Donnerstag, 5. November 2015

Erlebnis Raumklang und Poesie

José María Sánchez-Verdú ist Composer-in-Residence der Dresdner Philharmonie

In Dresden ist der spanische Komponist José María Sánchez-Verdú (*1968) noch weitgehend unbekannt, bisherige Aufführungen seiner Werke hier sind nicht verzeichnet. Um so mehr ist man gespannt auf seine Musik, seit die Dresdner Philharmonie bekanntgegeben hat, dass der Künstler composer in residence der Saison 2015/2016 sein wird. In dieser Woche besucht der Komponist anlässlich der ersten Philharmonie-Aufführung am 7. November Dresden - und er nutzt diesen Besuch, um sich auch an der Musikhochschule Dresden vorzustellen: in Kooperation mit dem KlangNetz Dresden arbeitet er mit Kompositionsstudenten, ist Gast eines Workshops an der Hochschule und die Studenten werden ein Konzert mit Kammermusik von Sánchez-Verdú am Mittwochabend im Konzertsaal der Hochschule ausgestalten.

Der Komponist, der in Madrid und Frankfurt studiert hat und heute in Spanien und Deutschland lebt und lehrt, freut sich besonders auf seine Residenz in Dresden: "Kreative Projekte mit der Dresdner Philharmonie zu entwickeln ist für mich eine große Ehre. Die Arbeit verspricht eine sehr spannende Erfahrung zu werden, denn als Künstler versuche ich immer, eine musikalische Verbindung zwischen der Tradition und dem Neuen und Unbekannten herzustellen. Das ist ein Abenteuer, das uns gemeinsam in unerwartete poetische Sphären bringen wird." - Am Sonnabend steht die Deutsche Erstaufführung von Sánchez-Verdús "Libro del frío" (Buch der Kälte) auf Texte des spanischen Dichters Antonio Gamoneda (*1931) an, Simone Young wird die Aufführung leiten, Solist ist der spanische Countertenor Carlos Mena.

Das 2008 entstandene, etwa dreiviertelstündige Stück kann als Lied-Kantate beschrieben werden, doch der Komponist, dessen Interesse in der Vergangenheit vor allem musikalischen und szenischen Projekten mit Licht- und Raumdramaturgien galt, hebt noch weitere Ebenen der Komposition hervor: "Die Interaktion zwischen Raum, Musik, Akustik und Poesie (Stimme) sind Hauptbestandteile des "Libro del Frío", das für Countertenor, Orgel und 5 Orchestergruppen im Raum verteilt komponiert ist. Es ist ein musikalisches Experiment, den Raum, die Akustik und die poetischen Inhalte der Gedichte von Antonio Gamoneda (1931) zu erfahren." - So gibt sich die Frauenkirche, in der das "Libro del Frío" aufgeführt wird, als ein sehr passender Ort für das Werk - die Uraufführung fand in der Kathedrale von Léon in Spanien statt. Der Raumklang wird hier zu einer neuen Inschrift des Gedichtes werden und den Wortklang, den Nachhall und die Atmosphäre des Textes vervielfachen und spiegeln. Das Interdisziplinäre und das Erforschen neuer Ebenen mittels der Verbindung des bereits (scheinbar) Bekannten scheint ein roter Faden in Sánchez-Verdús OEuvre zu sein: "Immer mehr bilden Raum und Architektur, zusammen mit Geometrie, Abstraktion und gleichzeitig Energie und Tiefe die Hauptlinien meiner Arbeit. Eigentlich finde ich keinen Unterschied in der tieferen Substanz von Poesie, Musik, Malerei und Architektur."

Am Pulsschlag der Rezitation also wird sich das "Libro del Frío" verorten lassen und mit der Aufführung in Dresden einen neuen Ort erkunden. Mit der Dresdner Philharmonie sind noch zwei weitere, ganz neue Werke geplant, die Basis eines Diptychons (Doppelbildes) sein werden - die Titel KEMET "Schwarze Erde" und DESHERET "Rote Erde" weisen bereits darauf hin, aber auch auf die Beschäftigung des Komponisten mit arabischen und altägyptischen Kulturen. Diese Stücke werden von der Dresdner Philharmonie dann im Juni 2016 uraufgeführt.


José María Sánchez-Verdú in Dresden
Mittwoch, 4.11., 11.15 Hochschule für Musik, Kompositionsworkshop Raum W4.07

Mittwoch, 4.11., 19.30 Gesprächskonzert im Konzertsaal der Hochschule für Musik
10. Streichquartett "Barzaj", Hekkan I + II, Arquitecturas del límite
Studenten der Hochschule für Musik, Ltg. Jura Kravets, Moderation: Jörn Peter Hiekel

Sonnabend, 7.11., 20 Uhr Frauenkirche, "Libro del Frío"
Dresdner Philharmonie, Carlos Mena, Leitung: Simone Young

3. und 4.6.2016, Schlosskapelle "KEMET - Schwarze Erde" (UA), Dresdner Philharmonie, Leitung Andreas Spering

18. und 19.6.2016, Albertinum "DESHERET - Rote Erde" (UA), Dresdner Philharmonie, Leitung Michael Sanderling

Messerscharf und im Kern erfasst

Alan Gilbert und Frank Peter Zimmermann begeistern im 3. Kapellkonzert

Ganze sechs Jahre hat es gedauert, bis das Dresdner Publikum am Wochenende den amtierenden Chefdirigenten der New Yorker Philharmoniker, einem der besten Orchester der Welt, zum Debut bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden erleben durfte. Sicher waren die Terminkalender da im Spiel und die Wunschliste der Kapelle läßt sich bei den begrenzten Möglichkeiten der Sinfoniekonzerte nur langsam abarbeiten. Ganz unbekannt ist Gilbert indes in Dresden nicht, er gastierte mit seinem Orchester bereits zweimal zu den Musikfestspielen. Im 3. Sinfoniekonzert widmete er sich zunächst einer Komposition des aktuellen Capell-Compositeurs György Kurtág.

