Dienstag, 30. Dezember 2014

In behaglicher Grundstimmung

Weihnachtskonzert der Dresdner Philharmonie mit Werken von Strauss und Tschaikowsky

Was die kulinarischen Genüsse angeht, dürfte Einigkeit herrschen: es mag zwar Abwandlungen in den Rezepten und manche Kreativität im Detail geben, aber zwischen Braten, Gans und Kartoffelsalat bleibt die Konstante: festlich soll es sein, und munden soll es wie jedes Jahr. In der Weihnachtszeit werden selten Traditionen auf den Kopf gestellt, das gilt auch für die musikalischen Gewohnheiten. Bleibt man beim kulinarischen Vergleich, so stellt sich die Rezeptvielfalt der Dresdner Philharmonie im Weihnachtskonzert am 1. Feiertag zwar erfreulich dar, die durch die Werkauswahl über dem ganzen Abend schwebende Behaglichkeit war dann doch für denjenigen zu präsent, der im Konzert nach Abwechslung und Anspruch suchte.

Denn mit Sicherheit ist Richard Strauss' Orchestersuite nach Molière "Der Bürger als Edelmann" eben nicht eines seiner fortschrittlichsten Werke, zudem gerät man beim Hören innerlich in den Konflikt, zwischen der Gegenwart der Aufführung, der Zeit der Entstehung (1918) und der Bezugnahme auf das 17. Jahrhundert umherzuirren - und das bei einem heutzutage kaum vom Sessel reißenden Sujet, an dem sich Strauss selbst eher museal abarbeitete. Trotzdem gelang der Philharmonie dank der umsichtig-liebevollen Leitung durch Chefdirigent Michael Sanderling eine gute Darbietung im von Strauss kammermusikalisch ausgereizten Ensemble. Auch die solistischen Parts von Geige (Heike Janicke) und Cello (Ulf Prelle) waren sorgsam ausgeführt, so dass man sich durchweg am Schönklang weiden konnte.

Der zweite Teil des Konzertes war Werken von Peter Tschaikowsky gewidmet: mit der Onegin-Polonaise, den Rokoko-Variationen und der Fantasie-Ouvertüre "Romeo und Julia" wagte man sich auch hier in nicht allzu schwere Dimensionen - verglichen etwa mit den Zuspitzungen von Berlioz und Prokofjew positioniert Tschaikowsky das Shakespeare-Drama in eine eher märchenhafte Klangumgebung - zu sehr rüttelten da auch die Forderungen der an einer nationalen Musik bastelnden Gruppe des "Mächtigen Häufleins" um Balakirew an Tschaikowskys Kreativität. Sei's drum, an Weihnachten darf man sich auch mal im Klang baden: Michael Sanderling sorgte für einen satt-voluminösen Streicherklang und legte fast ein bißchen zu forsche Dramatik in die schnellen Passagen. Auf diese Weise gelang aber wiederum ein guter Kontrast zu den schön ausgehörten Bläserthemen des Beginns.

Der Höhepunkt des Konzertes war zweifellos der - das Werk gibt leider keine längere Präsenz her - kurze Auftritt des Cellisten Julian Steckel mit den "Rokoko-Variationen". Steckel schaffte es, mit außerordentlich leicht klingender Präzision und tollem Sinn für unterschiedlichste Tongebungen auf dem Instrument die Variationen - so naiv deren Thema auch zunächst daherkommt - wieder im Hörerlebnis spannend zu machen ohne in Sentiment oder dem Werk unangepasste Dramatik zu verfallen. Da hatte jemand schlicht Spaß am Stück, spielte in gewisser Weise ehrlich und konnte diese Spielkultur in höchst überzeugender Manier auch zum Zuhörer transportieren - bravo.
(27.12.)

Romantisches für die Bratsche

Vladimir Buka? in der Hochschul-Reihe "Professoren im Konzert"

Nähert man sich dem Neumarkt aus Richtung des Pirnaischen Platzes, so fällt das Objekt zwischen Tiefgarage, Polizei und Albertinume vielleicht nicht sofort auf. Bei näherem Hinsehen stellt man aber schon von außen fest, dass das schmale Gebäude Rampische Straße 29 liebevoll rekonstruiert wurde und dem westlichen Teil des Gebäudeensembles angemessene Würde verleiht. Bis 2010 aufgebaut, dient es heute - so eine Vorgabe der Stifter und Spender dieses Hauses - unter anderem als Studentenwohnheim für die Musikhochschule Dresden.

Damit der Unterhalt gesichert werden kann, musizierte man am Donnerstagabend im Konzertsaal der Musikhochschule mit dem Benefizgedanken für das Bürgerhaus, für das eine eigene Kulturstiftung existiert. Zu hören gab es eine neue Ausgabe der Reihe "Professoren im Konzert". Zwar sind viele Lehrende der Musikhochschule ohnehin im Kulturleben der Stadt verwurzelt, doch zum einen betrifft das nicht alle Professoren - manche, wie etwa Vladimír Buka?, haben ihren Lebensmittelpunkt in Prag oder an anderen Orten. Außerdem bietet die Reihe auch den reizvollen Anlass, dass die Studierenden ihren Lehrer bei der künstlerischen Artikulation im Konzert erleben können. Vladimír Buka?, der seit 1993 im legendären tschechischen Talich-Quartett spielt, lehrt sein Instrument, die Bratsche, seit 2002 am Institut und spielte ein Programm, das selbst dem bratschenliteraturvertrauten Hörer einige interessante Entdeckungen feilbot. Mit dem Scherzo c-Moll von Johannes Brahms wurde gleich ein nicht ganz einfacher Einstieg gewagt, bei der auch Marie-Anna Buka?ova am Klavier gleich gefordert wurde. Erst bei der folgenden, unvollendeten Sonate von Michail Glinka fanden die beiden zu verständigem und spannendem Spiel zusammen.

Die Werkauswahl, ausgehend von der Romantik bis zu tonalen Vertretern des 20. Jahrhunderts, sorgte nun für eine stetige Spannungssteigerung in den Interpretationen. Sogar die Themen der oft sich virtuos der Geigenliteratur ihrer Zeit anlehnenden Stücke waren sich im aufschwingend-ornamentierenden Charakter ähnlich, einen "Ausreißer" fand man da eher nicht. George Enescus Konzertstück für Bratsche und Klavier meisterte Buka? ebenso vortrefflich wie die "Zwei Stücke" des britischen Komponisten Frank Bridge - beide Komponisten sind in Konzertprogrammen nur selten anzutreffen, überraschen aber durch eine starke eigene Handschrift. Buka?s Bratschenklang gibt sich in all diesen Werken weniger romantisch-süffig, sondern stattdessen angenehm klar und unprätentiös. So verleiht er dem Instrument gehöriges Volumen, wenn der Klaviersatz vollgriffig zu übertönen versucht und gibt den kantablen Linien eine überzeugende, zielgerichtete Führung und Prägung.

Erst in einer Bearbeitung dreier Stücke aus dem Ballett "Romeo und Julia" von Sergej Prokofjew wurde die Stilistik auch auf die Tongebung erweitert - die Tragödie des Liebespaars erforderte einen sinnlich-narrativen Zugang und Buka? fand dazu etwa bei "Julias Tod" glasig-schöne Töne auf seinem Instrument. Wenn man am Ende des Konzertes - nach zwei Zugaben - konstatiert, dass man gerne noch mehr gehört hätte, was möglicherweise auch noch andere Facetten von Instrument und Interpretation eröffnet hätte, so ist dies durchaus als inspirative Ermunterung zu verstehen.
(13.12.)

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