Samstag, 10. März 2007

Schumann und die Brötchentüte

Ich bin ja ein akustisch sensibler Mensch. Ist eigentlich jeder, der im Konzert sitzt, denn es geht ja ums Zuhören. Dementsprechend sind mir die rituellen Nebentätigkeiten des Publikums einigermaßen zuwider, als da wären Husten, Scharren, Bonbons auswickeln oder 3jährigen (der Babysitter hatte was anderes vor an dem Abend) während des Konzertes den Sinn einer Sonatenhauptsatzform erklären - eben alle akustischen Nebengeräusche (Ausnahme: Die akustischen Ereignisse stehen im Vordergrund des kompositorischen Interesses, dann wären wir aber bei Cage oder Kagel und beide standen nicht auf dem heutigen Programm...) - Das alles wäre aber selbst in geballter Form nichts gegen die Dame heute im Konzert. Sie hatte einen Rollstuhlplatz in der Mitte der Frauenkirche, also perfekt akustisch justiert unter der Kuppel, vier Parkettblöcke im Quadrat vor und hinter sich. Schumanns "Rheinische" war keine 20 Takte alt, sie wartete nicht einmal den Beginn der Durchführung ab, da griff sie in ihre auf dem Schoß plazierte Einkaufstasche, holte umständlich (knarzknister) eine BRÖTCHENTÜTE heraus, öffnete (rssschhhknarz-schschzzzz) diese und friemelte (chrrrrzschschsch) ein Laugenbrötchen heraus. Spätestens hier konnte sie sich sternförmig (Parkett, Block A-D) auf sie gerichtete Gesichter sicher sein, deren Ausdruck nicht unähnlich von Gewehrmündungen waren. Bevor sie das Naschwerk während der Durchführung genüsslich verzehrte, musste die leere Brötchentüte natürlich wieder in der Einkaufstasche versenkt (knarzchrschschzzzzchrrrrssss) werden. Meine Mordgelüste in den kommenden 40 Takten versuchte ich mit dem tröstlichen Gedanken zu verdrängen, dass der Dame möglicherweise gerade beim Kauen der Sinn vertrackter Schumann-Durchführungen aufgegangen ist. Ich werde fortan in Sinfoniekonzerten immer einen Vorrat Laugenbrötchen bei mir tragen. Und Tüten. Stapelweise. *PENG*

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