Mittwoch, 10. April 2013

"Neustadt-Palais"

Neustadt, Du veränderst Dich.



[Nur die Deppenapostrophe bleiben...]

Brahms in "High Definition"

Lisa Batiashvili und Christian Thielemann im 10. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle

Die musikalische Bande zwischen der Sächsischen Staatskapelle und ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann ist längst geknüpft - bei den Osterfestspielen in Salzburg, wo die Staatskapelle nun in der ersten Saison als Residenzorchester auftrat und sich höchste Meriten erwarb, konnte sie in den Parsifal-Aufführungen und den Orchesterkonzerten intensiviert werden. Gute Voraussetzungen also für die Rückkehr in gewohnte Sphären, wenngleich das 10. Sinfoniekonzert im Semperbau nur ein kurzes Luftholen in der Heimat bedeutete: mit dem Brahms-Programm dieses Konzertes sowie der 8. Sinfonie von Anton Bruckner begibt sich die Staatskapelle auf eine USA-Tournee, der ein Konzert in der Bonner Beethovenhalle vorausgeht.

Keineswegs durfte man aber die gänzlich bekannten Brahms-Stücke als leichte Kost unterschätzen, zumal Thielemann die sinfonischen Werke des Komponisten in dieser Saison als Dreh- und Angelpunkt seiner Konzerte und CD-Aufnahmen bestimmt hat. Mit der 4. Sinfonie e-Moll Opus 98 komplettierte Thielemann die Aufführungen aller Sinfonien, das Violinkonzert wurde bereits im letzten Jahr für die CD produziert. Beide Werke zeigen den Komponisten in meisterlicher Reife, die beiden zeitlich dazwischen stehenden Ouvertüren ergänzen dieses Bild sinnfällig.

Thielemann entzog der "Akademischen Festouvertüre" Opus 80 daher auch allen Pomp und konzentrierte sich auf sorgsame Ausarbeitung der Klangfarben ohne den Fluss des Stückes zu verlieren. Nobler Glanz verbreitete sich, doch die kaum mitreißende Patina des Werkes ließ sich kaum verhindern - ein tieferes Musikerlebnis gönnt uns Brahms mit den Studentenliederzitaten eben nicht.

Ganz anders gibt sich das Violinkonzert D-Dur: sinfonisch, virtuos, genial komponiert und mit dem damaligen Interpreten Joseph Joachim erarbeitet. Die Capell-Virtuosin Lisa Batiashvili, die bereits im Februar mit einem Recital das Dresdner Publikum begeisterte, entschied sich für die wenig bekannte Kadenz von Ferruccio Busoni und teilte damit dem Publikum unzweifelhaft auch eine Haltung mit - nämlich die Legitimation einer Lebendigkeit des Werkes über die Zeiten, die eben auch neue Sichtweisen auf ein Stück einschließt. Nicht nur die Kadenz war von brodelnder Spannung getragen: von Beginn an - die von Thielemann frisch und deutlich angegangene Einleitung blieb dem Orchester vorbehalten - nahm Batiashvili das Heft in die Hand und bescherte dem Dresdner Publikum eine packende Darstellung dieses Konzertes, die über alle drei Sätze trug, und in ihrer in jedem Takt hochmusikalischen Herangehensweise, die Impulsivität, Können und Wissen vereinte überzeugte.

Batiashvili schuf eine eindeutige, von gutem Selbstbewusstsein und herber Klangfarbe bestimmte Charakteristik für alle Themen. Scheinbar belanglose Begleitfiguren erhielten ihre korrekte Bedeutung durch Emphase der Harmonik oder Setzen energetischer Zielpunkte - der 3. Satz erhielt seine bekannte Spielfreude, ohne jemals flüchtig oder oberflächlich zu wirken - eine starke Leistung der aus Georgien stammenden Geigerin. Brahms leuchtete so in "high definition", wobei das Orchester durchweg aufmerksam diesen Weg nachvollzog - lediglich dem Bläsersatz zu Beginn des 2. Satzes fehlte noch ein Quentchen Souveränität.

Im sinfonischen "Opus Summum" des Komponisten war es erfreulich, erneut wahrzunehmen, mit welchem offenkundigen gegenseitigen Verständnis Thielemann und das Orchester die Balance zwischen Detailgenauigkeit und Satzfluss herstellen. So erhielt der erste Satz mit weichen Auftakten im Thema und transparenter Durchführung einen enormen Drang zum Satzschluss hin, um den Mittelsätzen den richtigen Platz im Gesamtgefüge zuzuweisen. Die abschließende Passacaglia wiederum zeugte mit zahlreichen wunderbaren Passagen in den einzelnen Orchestergruppen noch einmal von der reifen Größe des Komponisten, der zum Beschlusse seines sinfonischen Werkes den Übervater Bach gebührlich zu Wort kommen läßt.

Auf die Aufnahmen des sinfonischen Zyklus darf man durchaus gespannt sein, man sollte dabei aber nicht die Einzigartigkeit eines jeden Konzertes vergessen - die Lebendigkeit eines vollkommen ausgekosteten Momentes ist bei Werken von Johannes Brahms ein Schatz, der bei Thielemann und der Sächsischen Staatskapelle in guten Händen aufgehoben ist.

(8.4.2013)

Gerüstet für die Zukunft

KlangNetz Dresden macht sich stark für die Musik der Gegenwart

Vier Jahre lang, von 2008 bis 2011 war das KlangNetz Dresden eines von fünfzehn Förderprojekten des "Netzwerk Neue Musik", einer Einrichtung der Kulturstiftung des Bundes. In Dresden - neben Berlin übrigens der einzige ostdeutsche Standort eines Netzwerk-Projektes - konnte so in der engen Zusammenarbeit verschiedener kultureller Institutionen der Stadt eine lebendige und vor allem nun gut vernetzte Neue-Musik-Szene etabliert werden. Als Netz-Zentrum und dauerhafter Partner fungierte die Hochschule für Musik - der Musikwissenschaftler Prof. Jörn Peter Hiekel, an der Hochschule Leiter des Institutes für Neue Musik, war federführend bei der Initiierung des Projektes und betreut das KlangNetz Dresden nun auch auf seinem Weg in die Selbständigkeit.

Mit der finanziellen Vier-Jahres-Förderung wurde, so Hiekel, nicht nur unter einen Schirm gestellt, was ohnehin stattgefunden hätte. Von KlangNetz Dresden aus wurden neue Initiativen begründet, die - dem Sinne des Netzwerkes entsprechend - Vermittlung, Kooperation und Öffentlichkeitsresonanz in den Focus stellten. Neben der schlichten Darstellung und Aufführung von Gegenwartsmusik konnten so neue Formate erprobt werden, die schnell auch vom Konzertpublikum angenommen wurden: das "KlangNetz-Ensemble" vereint Musiker der Dresdner Philharmonie und Studenten der Hochschule, die Konzertreihe "Short Concert" an der Musikhochschule bietet in knappem zeitlichen Rahmen eine intensive, originelle Betrachtung zu einem klar umrissenen musikalischen Thema. Der Dresdner Kammerchor wiederum initiierte als Partner des KlangNetz Dresden bereits zweimal eine "Internationale Chorwerkstatt", deren Teilnehmer aktuelle Vokalliteratur in Vorträgen, Proben und Workshops kennenlernen können.

Auch die "hehre" Kultur der Stadt beteiligte sich willig an der Netzwerkarbeit: der jeweilige "Capell Compositeur" (Mundry, Lang, Saunders, Staud) der Sächsischen Staatskapelle war nicht nur auf dem Papier tituliert, sondern war leibhaftig in Porträts, Podiumsgesprächen und in den Kapellkonzerten erlebbar. Und mit der Dresdner Philharmonie wurde eine “Erste Anhörung” genannte Workshop-Reihe mit Studenten-Kompositionen etabliert. Das bundesweite Projekt des Netzwerk Neue Musik ist nun beendet, doch statt einer versiegenden Gießkanne ist für die meisten Teilnehmer das Bild der wachsenden Kinderschuhe hoffentlich realistischer - von vornherein waren alle 15 Projekte auf Zukunftsfähigkeit angelegt.

