Samstag, 23. Januar 2016

Mozart-Menü mit Tischfeuerwerk

Sonderkonzert zu Rudolf Buchbinders 70. Geburtstag bei der Staatskapelle Dresden

Mit dem Feiern kann man nie früh genug anfangen. Vermutlich ist es den eng gestrickten Konzertkalendern geschuldet, dass der 70. Geburtstag von Rudolf Buchbinder kurzerhand vom Dezember auf den Januar vorverlegt wurde. Das Dresdner Publikum nahm das Geschenk eines Kapell-Sonderkonzertes mit dem Wiener Pianisten gerne an, erfreut sich Buchbinder doch hier einer großen Fangemeinde und musiziert seit Jahren in freundschaftlicher Partnerschaft mit der Sächsischen Staatskapelle. Für das Geburtstagsständchen - der Diminutiv wirkt angesichts des Programms seltsam unangebracht - braucht man indes keinen Pianisten anheuern, Buchbinder selbst beschenkte sich und seine Zuhörer mit Werken von Mozart und Weber und vollführte dies mit sichtlicher Freude, aber auch mit dem von ihm bekannten und vom Publikum geschätzten Anspruch.

So traf er bei den beiden ausgewählten Klavierkonzerten von Wolfgang Amadeus Mozart sehr überzeugend die Charakteristik der Werke - zunächst das in wunderbarer Weise auf ornamentlose, wesentliche Aussagen konzentrierte späte B-Dur-Konzert, KV 595. Vom Klavier aus leitete Buchbinder das gesamte Konzertprogramm und schonte mit drei Konzertwerken auch seine eigene Kraft nicht. Zu Beginn des B-Dur-Konzertes war in der Orchestereinleitung allerdings noch manches verquer, die Musiker befanden sich in puncto Homogenität und Intonation noch in einer Art Findungskommission. Hier wirkte der Vertrauensmotor, den Buchbinder mit sehr sparsamen Bewegungen vom Klavier aus beim Orchester in Gang setzte, noch etwas morgendlich unterkühlt. Doch ist das "concertare" eben ein wachsender Prozess gegenseitiger Inspiration, und mit den ersten Klaviereinsätzen breitete sich ein wunderbar entspanntes, schließlich ein auch vor allem im C-Dur-Konzert KV 467 beseelt zu nennendes Musizieren aus. Interessant waren einige interpretatorische Feinheiten: Wo sich andere Orchester und Solisten bei Mozart gern in Tempo oder Agogik in Sphären der Extreme begeben, besann sich Buchbinder auf Natürlichkeit, vielleicht gar auf eine ehrliche Naivität.

Das war eine sanfte und gleichzeitig kompetente Unterhaltung mit Mozart, die nur an seltenen Stellen die Gefahr des Lapidaren in sich barg - dieser Grat ist aber bei jedem Zuhörer anders ausgeprägt, und Buchbinder zwingt erst recht zum Hinhören, wenn er Mozarts raffiniertes Komponieren nicht auf dem Silbertablett präsentiert, sondern organisch in den Kontext des gesamten Werkes einbettet. Und wenn Mozart dann so genialisch auftrumpft, wie im über das Werk hinaus berühmten Andante des C-Dur-Konzertes, bleibt den Musikern nur, sich diesem Schwelgen hinzugeben. Wenn Mozart das sechs-Satz-Menü der Geburtstagsmatinee darstellte, so war das dazwischen platzierte Konzertstück f-Moll von Carl Maria von Weber das Tischfeuerwerk. Buchbinder versah Webers üppig verzierten, romantischen Klaviersatz mit ordentlichem Vorwärtsgang, arbeitete deutlich harmonische und rhythmische Finessen aus und leitete die Orchestermusiker zu differenziertem Folgen an.

Einhelliger, berechtigter Jubel breitete sich im Opernrund aus, nicht nur das gelungene Konzert, sondern vor allem den Künstler Rudolf Buchbinder und sein lebenslanges und weltweit ausstrahlendes pianistisches Wirken. Davon können sich auch Zuhörer in den Musikzentren Wien, München, Baden-Baden oder Berlin in den nächsten Tagen überzeugen, wenn die Staatskapelle mit Buchbinder auf Tournee geht.
(11.1.2016)

Trackback URL:
https://mehrlicht.twoday.net/stories/1022541649/modTrackback

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Was rundes auf 2D ziehen
Mercator projection: a simple analogy pic.twitter.com/BoAQHKpicX —...
Kreidler - 21. Apr, 05:35
Passfarben
Was da wohl für eine Psychologie dahintersteckt. Colors...
Kreidler - 20. Apr, 05:34
Niedergang auf dem Buchrücken
The expressive design of the 1946 edition of Gibbon's...
Kreidler - 19. Apr, 05:34
Rhythmen aus alten Zeiten
Zürich HB Flap (at MuDA)2016(Sound on!) pic.twitter.com/wZWdRI6AaP —...
Kreidler - 18. Apr, 05:33
Origamitanz
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram...
Kreidler - 17. Apr, 05:04
Vom Glasstapel
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram...
Kreidler - 16. Apr, 05:04

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 6699 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren