. Nach der verdienten Pause folgte gleich ein weiterer Höhepunkt. Wirkungsvolle Konzertliteratur für die Tuba ist rar gesät. Anspruchsvolle neue Musik gibt es zwar schon eher, aber kaum ein Werk dürfte einen so faszinierenden Eindruck hinterlassen wie das "Post-Prae-Ludium per Donau" von Luigi Nono. Andrea Müller (Tuba) und Dirk Homann (Klangregie) formten eine kraftvoll-überlegte Darstellung des Werkes. Eigentlich entstand ein Trio daraus, bei der der Saal als "dritter Spieler" mitwirkte und die unglaublichen Klänge von Tuba und Elektronik über die Zuhörer ergoss. Am Ende gab es mit Misato Mochizukis "Écoute" leider noch einen schwachen Beitrag. Mir erschloss sich die lediglich "à la mode" wirkende Verstümmelung von Birago Diops Poesie nicht. Daran hatte aber die engagierte Interpretation der Sänger Eléna Lefur, Ni Sun, Gabriele Lesch, Peter Motzkus und Tobias Horschke keinerlei Schuld, ebensowenig Oliver Fenks Lichtregie. Die Vielfalt, Risiken und Möglichkeiten neuer Musik - nirgends ist dies besser aufgehoben als im experimentellen Studio für Neue Musik der Hochschule, hohes Niveau inklusive.

Innovation Haydn

Neue Konzertreihe "Spiegelungen" von Sinfonietta Dresden

Mit großer Vorfreude erwarteten viele Musikfreunde den Start der neuen Konzertreihe "Spiegelungen" der Sinfonietta Dresden, denn das über mehrere Jahre währende Projekt des Orchesters mit der Aufführung aller Mozartschen Klavierkonzerte darf sich im Nachklang als Erfolgsstory rühmen und hat dem Orchester und manchem Solisten viele Fans beschert. Sinfonietta Dresden zeigt in ihren eigenen Konzertreihen eine intelligente, moderne und zuweilen frech-kreative Programmdramaturgie. Keinesfalls ist das jedem in der freien Musikszene agierenden Ensemble zu eigen, denn der hehre Anspruch wird meist von natürlichen technischen oder finanziellen Hindernissen begrenzt. Sinfonietta Dresden wagt nun jedoch erneut den Sprung ins Neuland und kann sich vor allem der Partnerschaft von "Klangnetz Dresden" sicher sein, einem Projekt, das ja derzeit in Dresden musikalische Innovationen großzügig fördert. Und so steht nun für mehrere Konzerte der 2009-Jubilar Joseph Haydn auf dem Programm. Moment, Innovation? Und dann Haydn? Richtig gehört. Denn Sinfonietta Dresden setzt Haydn in Beziehung zur Gegenwart, gleich zwei Uraufführungen erklangen im ersten Konzertabend. Noch dazu dürfte man die "Neue-Musik-Förderung" in dem Fall augenzwinkernd gleich auf Haydn ausdehnen, denn was allein in der vorgestellten Sinfonie Nr. 101, D-Dur "Die Uhr" an Bonmots, kompositorischen Kniffen und philosophisch-zeitgenössischem Hintergrund steckt, ist aller Moderne wert. Dass man nach dem Konzert am Sonnabend in der Dreikönigskirche derart plastische Eindrücke im Ohr und im Sinn behält, ist der vitalen Spielfrische zu verdanken, mit dem das Orchester zu Werke ging. Dirigent Ekkehard Klemm gab deutliche Hinweise, um der Partitur Haydns Kontur und Kontrast zu verleihen, auf diese Weise gerieten die Ecksätze fast "beethovenesk" und dem reifen Haydn stand eine Dramatik zu Gesichte, die in den Mittelsätzen durch fast weise klingende Gelassenheit wieder aufgelöst wurde. Die Zeit war das Hauptthema dieser Sinfonie, die sinnigerweise im Konzert in Einzelsätzen erklang: Betrachtung eines Uhrwerkes, dazu gab es Reflektionen literarischer Art. Thomas Stecher las vorzüglich aus Alan Lightmans skurrilen Zeit-Geschichten "Einsteins Dreams". Gleich ob dort Uhren stehenblieben, Zeit und Leben rückwärts verliefen oder ein schweizerischer Weltuntergang zelebriert wurde - die "Spiegelungen" traten sofort bei den ersten Tönen der dann folgenden Musikstücke auf und man konnte sich vielfach hinhörend auf das große Thema einlassen. Auch die beiden Uraufführungen bereicherten, wenngleich "Insomnio" des britisch-albanischen Komponisten Thomas Simaku die Zeit-Thematik nicht vorrangig behandelte. Hier spiegelte sich eher eine dichte literarische Prosa, stellten sich fein entwickelte Klangflächen und Entwicklungen ein. Karsten Gundermann schließlich brachte eine "Quantenzeit" als Uraufführung mit, ein faszinierend flirrendes Werk aus unterschiedlichen Bewegungsschichten. Das Stück hätte sich gerne länger entfalten können, um konsequentes Zeit-Hören zu ermöglichen und Zeit-Fragen zu stellen. Schön, wie die Haydn-Sinfonie dann am Ende dem ganzen Konzert einen positiv gestimmten Grundbogen verlieh - so darf es gerne weitergehen.

Nächstes "Spiegelungen"-Konzert: 8.11.2009, Dreikönigskirche Dresden

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