Samstag, 14. März 2015

Kleine Besetzung - feine Interpretationen

Landeskapelle Eisenach gastierte im Absolventenkonzert der Musikhochschule

Über die aktuelle Situation der Orchester in Mitteldeutschland zu räsonieren, ruft schnell Bitternis und Ärger hervor, vor allem angesichts der Tatsache, dass bereits reduzierte oder fusionierte Ensembles erneut in die Diskussion geraten, wo eigentlich nichts mehr zu sparen ist - im Gegenteil: würden Politiker den Wert der Kulturaktivitäten der Orchester landauf und landab wirklich erkennen, müßte ein sofortiger Appell der Schutzwürdigkeit und der Ausweitung der Kapazitäten erfolgen. Was beispielsweise die Landeskapelle Eisenach, deren Stammhaus 2007 das Musiktheater und damit auch fast die Hälfte der Orchestermusiker verlor, kurz vor ihrem 70jährigen Bestehen zu leisten imstande ist, nötigt höchsten Respekt ab.

Davon durften sich am Dienstagabend auch das Dresdner Publikum überzeugen, denn der Initiative von Rektor Ekkehard Klemm ist es zu danken, dass die Kapelle dessen Idee eines Absolventenkonzertes gleich in die Tat umsetzte und mit einem kompletten Konzertprogramm, das zuvor in Eisenach als Saisonbeitrag erklang, nach Dresden reiste. Dort warteten gleich vier Dirigierstudenten auf das kleine, feine Ensemble und schlossen mit ihren Aufführungen ihre Ausbildung in Dresden ab.

Das Programm war auf die Größe des Orchesters gut zugeschnitten und mit zwei Konzertwerken, einer Sinfonie und einem kammermusikalischen Stück des 20. Jahrhunderts abwechslungsreich. So unterschiedlich sich also die Aufgaben am Pult gestalteten, so persönlich authentisch und ausdrucksstark gaben sich die Dirigenten und Solisten. Damit gelang ein runder Konzertabend, an dem die leidenschaftlich agierende und diesen besonderen Anforderungen gewachsene Landeskapelle Eisenach großen Anteil hatte.

Gleich das Kammerkonzert für 13 Instrumente von György Ligeti erfordert höchste Konzentration und bietet solistische Entfaltungsmöglichkeiten - Dirigent Wolfgang Drescher sorgte von Beginn an für die nötige Klarheit im Verlauf; so konnten sich feinsinnige rhythmische und klangfarbliche Nuancen einstellen. Ein wenig frei von der Anspannung des Eingangswerkes spielten sich die Musiker anschließend in Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert B-Dur KV 456 - David Holzinger am Pult und Hyelim Oh (Klavier) sorgten dabei für sprudelnde Lebendigkeit, aber auch für Sauberkeit und Deutlichkeit in der Phrasierung.

Ähnlich lebensfroh in der Darstellung gaben sich nach der Pause Wawrzyniec Szymanski (Horn) und Andrea Barizza am Dirigentenpult mit Richard Strauss' 1. Hornkonzert Es-Dur. Barizza ließ vor allem die Ecksätze vorwärtsgerichtet pulsieren, Szymanski kostete die virtuosen Möglichkeiten seines Instruments sorgsam und souverän aus. Am Ende stand ein Meisterwerk von Joseph Haydn: dessen aus der Londoner Serie stammende 99. Sinfonie wartet mit opulenter Bläserbesetzung und einer Menge harmonischer und satztechnischer Überraschungen auf. Dass dieses Werk auch stilistisch klar gegriffen und in der Wirkung nie langweilig wurde, ist der japanischen Dirigentin Yukari Saito zu danken. Die Dresdner Musikhochschule präsentierte sich nicht ganz ohne Stolz als Dirigentenschmiede, aber auch als wichtiger Partner der Orchester im mitteldeutschen Umland; dafür dankte auch das zu solchen Gelegenheiten im Konzertsaal der Hochschule zahlreich erscheinende Publikum herzlich.
(13.3.15)

Samstag, 7. März 2015

Traum XCVIII

Mir wird empfohlen, das Haus nicht zu verlassen. "Wenn er dich findet, ersticht er dich." [spielt sich in W. ab] - danach erscheinen nur noch einzelne Bilder von einem Mann mit einem in seiner Hand halb verborgen gehaltenen Messer.

Mittwoch, 25. Februar 2015

Traum XCVII

drei erinnerte Fragmente aus einer Nacht:
a) Auszug aus einer Art Jugendherberge, irgendwie der letzte Morgen, wo ich alles fein säuberlich zum Kofferpacken zurechtlege. Ansonsten weiß ich nur, dass L. in einem der Zimmer nebenan ist, wir winken uns aus dem Fenster zu.
b) Wir sitzen uns bei Sibelius gegenüber. Es ist unmöglich. Danach ein Tag voll Stille und Erwartung, bevor ich wieder den Kontakt aufnehme.
c) ich wache von meiner eigenen Stimme auf, weil ich laut im Schlaf mit einer Dame in Göteborg auf englisch telefoniere. Meine von mir selbst gehörten Worte klingen nach einem letzten Anruf, einem Abschied. M. saß bei mir in der Küche und hatte angerufen und mir dann das Phone gereicht.

Freitag, 20. Februar 2015

40 Tage ohne.

ich faste eigentlich jedes Jahr, und zwar ohne Dogma, sondern mit der Absicht, mir (!) etwas Gutes zu tun im Verzicht auf einige - meist verzehrbare - Dinge. Dieses Jahr sind es Fleisch, Süßwaren aller Art und Limonaden. Für Michnichtkenner: das konsumier(t)e ich bislang normal bis reichhaltig, bin aber auch ein Meister des unbewussten Nebenbeivertilgens bei Schreib- und Gucktätigkeiten. Sprich: Tatortgucken wird zum Kalorienproblem - es sei denn, der Tatort ist so gut, dass man die Chipstüte vergisst. Wie gesagt, ich betreibe die Fasterei nicht dogmatisch, es wird auch der Tag der Sünde kommen, aber das versuche ich natürlich zu vermeiden. Erstmalig gibt es an dieser Stelle ein kleines Tagebuch dazu, mit allem, was mir dabei auffällt, einfällt oder passiert ist.

Tag 1: entfällt, da ich am Aschermittwoch noch zu einem pulled-pork-Burger-Essen gehe. Ich nehme das als günstigen Anlass für "das Ende" - Fastenstart also Ascherdonnerstag.
pork
Erinnerungsbild. Vermisse ich da was?

Tag 2: auch dieser Tag hat Schrammen, denn ich entdecke natürlich Aufschnittreste im Kühlschrank ebenso wie die Zotter-Schokolade, die ich nun als Erste-Hilfe-Kasten deklariere. In Ermangelung von Zeit esse ich heute beim Asia-Imbiss Nudeln mit Tofu. Ich lerne, dass diese (Nicht-)Zubereitungsart von Tofu (beim Asiamann simpel ins Fett geworfen und anschließend mit "pikante Soße", was auch immer das ist, zugekleistert) mir nicht zusagt. Beim Einkaufen wird mir übrigens bewusst, wie stark die Läden auf Süßkram setzen, man geht ja ständig dort durch Berge von Keksen und Schokoladen und der Osterkram ist natürlich auch schon anwesend.