Wer also in diesen vier Jahren gelernt hat, zeitgenössische Musik auf einem zeitgemäßen Level der Organisation und mit einem gerüttelt Maß an kreativen Ideen darzubieten, hat gute Chancen, dass die Neue Musik nicht nur ihren Stellenwert behält, sondern Neugier und Verantwortung beflügelt. In Dresden scheint dies nicht nur durch den Enthusiasmus, mit dem die Teilnehmer aktuell zu Werke gehen, sehr realistisch. Hiekel sieht das KlangNetz nicht nur als kontinuierlichen Spiegel der Gegenwart mit der auch weit über die Musik hinaus gehenden Frage des "Wo stehen wir eigentlich?", sondern beförderte gemeinsam mit den Partnern eine neue Strukturierung.

Im November 2012 wurde die Fortsetzung der begonnenen Projekte durch die Gründung eines gemmeinützigen Vereins gleichen Namens besiegelt. Die Runde der Teilnehmer im bestehenden KlangNetz liest sich wie ein whoiswho der Dresdner Musikkultur: Musikhochschule, Dresdner Philharmonie, Europäisches Zentrum der Künste Hellerau, AuditivVokal, Sinfonietta Dresden, Dresdner Kammerchor, elole-Klaviertrio und die Kammerensembles "Courage" und "el Perro Andaluz". Mit Prof. Matthias Drude ist der Vorsitzende des Sächsischen Komponistenverbandes "im Boot", Veranstalter wie die Blaue Fabrik und das Leonhardi-Museum bekunden ihr Engagement und werden der Musik ebenso wie die Hochschule für Musik einen passenden Klangrahmen verschaffen.

Mit der Anerkennung des Vereins als An-Institut der Hochschule für Musik ist nicht nur der administrative Knotenpunkt in der Hochschule verortet, sondern in kontinuierlicher Zusammenarbeit die intensive Förderung des musikalischen Nachwuchses angestrebt. Die Auflistung zeigt, welche Synergien künftig zwischen Musikschaffenden, Interpreten und Rezipienten möglich sind.

An Ideen für die nähere und weitere Zukunft mangelt es beim KlangNetz keinesfalls: Jörn Peter Hiekel freut sich bereits auf ein großes Projekt im Herbst in Zusammenarbeit mit dem Institut Francais, und langfristig will man eine eigene KlangNetz-Konzertreihe aufbauen, um der aktuellen Musik einen festen, wiederkehrenden Hörplatz zu ermöglichen. Schon am 27. März kann man wieder in das KlangNetz hineinhorchen: ein weiteres "Short Concert" widmet sich dann der Beziehung zwischen den Schriftstellern Marina Zwetajewa und Rainer Maria Rilke, bei der sogar Dresdens Weißer Hirsch eine Rolle spielt...

(23.3.2013)

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Vom Glasstapel
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram...
Kreidler - 16. Apr, 05:04
FLURFUNK-Podcast: Qualität in den Medien – was die Gesellschaft...
Teil IV unserer Podcast-Serie zu Qualität und...
owy - 15. Apr, 20:49
KI Deutschpop #13
Wie cool. Ein eigenes Lied über die #kartoffelfahrt...
Kreidler - 15. Apr, 05:24
KI Deutschpop #12
Mein Lieber @Gronkh es tut mir so leid, aber Chat...
Kreidler - 14. Apr, 05:24
KI Deutschpop #11
Wenn RandomTexte zu einem emotionalen Song werden...
Kreidler - 13. Apr, 05:23
160 Mio. Euro bis 2028: MDR stellt Planungen für Einsparungen...
Im Rahmen eines Führungskräfte-Treffens am...
owy - 12. Apr, 12:48

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 6690 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren