Montag, 29. Mai 2006

Chopin auf chinesisch: Bravo!

Yundi Li begeistert in der Semperoper
Die Zukunft gehört China. Diese These hört man aus der Wirtschaft immer wieder, doch in letzter Zeit staunt man ebenso über musikalische Talente aus dem Reich der Mitte. Im Jahr 2000 gewann der Pianist Yundi Li den renommierten polnischen Chopin-Wettbewerb und startet einen Triumphzug rund um die Welt. Längst zählt er zur ersten Garde der Konzertpianisten, vor allem mit Interpretationen der Klaviermusik von Frédéric Chopin. Li begeisterte in der nahezu ausverkauften Semperoper am Samstagabend vor allem mit seinem von Natürlichkeit geprägten Spiel, was er gleich zu Beginn in der Sonate C-Dur KV330 von Mozart demonstrierte. Mit diesem Komponisten wird er noch wachsen, denn die graziöse Verspieltheit ist zwar eine Facette dieser Sonate, in der dynamischen Bandbreite und der Akzentuierung von harmonischen Ausflügen Mozarts kann Li sicher noch mehr gestalten. In der Romantik liegt Li's große Stärke, Robert Schumanns "Carnaval" begann er so ungestüm, dass Schumanns geniale Formung dieses pianistischen Bilderbogens gleich zu Beginn offenlag. Diese Stringenz der Darstellung, für die Li keinerlei Allüren benötigt, überzeugte bis zum letzten Ton, ein Schumannsches Presto nimmt er beim Wort und findet trotz rascher Temperamentwechsel auch zu stillen, fein ausgestalteten Momenten. Anders liegt der Fall bei Franz Liszt, dessen H-Moll-Sonate Yundi Li wie eine scharfkantige, monströse Skulptur modellierte. Zwischen den hemmungslos vorgetragenen Oktavkaskaden und den fortissimo-Abgründen der Themen fand Li vor allem zum ermattenden Schluss hin eine eindringliche Klangformung. Dann endlich Chopin - das "Andante spianato und Grande Polonaise brillante" kann man sich vollendeter nicht vorstellen. Li findet bei diesem Komponisten genau die Nuance zwischen virtuoser Brillanz und kantabler Gestalt und hinterließ ein jubelndes Auditorium. Von diesem Pianisten wird man hoffentlich noch viele derart packende Konzerte hören.

Info: Bei der "Deutsche Grammophon" ist u.a. ein Album mit Werken von Scarlatti, Mozart und Schumann erschienen.

Frühlingsopfer und Sommerfest

Japan Philharmonic Orchestra mit Akutagawa, Mendelssohn und Strawinsky

Dass die europäisch geprägte Orchesterkultur auch in Japan mittlerweile eine Tradition hat, läßt sich am Jubiläum des Japan Philharmonic Orchestra ablesen: 50 Jahre besteht das Ensemble in diesem Jahr und ist in seiner Heimat einer der renommiertesten Klangkörper mit einem umfangreichen Konzertangebot. Zu den Musikfestspielen konnte man diesem Orchester bereits beim Eröffnungskonzert lauschen - im Kulturpalast stellten die rund einhundert Musiker ihr Tourneeprogramm vor, das sie am Wochenende auch beim Prager Frühling vorstellten. Der Komponist Yasushi Akutagawa (1925-1989) dürfte hierzulande nahezu unbekannt sein. Das "Triptychon für Streicher" aus dem Jahr 1953 ist repräsentativ für einen japanischen Kompositionsstil, der vor allem von melodischer Entwicklung und prägnanten Rhythmen geprägt ist. Die hohe Spielkultur des Orchesters zeigte sich hier bereits deutlich, der langjährige Chefdirigent des Orchesters Ken-Ichiro Kobayashi formulierte seine Absichten sehr temperamentvoll. Die zwanzigjährige Mayu Kishima gestaltete dann den Solopart in Felix Mendelssohn-Bartholdys Violinkonzert. Die in Deutschland studierende Japanerin zeigte einen großen Ton auf der Geige, konnte aber mit ihrer Kraft nicht immer haushalten, so geriet der 1. Satz zu einem Stierkampf, bei dem der Sinn für Details auf der Strecke blieb. Kobayashi fuhr zudem den Orchesterpart auf einen lediglich im Hintergrund wabernden Teppich zurück, das raubte dem bekannten Stück jeglichen Reiz. Im langsamen Satz störte Kishimas unflexibles, hartes Vibrato, der 3. Satz versöhnte jedoch mit Spielfreude und vor allem technischer Präzision. Diese Präzision, gepaart mit Homogenität in den Instrumentengruppen und einem regelrechten Solotanz von Kobayashi am Dirigentenpult führte dann zu einem exorbitant wuchtigen "Sacre" von Igor Strawinsky. Mit einer äußerst exakten Akzentuierung kam Kobayashi dem heidnischen Duktus dieser Musik erschreckend nahe, diese Lesart des "Frühlingsopfers" hätte wohl auch dem Komponisten Freude bereitet. Mit unmissverständlichem Vorwärtsdrang in den Steigerungen führte diese Interpretation zu berechtigt großem Jubel, der noch eine Steigerung erfuhr, als die Japaner als Zugabe ein "japanisches Sommerfest" mit wildem Trommelfeuer zelebrierten. Musik aus einem sehr fernen Land, ganz plastisch und faszinierend.

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