Tag 3: Eine Stammkundin bringt uns MonCheri mit. Ich widerstehe brav und knabbere zu Hause an kamerunischen Trockenbananen, die ich fast leckerer finde (Produktquelle *hier*). Ansonsten gab es Frühstücksbrei, daran bin ich ohnehin gewöhnt, und Pilzravioli mit einer Fertigtomatensauce, in der allerdings Speck enthalten war. Nun denn, sie ist nun auch vernichtet. Da ich mich nun nicht streng vegan oder vegetarisch ernähre, sondern schlicht auf Fleisch verzichten will, war am Abend noch ein Omelett dran, mit frischen Tomaten und Bergkäse. Offensichtlich scheint in diesen Tagen auch die Kreativität in der Küche zurückzukehren, das macht Mut. Morgen bekomme ich sogar den Ottolenghi ausgeliehen. Das ist, wie Foodleser natürlich wissen, weder ein bequemes Sofa noch ein Kaffeevollautomat, sondern ein superfeines vegetarisches Kochbuch.

buch
Lese"futter"

Tag 4: Parallel zum Verschlingen (sic!) von Kochbüchern (das Jerusalem-Buch bekam ich auch noch ausgeliehen!) lerne ich auch, dass man sich ohne Fleisch und Süßkram weiterhin ungesund und geschmacklich zweifelhaft ernähren kann. Da kaum Zeit zum Einkaufen war, blieb es heute bei Kartoffelecken und Fischstäbchen. Da ich aber nicht vorhabe, ein Fame-Foodblogger zu werden oder gar von der Brigitte am Ende noch verlinkt werde, finden auch diese Alltäglichkeiten hier ihren Niederschlag.

yum
Geht doch.

Tag 5: Gelesen, getan. Hatte ich die Bücher erst noch im Verdacht, dass man auf der Suche nach exotischen Zutaten durch die halbe Stadt fahren muss um dann ernüchtert nur die "halbe Miete" zubereiten zu können, so war gleich das erste Rezept aus dem Jerusalembuch wunderbar einfach und doch überzeugend lecker. Spannend dabei die Joghurt-Erbsen-Sauce und die Kombi von Feta und Chili dazu. Hätte ich mehr Zeit, würde ich ja jeden Tag in der Küche zaubern. Leider unmöglich.

Tag 6+7 gehen ohne besondere Vorkommnisse vorbei, es gibt Erbsensuppe und Nudeln "mit was drauf" - ach doch, da war die Zottersünde am 7. Tag... - Tag 8 dann ein Besuch im Café Prag am Altmarkt, dort gibt es einen Stand mit arabischen Genüssen. Die "Muddi" dort (anders kann ich die Dame nicht bezeichnen, sie war liebenswürdig aufdringlich) tischt mir einen gemischten Teller auf, von dem ich eigentlich noch 24h später zehre, wahrscheinlich hat sie mit diesem Essen ihre Bulgur-Vorräte endlich "an den Mann gebracht". Die zudem dazu gereichte Suppe (sah nach grünen Linsen aus) war spitze und wärmte dank orientalischer Gewürze völlig durch.

Nachtrag: das wird kein Essenstagebuch hier, ich habe zu wenig Zeit. Ich bemerke aber nach nunmehr zwei Wochen, dass das fleischlose Leben recht einfach ist und man natürlich für viel Abwechslung sorgen kann. Schwieriger gestaltet sich die Abwesenheit von Süßem, da gab es schon die eine oder andere Sünde, zuletzt ein "zu großer" Eisbecher, der mir heute zum Vernichten rübergereicht wurde. Dennoch bleibt es auch hier bei Einzelfällen, alles in allem läuft es ganz gut. Und demnächst lerne ich auch noch, wie man in einer Gemüsesuppe versenkte Putenstückchen nicht als Champignons missinterpretiert...

(t.b.c.)

Fortwährende Gänsehaut

Dmitri Schostakowitschs 11. Sinfonie im Gedenkkonzert der Dresdner Philharmonie

Die Konzerte zum Dresdner Gedenktag fanden bisher immer einen Kanon des Erinnerns und des Innehaltens in der Musik - oft wählten Dirigenten Requiem-Kompositionen, die in der Stimmung diese Haltung direkt vermitteln. Chefdirigent Michael Sanderling dirigierte im letzten Jahr eine beeindruckende Aufführung von Dmitri Schostakowitschs 8. Sinfonie, die - 1943 entstanden - die Gefühle und den Irrsinn dieser Zeit musikalisch bündelt. Ähnlich verhält es auch mit der in diesem Jahr vorgestellten 11. Sinfonie g-Moll "Das Jahr 1905", wenngleich auf den ersten Blick die Brücke zum Gedenktag in Dresden schwer herzustellen ist. Es sind historische Ereignisse und deren Reflektion zu verknüpfen, die in intensiver innerer Beschäftigung ein komplexes Geflecht ergeben, in dem politische, künstlerisch-biografische und emotionale Ebenen schwer zu trennen sind.

Wenn der sich nach vielen Repressalien im sowjetischen Kulturleben rehabilitierende Komponist Schostakowitsch 1957 mit dieser Sinfonie als bekennender Patriot vorstellte, dafür den Leninpreis erhielt und wir heute am 13. Februar im Konzert sitzen und sich dieses monumentale, zuweilen kinematographisch direkte sinfonische Gemälde der - erfolglosen - russischen Revolution 1905 über uns ergießt, kann der Weg des Erinnerns kein direkter sein, sondern er schließt einen intellektuellen Nachvollzug ein. Was die Musik äußert, ist von extremer Natur - Begriffe wie Aufbegehren und Widerstand, Niederschlagung, Trauer und Hoffnung ziehen sich wie ein Band durch die Sinfonie - populär wurde sie zudem, weil Schostakowitsch darin etliche Volks- und Revolutionslieder verarbeitete.

Es ist etwas wie eine fortwährende, in keine Richtung direkt erklärbare Gänsehaut, die Michael Sanderling mit der Dresdner Philharmonie mit diesem sinfonischen Urstrom über sechzig Minuten erzeugte. Fahle Bilder des ersten, unerhörte Wucht im Schlachtengemälde des zweiten Satzes verbinden sich mit wunderbaren Soli von Trompeten, dem Englisch-Horn und der Bratschengruppe, die im 3. Satz still zu singen beginnt. Für viele Zuhörer war dies eine extreme, möglicherweise kontroverse, hoffentlich bereichernde Hörerfahrung, wozu Max Regers Transkription von Bachs "O Mensch, bewein dein Sünde groß" die äußerst passende Einleitung darstellte. Am Sonnabend wurde das Konzert mit geändertem Programm wiederholt - statt Reger wurde Sergej Prokofieffs 2. Klavierkonzert gegeben.

Der Artist-in-Residence Martin Helmchen näherte sich diesem großen viersätzigen und abwechslungsreich-virtuosen Konzert mit großer Klarheit in der Darstellung, gab sich weniger bärbeißig-trocken denn vor allem in den Ecksätzen der großbögigen Phrasierung kundig und überraschte mit einem weichen, melodischen Zugang, der auch im Orchester aufgenommen wurde - eine gewissermaßen entschärfte, aber insgesamt sehr schlüssige Interpretation, die großen Wert auf Klangfarben und klare Charakteristik in den Satzkontrasten legte.

Die Klangfarben entfalteten sich auch im zweiten Durchgang der Schostakowitsch-Sinfonie noch einmal intensiver als am Freitag, und nachdem am Freitag nach dem Konzert die angemessene Stille eintrat, durften Sanderling und die Philharmoniker am Sonnabend den Jubel des Publikums entgegennehmen - Klangverständnis und Leistungsfähigkeit des Orchesters in Sanderlings Schostakowitsch-Aufführungen sprechen für eine unbedingte Fortsetzung.

Sonntag, 15. Februar 2015

Mit innerem Furor

Schostakowitsch und Tschaikowsky im Kapell-Sinfoniekonzert

Es kommt selten vor, dass Partituren der großen Komponisten wie ein offenes Buch vor uns liegen und wir alles entschlüsseln können, was die Musik uns sagen will. Das ist gut so, weil so die Werke über die Jahrhunderte und mit dem Können und der Persönlichkeit der Interpreten immer neu erscheinen und die Faszination der Musik, die eben nicht immer Antworten auf alle Fragen gibt, erhalten bleibt. Zwei Meisterwerke der russischen Sinfonik hatte die Staatskapelle Dresden für ihr 6. Sinfoniekonzert ausgewählt, die man zu kennen meint - die Stücke werden oft gespielt, die "Pathétique" von Peter Tschaikowsky, oft als sein Requiem bezeichnet, hat sogar Eingang in die Literatur gefunden.

