Sonntag, 15. Februar 2015

Mit innerem Furor

Schostakowitsch und Tschaikowsky im Kapell-Sinfoniekonzert

Es kommt selten vor, dass Partituren der großen Komponisten wie ein offenes Buch vor uns liegen und wir alles entschlüsseln können, was die Musik uns sagen will. Das ist gut so, weil so die Werke über die Jahrhunderte und mit dem Können und der Persönlichkeit der Interpreten immer neu erscheinen und die Faszination der Musik, die eben nicht immer Antworten auf alle Fragen gibt, erhalten bleibt. Zwei Meisterwerke der russischen Sinfonik hatte die Staatskapelle Dresden für ihr 6. Sinfoniekonzert ausgewählt, die man zu kennen meint - die Stücke werden oft gespielt, die "Pathétique" von Peter Tschaikowsky, oft als sein Requiem bezeichnet, hat sogar Eingang in die Literatur gefunden.

Mit den ersten Takten, die der Solist Nikolaj Znaider im 1. Violinkonzert von Dmitri Schostakowitsch gestaltete, war jedoch klar, dass hier keineswegs ausgetretene Pfade betreten wurden. Dafür sorgte die unglaublich packende Präsenz des Geigers auf der Bühne, der den langsamen ersten Satz zu einer großen Klangrede formte, in der die Ausformulierung des Gesagten bis in die Punktierungen der Noten spürbar war. Mit einer solchen Vorrede war die Basis gelegt für ein Scherzo, das sich niemals in Fröhlichkeit erging, sondern durch Znaiders klare Ansage in Tempo und Phrasierung eher eine aschgraue Färbung erhielt - da lagen die Knochen der Musik blank, aber die Intensität des Spiels blieb durchweg hoch.

Znaider nahm diese in den 3. Satz mit, formte eine fast stählerne Kadenz und blieb auch im Finale überdeutlich, als seien Ausrufezeichen in die Partitur eingeschrieben. Die Konsequenz seiner Interpretation, die einen inneren Furor eben nicht durch rohe Übertreibung, sondern durch ein geerdetes Spiel erzeugte, wirkte sehr überzeugend. Nicht durchweg konnte Chefdirigent Christian Thielemann da mit der Staatskapelle exakt folgen - sehr gut gelang dies in der Übernahme der Klangfarben, manchmal weniger in rhythmischer Genauigkeit in schnellen, zwischen Solist und Orchester aufgeteilten Passagen.

Auch in der "Pathétique", der 6. Sinfonie h-Moll von Peter Tschaikowsky galt es, die Ohren von möglichem Rezeptionsballast zu befreien. Trotz einer insgesamt sehr guten Aufführung befriedigte die Interpretation vielleicht nicht diejenigen, die vor allem die emotionale Größe des Werkes zuvorderst hören wollten. Dafür waren die Tempi etwa im Höhepunkt des 1. Satzes und im Finale zu zügig. Vieles war sauber und korrekt gearbeitet, was ja zunächst erst einmal eine Qualität ist, aber bei einem solchen Stück lohnt eben der Grenzübertritt jenseits des Schönspielens, die Nuance des Extremen in kleinen Details der Agogik eben doch. Interessanterweise blieben die Mittelsätze am deutlichsten in der Erinnerung - Thielemann kostete das "Allegro con grazia" sehr delikat aus und verpasste dem Lebensmarsch des 3. Satzes gehörigen Zug, verließ aber dabei nicht den Kontext der Sinfonie. Insofern hatten auch die normalerweise tränenreichen Wellen des letzten Satzes in der hier energetischen, keineswegs ausschließlich Endgültigkeit verheißenden Deutung durchaus ihre Berechtigung.
(8.2.15)

Klassiker der Popmusik im orchestralen Gewand

Bormann, Götze und das Kreuzschulorchester unter Dietrich Zöllner im Benefizkonzert

In der heutigen Zeit gibt es viele schlaue Bücher, die Lehrern und Eltern musikbegeisterter Kinder mitteilen, wie die Sprößlinge am besten an die hehre Musik herangeführt werden sollen. Das zerteilt sich schnell in Spreu und Weizen, doch es gibt gottlob auch abseits der Lehrbücher Wege, die vielleicht steiniger sind, aber schon deshalb ehrlicher, weil die Musik und der kreative Prozess stets im Mittelpunkt bleiben.

Man nehme also einen enthusiasmierten Musiklehrer, der auch außerhalb der Schule Musik sein Leben nennt, dazu einen Bassisten und einen Gitarristen, die gemeinsam eines der phantasie- und stimmungsvollsten Duos der Stadt bilden, sowie 73 junge Schüler des Kreuzschulorchesters, die erwartungsgespannt mit ihrem Instrument der Dinge harren, die da auf sie zukommen. Der Schlüssel ist das gemeinsame Tun und Erarbeiten des Neuen - Überraschungen und Entdeckungen sind da inklusive. Vom Erfolg dieses einmaligen Projektes "10 Saiten und ein Orchester" konnte man sich am Sonntag in der Kreuzkirche überzeugen - die als Benefizkonzert für die Sanierung des Treppenhauses der Kirche durchgeführte Veranstaltung zog sehr viele Besucher an, die begeistert mitgingen.

Musiklehrer und Dirigent Dietrich Zöllner wird mächtig stolz auf seine Schüler gewesen sein, die bei weiten nicht nur einen Background für Gitarrist Stephan Bormann und Bassist Tom Götze bildeten, sondern gleichberechtigter Teil des Ganzen waren. Dafür sorgten Zöllners farbige Arrangements, die eben alle Instrumente des bunten Ensembles berücksichtigten ohne den besonderen Charakter der Songs zu verfremden. Ebenso wie das Duo sich eine eigene gefühlvolle Welt in den Songs erschuf, hatte Zöllner in den Bearbeitungen der Klassiker von Sting, Peter Gabriel oder Pink Floyd die Klangfarbenpalette ausgereizt - hier ein Violinsolo, dort ein sanfter Teppich der Flöten, die Vocals wurden gleich aus dem Orchester mitbesetzt. Dabei überwog im gesamten Konzert die Sorgfalt und der Respekt vor den Originalen. Lernen konnte man auf jeden Fall, dass guter Jazz und Pop keineswegs allein durch das hemmungslose Austoben im Bandkeller entsteht (was auch nötig ist) - es steckt viel disziplinierte Arbeit dahinter.

Das stimmungsvolle "Let it be" war ebenso ein Höhepunkt wie die mit allem Schlagwerk einzureißenden Mauern in "The Wall" von Pink Floyd. Wenn Götze und Bormann alleine spielten, verließ das Orchester nicht etwa den Altarraum, sondern lauschte gespannt und ließ sich inspirieren - ebenso wie die Zuhörer, die ihre Volksliedkenntnisse beim wunderschön ausgearbeiteten "Vöglein" auffrischen konnten. Großer Jubel für alle Beteiligten stand am Ende des Konzertes, das für die Schüler sicher einen einmaligen Höhepunkt der Vorbereitung über ein halbes Jahr bedeutete - der Beifall der Zuhörer rief indes eindringlich zur Wiederholung oder gar Fortsetzung auf. Wie auch immer die nächsten Projekte sich anhören werden, an Kreativität herrscht beim Kreuzschulorchester kein Mangel.

CD-Tipp: Stephan Bormann / Tom Götze: Pearls (2013)
(3.2.15)

Überbordende Phantasie

Hans Rotts 1. Sinfonie E-Dur im Philharmoniekonzert

Es macht Sinn, in die Komponierstuben im Jahr 1878 zu schauen, um zu begreifen, was sich am Sonnabend im Schauspielhaus auf der Bühne abspielte: der 65jährige Richard Wagner saß in Bayreuth an der Ausarbeitung der Parsifal-Partitur, in Wien genoß Brahms den Erfolg der Uraufführung seiner 2. Sinfonie, während Bruckner nach dem Durchfallen seiner Dritten bereits mit dem fertiggestellten Nachfolger, der "Romantischen" Sinfonie, haderte. In Bruckners Theorieklasse examinierte gerade der junge Gustav Mahler, der seinem "Klagenden Lied" nicht nur ein bombastisches Instrumentarium verpasste, sondern auch gleich die Gedichte selbst verfasste. Strauss schrieb als gerade 14jähriger erste Kompositionen für die familiäre Hausmusik, Reger war 5 Jahre alt.

Ebenfalls bei Bruckner studierte der junge Hans Rott und legte eben in diesem Jahr den 1. Satz seiner Sinfonie E-Dur zu einem Kompositionswettbewerb vor, es war trotz Fürsprache von Bruckner ein erfolgloses Vorhaben und dem Komponisten widerfuhren weitere Niederlagen, die in psychische Krisen und schließlich einen frühen Tod mündeten. Erst 1989 wurde die Sinfonie uraufgeführt - der Frankfurter Opernchef Sebastian Weigle hat sie in den letzten zehn Jahren oft dirigiert. Im Dresdner Schauspielhaus gelang eine beeindruckende Aufführung. Trotz der akustischen Unzulänglichkeiten breiteten die Philharmoniker ein ganzes Füllhorn an musikalischen Details und Nuancen aus.

In allen Sätzen sind die Bläser stark beteiligt am thematischen Geschehen; hier galt es, mit differenziertem Spiel nicht nur die Übergänge auszuformen, sondern einen großen Bogen herzustellen, was bei Rotts überbordender Phantasie nicht gerade leicht ist. Doch Weigle gelang mit dem Orchester sogar ein bis in kleinste motivische Fäden verstehendes Spiel; hervorragende Soli von Trompete, Horn und Oboe gesellten sich hinzu, so dass man an diesem riesigen spätromantischen Farbtopf großen Spaß hatte und die harmonischen und klangfarblichen Sensationen - an denen sich auch Gustav Mahler später weidete - genau wahrnehmen konnte. Dass die nahezu von Linz nach Wien breit ausgelegten Orgelpunkte dann im 4. Satz doch etwas die Faktur zur Erschöpfung brachten, war in der bis zum letzten Aushauchen stimmigen Interpretation kaum spürbar - hier gaben alle Musiker ihr Bestes, weil man wohl auch gar nicht anders kann angesichts des Raffinements der Erfindung.

Vorangegangen war ein Klassiker des romantischen Klavierkonzertes - Edvard Griegs einziges Konzert gibt sich unbekümmert von großem Pathos weitgehend lyrisch. Der junge ukrainische, in New York lebende Pianist Dmitri Levkovich zehrt zwar von ersten Wettbewerbserfolgen, doch dieses Debut mit dem Dresdner Orchester ging gründlich schief: bereits der erste Akkord war nicht mit den Philharmonikern zusammen, in der Folge zeigte Levkovich viel zu viele falsche Töne und verwaschen gespielte Phrasenenden, die er ungünstig mit dem Pedal verschleierte.

Seine kaum verständlichen Rubati blieben ohne Konzept und es reihten sich nurmehr einzelne Momente aneinander. Sebastian Weigle folgte tapfer mit dem Orchester dem sich zuweilen in geschwind-virtuosen, aber kaum präzisen Gewaltausbrüchen ergehenden Solisten, der auch den Beginn des 3. Satzes kaum bewältigte und am Ende im Tutti nicht einmal auf den Schlag mit dem Orchester zusammenfand. Die in der Folge erster Wettbewerbserfolge versprochenen und eingelösten Orchesterdebuts sollten generell einmal hinterfragt werden, wenn die pianistische Reife schlicht noch Zeit und Fleiß benötigt.
(2.2.15)

Traum XCVI

Meine Augenärztin - ich weiß nur vage, dass sie einen Doppelnamen hat, habe aber gar keine Augenärztin - stirbt, bevor ich zur Behandlung bei ihr drankomme. Zuvor habe ich in einer Warteschlange vor dem Behandlungszimmer mitgebrachte Einkäufe auspacken müssen.

Montag, 2. Februar 2015

[netto]

Genervte Menschen legen
Ungenießbares aufs Band.
Eine Hausfrau kippt Kleingeld aus.
Die Urzeitkasse bootet nicht mehr.
Fuselgeruch.

Mittwoch, 28. Januar 2015

Ein derbes und vergnügliches Pasticcio

Ernst Lubitschs "So this is Paris" als Filmmusikkonzert mit der Dresdner Philharmonie

Die Sinfoniekonzerte sind das Hauptbetätigungsfeld eines Orchesters wie der Dresdner Philharmonie, doch einmal im Jahr wagt das Ensemble einen Ausflug in die Welt der Filmmusik. Seit der Schließung des Kulturpalastes dient der große Saal im Hygienemuseum als Kinokasten und wäre nicht die etwas plautzende Akustik im Weg, würde man glatt ausrufen: "Mehr davon!", denn die Klassiker der Stummfilmzeit in Verbindung mit packender Livemusik von einem großen Orchester gespielt, das kann keine Flimmerkiste und auch keine noch so gute Restaurationsfassung eines Filmes auf DVD ersetzen.

Diesmal stand mit "So this is Paris" aus dem Jahr 1926 eine der großen Gesellschaftskomödien von Ernst Lubitsch auf dem Programm, nachdem die Partnerschaft mit dem Dirigenten und Arrangeur Helmut Imig in den letzten Jahren vor allem Chaplin-Filmen gewidmet war. Es ist ein Film mit vielen reizenden Details und vier großen Stummfilmstars - eigentlich fünf, denn Myrna Loy ist da noch als Haushälterin in einer Nebenrolle zu sehen und darf nur einmal kurz durchs Zimmer schreiten. Der hier genüßlich erzählte Ehebruch im Quartett führt nicht nur dazu, dass der Falsche im Gefängnis landet, man bekommt auch mit der Ballszene eine opulente Inszenierung Lubitschs mit Hunderten Tänzern zu sehen.

Der "Künstlerball" ist ein filmischer Rauschzustand, der perfekt in diese doch manchmal auch weltfern anmutende Komödie passt. Imig hat für die musikalische Begleitung des Films Musik kompiliert, die das Paris der 20er Jahre als Schmelztiegel zeigt: von Chopin über Satie bis Ibert und Françaix reichen die musikalischen Allusionen, mal im Original zitiert, dann wieder jazzig mit Posaunendämpfern und rhythmischer Verzerrung in der Partitur versteckt. Film und Musik verbinden sich gut und sorgen beim Zuschauen für größtes Vergnügen.

Verschwiegen werden darf dabei nicht, dass die Philharmoniker sich hier auf einem Terrain bewegen, das keinesfalls als leichte Muse missinterpretiert werden darf. Was da so beschwingt klingt und vor allem in der von einem Charleston dominierten acht Minuten langen Ball-Szene auch die Beine unruhig werden läßt, will erst einmal leichtfüßig aus den Instrumenten hervorgebracht werden. Zudem sparte Helmut Imig in der Live-Aufführung am Sonntagvormittag nicht mit spontaner Tempoarbeit, um zur nächsten Ohrfeige einer der Protagonisten auf der Leinwand wieder exakt auf der Filmspur zu liegen.

Bei allem Spaß und guter Konzentration, den die Philharmoniker in diesem auch vor Schlagern und Johann Strauß nicht haltmachendem Pasticcio zeigten: etwas weniger heiß gestrickt darf es schon zugehen. In vielen Szenen überwog, das war auch manchmal der Instrumentation geschuldet, eine eher laute Derbheit, die dem Spannungsaufbau im Film fast zuvorkam. Der süffisante, leise Humor eines Satie oder Poulenc kam, obwohl von Imig in der Einführung angekündigt, insgesamt zu kurz. Komödiantisch gab sich der Arrangeur Imig auch in einigen Zitaten: die Hinwendung der Doktorsgattin zu seichten Liebesromanen mit orientalischem Background mit Rimski-Korsakows Sheherazade zu kommentieren, ist eine schöne Geste, Lubitschs bildnerischen Humor im Musikalischen fortzusetzen.

Sonntag, 25. Januar 2015

Ehrung für den Komponisten Rudi Stephan

Abwechslungsreiches Sinfoniekonzert von "medicanti" in der Kreuzkirche

Wenn von den Kulturinstitutionen neue Konzertprogramme erstellt werden, hört man manchmal den Satz "Damit bekommen wir den Saal nicht voll." Abgesehen davon, dass die Quote niemals der einzige Grund einer musikalischen Darbietung sein sollte, kann man in Dresden erfreulicherweise oft erleben, wie leidenschaftliches Musizieren und eine spannende Programmgestaltung auch in Sphären des Unbekannten durchaus viele Zuhörer interessieren. "medicanti", das Orchester an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, kann hier wiederholt als lebendiges Beispiel herangezogen werden: zum Sinfoniekonzert am Sonntag gab es in der Kreuzkirche großen Publikumsandrang.

Die Entdeckerlust praktiziert Dirigent Wolfgang Behrend mit seinem Ensemble seit Jahren erfolgreich - diesmal galt das Augenmerk drei farbig orchestrierten Werken des 20. Jahrhunderts. Stilistisch beschritten Rudi Stephan, Alexander Arutjunjan und Sergej Prokofieff unterschiedliche Wege. Die Begegnung mit der "Musik für Orchester" des vor 100 Jahren im 1. Weltkrieg gefallenen, 1887 in Worms geborenen Komponisten geriet eindrücklich. Stephans Experimente einer frei in der Klangfarbe fließenden Musik, gerade noch mit ähnlichen Wegbeschreitungen in frühen Werken von Berg und Schönberg vergleichbar, endeten abrupt. medicanti setzten sich mit viel Engagement für dieses Stück ein, schon hier beeindruckte neben der souverän agierenden Horngruppe ein das Stück durchdringender, verstehender Gesamtklang, was bei den vielen flirrenden Nebenstimmen gerade der Bläser in der schwierigen Akustik nicht selbstverständlich ist. Im April ist übrigens eine erneute musikalische Begegnung mit Rudi Stephan möglich - die Dresdner Philharmonie wird dann die "Musik für Geige und Orchester" vorstellen.

Vielleicht beim ersten Hören leichter zugänglich, aber vor allem rhythmisch keineswegs einfacher spielbar ist Arutjunjans Trompetenkonzert aus dem Jahr 1950. Es ist bis heute das einzige Werk des musikalisch einen konservativen Stil pflegenden armenischen Komponisten, das dank eines dankbar-spielfreudigen solistischen Parts öfters zu erleben ist. Für selbigen war der Dresdner Trompeter Sebastian Schöne zuständig - die im Kirchenraum nutzbare dynamische Bandbreite des Instruments kostete er ebenso aus wie die Virtuosität, die Arutjunjan dem Solisten zur Entfaltung gibt. Behrend gab dem Orchester hier regelrecht die Sporen in den schnellen Passagen, ein saftiger Tutti-Klang war die Folge, der der aber genau zu dieser Stilistik passte.

Zum Beschluss stellte medicanti die letzte, die 7. Sinfonie cis-Moll von Sergej Prokofieff vor, ein wegen der schwer festzulegenden Ausrichtung der Grundcharakteristik nicht einfach zu handhabendes Stück. Behrend setzte auf die melodischen Qualitäten der Sinfonie - der typische "Prokofieff-Sound" entfaltete sich vor allem in Motiven, die an die Stilistik der bekannten Ballettmusiken erinnern. Selbst manche zunächst naiv anmutenden Passagen waren da schlicht schön ausgearbeitet und so gelang auch ein Bogen bis zum nachdenklich auspendelnden Schluss des Werkes.

Naturalistische Schwerpunkte

Zeitgenössische Musik mit dem TALEA Ensemble im Kulturrathaus

Rund siebzig sächsische Komponisten präsentieren sich auf einer Website, die der Komponistenverband vor einigen Jahren installiert hat. Nimmt man alle sich nicht dort vorstellenden Tonsetzer sowie den komponierenden Nachwuchs an den Hochschulen und Musikschulen hinzu, muss man um die Entstehung von neuer Musik keine Sorge tragen - allein, wer führt sie auf? Im Verbund von KlangNetz Dresden ist auch der Sächsische Musikbund vertreten, der sich seit 1998 genau um die Pflege der Musik lebender Komponisten in Sachsen bemüht und im Schnitt pro Jahr sechs Projekte initiiert, die jeweils in den drei sächsischen Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz stattfinden.

Das TALEA Ensemble, das in diesem Rahmen am Sonnabend im Kulturrathaus musizierte, schlägt zudem eine Brücke nach Sachsen-Anhalt - die Musiker des gemischten Kammerensembles stammen aus Orchestern in Leipzig und Halle. Abwechslungsreich und stimmig wirkte die Dramaturgie des Konzertes, dessen zwei Hälften von je einem "Klassiker" der zeitgenössischen Musik eröffnet wurden. Stilistisch sehr unterschiedlich, waren die beiden Stücke von George Crumb (Eleven Echoes of Autumn) und György Kurtág (Hommage à R. Schumann) doch verwandt in ihrem Angebot vielfältiger Bezüge innerhalb und außerhalb der Musik. Sie waren auch hervorragend geeignet als Einstimmung auf die neuen Kompositionen in Sachsen lebender Komponisten.

Carsten Hennigs aus einem Zyklus namens "desire" stammendes Werk "Die belebende Wirkung des Geldes" trägt zwar einen blumigen Titel, erzeugt aber mit seinen musikalischen Rotationen nicht nur den naturalistischen Effekt sich drehender Münzen, sondern auch eine beunruhigende Grundhaltung der Erwartung. Naturalismus war überraschenderweise ein Element, das dann das ganze Konzert in mehr oder weniger starker Weise durchzog und zum Nachdenken, auch über ästhetische Dimensionen aufrief. Steffen Reinholds "Echoes of Staffa" mit Bezug zur Fingalshöhle auf den Hebriden rief dazu ebenso auf wie Jens Marggrafs Gedichtbetrachtungen nach Octavio Paz "Piedras y Pájaros". Bei Knut Müllers "UTRIUSQUE COSMI" war der Bezug zur bildenden Kunst der Renaissance stark ausgearbeitet und schlug sich doch in einer eigenen, rhythmisch prägnanten und urwüchsigen Musiksprache nieder. Das Talea Ensemble zeigte sich versiert für diese sehr verschiedenen Handschriften, die sechs Musiker pflegten bei der zeitgenössischen Musik ein atmendes Miteinander und wussten auch in der schwierigen Akustik die Nuancen der Werke solistisch wie im Ensemble gut offenzulegen.

Konzerte des Sächsischen Musikbundes in Dresden
Mi, 25. März, 19:30 Uhr, Konzertsaal der HfM, "Komponieren in Sachsen", Doppelportrait mit Werken von Christian FP Kram und Christian Münch

Do, 07. Mai, Dreikönigskirche: Konzert mit vocal modern zum 100jährigen Gedenken an den Völkermord in Armenien

Mo, 29. Juni, 19:30 Uhr, Kleiner Saal der HfM: Klavierabend mit dem Pianisten Moritz Ernst, mit Werken u.a. von Johannes K. Hildebrandt, Christian FP Kram und Tobias Schick

Di, 6. Oktober, 20 Uhr, Leonhardi-Museum: "Klangportraits Sachsen-Schweiz" mit dem Schweizer Trio Saeitenwind, mit Stücken u.a. von Michael Pelzel, Knut Müller und Tobias Eduard Schick

Unter Strom

5. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle mit Arkadi Volodos und Daniele Gatti

Die TU Dresden besitzt eine Hochspannungshalle, ein bustäblich "spannender" Ort für Experimente und Forschung. Dass Dresden eine zweite Hochspannungshalle besitzt, war mir bislang nicht
bewusst, am Freitag aber zeigte die Sächsische Staatskapelle Dresden mit zwei energetisch agierenden Gästen, dass man auch ein altehrwürdiges Opernhaus buchstäblich unter Strom setzen kann. Das 5. Sinfoniekonzert wies programmatisch nach Russland: Mit dem 1. Klavierkonzert b-Moll von Peter Tschaikowsky und der 10. Sinfonie e-Moll von Dmitri Schostakowitsch erklangen zwei Werke, deren besondere, zuweilen extreme Gefühlslage kaum zum Zurücklehnen auffordert.

Insofern war es ein Glücksfall, dass mit Arcadi Volodos am Klavier und Daniele Gatti am Dirigentenpult zwei Künstler zur Verfügung standen, die sich den Werken nicht in distanziert-partiturhuldigender Dokumentation näherten, sondern komplett in die emotionalen Wechselbäder einzudringen vermochten. Volodos Interpretation widersprach deutlich der üblichen Praxis, dieses Konzert auf die Einleitungstakte reduzierend in die "Best of Klassik"-Schublade zu sortieren. Kraftvoll und oft überraschend war sein Zugang zu den Solopassagen - wenn Volodos bei Orchesterzwischenspielen lässig die Hände verschränkte und fast regungslos dem Orchester lauschte, durfte man sich sicher sein, dass innerlich schon die Energie für die nächste Passage kurz vor der Entladung stand.

Auf kraftvollen Klangrausch und genüsslich ausgestellte Virtuosität allein beschränken sich Volodos Qualitäten jedoch nicht - was war das bitte für eine wunderbar atmend-selige Pianokultur, die Volodos im zweiten Satz verströmen ließ? Die Anschlagsbandbreite dieses Pianisten ist ohnehin staunenswert, man meint im dritten Satz ein für ihn charakteristisches Staccato zu vernehmen, dass in dieser Würze kaum ein anderer Pianist so beherrscht und konsequent zelebriert. Der Mailänder Dirigent Daniele Gatti, designierter Chefdirigent des Concertgebouworkest Amsterdam, begleitete mit der Staatskapelle aufmerksam und nahm die Hochspannung mit - wenige Wackler waren da zu verschmerzen, denn hier stand Energie und Tiefe der Ausgestaltung im Vordergrund.

In kompromissloser Emotionalität führte Dmitri Schostakowitsch den Stift bei seiner 10. Sinfonie - Daniele Gatti gewährte den Zuhörern in puncto Ausdrucksvielfalt keinerlei Schonung und musizierte gar in akustisch deutlich zu vernehmenden Arbeitsgeräuschen in den Steigerungen des 1. Satzes mit. Dabei verlor er nie die Übersicht über die immensen Bögen der Sinfonie und behielt auch in der wüsten Gewalt des "Stalin-Satzes" jederzeit die Kontrolle und setzte dabei messerscharfe Akzente. Gespenstisch zog dann der 3. Satz mit Hornsignalen und skurriler Walzer-Welt vorüber. Höhepunkte dieser tollen Interpretation waren nicht nur die großartig ausmusizierten Tutti-Passagen, sondern vor allem die empfundenen Holzbläser-Soli zu Beginn des Finalsatzes. Wo Schostakowitsch eine einzelne Stimme sprechen läßt, gaben sich die Musiker der Kapelle mit ganzem Können hin - und diese Musik traf bis ins Mark.

