Dienstag, 29. Mai 2007

Herbe Enttäuschung

Heinrich Schiff und Stefan Vladar in der Semperoper

Er zählt zu den bedeutendsten Cellisten der Gegenwart, prägend für eine ganze Generation von Musikern und es dürfte kaum einen Klassikfreund geben, der ihn nicht schon einmal live oder auf Tonträgern gehört hat. So zählte das Cellorecital von Heinrich Schiff in der Semperoper bereits im Voraus zu den Höhepunkten der Musikfestspiele - allein die Einlösung dieses Anspruches gelang nicht, im Gegenteil, das Konzert dürfte für Inhaber manch teurer Karten ein Ärgernis gewesen sein. Das lag weniger an Heinrich Schiff alleine, der zumindest in einigen Werken seine Klasse zeigte, als vielmehr an seinem Partner am Klavier, Stefan Vladar. Unerklärlich ist mir dennoch, wieso Schiff mit einem Pianisten zusammenarbeitet, der den Gedanken eines kammermusikalischen Duo-Abends nicht mit Leben erfüllt. Vladar zeichnete sich durch eine reichlich unmusikalisch zu nennende Demut am Flügel aus, die die pianistische Gestaltung völlig zunichte machte, was für Stücke von Schumann und Brahms, in welchem der Klavierpart wichtiger Motor der Struktur ist, den Tod bedeutet. Den 3. Satz der "Fantasiestücke" von Schumann gestaltete Schiff sehr impulsiv, Vladar war da schon nicht mehr zu hören, untergetaucht trotz eines Notensatzes, der eigentlich das Gegenteil anweist. Das nahezu am besten wirkende Werk des Konzertes war ausgerechnet die kurze Komposition "Grave - Metamorphosen für Cello und Klavier" von Witold Lutoslawski, deren klare Strukturen zumindest eine eindeutige Interpretation hinterließen. Statt der Sonate des Finnen Olli Mustonen erklang die Cellosonate von Claude Debussy, die weder in der Themengestaltung noch klanglich überzeugen konnte - beide Musiker waren hier zu sehr detailverliebt, verloren den Zusammenhang und waren außerdem selten zusammen auf einem Punkt. Jean Sibelius' "Malincolia" geriet unter dem packenden, stellenweise auch etwas groben Zugriff von Schiff zu einer dramatischen Erzählung, doch auch hier fehlte beiden Musikern der wirkliche Zugang zur Musik, die eine überzeugende Interpretation ausmacht. Kühl und abgearbeitet wirkte der Notensatz, von Vladar war kaum einmal ein interessanter Akzent zu hören. In der 1. Sonate e-Moll von Johannes Brahms überzeugte dann Heinrich Schiff mit markanter Ausgestaltung der drei Sätze. Ein großer Ton, eine selbstverständliche, überlegte Gestaltung und Schiffs absolutes Versenken in die Melodielinien war durchaus überzeugend. Doch das letzte Herzblut für diese leidenschaftliche Musik fehlte angesichts eines Pianisten, der jede noch so kleine Steigerung im Keim erstickt, die Partitur missversteht und sich dermaßen einem Solisten unterordnet, dass die Kompositionen und ihre Strukturen nicht mehr erkennbar sind. Was ein Höhepunkt werden sollte, geriet zu einer herben Enttäuschung und Schiff ist anzuraten, sich zukünftig gute musikalische Partner zu suchen.

Nuancenreiche Stimmungen

Klavierrecital Severin von Eckardstein bei den Musikfestspielen

Wie in den vergangen Jahren gibt es auch bei diesen Musikfestspielen eintägige Reiseangebote zu kulturellen Themen, bei denen an bedeutenden Orten kleinere Konzerte stattfinden. Die "Weinlandschaftsreise" führte am Pfingstsamstag zunächst in das Schloss Albrechtsberg, wo der Pianist Severin von Eckardstein für die Zuhörer ein einstündiges Solorecital darbot. Von Eckardstein hatte ein spannendes Programm vor allem unter dem Aspekt der "Klanglandschaft" ausgewählt, das von Schumann bis Messiaen reichte. Zu Beginn zeigte der ARD-Preisträger in Leos Janaceks Zyklus "Im Nebel" gleich seine besonderen Fähigkeiten in der Klangformung. Von Eckardstein besitzt eine subtile, sehr variable Anschlagskultur, die besonders im Piano-Bereich unzählige Nuancen
aufweist und rasant ausgeführte Steigerungen, aber auch Entspannungen ermöglicht, was für Janaceks Musik ideal erscheint. Damit interpretierte er den formal schwierig zu fassenden Zyklus wie einen nahezu improvisiert anmutenden Gedankenstrom, der eine ständige innere Melancholie aufwies, die sich nur im letzten Stück entladen darf. Von Eckardsteins Fähigkeit, verschiedene Stimmungen und Strukturen deutlich abzustufen und dennoch einen stringenten Fluss der Musik zu erzeugen, macht ihn ebenso prädestiniert für die Musik von Olivier Messiaen und Claude Debussy. In Olivier Messiaens Schlussstück aus "Catalogue des oiseaux" überzeugte zudem eine völlig überlegte und konsequent durchgeführte Fingertechnik. Auch die drei Stücke aus "Images" von Claude Debussy formulierte er klangsinnig und mit dem Mut zur leisen, unaufgeregten Gestaltung. Die einzige Kritik, die man anbringen kann, richtet sich gegen den recht müden Applaus des Publikums, das offenbar die typischen Solo-Schlager im Programm vermisste oder keinen Zugang zu der durchweg klug überlegten Interpretation der Kompositionen fand. Schließlich deutete von Eckardstein Schumanns Zyklus "Papillons" nicht als Abfolge von lauter Einzelstücken, sondern legte den ganzen Zyklus als Gesamtblock auf den Kontrast der einzelnen Tanzsätze an. Schnelle Stimmungswechsel, pianistische Lockerheit ein ausgeprägter Sinn für die jeweilige Stilistik der Kompositionen - das fügte sich zu einer überzeugenden Matinee im Schloss Albrechtsberg, der von Eckardstein noch die Etüde für die linke Hand von Felix Blumenfeld und ein Stück von Alexander Skrjabin folgen ließ.

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