Mit den ersten Takten, die der Solist Nikolaj Znaider im 1. Violinkonzert von Dmitri Schostakowitsch gestaltete, war jedoch klar, dass hier keineswegs ausgetretene Pfade betreten wurden. Dafür sorgte die unglaublich packende Präsenz des Geigers auf der Bühne, der den langsamen ersten Satz zu einer großen Klangrede formte, in der die Ausformulierung des Gesagten bis in die Punktierungen der Noten spürbar war. Mit einer solchen Vorrede war die Basis gelegt für ein Scherzo, das sich niemals in Fröhlichkeit erging, sondern durch Znaiders klare Ansage in Tempo und Phrasierung eher eine aschgraue Färbung erhielt - da lagen die Knochen der Musik blank, aber die Intensität des Spiels blieb durchweg hoch.

Znaider nahm diese in den 3. Satz mit, formte eine fast stählerne Kadenz und blieb auch im Finale überdeutlich, als seien Ausrufezeichen in die Partitur eingeschrieben. Die Konsequenz seiner Interpretation, die einen inneren Furor eben nicht durch rohe Übertreibung, sondern durch ein geerdetes Spiel erzeugte, wirkte sehr überzeugend. Nicht durchweg konnte Chefdirigent Christian Thielemann da mit der Staatskapelle exakt folgen - sehr gut gelang dies in der Übernahme der Klangfarben, manchmal weniger in rhythmischer Genauigkeit in schnellen, zwischen Solist und Orchester aufgeteilten Passagen.

Auch in der "Pathétique", der 6. Sinfonie h-Moll von Peter Tschaikowsky galt es, die Ohren von möglichem Rezeptionsballast zu befreien. Trotz einer insgesamt sehr guten Aufführung befriedigte die Interpretation vielleicht nicht diejenigen, die vor allem die emotionale Größe des Werkes zuvorderst hören wollten. Dafür waren die Tempi etwa im Höhepunkt des 1. Satzes und im Finale zu zügig. Vieles war sauber und korrekt gearbeitet, was ja zunächst erst einmal eine Qualität ist, aber bei einem solchen Stück lohnt eben der Grenzübertritt jenseits des Schönspielens, die Nuance des Extremen in kleinen Details der Agogik eben doch. Interessanterweise blieben die Mittelsätze am deutlichsten in der Erinnerung - Thielemann kostete das "Allegro con grazia" sehr delikat aus und verpasste dem Lebensmarsch des 3. Satzes gehörigen Zug, verließ aber dabei nicht den Kontext der Sinfonie. Insofern hatten auch die normalerweise tränenreichen Wellen des letzten Satzes in der hier energetischen, keineswegs ausschließlich Endgültigkeit verheißenden Deutung durchaus ihre Berechtigung.
(8.2.15)

Klassiker der Popmusik im orchestralen Gewand

Bormann, Götze und das Kreuzschulorchester unter Dietrich Zöllner im Benefizkonzert

In der heutigen Zeit gibt es viele schlaue Bücher, die Lehrern und Eltern musikbegeisterter Kinder mitteilen, wie die Sprößlinge am besten an die hehre Musik herangeführt werden sollen. Das zerteilt sich schnell in Spreu und Weizen, doch es gibt gottlob auch abseits der Lehrbücher Wege, die vielleicht steiniger sind, aber schon deshalb ehrlicher, weil die Musik und der kreative Prozess stets im Mittelpunkt bleiben.

Man nehme also einen enthusiasmierten Musiklehrer, der auch außerhalb der Schule Musik sein Leben nennt, dazu einen Bassisten und einen Gitarristen, die gemeinsam eines der phantasie- und stimmungsvollsten Duos der Stadt bilden, sowie 73 junge Schüler des Kreuzschulorchesters, die erwartungsgespannt mit ihrem Instrument der Dinge harren, die da auf sie zukommen. Der Schlüssel ist das gemeinsame Tun und Erarbeiten des Neuen - Überraschungen und Entdeckungen sind da inklusive. Vom Erfolg dieses einmaligen Projektes "10 Saiten und ein Orchester" konnte man sich am Sonntag in der Kreuzkirche überzeugen - die als Benefizkonzert für die Sanierung des Treppenhauses der Kirche durchgeführte Veranstaltung zog sehr viele Besucher an, die begeistert mitgingen.

Musiklehrer und Dirigent Dietrich Zöllner wird mächtig stolz auf seine Schüler gewesen sein, die bei weiten nicht nur einen Background für Gitarrist Stephan Bormann und Bassist Tom Götze bildeten, sondern gleichberechtigter Teil des Ganzen waren. Dafür sorgten Zöllners farbige Arrangements, die eben alle Instrumente des bunten Ensembles berücksichtigten ohne den besonderen Charakter der Songs zu verfremden. Ebenso wie das Duo sich eine eigene gefühlvolle Welt in den Songs erschuf, hatte Zöllner in den Bearbeitungen der Klassiker von Sting, Peter Gabriel oder Pink Floyd die Klangfarbenpalette ausgereizt - hier ein Violinsolo, dort ein sanfter Teppich der Flöten, die Vocals wurden gleich aus dem Orchester mitbesetzt. Dabei überwog im gesamten Konzert die Sorgfalt und der Respekt vor den Originalen. Lernen konnte man auf jeden Fall, dass guter Jazz und Pop keineswegs allein durch das hemmungslose Austoben im Bandkeller entsteht (was auch nötig ist) - es steckt viel disziplinierte Arbeit dahinter.

Das stimmungsvolle "Let it be" war ebenso ein Höhepunkt wie die mit allem Schlagwerk einzureißenden Mauern in "The Wall" von Pink Floyd. Wenn Götze und Bormann alleine spielten, verließ das Orchester nicht etwa den Altarraum, sondern lauschte gespannt und ließ sich inspirieren - ebenso wie die Zuhörer, die ihre Volksliedkenntnisse beim wunderschön ausgearbeiteten "Vöglein" auffrischen konnten. Großer Jubel für alle Beteiligten stand am Ende des Konzertes, das für die Schüler sicher einen einmaligen Höhepunkt der Vorbereitung über ein halbes Jahr bedeutete - der Beifall der Zuhörer rief indes eindringlich zur Wiederholung oder gar Fortsetzung auf. Wie auch immer die nächsten Projekte sich anhören werden, an Kreativität herrscht beim Kreuzschulorchester kein Mangel.

CD-Tipp: Stephan Bormann / Tom Götze: Pearls (2013)
(3.2.15)

Überbordende Phantasie

Hans Rotts 1. Sinfonie E-Dur im Philharmoniekonzert

Es macht Sinn, in die Komponierstuben im Jahr 1878 zu schauen, um zu begreifen, was sich am Sonnabend im Schauspielhaus auf der Bühne abspielte: der 65jährige Richard Wagner saß in Bayreuth an der Ausarbeitung der Parsifal-Partitur, in Wien genoß Brahms den Erfolg der Uraufführung seiner 2. Sinfonie, während Bruckner nach dem Durchfallen seiner Dritten bereits mit dem fertiggestellten Nachfolger, der "Romantischen" Sinfonie, haderte. In Bruckners Theorieklasse examinierte gerade der junge Gustav Mahler, der seinem "Klagenden Lied" nicht nur ein bombastisches Instrumentarium verpasste, sondern auch gleich die Gedichte selbst verfasste. Strauss schrieb als gerade 14jähriger erste Kompositionen für die familiäre Hausmusik, Reger war 5 Jahre alt.