Neue Musik in allen Facetten

Das KlangNetz Dresden startet in ein üppig gefülltes Konzertjahr 2015

Gäbe es einen Seismographen, der die Klangwellen zeitgenössischer Musik an einem bestimmten Ort aufzeichnen würde, so hätte das Messgerät 2014 kontinuierlich deutliche Ausschläge über das ganze Jahr hinweg an verschiedenen Orten in Dresden verzeichnet. Das "KlangNetz Dresden", der Netzwerkverbund Dresdner Ensembles und Kulturschaffender, setzt sich seit zwei Jahren als eingetragener Verein für die Koordination, und Veranstaltung von Konzerten mit zeitgenössischer Musik ein. Was da allein im vergangenen Jahr auf die Beine gestellt wurde, konnte sich sehen und hören lassen: in 46 eigenen oder in Kooperation durchgeführten Veranstaltungen - dazu zählen auch Einführungen oder Workshops - lockte das KlangNetz 3550 Besucher an.

Zieht man das Netz weitmaschiger zu den Partnerinstitutionen wie Semperoper und Philharmonie, dürften es noch weit mehr Zuhörer gewesen sein. Dabei regierte im vergangenen Jahr vor allem die Vielfalt - von Spektralmusik über Kammerkonzerte bis hin zu Workshops etwa mit dem Komponisten Wolfgang Rihm reichte die Bandbreite. Als Höhepunkte der Konzertaktivitäten, so der Leiter von KlangNetz Dresden Jörn Peter Hiekel, ist das Schulvermittlungsprojekt "A-S-S-E-M-B-L-E!" und die eigene, über das ganze Jahr von verschiedenen Ensembles in immer neuen Aspekten beleuchtete Reihe "Einstürzende Mauern" anläßlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls zu nennen.

Die Vermittlungsarbeit steht auch weiterhin als wichtiges Element auf der Agenda; moderierte Konzerte, Schul- und Komponierprojekte sollen die zeitgenössische Musik nicht nur verständlich, sondern interaktiv erlebbar machen. Auch die Idee der eigenen Konzertreihe wird 2015 fortgeführt. In diesem Jahr heißt das Thema der Reihe, die in den Sälen des Kooperationspartners Hygiene-Museum stattfindet, "Freundschaften" und startet am 21. Mai mit einem ungewöhnlichen Abend mit zeitgenössischer Musik und Tango - als verbindendes Element wird dabei Luis Buñuels berühmter Film "Un Chien Andalou" dienen, ganz neue Kompositionen werden Boris Bell und Eric Egan an diesem Abend beisteuern. Wie aus Freundschaften Musik entsteht, wie Zwischenmenschliches Niederschlag in der Kunst findet oder eben auch freundschaftliche Beziehungen in Tönen und Klängen gestaltbar sind, dem wird sich diese Reihe in mehreren Konzerten widmen - ein jedes mit mindestens einer Uraufführung.

Mit dem üppigen Konzertjahr 2015 (die Homepage verzeichnet bereits jetzt gut 40 Termine bis zur Jahresmitte) startet das KlangNetz Dresden übrigens schon in dieser Woche: eine "besondere Farbe", so Hiekel, wird der dänische Komponist Simon Steen-Andersen mitbringen, der an der Dresdner Musikhochschule unter anderem zu einem Workshop und einem von Dresdner Studenten gestalteten Porträtkonzert gastiert. Steen-Andersen gilt als kreativer Soundkünstler mit einem heterogen zu nennenden OEuvre, das sich den Genres Film und Populärmusik öffnet und in Collagen oder mit installativen Elementen neue Bedeutungsebenen schafft. Als "Manipulator" oder Live-Installateur wird Steen-Andersen auch im Konzert als Interpret seiner Stücke zu erleben sein.

Neben der Fortführung bereits bekannter Konzertformate wie dem "Short Concert" an der Musikhochschule oder der "Ersten Anhörung", die die Dresdner Philharmonie mit Kompositionsstudenten durchführt, ist ein Highlight der ersten Jahreshälfte auch die Begegnung mit der Capell-Compositrice Sofia Gubaidulina, die anläßlich ihrer Kapell-Uraufführung auch einen Workshop an der Hochschule gibt. Existenziell und intensiv nachwirkend sind Gubaidulinas Kammermusikkompositionen - diese gibt es dann in einem KlangNetz-Gesprächskonzert am 16. April zu hören.

Ausgewählte Konzerte KlangNetz Dresden
* 28. Januar, 18. März, 22. April "Short Concerts" an der Musikhochschule
* 15./16. April, Sofia Gubaidulina zu Gast an der Musikhochschule Dresden
* 21. Mai, Hygienemuseum, Liebschaften – Neue Musik und Tango
Eröffnungskonzert der Reihe „Freundschaften“ von KlangNetz Dresden mit dem Ensemble "El Perro Andaluz"

Freitag, 9. Januar 2015

Näää...?

Im Nachgang zu einer kleinen Twitter-Diskussion gestern abend muss ich doch kurz mal bloggend die Gedanken ordnen. Man lebt ja nun in einer Stadt, in der seit Wochen die Pegida-Demonstrationen stattfinden. Stets gibt es Gegendemonstrationen, es ist auch schon viel geschrieben und diskutiert worden. Eine wirkliche Lösung scheint nicht anzustehen, zumal es auch verständlicherweise unterschiedliche Reaktionen gibt: Auf Beschimpfungen und Verunglimpfungen (Volksverräter, Lügenpresse) kann mit Beschimpfung und Verunglimpfung (Nazis, Idioten) reagiert werden oder auch gar mit Ignoranz, viele analysieren nun gründlich und versuchen das in den Brunnen gefallene Kind wieder herauszuziehen. Gegen Verschwörungen helfen nur Fakten, eine verquere Gesinnung beseitigt man sicher nicht per Handstreich. Es bilden sich nun jede Woche Demonstrationsfronten - bei der letzten Pegida-Demo stand ein einsamer Wagen, der zum Dialog einlud, mit wenig Resonanz. Die Gegendemonstrationen sind zahlenmäßig unterlegen, nicht jeder bekommt in Dresden den Hintern hoch, aber offenbar fehlt es auch an klaren Ansagen und Bekenntnissen.

Letzte Woche habe ich mir von Dresden-Nazifrei anhören müssen, dass die Demo vom "Neujahrsputz" eben nicht #nopegida sei (Besitzansprüche auf einen Hashtag?), das sei ja lediglich das Bündnis von "Dresden für alle", man würde sich eigene Aktionen für den 12.1. aufsparen. In einem weiteren Kommentar, die Quelle finde ich gerade nicht, las ich noch, der Neujahrsputz, sei ja eher von den "braven Lichterkettenbürgern" durchgeführt. Demo ist offenbar nicht gleich Demo, lerne ich.

Die Staatskanzlei verkündete diese Woche, man wolle nun am Samstag demonstrieren, nicht "gegen" etwas, sondern für "Weltoffenheit, Menschlichkeit und Dialog", aufgerufen haben dazu Land und Stadt - in persona Tillich und Orosz (CDU). Gleich meldeten sich da einige zu Wort und bedauerten, der Aufruf wäre ein Alleingang von Orosz ohne Mitteilung an Stadtrat und Bündnisse.

Ein klares #nopegida fehlt in der Ankündigung der Veranstaltung am Samstag, mehr noch: am Mittwoch sprach der CDU-Politiker Frank Kupfer in die Sachsenspiegel-Kameras, die 18000 Demonstranten der Pegida seien am Samstag ausdrücklich eingeladen. Daraufhin haben sich in der gestrigen kleinen Twitterdiskussion einige abgewendet und meinten, damit sei die Teilnahme hinfällig. In dem Sachsenspiegel-Beitrag gibt es unterschiedliche Haltungen der Parteien zu Organisation und Teilnehmern von Pegida. Während man sich uneins ist, ob man Gespräch sucht, die Menschen anhört oder sich abwendend die "Wutbürger" verteufelt, zeigt der Beitrag auch, dass die Organisatoren der Pegida sicher nicht am Samstag zu den so betitelten "Volksverrätern" gehen werden, sondern sich bereits in die offenen Arme der AfD geworfen haben. (hier komplett).

So schreien sie denn alle "Nää, wenn der x kommt, geh ich da nicht hin", jeder pocht auf seine eigene Haltung und guckt sorgfältig, wer da neben ihm demonstriert. Die wöchentliche Neuorganisation der Bürgerschaft zu den Demos ist schwierig, nicht jeder hat jeden Montagabend Zeit - die Großdemo am Samstag könnte ein Zeichen sein, dass einmal alle Bündnisse, Parteien, Bürger zusammenfinden, andere Städte haben es ja schon vorgemacht.

Heute titelt die DNN übrigens "Dresden steht morgen gegen Pegida gemeinsam auf dem Neumarkt" - nicht als Zitat, sondern als Überschrift. Fernab von Parteigeningel meine ich, der Anlass der Demo ist wichtig. Genau hinhören und hinhören sollte man trotzdem, vor allem sollte der kleinste gemeinsame Nenner in den Grundwerten der Demokratie liegen. Wer diese mit Füßen tritt, sollte auch nicht eingeladen werden.

Donnerstag, 8. Januar 2015

9 Sinfonien

Die Blogidee von classicallife bzw. all is yar nehme ich mal auf, merke aber gleich, dass ich an den Regeln scheitere. Es sind 9 Sinfonien für die "einsame Insel" zu nennen, jeder Komponist darf nur einmal vorkommen, Nummerierung entspricht dem jeweiligen Stück (also 1 = 1. Sinfonie von ...), Beethoven ausgeschlossen - die neun gehen sowieso extra mit. Ich musste bei einigen kämpfen, um den Favoriten zu nennen. Dass Bruckner und Mahler nicht auftauchen, ist meiner Liebe für Entlegenes geschuldet. Aber alle diese Stücke finde ich auf ihre Weise großartig.
1 - Alfred Schnittke
2 - Ralph Vaughan Williams
3 - Avet Terteryan
4 - Franz Schmidt
5 - Carl Nielsen
6 - Karl Amadeus Hartmann
7 - Jean Sibelius
8 - Dmitri Schostakowitsch
9 - Allan Pettersson

Kurzer Kommentar dazu: Bei den ersten vier habe ich mich schwergetan, weil natürlich da noch sehr viele Komponisten zu berücksichtigen sind, die überhaupt nur 1-4 Sinfonien geschrieben haben. Aber dennoch (o weh) kein Hans Rott, kein Brahms, Martinu, Szymanowski, Roussel, kein Havergal Brian, auch Gubaidulinas Sinfonie oder Berios Sinfonia mussten hier entfallen. Großartiger finde ich die 1. Sinfonie von Schnittke, die mit allem "aufräumt", was sich jemals Sinfonie geschimpft hat. Dafür ist die "Zweite" ganz traditionell. Die Dritte von Terteryan ist mir noch als Live-Erlebnis in Erinnerung, ähnlich wie Kanchelis Sinfonien, die hier auch nicht auftauchen, ein nachdrückliches Klangereignis. Nielsens 5. liebe ich ebenso wie Hartmanns 6. (sorry, Gustav Mahler) und Sibelius' 7. - hier hätte ich aber beinahe Hans Werner Henze den Vorzug gegeben. Die Acht war schwierig, sehr schätze ich Dvoraks Geniestreich, aber auch Bruckners Achte. Die Neun gehört ganz klar Allan Pettersson, den ich hiermit auch wieder einmal zum Hören empfehle - vorsicht, das ist nichts zum Zurücklehnen, gerade die 9. Sinfonie ist ein Riesensatz von 75 Minuten Dauer.

Hier sind noch Listen anderer Blogger zu finden:
* Alex Ross
* Scott Chamberlain (mit Videos)
* Emily Hogstad (mit Videos)

Samstag, 3. Januar 2015

Traum XCV

kurze in Erinnung behaltene Szenerie aus mehreren "Tableaus" gestern nacht: ich wohne einem Konzert eines der El-Sistema-Orchester bei, es ist zu Ende, Zugabe. Ich erwarte Marquez' Danzon Nr. 2, aber das Orchester entscheidet sich für Rachmaninows "Toteninsel". Das Publikum klatscht den 5/8-Takt mit...

Dienstag, 30. Dezember 2014

In behaglicher Grundstimmung

Weihnachtskonzert der Dresdner Philharmonie mit Werken von Strauss und Tschaikowsky

Was die kulinarischen Genüsse angeht, dürfte Einigkeit herrschen: es mag zwar Abwandlungen in den Rezepten und manche Kreativität im Detail geben, aber zwischen Braten, Gans und Kartoffelsalat bleibt die Konstante: festlich soll es sein, und munden soll es wie jedes Jahr. In der Weihnachtszeit werden selten Traditionen auf den Kopf gestellt, das gilt auch für die musikalischen Gewohnheiten. Bleibt man beim kulinarischen Vergleich, so stellt sich die Rezeptvielfalt der Dresdner Philharmonie im Weihnachtskonzert am 1. Feiertag zwar erfreulich dar, die durch die Werkauswahl über dem ganzen Abend schwebende Behaglichkeit war dann doch für denjenigen zu präsent, der im Konzert nach Abwechslung und Anspruch suchte.

Denn mit Sicherheit ist Richard Strauss' Orchestersuite nach Molière "Der Bürger als Edelmann" eben nicht eines seiner fortschrittlichsten Werke, zudem gerät man beim Hören innerlich in den Konflikt, zwischen der Gegenwart der Aufführung, der Zeit der Entstehung (1918) und der Bezugnahme auf das 17. Jahrhundert umherzuirren - und das bei einem heutzutage kaum vom Sessel reißenden Sujet, an dem sich Strauss selbst eher museal abarbeitete. Trotzdem gelang der Philharmonie dank der umsichtig-liebevollen Leitung durch Chefdirigent Michael Sanderling eine gute Darbietung im von Strauss kammermusikalisch ausgereizten Ensemble. Auch die solistischen Parts von Geige (Heike Janicke) und Cello (Ulf Prelle) waren sorgsam ausgeführt, so dass man sich durchweg am Schönklang weiden konnte.

Der zweite Teil des Konzertes war Werken von Peter Tschaikowsky gewidmet: mit der Onegin-Polonaise, den Rokoko-Variationen und der Fantasie-Ouvertüre "Romeo und Julia" wagte man sich auch hier in nicht allzu schwere Dimensionen - verglichen etwa mit den Zuspitzungen von Berlioz und Prokofjew positioniert Tschaikowsky das Shakespeare-Drama in eine eher märchenhafte Klangumgebung - zu sehr rüttelten da auch die Forderungen der an einer nationalen Musik bastelnden Gruppe des "Mächtigen Häufleins" um Balakirew an Tschaikowskys Kreativität. Sei's drum, an Weihnachten darf man sich auch mal im Klang baden: Michael Sanderling sorgte für einen satt-voluminösen Streicherklang und legte fast ein bißchen zu forsche Dramatik in die schnellen Passagen. Auf diese Weise gelang aber wiederum ein guter Kontrast zu den schön ausgehörten Bläserthemen des Beginns.

Der Höhepunkt des Konzertes war zweifellos der - das Werk gibt leider keine längere Präsenz her - kurze Auftritt des Cellisten Julian Steckel mit den "Rokoko-Variationen". Steckel schaffte es, mit außerordentlich leicht klingender Präzision und tollem Sinn für unterschiedlichste Tongebungen auf dem Instrument die Variationen - so naiv deren Thema auch zunächst daherkommt - wieder im Hörerlebnis spannend zu machen ohne in Sentiment oder dem Werk unangepasste Dramatik zu verfallen. Da hatte jemand schlicht Spaß am Stück, spielte in gewisser Weise ehrlich und konnte diese Spielkultur in höchst überzeugender Manier auch zum Zuhörer transportieren - bravo.
(27.12.)

Romantisches für die Bratsche

Vladimir Buka? in der Hochschul-Reihe "Professoren im Konzert"

Nähert man sich dem Neumarkt aus Richtung des Pirnaischen Platzes, so fällt das Objekt zwischen Tiefgarage, Polizei und Albertinume vielleicht nicht sofort auf. Bei näherem Hinsehen stellt man aber schon von außen fest, dass das schmale Gebäude Rampische Straße 29 liebevoll rekonstruiert wurde und dem westlichen Teil des Gebäudeensembles angemessene Würde verleiht. Bis 2010 aufgebaut, dient es heute - so eine Vorgabe der Stifter und Spender dieses Hauses - unter anderem als Studentenwohnheim für die Musikhochschule Dresden.