Ähnlich wie kürzlich im Aufführungsabend machte sich hier bemerkbar, dass die Wirkung dieser oft kaum zehnminütigen, aphoristischen Stücke angesichts der anschließenden Umbaupausen und einem folgenden sinfonischen Kontrastprogramm von ungleich größerer zeitlicher Gewichtung problematisch ist. Kurtág hilft dem Zuhörer da nicht - die Momentaufnahme gilt, und wer da noch nicht mit der Konzentration dabei ist, hat verloren.

Nicht ganz optimal gelang die Anordnung der Orchestergruppen von "Grabstein für Stephan" an verschiedenen Plätzen in den Rängen der Semperoper, ein wirklicher Raumklang stellte sich nicht ein. Dem Stück hätte ein deutlicher Wille zur Langsamkeit gutgetan - Gilbert setzte mehr auf Puls denn auf Meditation, und daher standen die einleitenden Gitarrenakkorde (Uwe Fink) eher verloren im Raum, als dass sie sich eindringlich entfalten durften. Trotzdem stellte sich vor allem durch die klangfarblich sensible Arbeit im Orchester nach einem explosiven Ausdruck des (Todes-)Entsetzens bald eine spannende, melancholisch-nachsinnende Aura ein.

In interessanter Nachbarschaft stand 2. Violinkonzert von Dmitri Schostakowitsch - dieses Spätwerk ist ein wenig der ungeliebte Bruder des so erfolgreichen 1. Konzertes, und doch ist es ein phänomenales Stück in seiner kargen, durchweg intensiven Klangsprache, die keinerlei Pomp und Äußerlichkeiten heranzieht. Dafür braucht es einen besonderen Solisten und kein besserer konnte gefunden sein als Frank Peter Zimmermann, dessen Blick auf die Noten von Anfang an verriet, dass hier ein unumkehrbarer, existenzieller Weg bis zum letzten Takt beschritten werden würde. So gab sich auch sein Spiel: mit unglaublich intensiver Steigerung im ersten, fahl-einsamem Gesang im zweiten und einer willensstarken, prägnanten Gestaltung im dritten. Das mahnte fast an die Oistrachsche Kultur der Unnachgiebigkeit des musikalischen Flusses und führte auch im von Gilbert aufmerksam bedachten Orchester zu einem Nachvollzug, der begeisterte.

Weil jede noch so kurze Phrase, jeder Einwurf und Dialog mit dem Orchester von Zimmermann und Gilbert im Kern erfasst waren, gelang eine Interpretation mit Höchstspannung, die vom Publikum bejubelt und von Frank Peter Zimmermann mit einer messerscharfen Bach-Zugabe beantwortet wurde. Mit Peter Tschaikowskys 4. Sinfonie f-Moll stand nach der Pause ein im Ausdruck insgesamt lichteres, wenngleich nicht weniger dramatisches Werk an. Alan Gilbert stellte das Stück vor allem als mitreißendes Meisterwerk heraus, indem er ein tolles Timing für die Tempoentwicklung in allen Sätzen zeigte. Ohne Stab und auswendig formte er mit den Händen immer wieder flexibel und mit viel Kontakt zu den einzelnen Musikern, was er hören wollte - besonders weiche kantable Linien und ein exakter, impulsgenauer Zugriff im Tutti waren die Folge. Gilberts spielfreudige Lesart verleitete die Kapelle zu Höchstleistungen, und im neuen Konzertzimmer der Oper gab es keinerlei Probleme, auch beim größten fortissimo im vierten Satz strahlenden Klang hervorzurufen: Debut gelungen, baldige Wiederkehr erhofft!

Traum CXI

Doppeltraum
1) ich spiele in einem Opernhaus "Eugen Onegin" mit, es ist Bühnenprobe, ich bin im Chor, wir sind Polizisten und haben nur einmal die Bühne zu überqueren. Ich habe eine russische Polizistenmütze auf. In der Garderobe begrüße ich Freude aus dem Opernchor. Die Probe gerät zu einem Desaster, nicht nur weil der Dirigent ausrastet ("Sind denn hier alle verrückt geworden?"), mir wird auch geraten, aufgrund der besonderen Akustik den letzten Ton wegzulassen. Meine Rolle weitet sich dann doch aus: ich sitze dann auf einem Publikumssitz, die Dame der weiblichen Hauptrolle ist Evelyn Herlitzius, die von einem Häscher gejagt wird. Sie kommt angelaufen, setzt sich neben mich, sie flüstert mir zu, "jetzt den linken Arm", ich lege den linken Arm um sie, daraufhin verschwindet sie, wird unsichtbar.
2) mal wieder ein Hotel, mal wieder Chor, irgendwas mit Abfahrt und Kofferpacken. Ich befinde mich im Zimmer von G. und seiner Freundin, der Raum ist von oben bis unten an allen vier Wänden mit Abwasch zugestellt, die Stimmung ist dennoch gelassen. Ich kündige an, mich noch eine halbe Stunde zurückzuziehen - in ein nun aufgeräumtes Zimmer, wo ich mich hinlege. Ich bin nicht alleine im Raum, kann aber nicht erkennen, wer die zweite Person ist.

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