Ebenfalls bei Bruckner studierte der junge Hans Rott und legte eben in diesem Jahr den 1. Satz seiner Sinfonie E-Dur zu einem Kompositionswettbewerb vor, es war trotz Fürsprache von Bruckner ein erfolgloses Vorhaben und dem Komponisten widerfuhren weitere Niederlagen, die in psychische Krisen und schließlich einen frühen Tod mündeten. Erst 1989 wurde die Sinfonie uraufgeführt - der Frankfurter Opernchef Sebastian Weigle hat sie in den letzten zehn Jahren oft dirigiert. Im Dresdner Schauspielhaus gelang eine beeindruckende Aufführung. Trotz der akustischen Unzulänglichkeiten breiteten die Philharmoniker ein ganzes Füllhorn an musikalischen Details und Nuancen aus.

In allen Sätzen sind die Bläser stark beteiligt am thematischen Geschehen; hier galt es, mit differenziertem Spiel nicht nur die Übergänge auszuformen, sondern einen großen Bogen herzustellen, was bei Rotts überbordender Phantasie nicht gerade leicht ist. Doch Weigle gelang mit dem Orchester sogar ein bis in kleinste motivische Fäden verstehendes Spiel; hervorragende Soli von Trompete, Horn und Oboe gesellten sich hinzu, so dass man an diesem riesigen spätromantischen Farbtopf großen Spaß hatte und die harmonischen und klangfarblichen Sensationen - an denen sich auch Gustav Mahler später weidete - genau wahrnehmen konnte. Dass die nahezu von Linz nach Wien breit ausgelegten Orgelpunkte dann im 4. Satz doch etwas die Faktur zur Erschöpfung brachten, war in der bis zum letzten Aushauchen stimmigen Interpretation kaum spürbar - hier gaben alle Musiker ihr Bestes, weil man wohl auch gar nicht anders kann angesichts des Raffinements der Erfindung.

Vorangegangen war ein Klassiker des romantischen Klavierkonzertes - Edvard Griegs einziges Konzert gibt sich unbekümmert von großem Pathos weitgehend lyrisch. Der junge ukrainische, in New York lebende Pianist Dmitri Levkovich zehrt zwar von ersten Wettbewerbserfolgen, doch dieses Debut mit dem Dresdner Orchester ging gründlich schief: bereits der erste Akkord war nicht mit den Philharmonikern zusammen, in der Folge zeigte Levkovich viel zu viele falsche Töne und verwaschen gespielte Phrasenenden, die er ungünstig mit dem Pedal verschleierte.

Seine kaum verständlichen Rubati blieben ohne Konzept und es reihten sich nurmehr einzelne Momente aneinander. Sebastian Weigle folgte tapfer mit dem Orchester dem sich zuweilen in geschwind-virtuosen, aber kaum präzisen Gewaltausbrüchen ergehenden Solisten, der auch den Beginn des 3. Satzes kaum bewältigte und am Ende im Tutti nicht einmal auf den Schlag mit dem Orchester zusammenfand. Die in der Folge erster Wettbewerbserfolge versprochenen und eingelösten Orchesterdebuts sollten generell einmal hinterfragt werden, wenn die pianistische Reife schlicht noch Zeit und Fleiß benötigt.
(2.2.15)

Traum XCVI

Meine Augenärztin - ich weiß nur vage, dass sie einen Doppelnamen hat, habe aber gar keine Augenärztin - stirbt, bevor ich zur Behandlung bei ihr drankomme. Zuvor habe ich in einer Warteschlange vor dem Behandlungszimmer mitgebrachte Einkäufe auspacken müssen.

Montag, 2. Februar 2015

[netto]

Genervte Menschen legen
Ungenießbares aufs Band.
Eine Hausfrau kippt Kleingeld aus.
Die Urzeitkasse bootet nicht mehr.
Fuselgeruch.

Mittwoch, 28. Januar 2015

Ein derbes und vergnügliches Pasticcio

Ernst Lubitschs "So this is Paris" als Filmmusikkonzert mit der Dresdner Philharmonie

Die Sinfoniekonzerte sind das Hauptbetätigungsfeld eines Orchesters wie der Dresdner Philharmonie, doch einmal im Jahr wagt das Ensemble einen Ausflug in die Welt der Filmmusik. Seit der Schließung des Kulturpalastes dient der große Saal im Hygienemuseum als Kinokasten und wäre nicht die etwas plautzende Akustik im Weg, würde man glatt ausrufen: "Mehr davon!", denn die Klassiker der Stummfilmzeit in Verbindung mit packender Livemusik von einem großen Orchester gespielt, das kann keine Flimmerkiste und auch keine noch so gute Restaurationsfassung eines Filmes auf DVD ersetzen.

Diesmal stand mit "So this is Paris" aus dem Jahr 1926 eine der großen Gesellschaftskomödien von Ernst Lubitsch auf dem Programm, nachdem die Partnerschaft mit dem Dirigenten und Arrangeur Helmut Imig in den letzten Jahren vor allem Chaplin-Filmen gewidmet war. Es ist ein Film mit vielen reizenden Details und vier großen Stummfilmstars - eigentlich fünf, denn Myrna Loy ist da noch als Haushälterin in einer Nebenrolle zu sehen und darf nur einmal kurz durchs Zimmer schreiten. Der hier genüßlich erzählte Ehebruch im Quartett führt nicht nur dazu, dass der Falsche im Gefängnis landet, man bekommt auch mit der Ballszene eine opulente Inszenierung Lubitschs mit Hunderten Tänzern zu sehen.

Der "Künstlerball" ist ein filmischer Rauschzustand, der perfekt in diese doch manchmal auch weltfern anmutende Komödie passt. Imig hat für die musikalische Begleitung des Films Musik kompiliert, die das Paris der 20er Jahre als Schmelztiegel zeigt: von Chopin über Satie bis Ibert und Françaix reichen die musikalischen Allusionen, mal im Original zitiert, dann wieder jazzig mit Posaunendämpfern und rhythmischer Verzerrung in der Partitur versteckt. Film und Musik verbinden sich gut und sorgen beim Zuschauen für größtes Vergnügen.

Verschwiegen werden darf dabei nicht, dass die Philharmoniker sich hier auf einem Terrain bewegen, das keinesfalls als leichte Muse missinterpretiert werden darf. Was da so beschwingt klingt und vor allem in der von einem Charleston dominierten acht Minuten langen Ball-Szene auch die Beine unruhig werden läßt, will erst einmal leichtfüßig aus den Instrumenten hervorgebracht werden. Zudem sparte Helmut Imig in der Live-Aufführung am Sonntagvormittag nicht mit spontaner Tempoarbeit, um zur nächsten Ohrfeige einer der Protagonisten auf der Leinwand wieder exakt auf der Filmspur zu liegen.

Bei allem Spaß und guter Konzentration, den die Philharmoniker in diesem auch vor Schlagern und Johann Strauß nicht haltmachendem Pasticcio zeigten: etwas weniger heiß gestrickt darf es schon zugehen. In vielen Szenen überwog, das war auch manchmal der Instrumentation geschuldet, eine eher laute Derbheit, die dem Spannungsaufbau im Film fast zuvorkam. Der süffisante, leise Humor eines Satie oder Poulenc kam, obwohl von Imig in der Einführung angekündigt, insgesamt zu kurz. Komödiantisch gab sich der Arrangeur Imig auch in einigen Zitaten: die Hinwendung der Doktorsgattin zu seichten Liebesromanen mit orientalischem Background mit Rimski-Korsakows Sheherazade zu kommentieren, ist eine schöne Geste, Lubitschs bildnerischen Humor im Musikalischen fortzusetzen.

Sonntag, 25. Januar 2015

Ehrung für den Komponisten Rudi Stephan

Abwechslungsreiches Sinfoniekonzert von "medicanti" in der Kreuzkirche

Wenn von den Kulturinstitutionen neue Konzertprogramme erstellt werden, hört man manchmal den Satz "Damit bekommen wir den Saal nicht voll." Abgesehen davon, dass die Quote niemals der einzige Grund einer musikalischen Darbietung sein sollte, kann man in Dresden erfreulicherweise oft erleben, wie leidenschaftliches Musizieren und eine spannende Programmgestaltung auch in Sphären des Unbekannten durchaus viele Zuhörer interessieren. "medicanti", das Orchester an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, kann hier wiederholt als lebendiges Beispiel herangezogen werden: zum Sinfoniekonzert am Sonntag gab es in der Kreuzkirche großen Publikumsandrang.