Damit der Unterhalt gesichert werden kann, musizierte man am Donnerstagabend im Konzertsaal der Musikhochschule mit dem Benefizgedanken für das Bürgerhaus, für das eine eigene Kulturstiftung existiert. Zu hören gab es eine neue Ausgabe der Reihe "Professoren im Konzert". Zwar sind viele Lehrende der Musikhochschule ohnehin im Kulturleben der Stadt verwurzelt, doch zum einen betrifft das nicht alle Professoren - manche, wie etwa Vladimír Buka?, haben ihren Lebensmittelpunkt in Prag oder an anderen Orten. Außerdem bietet die Reihe auch den reizvollen Anlass, dass die Studierenden ihren Lehrer bei der künstlerischen Artikulation im Konzert erleben können. Vladimír Buka?, der seit 1993 im legendären tschechischen Talich-Quartett spielt, lehrt sein Instrument, die Bratsche, seit 2002 am Institut und spielte ein Programm, das selbst dem bratschenliteraturvertrauten Hörer einige interessante Entdeckungen feilbot. Mit dem Scherzo c-Moll von Johannes Brahms wurde gleich ein nicht ganz einfacher Einstieg gewagt, bei der auch Marie-Anna Buka?ova am Klavier gleich gefordert wurde. Erst bei der folgenden, unvollendeten Sonate von Michail Glinka fanden die beiden zu verständigem und spannendem Spiel zusammen.

Die Werkauswahl, ausgehend von der Romantik bis zu tonalen Vertretern des 20. Jahrhunderts, sorgte nun für eine stetige Spannungssteigerung in den Interpretationen. Sogar die Themen der oft sich virtuos der Geigenliteratur ihrer Zeit anlehnenden Stücke waren sich im aufschwingend-ornamentierenden Charakter ähnlich, einen "Ausreißer" fand man da eher nicht. George Enescus Konzertstück für Bratsche und Klavier meisterte Buka? ebenso vortrefflich wie die "Zwei Stücke" des britischen Komponisten Frank Bridge - beide Komponisten sind in Konzertprogrammen nur selten anzutreffen, überraschen aber durch eine starke eigene Handschrift. Buka?s Bratschenklang gibt sich in all diesen Werken weniger romantisch-süffig, sondern stattdessen angenehm klar und unprätentiös. So verleiht er dem Instrument gehöriges Volumen, wenn der Klaviersatz vollgriffig zu übertönen versucht und gibt den kantablen Linien eine überzeugende, zielgerichtete Führung und Prägung.

Erst in einer Bearbeitung dreier Stücke aus dem Ballett "Romeo und Julia" von Sergej Prokofjew wurde die Stilistik auch auf die Tongebung erweitert - die Tragödie des Liebespaars erforderte einen sinnlich-narrativen Zugang und Buka? fand dazu etwa bei "Julias Tod" glasig-schöne Töne auf seinem Instrument. Wenn man am Ende des Konzertes - nach zwei Zugaben - konstatiert, dass man gerne noch mehr gehört hätte, was möglicherweise auch noch andere Facetten von Instrument und Interpretation eröffnet hätte, so ist dies durchaus als inspirative Ermunterung zu verstehen.
(13.12.)

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Traum XCIV

Recital. Kommst Du morgen mit nach Bielfeld (sic!) mit den Ungarn? Publikum stummgeschaltet. Hinübergerettet ins Reale. Turin immer noch im Kopf. "Come on" und sie macht es.

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Traum XCIII

Dreiteiliger Traum: 1) ich bin in einem Kaufhaus und werde von Sicherheitsbeamten befragt, angeblich hätte ich etwas gestohlen. Ich kann alles erklären und darf gehen. Ob die Gegenstände (2x Parfum, die sich in meiner Tasche befinden) wirklich von mir gestohlen wurden, wird nicht klar. Neben sitzt die ganze Zeit der nächste aufgegriffene "Kandidat", der meine Unschuldsbeteuerung mit einer Mischung aus Angst und Bewunderung verfolgt. 2) ich gehe an vielen Hallen mit vielen Menschen vorbei - eine Art Messe oder Oktoberfest o.ä. und laufe bis zum Ende der Straße, wo ich an einem Verkaufswagen eine Currywurst bestelle. J. kommt mit Hund vorbei.
3) Ich habe im Garten Pflaster für eine Terrasse gelegt und gieße den Sand und Lehm mit Wasser fort. Auf den Pflastersteinen kommen Buchstaben zum Vorschein - eine Botschaft, die ich aber im Traum nicht entschlüsseln kann.

Sonntag, 14. Dezember 2014

Traum XCII

Ich bin mit anderen in einem steppenähnlichen Land unterwegs, wobei sich ab und zu verlassene Gleise und Schuppen in das Panorama mischen. Auf meinem Arm landet ein Gänsegeier, er ist offenbar abgerichtet. Das passiert in diesem Traum mehrfach, einmal hat er einen Zeitungsartikel dabei, in dem etwas über Gänsegeier steht. Atmosphäre insgesamt sehr gelassen und positiv.

Montag, 8. Dezember 2014

Traum XCI

Mehrteiliger Traum, aber ich weiß nur noch diesen Teil:
Bin draußen mit M. unterwegs, wir sehen Flugzeuge landen, eines vollführt einen waghalsigen Anflug auf den Flughafen durch Häuserschluchten - die Tragflächen verschwinden um die nächste Hausecke wenige Meter über der Straße. Ein weiteres Flugzeug nähert sich, es hat einen großen Korpus mit etwas "daruntergebautem" dran und dreht sich ein wenig in der Luft. Wir sehen, dass es die "Airforce One" ist, in meiner Traumfassung allerdings mit vier überdimensionalen gelben Enten (ducks) auf dem Rumpf. Das Flugzeug ist noch einige Meter entfernt, als wir mit Schrecken vernehmen, dass daraus geschossen wird - Maschinengewehrsalven in Richtung der Menschen am Boden, die schreiend auseinanderrennen. Auch wir rennen und können uns unter der aufgeklappten Ladefläche eines Lieferwagens verstecken.
(an dieser Stelle aufgewacht)

Hallelujah!

Strawinsky, Pärt und Adams im Philharmonie-Konzert

Das 5. Abendkonzert in der Dresdner Philharmonie am Sonnabend war in jeder Hinsicht außergewöhnlich, denn es standen drei sehr anspruchsvolle Werke auf dem Programm, die verschiedene musikalische Strömungen des 20. Jahrhunderts beleuchteten - keinesfalls gängiges Repertoire und faszinierend in der Zusammenstellung. Der Titel des Hauptwerkes, "Harmonielehre" des US-Amerikaners John Adams, wäre auch als Motto gut geeignet gewesen, denn der kreative Umgang mit Klangverbindungen in der Horizontale der Musik zeichnete alle Stücke aus, wenngleich diese sehr unterschiedlich wirkten.

Für Strawinsky, Pärt und Adams war mit Dennis Russell Davies ein Experte für diese Klangwelten eingeladen worden - nimmt man die Zugabe und den kammermusikalischen Epilog hinzu, gelang ein sehr intensiver Einblick in die Welt der "Minimal Music". Igor Strawinskys "Sinfonien für Bläser" (1947) standen beziehungsreich am Beginn des Programms, man kann dem leicht unterkühlt wirkenden Bläsersatz durchaus unterstellen, dass die hier angewendete blockhafte Montagetechnik ein Vorbild für spätere Minimal-Experimente war. Das kurze Stück wurde von den Bläsern der Philharmonie prägnant und mit klangsinnigem Choralschluss interpretiert, sodann gingen die Philharmoniker zu Arvo Pärts 2003 entstandenem "Lamentate" für Klavier und Orchester über.

Schade, dass Pärts Inspirationsquelle, die monumentale Skulptur "Marsyas" von Anish Kapoor, nicht wenigstens im Programmheft abgebildet war. Beim Zuhören konnte man sich zudem vorstellen, wie der Raum und die Musik gewirkt hätte, würde "Marsyas" im großen Lichthof des Albertinums über den Zuschauern schweben - hineinpassen würde die 150 Meter lange Skulptur wohl eher nicht. Dennis Russell Davies mit dem Orchester und die japanische Pianistin Maki Namekawa fanden im Laufe des "Lamentate" immer besser zusammen, wenngleich gerade die forte-Passagen etwa des "Spietato" mit säulenartigen Akkorden schwer in der Akustik umzusetzen waren. Doch nach und nach standen die Töne gleichsam beziehungslos und geschliffen im Raum; es breitete sich die bekannt ruhige Atmosphäre aus, die Pärts Musik zu eigen ist und die dennoch Raum läßt für die "Bilder im Kopf".

Maki Namekawa, die Pärt gut artikulierend interpretierte, gab eine Klavier-Etüde von Philip Glass als Zugabe - damit wurde auch ein guter Übergang zu John Adams geschaffen. Dessen 40-minütiges Orchesterwerk "Harmonielehre" (der Titel bezieht sich auf Arnold Schönbergs gleichnamiges Lehrwerk) aus dem Jahr 1985 war für den Komponisten ein künstlerischer Befreiungsakt, eine Art komponierte Katharsis. Wer sich diese Partitur auf's Pult legt, sollte wissen was er tut: in riesigen, rhythmisch höchst vertrackten Wellen rollen da entfesselte Klänge auf den Zuhörer zu, und wer dachte, der Stil des Minimalism würde lediglich Reduktion und Wiederholung bedeuten, irrte.

Komplex und mit einer gewaltigen inneren Kraft gibt sich die "Harmonielehre"; die Interpretation war für die Philharmoniker eine große Herausforderung, die aber unter Dennis Russell Davies erfahrenen, die übereinandergelegten Rhythmen klar ordnenden Händen zu einem grandiosen Spektakel geriet, bei dem man von dem vor allem im letzten Satz in den vom Dirigenten gut organisierten Klangsog mitgezogen wurde. Zuhörer wie Musiker mussten nach den letzten in den Lichthof katapultierten Akkorden erst einmal durchatmen, großer Applaus folgte und sodann gab es zum Ausklang eine ebenso schwindelig machende Hörerfahrung mit John Adams "Hallelujah Junction" (1996), die Dennis Russell Davies und Maki Namekawa mit sichtlicher Freude an zwei Flügeln darboten.

Montag, 1. Dezember 2014

Adventskalender 2014

Es ist ja schon Tradition auf diesem Blog - die kleine Adventskalenderschau am 1. Dezember. Dabei stelle ich einige Links zu online-Adventskalender zusammen, vornehmlich aus dem Kulturbereich, manches aus Dresden. Vielleicht kommen auch noch einige hinzu, die ich erst im Laufe der Tage entdecke.

Als ich mit der Adventskalenderschau startete, hatte ich mich auf Airlines konzentriert, weil es da meist tolle Reisen und andere Preise zu gewinnen gab, leider gibt es bei tui, germanwings & Co. keine Kalender mehr. Daher dehne ich meine Links auf Reise-Seiten allgemein aus und da wird man doch noch fündig:
* hotel.de-Kalender - gleich am ersten Tag gibt es Übernachtungen in Wien zu gewinnen!
* ein schöner Kalender von dfds-seaways
* die bestwestern-Hotels locken mit Gutscheinen
* pünktliche Züge findet man im Kalender der Deutschen Bahn nicht, stattdessen darf man einen vereisten ICE durch eine Winterwelt lotsen und Gewinne abräumen.
* airberlin bietet keinen Kalender an, nur ein Weihnachts-Special an einigen Tagen.
* KLM hat zwar einen schönen Adventskalender, der allerdings bei mir noch nicht funktioniert :(
* das fliegermagazin arbeitet wieder mit dem "Zeitfenster" im Adventskalender. Klickglück gibts also nur selten, ansonsten: "Leider kein Glück."
* opodo hat einen einarmigen Banditen geschaltet und verlost vier große Reisen.
* und einer noch: Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten - ob da Träume wahr werden? Zumindest eine Vergünstigung gibts am ersten Tag.
Süchtig geworden? Hier sind noch mehr Links zu Kalendern zum Thema Reise&Co.

Kultur & Co:
* Semperoper-Adventskalender - um diese nächtliche Uhrzeit noch nicht online, aber es soll Türchen geben... UPDATE: Ja, es gibt Türchen, die sich aber zu den üblichen Bürozeiten öffnen...
* die Dresdner Philharmonie öffnet jeden Mittwoch ein Türchen, es gibt Konzertkarten zu gewinnen. Leider ist zum Zeitpunkt dieses Postings die erste Verlosung schon vorbei, denn bis Sonntag muss man geantwortet haben... Auch hier der Hinweis: Nachts gucken bringt nichts.
* ach guck: auch die Staatsoperette Dresden ist dieses Jahr dabei. Am ersten Tag gibt es gleich mal einen leckeren Christstollen zu gewinnen. UPDATE: Oh, am 3. Dezember gibt es - Tadaa - einen Christstollen!
* der crescendo-Adventskalender
* einen sehr kreativen Kalender (wöchentlich) bietet der rundfunkchor berlin auf seiner facebook-Seite an

Dresden:
* der LOEMUWEIKA - klar, der LOEbtauer MUsikalische WEIhnachtsKAlender. Nix online, dafür Musik im Viertel.
* Advent auch in Laubegast - mit Kalender! (danke an Stephan)
* schon Tradition: Advenster in der Neustadt
* und zum sechsten Mal ist auch im Hechtviertel wieder einiges los beim Hecht-Adventskalender
* im Barockviertel Königstraße gibt es wieder den Adventsgeschichtenkalender mit Lesungen von Dresdner Prominenten.
* online gibt es beim Oberelbemarathon 24x was zu gewinnen - heute gleich einen Freistart für den Marathon 2015. Laufen muss man allerdings selbst ;)

miscellaneous:
* Der Sonntagskrimi-Adventskalender: tolle Preise von Tatort & Polizeiruf!
* Kalender von jetzt.de (u. a. mit einer Reise nach Dresden als Preis :D )
* Kalender von chip.de

Habe ich interessante Kalender vergessen? Bitte ergänzt gerne in den Kommentaren!

Facetten des Todes

MDR-Orchester und Chor im Frauenkirchen-Konzert zum Ewigkeitssonntag

Konzerte in den Novembertagen lehnen sich in Dresden vielfältig dem Kirchenjahreslauf an. So kann man in den eher dunkleren Tagen einer Annäherung oder Auseinandersetzung mit Themen nachkommen, bei denen die Musik eine Brückenfunktion einnimmt und uns auch die Freiheit gibt, die Nähe oder Distanz selbst zu bestimmen. Ein von der Frauenkirche veranstaltetes Konzert zum Ewigkeitssonntag versammelte die Klangkörper des MDR unter der Überschrift "Requiescat in pace" innerhalb der Konzertreihe "Aufbruch und Ewigkeit".

Chor und Sinfonieorchester des MDR unter der Leitung von Chefdirigent Kristjan Järvi hatten sich aber nicht für eine einzelne abendfüllende Requiem-Komposition entschieden, sondern stellten einem 1994 entstandenen, kompakteren Werk dieser Gattung des estnischen Komponisten Erkki-Sven Tüür (geboren 1959) zwei spätromantische Stücke gegenüber, die nicht mit dem liturgischen Text operierten, sondern eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Gestalt des Todes boten. Arnold Böcklins berühmtes Gemälde "Die Toteninsel" gerät durch Sergej Rachmaninows plastische Umsetzung in der gleichnamigen Tondichtung gleichsam in Bewegung.

Kristjan Järvi schuf sowohl in der Einleitung als auch in den am Schluss fast unauffällig aufscheinenden "Dies Irae"-Zitaten am Schluss eine sanft wogende Atmosphäre. In klaren dynamischen Grenzen musizierte er mit dem Orchester die Höhepunkte, so dass die Insel hier weniger den pathetischen Höllenanstrich bekam als vielmehr als phantastische Naturzeichnung wirkte.

Den großen Bariton Sergej Leiferkus, der just an der Semperoper in Leoš Janáčeks "Das schlaue Füchslein" brilliert, mit Modest Mussorgskijs "Liedern und Tänzen des Todes" erleben zu dürfen - das kann man allein schon als besonderes Geschenk betrachten. Leiferkus ging völlig in der Partie auf und fand genau den Gänsehaut verursachenden Tonfall, mit dem der tanzende und singende Tod - unterstützt von Dmitri Schostakowitschs vorsichtig untermalender Instrumentierung - die Menschen umgarnt. Kristjan Järvi begleitete dies so behutsam, dass Leiferkus sich ganz frei entfalten konnte und alle Farben in den Strophen des Zyklus intensivst auskostete.

Mit einem "echten" Requiem war dann nach der Pause ein perspektivischer Wechsel verbunden - statt der künstlerischen Betrachtung stand nun der innere Dialog mit den Worten der Totenmesse im Mittelpunkt. Erkki-Sven Tüürs Ansichten auf dieses Thema sind in einer extrem dem Ausdruck verpflichteten Musiksprache verfasst. Schmerz und Verlorenheit bilden sich in rotierenden Dissonanzen oder Clustern ab, Stärke und Zuversicht der Aussage finden zur Einstimmigkeit oder zu minimal changierenden Klangbildern - in solch einer "sprechenden" Partitur konnte sich Kristjan Järvi sehr zu Hause fühlen und differenziert in der Aufführung selbst quasi "registerziehend" mit Orchester und Chor arbeiten.

Gerade die "einfach" wirkenden Abschnitte sind dabei in der Schwierigkeit der Ausführung nicht zu unterschätzen. Nur in wenigen Teilen, die im Orchester von bewegten Flächen dominiert waren (etwa im "Agnus Dei"), geriet der Chor etwas in den Hintergrund - die Kirchenakustik hilft einem solchen Stück leider nicht zu völliger Transparenz. Doch mit dem Raum ist der stets hervorragend artikulierende MDR-Chor (Einstudierung Bart van Reyn) gut vertraut und auch die beiden Soli wurden aus dem Chor heraus von Antje Moldenhauer-Schrell und Falk Hoffmann versiert vorgetragen. Interessant an Tüürs Werk ist nach dem "Dies Irae" ein weiterer Höhepunkt am Ende des "Domine Jesu" - der Übergang in die anderen Sphären des "Sanctus" gerät hier als Rückschau auf das Chaos der vergangenen Welt. Dies zeigte eindringlich, dass der alte Text der Totenmesse in immer neuen Bildern interpretiert werden kann, das "komponierte Gedenken" auch je nach Anlass und eigener Erfahrung neu und sehr anregend sein kann.