Die Entdeckerlust praktiziert Dirigent Wolfgang Behrend mit seinem Ensemble seit Jahren erfolgreich - diesmal galt das Augenmerk drei farbig orchestrierten Werken des 20. Jahrhunderts. Stilistisch beschritten Rudi Stephan, Alexander Arutjunjan und Sergej Prokofieff unterschiedliche Wege. Die Begegnung mit der "Musik für Orchester" des vor 100 Jahren im 1. Weltkrieg gefallenen, 1887 in Worms geborenen Komponisten geriet eindrücklich. Stephans Experimente einer frei in der Klangfarbe fließenden Musik, gerade noch mit ähnlichen Wegbeschreitungen in frühen Werken von Berg und Schönberg vergleichbar, endeten abrupt. medicanti setzten sich mit viel Engagement für dieses Stück ein, schon hier beeindruckte neben der souverän agierenden Horngruppe ein das Stück durchdringender, verstehender Gesamtklang, was bei den vielen flirrenden Nebenstimmen gerade der Bläser in der schwierigen Akustik nicht selbstverständlich ist. Im April ist übrigens eine erneute musikalische Begegnung mit Rudi Stephan möglich - die Dresdner Philharmonie wird dann die "Musik für Geige und Orchester" vorstellen.

Vielleicht beim ersten Hören leichter zugänglich, aber vor allem rhythmisch keineswegs einfacher spielbar ist Arutjunjans Trompetenkonzert aus dem Jahr 1950. Es ist bis heute das einzige Werk des musikalisch einen konservativen Stil pflegenden armenischen Komponisten, das dank eines dankbar-spielfreudigen solistischen Parts öfters zu erleben ist. Für selbigen war der Dresdner Trompeter Sebastian Schöne zuständig - die im Kirchenraum nutzbare dynamische Bandbreite des Instruments kostete er ebenso aus wie die Virtuosität, die Arutjunjan dem Solisten zur Entfaltung gibt. Behrend gab dem Orchester hier regelrecht die Sporen in den schnellen Passagen, ein saftiger Tutti-Klang war die Folge, der der aber genau zu dieser Stilistik passte.

Zum Beschluss stellte medicanti die letzte, die 7. Sinfonie cis-Moll von Sergej Prokofieff vor, ein wegen der schwer festzulegenden Ausrichtung der Grundcharakteristik nicht einfach zu handhabendes Stück. Behrend setzte auf die melodischen Qualitäten der Sinfonie - der typische "Prokofieff-Sound" entfaltete sich vor allem in Motiven, die an die Stilistik der bekannten Ballettmusiken erinnern. Selbst manche zunächst naiv anmutenden Passagen waren da schlicht schön ausgearbeitet und so gelang auch ein Bogen bis zum nachdenklich auspendelnden Schluss des Werkes.

Naturalistische Schwerpunkte

Zeitgenössische Musik mit dem TALEA Ensemble im Kulturrathaus

Rund siebzig sächsische Komponisten präsentieren sich auf einer Website, die der Komponistenverband vor einigen Jahren installiert hat. Nimmt man alle sich nicht dort vorstellenden Tonsetzer sowie den komponierenden Nachwuchs an den Hochschulen und Musikschulen hinzu, muss man um die Entstehung von neuer Musik keine Sorge tragen - allein, wer führt sie auf? Im Verbund von KlangNetz Dresden ist auch der Sächsische Musikbund vertreten, der sich seit 1998 genau um die Pflege der Musik lebender Komponisten in Sachsen bemüht und im Schnitt pro Jahr sechs Projekte initiiert, die jeweils in den drei sächsischen Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz stattfinden.

Das TALEA Ensemble, das in diesem Rahmen am Sonnabend im Kulturrathaus musizierte, schlägt zudem eine Brücke nach Sachsen-Anhalt - die Musiker des gemischten Kammerensembles stammen aus Orchestern in Leipzig und Halle. Abwechslungsreich und stimmig wirkte die Dramaturgie des Konzertes, dessen zwei Hälften von je einem "Klassiker" der zeitgenössischen Musik eröffnet wurden. Stilistisch sehr unterschiedlich, waren die beiden Stücke von George Crumb (Eleven Echoes of Autumn) und György Kurtág (Hommage à R. Schumann) doch verwandt in ihrem Angebot vielfältiger Bezüge innerhalb und außerhalb der Musik. Sie waren auch hervorragend geeignet als Einstimmung auf die neuen Kompositionen in Sachsen lebender Komponisten.

Carsten Hennigs aus einem Zyklus namens "desire" stammendes Werk "Die belebende Wirkung des Geldes" trägt zwar einen blumigen Titel, erzeugt aber mit seinen musikalischen Rotationen nicht nur den naturalistischen Effekt sich drehender Münzen, sondern auch eine beunruhigende Grundhaltung der Erwartung. Naturalismus war überraschenderweise ein Element, das dann das ganze Konzert in mehr oder weniger starker Weise durchzog und zum Nachdenken, auch über ästhetische Dimensionen aufrief. Steffen Reinholds "Echoes of Staffa" mit Bezug zur Fingalshöhle auf den Hebriden rief dazu ebenso auf wie Jens Marggrafs Gedichtbetrachtungen nach Octavio Paz "Piedras y Pájaros". Bei Knut Müllers "UTRIUSQUE COSMI" war der Bezug zur bildenden Kunst der Renaissance stark ausgearbeitet und schlug sich doch in einer eigenen, rhythmisch prägnanten und urwüchsigen Musiksprache nieder. Das Talea Ensemble zeigte sich versiert für diese sehr verschiedenen Handschriften, die sechs Musiker pflegten bei der zeitgenössischen Musik ein atmendes Miteinander und wussten auch in der schwierigen Akustik die Nuancen der Werke solistisch wie im Ensemble gut offenzulegen.

Konzerte des Sächsischen Musikbundes in Dresden
Mi, 25. März, 19:30 Uhr, Konzertsaal der HfM, "Komponieren in Sachsen", Doppelportrait mit Werken von Christian FP Kram und Christian Münch

Do, 07. Mai, Dreikönigskirche: Konzert mit vocal modern zum 100jährigen Gedenken an den Völkermord in Armenien

Mo, 29. Juni, 19:30 Uhr, Kleiner Saal der HfM: Klavierabend mit dem Pianisten Moritz Ernst, mit Werken u.a. von Johannes K. Hildebrandt, Christian FP Kram und Tobias Schick

Di, 6. Oktober, 20 Uhr, Leonhardi-Museum: "Klangportraits Sachsen-Schweiz" mit dem Schweizer Trio Saeitenwind, mit Stücken u.a. von Michael Pelzel, Knut Müller und Tobias Eduard Schick

Unter Strom

5. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle mit Arkadi Volodos und Daniele Gatti

Die TU Dresden besitzt eine Hochspannungshalle, ein bustäblich "spannender" Ort für Experimente und Forschung. Dass Dresden eine zweite Hochspannungshalle besitzt, war mir bislang nicht
bewusst, am Freitag aber zeigte die Sächsische Staatskapelle Dresden mit zwei energetisch agierenden Gästen, dass man auch ein altehrwürdiges Opernhaus buchstäblich unter Strom setzen kann. Das 5. Sinfoniekonzert wies programmatisch nach Russland: Mit dem 1. Klavierkonzert b-Moll von Peter Tschaikowsky und der 10. Sinfonie e-Moll von Dmitri Schostakowitsch erklangen zwei Werke, deren besondere, zuweilen extreme Gefühlslage kaum zum Zurücklehnen auffordert.

Insofern war es ein Glücksfall, dass mit Arcadi Volodos am Klavier und Daniele Gatti am Dirigentenpult zwei Künstler zur Verfügung standen, die sich den Werken nicht in distanziert-partiturhuldigender Dokumentation näherten, sondern komplett in die emotionalen Wechselbäder einzudringen vermochten. Volodos Interpretation widersprach deutlich der üblichen Praxis, dieses Konzert auf die Einleitungstakte reduzierend in die "Best of Klassik"-Schublade zu sortieren. Kraftvoll und oft überraschend war sein Zugang zu den Solopassagen - wenn Volodos bei Orchesterzwischenspielen lässig die Hände verschränkte und fast regungslos dem Orchester lauschte, durfte man sich sicher sein, dass innerlich schon die Energie für die nächste Passage kurz vor der Entladung stand.

Auf kraftvollen Klangrausch und genüsslich ausgestellte Virtuosität allein beschränken sich Volodos Qualitäten jedoch nicht - was war das bitte für eine wunderbar atmend-selige Pianokultur, die Volodos im zweiten Satz verströmen ließ? Die Anschlagsbandbreite dieses Pianisten ist ohnehin staunenswert, man meint im dritten Satz ein für ihn charakteristisches Staccato zu vernehmen, dass in dieser Würze kaum ein anderer Pianist so beherrscht und konsequent zelebriert. Der Mailänder Dirigent Daniele Gatti, designierter Chefdirigent des Concertgebouworkest Amsterdam, begleitete mit der Staatskapelle aufmerksam und nahm die Hochspannung mit - wenige Wackler waren da zu verschmerzen, denn hier stand Energie und Tiefe der Ausgestaltung im Vordergrund.

In kompromissloser Emotionalität führte Dmitri Schostakowitsch den Stift bei seiner 10. Sinfonie - Daniele Gatti gewährte den Zuhörern in puncto Ausdrucksvielfalt keinerlei Schonung und musizierte gar in akustisch deutlich zu vernehmenden Arbeitsgeräuschen in den Steigerungen des 1. Satzes mit. Dabei verlor er nie die Übersicht über die immensen Bögen der Sinfonie und behielt auch in der wüsten Gewalt des "Stalin-Satzes" jederzeit die Kontrolle und setzte dabei messerscharfe Akzente. Gespenstisch zog dann der 3. Satz mit Hornsignalen und skurriler Walzer-Welt vorüber. Höhepunkte dieser tollen Interpretation waren nicht nur die großartig ausmusizierten Tutti-Passagen, sondern vor allem die empfundenen Holzbläser-Soli zu Beginn des Finalsatzes. Wo Schostakowitsch eine einzelne Stimme sprechen läßt, gaben sich die Musiker der Kapelle mit ganzem Können hin - und diese Musik traf bis ins Mark.

Neue Musik in allen Facetten

Das KlangNetz Dresden startet in ein üppig gefülltes Konzertjahr 2015

Gäbe es einen Seismographen, der die Klangwellen zeitgenössischer Musik an einem bestimmten Ort aufzeichnen würde, so hätte das Messgerät 2014 kontinuierlich deutliche Ausschläge über das ganze Jahr hinweg an verschiedenen Orten in Dresden verzeichnet. Das "KlangNetz Dresden", der Netzwerkverbund Dresdner Ensembles und Kulturschaffender, setzt sich seit zwei Jahren als eingetragener Verein für die Koordination, und Veranstaltung von Konzerten mit zeitgenössischer Musik ein. Was da allein im vergangenen Jahr auf die Beine gestellt wurde, konnte sich sehen und hören lassen: in 46 eigenen oder in Kooperation durchgeführten Veranstaltungen - dazu zählen auch Einführungen oder Workshops - lockte das KlangNetz 3550 Besucher an.

Zieht man das Netz weitmaschiger zu den Partnerinstitutionen wie Semperoper und Philharmonie, dürften es noch weit mehr Zuhörer gewesen sein. Dabei regierte im vergangenen Jahr vor allem die Vielfalt - von Spektralmusik über Kammerkonzerte bis hin zu Workshops etwa mit dem Komponisten Wolfgang Rihm reichte die Bandbreite. Als Höhepunkte der Konzertaktivitäten, so der Leiter von KlangNetz Dresden Jörn Peter Hiekel, ist das Schulvermittlungsprojekt "A-S-S-E-M-B-L-E!" und die eigene, über das ganze Jahr von verschiedenen Ensembles in immer neuen Aspekten beleuchtete Reihe "Einstürzende Mauern" anläßlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls zu nennen.

Die Vermittlungsarbeit steht auch weiterhin als wichtiges Element auf der Agenda; moderierte Konzerte, Schul- und Komponierprojekte sollen die zeitgenössische Musik nicht nur verständlich, sondern interaktiv erlebbar machen. Auch die Idee der eigenen Konzertreihe wird 2015 fortgeführt. In diesem Jahr heißt das Thema der Reihe, die in den Sälen des Kooperationspartners Hygiene-Museum stattfindet, "Freundschaften" und startet am 21. Mai mit einem ungewöhnlichen Abend mit zeitgenössischer Musik und Tango - als verbindendes Element wird dabei Luis Buñuels berühmter Film "Un Chien Andalou" dienen, ganz neue Kompositionen werden Boris Bell und Eric Egan an diesem Abend beisteuern. Wie aus Freundschaften Musik entsteht, wie Zwischenmenschliches Niederschlag in der Kunst findet oder eben auch freundschaftliche Beziehungen in Tönen und Klängen gestaltbar sind, dem wird sich diese Reihe in mehreren Konzerten widmen - ein jedes mit mindestens einer Uraufführung.

Mit dem üppigen Konzertjahr 2015 (die Homepage verzeichnet bereits jetzt gut 40 Termine bis zur Jahresmitte) startet das KlangNetz Dresden übrigens schon in dieser Woche: eine "besondere Farbe", so Hiekel, wird der dänische Komponist Simon Steen-Andersen mitbringen, der an der Dresdner Musikhochschule unter anderem zu einem Workshop und einem von Dresdner Studenten gestalteten Porträtkonzert gastiert. Steen-Andersen gilt als kreativer Soundkünstler mit einem heterogen zu nennenden OEuvre, das sich den Genres Film und Populärmusik öffnet und in Collagen oder mit installativen Elementen neue Bedeutungsebenen schafft. Als "Manipulator" oder Live-Installateur wird Steen-Andersen auch im Konzert als Interpret seiner Stücke zu erleben sein.

Neben der Fortführung bereits bekannter Konzertformate wie dem "Short Concert" an der Musikhochschule oder der "Ersten Anhörung", die die Dresdner Philharmonie mit Kompositionsstudenten durchführt, ist ein Highlight der ersten Jahreshälfte auch die Begegnung mit der Capell-Compositrice Sofia Gubaidulina, die anläßlich ihrer Kapell-Uraufführung auch einen Workshop an der Hochschule gibt. Existenziell und intensiv nachwirkend sind Gubaidulinas Kammermusikkompositionen - diese gibt es dann in einem KlangNetz-Gesprächskonzert am 16. April zu hören.

Ausgewählte Konzerte KlangNetz Dresden
* 28. Januar, 18. März, 22. April "Short Concerts" an der Musikhochschule
* 15./16. April, Sofia Gubaidulina zu Gast an der Musikhochschule Dresden
* 21. Mai, Hygienemuseum, Liebschaften – Neue Musik und Tango
Eröffnungskonzert der Reihe „Freundschaften“ von KlangNetz Dresden mit dem Ensemble "El Perro Andaluz"

Freitag, 9. Januar 2015

Näää...?