Viel Beifall für Strauss' Kammermusik

Sonaten und Lieder erklangen im 2. Kapell-Kammerabend

Der Nachruhm des Komponisten Richard Strauss gründet sich vornehmlich auf seine Opern und Orchesterwerke - der Kammermusik hat sich Strauss über Jahrzehnte fast gar nicht gewidmet. Sieht man sich den Werkkatalog an, so dürften es pragmatische Gründe für die Vernachlässigung dieses Genres - mit Ausnahme des Liedschaffens - gewesen sein. Während Strauss in seiner Jugend Kammermusik vornehmlich für Familienmitglieder und Freunde komponierte und sich mit diesen Werken auch in Dresden einen Namen machte, gibt es erst wieder im Alterswerk einige wenige Stücke - doch selbst die "Metamorphosen" für 23 Solostreicher bezeichnete er als "Handgelenksübung".

Innerhalb der Richard-Strauss-Tage der Semperoper durfte dennoch ein Kammermusikabend nicht fehlen, denn viele dieser Werke wurden im Tonkünstlerverein der Staatskapelle uraufgeführt und werden bis heute gepflegt. Beim 2. Kammerabend der Staatskapelle konnte man auch weniger bahnbrechende Stücke erleben und quasi in die Wohnstube schauen, wo Strauss zwischen Abendessen und Skat vermutlich seine "Daphne-Etüde" für des Enkels Violinstunde geschrieben hat - selbstverständlich wurden diese paar Notenzeilen ebenso mit Inbrunst vorgetragen wie das "Ständchen" für Violine, Viola, Cello und Klavier, das, im familiären Rahmen aufgeführt, sicher Beifall für den 18jährigen Komponisten eintrug.

Von anderem Kaliber sind da schon seine Sonaten für Cello und Violine - ersteres ein deutlich Johannes Brahms verpflichtetes, auch zuweilen etwas brav und redselig daherkommendes Stück, dem Konzertmeister Norbert Anger gemeinsam mit Gunther Anger am Klavier aber gehörig Temperament einhauchte. Zudem, und das war eine Konstante an diesem Abend, konnte man im Gegensatz zu den oft opulenten Orchesterwerken hier den leisen Tönen nachlauschen, die Strauss ebenso intensiv auskomponierte: der zweite Satz der Cellosonate, der sich in nachdenklicher Manier kaum von der Stelle bewegt, gelang den beiden Interpreten meisterlich.

Solcherlei Zurückhaltung ist auch in der Violinsonate gefordert, die man von der Proportionierung her auch getrost als "Sonate für Klavier mit Violine" bezeichnen könnte. Doch Musiker wie Matthias Wollong (Violine) und Paul Rivinius (Klavier) wissen mit einer solchen mit Läufen und Ornamenten "geschwärzten" Partitur umzugehen: Rivinius bewahrte Wollong mit noblem Anschlag vor dem Untergang im vollgriffigen Klaviersatz, und mit schönem kantablen und stets souverän artikulierendem Spiel befreite Wollong die Sonate sofort von allem Unbill technischer Schwierigkeiten, der ihr nachgesagt wird.

Im Zentrum des Konzertes stand eine Auswahl des Strauss'schen Liedschaffens. Die Sopranistin Camilla Nylund war kurzfristig für die erkrankte Carolina Ullrich eingesprungen und brillierte mit einer schönen Zusammenstellung, quasi einem "Best of" der Klavierlieder. Klug disponierte sie die Höhepunkte, ließ ihren warmen Sopran verströmen und fand in den leisesten Stimmungen etwa in "Befreit" und "Morgen!" auch kongenial mit ihrem Begleiter Jobst Schneiderat zusammen, der die Melodielinien auf den Tasten differenziert aushorchte. Nach dem zuversichtlichen Schluss der "Zueignung" zeigten sich die Zuhörer begeistert - das hohe Niveau des gesamten Abends fand reichlichen Beifall.

Tschechische Sinfonik im Mittelpunkt

Stipendiatenkonzert mit der Philharmonie Teplice in der Musikhochschule

Manchmal wird Dresden gerne an einen wie immer auch zu definierenden "Rand" sortiert. Das mag von den Grenzen des Landes her stimmen, ansonsten sollte man dieser meist hingeworfene Bemerkung deutlich widersprechen, zumal das Überspringen kultureller Grenzen nicht nur in heutigen Zeiten meist mühelos zu vollziehen ist, sondern meistens auch zur Erweiterung und Bereicherung des eigenen Horizonts führt. Am Mittwoch wähnte man sich beim Stipendiatenkonzert der Brücke/Most-Stiftung, die sich genau diesem Kulturaustausch widmet, im Zentrum Europas.

Das im Rahmen der Tschechisch-Deutschen Kulturtage veranstaltete Konzert erhielt durch seine Solisten und Dirigenten aus Tschechien, Japan und Korea zudem internationales Flair. Seit 2011 führt die Stiftung Orchesterkonzerte mit Stipendiaten durch, die Dresdner Musikhochschule darf sich hier der Partnerschaft mit der Nordböhmischen Philharmonie Teplice versichern, die nun schon zum vierten Mal im Konzertsaal der Musikhochschule gastierte. Rektor Ekkehard Klemm zeichnete zu Beginn die koreanische Cellistin Sang Wha Kim mit einem DAAD-Stipendium aus, bevor das tschechisch-französisch geprägte, umfangreiche musikalische Programm startete.

Fünf Solisten, drei Dirigenten und insgesamt elf Kompositionen erforderten von den Musikern viel Aufmerksamkeit, was angesichts kleiner Piècen von Camille Saint-Saëns oder Antonín Dvořák zwar gut gelang, aber eben auch trotz guter Darbietung beim Zuhörer sehr leichtgefügt durchs Ohr rauschte - außer einem schönen Geigenklang, den Lenka Matejáková sofort ihrem Instrument entlockte, bietet Dvořáks Romanze eben nicht viel Tiefgang. Stilistisch etwas einsam im Programmzusammenhang wirkte auch das Altposaunenkonzert von Georg Christoph Wagenseil, das Klemm vom Cembalo aus leitete und das Michal Cerný mit warmtimbriertem Klang der Soloposaune ausstattete. Kristýna Landová (Querflöte) widmete sich drei kurzen Kompositionen von Saint-Saëns, die sich auf diese Weise fast zu einem Konzert fügten. Hier wie auch in manchen anderen Werken des Abends war bei den Solisten und den beiden jungen Dirigenten (Yukari Saito und Manyou Choi) eine leichte Nervosität zu beobachten, die zu einem vorsichtigen, abgesicherten Spiel führte.

Daher erhielten etwa Bedřich Smetanas Tondichtungen "Vyšehrad" und "Aus Böhmens Hain und Flur" aus dem Zyklus "Mein Vaterland" eine ziemlich geradlinige Interpretation, erst bei der berühmten "Moldau" spielten sich die Musiker mit dem Dirigenten frei. Gleich zu Beginn musste man sich über unscharfe Konturen in der Ouvertüre zur Oper "Die verkaufte Braut" wundern - obwohl Yukari Saito sich vom Pult aus mit recht klarer Gestik artikulierte, fehlte dem Stück vor allem die rhythmische Spannung. Im Orchester wechselten sich tolle Klangmomente mit Unstimmigkeiten doch zu oft ab, sodass ein insgesamt nicht ganz überzeugendes Bild entstand. Beispielsweise war die Begleitung der beiden hervorragenden Solisten Jana Kubíková (Querflöte) und Petr Kubík (Klarinette) in Saint-Saëns "Tarantella" sehr einfühlsam gelungen, doch mit der Akustik im Konzertsaal kam nicht nur der überartikulierende Harfenist in "Vyšehrad" nicht gut zurecht, dessen bis in den Rang hörbare Nachstimmaktion des Instrumentes in seinen Pausentakten ebenfalls keinen guten Eindruck machte.

Vielleicht hat hier die Masse des zu Präsentierenden und der stetige Wechsel von Solisten und Dirigenten die Intensität des Konzertes etwas gemindert. Im vollbesetzten Konzertsaal war viel Dankbarkeit für die kulturelle Begegnung mit Tschechien zu spüren. Ganz klar zu unterstützen ist die Initiative, mit der Musik unserer Nachbarn in jungen, frischen Interpretationen Grenzen gar nicht erst entstehen zu lassen.

Freitag, 28. November 2014

Traum XCI

Im Konzert. Jemand eilt zum Dirigenten (M.S.), der dirigierend an den Pauken sitzt und teilt mit, die Flötistin sei zusammengebrochen. Konzertabbruch.

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