Im Nachgang zu einer kleinen Twitter-Diskussion gestern abend muss ich doch kurz mal bloggend die Gedanken ordnen. Man lebt ja nun in einer Stadt, in der seit Wochen die Pegida-Demonstrationen stattfinden. Stets gibt es Gegendemonstrationen, es ist auch schon viel geschrieben und diskutiert worden. Eine wirkliche Lösung scheint nicht anzustehen, zumal es auch verständlicherweise unterschiedliche Reaktionen gibt: Auf Beschimpfungen und Verunglimpfungen (Volksverräter, Lügenpresse) kann mit Beschimpfung und Verunglimpfung (Nazis, Idioten) reagiert werden oder auch gar mit Ignoranz, viele analysieren nun gründlich und versuchen das in den Brunnen gefallene Kind wieder herauszuziehen. Gegen Verschwörungen helfen nur Fakten, eine verquere Gesinnung beseitigt man sicher nicht per Handstreich. Es bilden sich nun jede Woche Demonstrationsfronten - bei der letzten Pegida-Demo stand ein einsamer Wagen, der zum Dialog einlud, mit wenig Resonanz. Die Gegendemonstrationen sind zahlenmäßig unterlegen, nicht jeder bekommt in Dresden den Hintern hoch, aber offenbar fehlt es auch an klaren Ansagen und Bekenntnissen.

Letzte Woche habe ich mir von Dresden-Nazifrei anhören müssen, dass die Demo vom "Neujahrsputz" eben nicht #nopegida sei (Besitzansprüche auf einen Hashtag?), das sei ja lediglich das Bündnis von "Dresden für alle", man würde sich eigene Aktionen für den 12.1. aufsparen. In einem weiteren Kommentar, die Quelle finde ich gerade nicht, las ich noch, der Neujahrsputz, sei ja eher von den "braven Lichterkettenbürgern" durchgeführt. Demo ist offenbar nicht gleich Demo, lerne ich.

Die Staatskanzlei verkündete diese Woche, man wolle nun am Samstag demonstrieren, nicht "gegen" etwas, sondern für "Weltoffenheit, Menschlichkeit und Dialog", aufgerufen haben dazu Land und Stadt - in persona Tillich und Orosz (CDU). Gleich meldeten sich da einige zu Wort und bedauerten, der Aufruf wäre ein Alleingang von Orosz ohne Mitteilung an Stadtrat und Bündnisse.

Ein klares #nopegida fehlt in der Ankündigung der Veranstaltung am Samstag, mehr noch: am Mittwoch sprach der CDU-Politiker Frank Kupfer in die Sachsenspiegel-Kameras, die 18000 Demonstranten der Pegida seien am Samstag ausdrücklich eingeladen. Daraufhin haben sich in der gestrigen kleinen Twitterdiskussion einige abgewendet und meinten, damit sei die Teilnahme hinfällig. In dem Sachsenspiegel-Beitrag gibt es unterschiedliche Haltungen der Parteien zu Organisation und Teilnehmern von Pegida. Während man sich uneins ist, ob man Gespräch sucht, die Menschen anhört oder sich abwendend die "Wutbürger" verteufelt, zeigt der Beitrag auch, dass die Organisatoren der Pegida sicher nicht am Samstag zu den so betitelten "Volksverrätern" gehen werden, sondern sich bereits in die offenen Arme der AfD geworfen haben. (hier komplett).

So schreien sie denn alle "Nää, wenn der x kommt, geh ich da nicht hin", jeder pocht auf seine eigene Haltung und guckt sorgfältig, wer da neben ihm demonstriert. Die wöchentliche Neuorganisation der Bürgerschaft zu den Demos ist schwierig, nicht jeder hat jeden Montagabend Zeit - die Großdemo am Samstag könnte ein Zeichen sein, dass einmal alle Bündnisse, Parteien, Bürger zusammenfinden, andere Städte haben es ja schon vorgemacht.

Heute titelt die DNN übrigens "Dresden steht morgen gegen Pegida gemeinsam auf dem Neumarkt" - nicht als Zitat, sondern als Überschrift. Fernab von Parteigeningel meine ich, der Anlass der Demo ist wichtig. Genau hinhören und hinhören sollte man trotzdem, vor allem sollte der kleinste gemeinsame Nenner in den Grundwerten der Demokratie liegen. Wer diese mit Füßen tritt, sollte auch nicht eingeladen werden.

Donnerstag, 8. Januar 2015

9 Sinfonien

Die Blogidee von classicallife bzw. all is yar nehme ich mal auf, merke aber gleich, dass ich an den Regeln scheitere. Es sind 9 Sinfonien für die "einsame Insel" zu nennen, jeder Komponist darf nur einmal vorkommen, Nummerierung entspricht dem jeweiligen Stück (also 1 = 1. Sinfonie von ...), Beethoven ausgeschlossen - die neun gehen sowieso extra mit. Ich musste bei einigen kämpfen, um den Favoriten zu nennen. Dass Bruckner und Mahler nicht auftauchen, ist meiner Liebe für Entlegenes geschuldet. Aber alle diese Stücke finde ich auf ihre Weise großartig.
1 - Alfred Schnittke
2 - Ralph Vaughan Williams
3 - Avet Terteryan
4 - Franz Schmidt
5 - Carl Nielsen
6 - Karl Amadeus Hartmann
7 - Jean Sibelius
8 - Dmitri Schostakowitsch
9 - Allan Pettersson

Kurzer Kommentar dazu: Bei den ersten vier habe ich mich schwergetan, weil natürlich da noch sehr viele Komponisten zu berücksichtigen sind, die überhaupt nur 1-4 Sinfonien geschrieben haben. Aber dennoch (o weh) kein Hans Rott, kein Brahms, Martinu, Szymanowski, Roussel, kein Havergal Brian, auch Gubaidulinas Sinfonie oder Berios Sinfonia mussten hier entfallen. Großartiger finde ich die 1. Sinfonie von Schnittke, die mit allem "aufräumt", was sich jemals Sinfonie geschimpft hat. Dafür ist die "Zweite" ganz traditionell. Die Dritte von Terteryan ist mir noch als Live-Erlebnis in Erinnerung, ähnlich wie Kanchelis Sinfonien, die hier auch nicht auftauchen, ein nachdrückliches Klangereignis. Nielsens 5. liebe ich ebenso wie Hartmanns 6. (sorry, Gustav Mahler) und Sibelius' 7. - hier hätte ich aber beinahe Hans Werner Henze den Vorzug gegeben. Die Acht war schwierig, sehr schätze ich Dvoraks Geniestreich, aber auch Bruckners Achte. Die Neun gehört ganz klar Allan Pettersson, den ich hiermit auch wieder einmal zum Hören empfehle - vorsicht, das ist nichts zum Zurücklehnen, gerade die 9. Sinfonie ist ein Riesensatz von 75 Minuten Dauer.

Hier sind noch Listen anderer Blogger zu finden:
* Alex Ross
* Scott Chamberlain (mit Videos)
* Emily Hogstad (mit Videos)

Samstag, 3. Januar 2015

Traum XCV

kurze in Erinnung behaltene Szenerie aus mehreren "Tableaus" gestern nacht: ich wohne einem Konzert eines der El-Sistema-Orchester bei, es ist zu Ende, Zugabe. Ich erwarte Marquez' Danzon Nr. 2, aber das Orchester entscheidet sich für Rachmaninows "Toteninsel". Das Publikum klatscht den 5/8-Takt mit...

Dienstag, 30. Dezember 2014

In behaglicher Grundstimmung

Weihnachtskonzert der Dresdner Philharmonie mit Werken von Strauss und Tschaikowsky

Was die kulinarischen Genüsse angeht, dürfte Einigkeit herrschen: es mag zwar Abwandlungen in den Rezepten und manche Kreativität im Detail geben, aber zwischen Braten, Gans und Kartoffelsalat bleibt die Konstante: festlich soll es sein, und munden soll es wie jedes Jahr. In der Weihnachtszeit werden selten Traditionen auf den Kopf gestellt, das gilt auch für die musikalischen Gewohnheiten. Bleibt man beim kulinarischen Vergleich, so stellt sich die Rezeptvielfalt der Dresdner Philharmonie im Weihnachtskonzert am 1. Feiertag zwar erfreulich dar, die durch die Werkauswahl über dem ganzen Abend schwebende Behaglichkeit war dann doch für denjenigen zu präsent, der im Konzert nach Abwechslung und Anspruch suchte.

Denn mit Sicherheit ist Richard Strauss' Orchestersuite nach Molière "Der Bürger als Edelmann" eben nicht eines seiner fortschrittlichsten Werke, zudem gerät man beim Hören innerlich in den Konflikt, zwischen der Gegenwart der Aufführung, der Zeit der Entstehung (1918) und der Bezugnahme auf das 17. Jahrhundert umherzuirren - und das bei einem heutzutage kaum vom Sessel reißenden Sujet, an dem sich Strauss selbst eher museal abarbeitete. Trotzdem gelang der Philharmonie dank der umsichtig-liebevollen Leitung durch Chefdirigent Michael Sanderling eine gute Darbietung im von Strauss kammermusikalisch ausgereizten Ensemble. Auch die solistischen Parts von Geige (Heike Janicke) und Cello (Ulf Prelle) waren sorgsam ausgeführt, so dass man sich durchweg am Schönklang weiden konnte.

Der zweite Teil des Konzertes war Werken von Peter Tschaikowsky gewidmet: mit der Onegin-Polonaise, den Rokoko-Variationen und der Fantasie-Ouvertüre "Romeo und Julia" wagte man sich auch hier in nicht allzu schwere Dimensionen - verglichen etwa mit den Zuspitzungen von Berlioz und Prokofjew positioniert Tschaikowsky das Shakespeare-Drama in eine eher märchenhafte Klangumgebung - zu sehr rüttelten da auch die Forderungen der an einer nationalen Musik bastelnden Gruppe des "Mächtigen Häufleins" um Balakirew an Tschaikowskys Kreativität. Sei's drum, an Weihnachten darf man sich auch mal im Klang baden: Michael Sanderling sorgte für einen satt-voluminösen Streicherklang und legte fast ein bißchen zu forsche Dramatik in die schnellen Passagen. Auf diese Weise gelang aber wiederum ein guter Kontrast zu den schön ausgehörten Bläserthemen des Beginns.

Der Höhepunkt des Konzertes war zweifellos der - das Werk gibt leider keine längere Präsenz her - kurze Auftritt des Cellisten Julian Steckel mit den "Rokoko-Variationen". Steckel schaffte es, mit außerordentlich leicht klingender Präzision und tollem Sinn für unterschiedlichste Tongebungen auf dem Instrument die Variationen - so naiv deren Thema auch zunächst daherkommt - wieder im Hörerlebnis spannend zu machen ohne in Sentiment oder dem Werk unangepasste Dramatik zu verfallen. Da hatte jemand schlicht Spaß am Stück, spielte in gewisser Weise ehrlich und konnte diese Spielkultur in höchst überzeugender Manier auch zum Zuhörer transportieren - bravo.
(27.12.)

Romantisches für die Bratsche

Vladimir Buka? in der Hochschul-Reihe "Professoren im Konzert"

Nähert man sich dem Neumarkt aus Richtung des Pirnaischen Platzes, so fällt das Objekt zwischen Tiefgarage, Polizei und Albertinume vielleicht nicht sofort auf. Bei näherem Hinsehen stellt man aber schon von außen fest, dass das schmale Gebäude Rampische Straße 29 liebevoll rekonstruiert wurde und dem westlichen Teil des Gebäudeensembles angemessene Würde verleiht. Bis 2010 aufgebaut, dient es heute - so eine Vorgabe der Stifter und Spender dieses Hauses - unter anderem als Studentenwohnheim für die Musikhochschule Dresden.

Damit der Unterhalt gesichert werden kann, musizierte man am Donnerstagabend im Konzertsaal der Musikhochschule mit dem Benefizgedanken für das Bürgerhaus, für das eine eigene Kulturstiftung existiert. Zu hören gab es eine neue Ausgabe der Reihe "Professoren im Konzert". Zwar sind viele Lehrende der Musikhochschule ohnehin im Kulturleben der Stadt verwurzelt, doch zum einen betrifft das nicht alle Professoren - manche, wie etwa Vladimír Buka?, haben ihren Lebensmittelpunkt in Prag oder an anderen Orten. Außerdem bietet die Reihe auch den reizvollen Anlass, dass die Studierenden ihren Lehrer bei der künstlerischen Artikulation im Konzert erleben können. Vladimír Buka?, der seit 1993 im legendären tschechischen Talich-Quartett spielt, lehrt sein Instrument, die Bratsche, seit 2002 am Institut und spielte ein Programm, das selbst dem bratschenliteraturvertrauten Hörer einige interessante Entdeckungen feilbot. Mit dem Scherzo c-Moll von Johannes Brahms wurde gleich ein nicht ganz einfacher Einstieg gewagt, bei der auch Marie-Anna Buka?ova am Klavier gleich gefordert wurde. Erst bei der folgenden, unvollendeten Sonate von Michail Glinka fanden die beiden zu verständigem und spannendem Spiel zusammen.

Die Werkauswahl, ausgehend von der Romantik bis zu tonalen Vertretern des 20. Jahrhunderts, sorgte nun für eine stetige Spannungssteigerung in den Interpretationen. Sogar die Themen der oft sich virtuos der Geigenliteratur ihrer Zeit anlehnenden Stücke waren sich im aufschwingend-ornamentierenden Charakter ähnlich, einen "Ausreißer" fand man da eher nicht. George Enescus Konzertstück für Bratsche und Klavier meisterte Buka? ebenso vortrefflich wie die "Zwei Stücke" des britischen Komponisten Frank Bridge - beide Komponisten sind in Konzertprogrammen nur selten anzutreffen, überraschen aber durch eine starke eigene Handschrift. Buka?s Bratschenklang gibt sich in all diesen Werken weniger romantisch-süffig, sondern stattdessen angenehm klar und unprätentiös. So verleiht er dem Instrument gehöriges Volumen, wenn der Klaviersatz vollgriffig zu übertönen versucht und gibt den kantablen Linien eine überzeugende, zielgerichtete Führung und Prägung.

Erst in einer Bearbeitung dreier Stücke aus dem Ballett "Romeo und Julia" von Sergej Prokofjew wurde die Stilistik auch auf die Tongebung erweitert - die Tragödie des Liebespaars erforderte einen sinnlich-narrativen Zugang und Buka? fand dazu etwa bei "Julias Tod" glasig-schöne Töne auf seinem Instrument. Wenn man am Ende des Konzertes - nach zwei Zugaben - konstatiert, dass man gerne noch mehr gehört hätte, was möglicherweise auch noch andere Facetten von Instrument und Interpretation eröffnet hätte, so ist dies durchaus als inspirative Ermunterung zu verstehen.
(13.12.)

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Traum XCIV

Recital. Kommst Du morgen mit nach Bielfeld (sic!) mit den Ungarn? Publikum stummgeschaltet. Hinübergerettet ins Reale. Turin immer noch im Kopf. "Come on" und sie macht es.

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Traum XCIII

Dreiteiliger Traum: 1) ich bin in einem Kaufhaus und werde von Sicherheitsbeamten befragt, angeblich hätte ich etwas gestohlen. Ich kann alles erklären und darf gehen. Ob die Gegenstände (2x Parfum, die sich in meiner Tasche befinden) wirklich von mir gestohlen wurden, wird nicht klar. Neben sitzt die ganze Zeit der nächste aufgegriffene "Kandidat", der meine Unschuldsbeteuerung mit einer Mischung aus Angst und Bewunderung verfolgt. 2) ich gehe an vielen Hallen mit vielen Menschen vorbei - eine Art Messe oder Oktoberfest o.ä. und laufe bis zum Ende der Straße, wo ich an einem Verkaufswagen eine Currywurst bestelle. J. kommt mit Hund vorbei.
3) Ich habe im Garten Pflaster für eine Terrasse gelegt und gieße den Sand und Lehm mit Wasser fort. Auf den Pflastersteinen kommen Buchstaben zum Vorschein - eine Botschaft, die ich aber im Traum nicht entschlüsseln kann.

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